Die Chemie und unsere Welt
BIST du dir als Kind, wenn du deiner Mutter beim Anrühren und Backen eines Kuchens zugesehen hast, darüber im klaren gewesen, daß sie eine „Chemikerin“ war? Du hast dann den Kuchen gegessen, weil er dir gut schmeckte. Aber wußtest du, daß dein Körper ein höchst kompliziertes chemisches Labor war, wenn er den Kuchen verdaute und zu einem Teil deines Körpergewebes umwandelte?
Jetzt, da du erwachsen bist, magst du zwar nicht beruflich etwas mit der Chemie zu tun haben, aber du weißt, daß nichts leben könnte, gäbe es keine chemischen Vorgänge. Wahrscheinlich weißt du auch, daß vieles von dem, was wir heute verwenden, nicht da wäre, wenn gewisse Leute die Chemie nicht zu ihrem Beruf gemacht hätten.
Die Chemiker stellen natürlich nicht die Gesetze auf, gemäß denen chemische Stoffe reagieren. Sie können nur forschen, experimentieren und Instrumente wie Mikroskope verwenden, um diese Gesetze zu entdecken und zu verstehen und um zu wissen, wie sie sie anwenden können, um gewisse Ergebnisse zu erzielen.
Einige der Forschungsergebnisse der Chemie, die einen großen Einfluß auf unsere Welt ausgeübt haben, sind Sprengstoffe, Brennstoffe, Kunststoffe, Papier, Stahl, Glas, Reinigungsmittel, Arzneimittel und andere Dinge, die zu zahlreich sind, als daß man sie alle erwähnen könnte. Diese Dinge haben einen Einfluß auf unsere Arbeit, auf unser Essen, auf das Bauen, auf die Kleidung, die wir tragen, auf unsere Verkehrsmittel, ja, fast auf alles in unserem Leben ausgeübt.
Eine alte Wissenschaft
Wir wissen nicht, inwieweit die alten Ägypter, Babylonier, Syrer und Hebräer etwas von Chemie verstanden. Doch zeigt der Geschichtsbericht der Bibel, daß die Menschen schon vor diesen alten Kulturen, ja vor der weltweiten Flut vor etwa 4 300 Jahren, Kenntnisse des Hüttenwesens hatten, bei dem die Chemie eine Rolle spielt. (1. Mose 4:22) Und später sagte Hiob, der lebte, ehe Israel eine Nation wurde: „Eisen wird hervorgeholt aus der Erde, und Gestein schmelzt man zu Kupfer.“ (Hiob 28:2) König Salomo von Israel ließ Kupfer gießen. (1. Kö. 7:46, 47) Auch gab es andere Industriezweige, die eine gewisse Kenntnis der Chemie erforderten, zum Beispiel die Weinbereitung und die Herstellung von Farben und Tinte. Man gebrauchte Medikamente und nahm Einbalsamierungen vor.
Die Atomtheorie
In der Geschichte der Neuzeit sind jedoch aufgrund der Atomtheorie über den (tatsächlich schon von den alten Griechen vermuteten) Aufbau der Materie äußerst schnelle Fortschritte auf dem Gebiet der Chemie gemacht worden. Ja, die Chemiker haben einen großen Anteil an der Entwicklung der Atomtheorie gehabt.
Diese Theorie besagt, daß Atome im wesentlichen aus drei verschiedenen Teilchen bestehen: Protonen, Neutronen und Elektronen. Zusammensetzungen dieser Teilchen in unterschiedlicher Anzahl bilden die Elemente. Ein Element ist ein Stoff, der nicht auf gewöhnlichem chemischem Wege in einfachere Stoffe zerlegt werden kann. Für die gewöhnliche Chemie sind die Elemente daher die Bausteine. Als nächste Einheit kommt das Molekül, das aus einem oder mehreren Atomen bestehen kann. Dann folgen Verbindungen, die sich aus zwei oder mehreren Elementen zusammensetzen.
Es gibt zweiundneunzig Elemente, die allgemein in natürlichem Zustand vorkommen. Wasserstoff, ein Gas, ist das leichteste. Platin ist eines der schwersten. Einige andere sind künstlich hergestellt worden, so daß die Gesamtzahl der heute bekannten Elemente mehr als hundert beträgt. Das am häufigsten vorkommende Element in der Erdkruste und in den Gewässern der Erde ist Sauerstoff, der sowohl für tierisches als auch für pflanzliches Leben unbedingt erforderlich ist. Sauerstoff macht auch volumenmäßig etwa ein Fünftel der Luft aus.
Die meisten Elemente haben eine chemische Bindungskraft oder Affinität. Nur sehr wenige werden sozusagen als inaktiv betrachtet. Es gibt praktisch eine endlose Zahl von Anordnungen und Verbindungen, aus denen sich jeder vorhandene Stoff zusammensetzt. Die kompliziertesten Moleküle sind in lebenden Organismen enthalten. In letzter Zeit haben Wissenschaftler den großen Molekülen verschiedener Proteine, die aus vielen Hunderten von sehr kompliziert angeordneten Atomen bestehen, große Aufmerksamkeit geschenkt. Obwohl sie für Moleküle so groß sind, können sie nur mit Hilfe eines Elektronenmikroskops „gesehen“ werden.
Gesetze der Chemie dienen dem Wohl des Menschen
Wenn man auch unzählige chemische Verbindungen entdeckt hat, stellt man doch fest, daß in ihrer Zusammenstellung eine große Beständigkeit vorhanden ist. Tabellen der Ordnungszahlen und Atomgewichte, die aufgrund der Beobachtung der Elemente zusammengestellt worden sind, sind daher sehr zuverlässig und für den Chemiker von Nutzen. Einige der Gesetze, die die chemischen Reaktionen bestimmen, sind höchst kompliziert; doch wenn man sie versteht, sieht man, daß sie für die gesamte Materie mit höchst erstaunlicher Regelmäßigkeit maßgebend sind.
Die Elemente verbinden sich manchmal miteinander, und diese Verbindungen haben Eigenschaften, die ganz anders sind als die der Elemente allein. Ein Beispiel für eine solche Verbindung ist das Tafelsalz, das aus Chlor und Natrium besteht, beides giftige Stoffe. Wasser, eine Flüssigkeit, die sich aus Gasen zusammensetzt, und zwar aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom, weist Eigenschaften auf, die unser Leben und unser Wohlergehen auf verschiedenerlei Weise beeinflussen. Wasser hat die ungewöhnliche Eigenschaft, daß seine Moleküle, wenn es flüssig ist, dichter gefügt sind, als wenn es gefroren ist. Daher schwimmt Eis. Andernfalls würden die Seen dadurch, daß es sich auf dem Boden absetzen würde, immer zugefroren sein.
Wir können auch froh sein, daß Wasser eine größere Wärmekapazität hat als irgendeine andere gewöhnliche Flüssigkeit. Hiermit hängt zu einem großen Teil das gemäßigte Klima in der Nähe großer Gewässer zusammen. Ferner kommt keine andere Flüssigkeit dem Wasser in seiner Eigenschaft als Lösungsmittel gleich.
Sauerstoff ist ein sehr aktives Element, das sich schnell mit vielen anderen Elementen verbindet. Dadurch dient es auf ideale Weise der Reinigung der Luft und des Wassers, indem gewisse giftige Stoffe schnell oxydieren und unschädlich gemacht werden.
Hat die Chemie die Antwort auf die Fragen des Menschen?
Da die Chemie in der Welt des Menschen eine wichtige Rolle spielt, macht ihr Studium viel Freude, und sie liefert der Menschheit praktische und nützliche Dinge. Die Chemiker haben viel gelernt, aber tatsächlich haben sie nur „die Oberfläche“ dieses gewaltigen Gebietes ihrer Bemühungen ergründet. Die Chemiker wissen immer noch nicht genau, wie ein Grashalm wächst, und auch verstehen sie nicht völlig die Photosynthese, durch die die Pflanzen Nahrung für alles tierische Leben erzeugen. Bisher hat noch kein Chemiker solche Leistungen vollbracht wie die einer einzigen Zelle des menschlichen Körpers, die, wie es heißt, gleichzeitig tausend bis zweitausend verschiedene chemische Reaktionen zustande bringen kann.
Die Dinge, die die Chemie entwickelt hat, haben gute Möglichkeiten geboten, aber ungenügende Kenntnisse über ihre Folgen und ihren Mißbrauch haben viele Probleme hervorgerufen. Kunststoffe, Reinigungsmittel, Arzneimittel und Fortschritte auf dem Gebiet chemischer Vernichtungsmittel haben dazu beigetragen, daß die Menschheit in eine Zeit der Krise eingetreten ist. Man kann gewiß sagen, daß die Chemie als Zweig der Wissenschaft ebenso wie deren viele andere Zweige gezeigt hat, daß der Mensch nicht in der Lage ist, eine Welt des Friedens, der Gesundheit, des Lebens und der Sicherheit zu schaffen.