Wie kann dem Eiweißmangel abgeholfen werden?
ETWA ein Drittel der Erdbevölkerung, das ist eine Milliarde Menschen, leidet an Eiweißmangel. Als Folge davon sterben in den Entwicklungsländern Millionen Kinder, ehe sie das schulpflichtige Alter erreicht haben. Und manche der Kinder, die nicht daran sterben, erleiden bleibende geistige und körperliche Schäden.
Fachleute, die sich mit der Welternährungslage befassen, erklärten ebenfalls: „Wenn die Lage sich nicht ändert, werden Unterernährung, ja sogar Hunger die Folge sein, und das wird in den Entwicklungsländern zu beispiellosen sozialen Spannungen und politischen Eruptionen führen.“
Die Bedeutung des Eiweißes
Eiweiß ist für alle Menschen lebenswichtig. Der Körper braucht es, um Gewebe wie Muskeln, Knochen, Knorpel und Haut aufzubauen. Die chemischen Vorgänge im Körper sind von Enzymen abhängig, die zu den wichtigsten eiweißähnlichen Stoffen zählen. Nur wenn dem Körper Eiweiß zur Verfügung steht, kann er Gewebe aufbauen und verbrauchtes Gewebe ersetzen.
Der Körper produziert eigene Eiweiße, indem er Aminosäuren — kleine Bausteine aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff — zu langen, dreidimensionalen Ketten zusammenfügt. Den größten Teil der über zwanzig Aminosäuren vermag der Körper selbst aufzubauen, aber acht dieser Säuren müssen ihm mit der Nahrung zugeführt werden. Der Körper zerlegt Nahrungseiweiß in Aminosäurebausteine; diese werden dann zu neuen Proteinen aufgebaut, die für eine bestimmte Aufgabe benötigt werden.
Wenn die Nahrung eiweißarm ist oder wenn dem Körper die acht wichtigen Aminosäuren in ungenügender Menge zugeführt werden, leidet er an Eiweißmangel. Dieser Mangel führt bei Erwachsenen zu Trägheit und hemmt die Heilung von Verletzungen und die Genesung von Krankheit. Bei Kindern treten ähnliche Folgen auf, nur in verstärktem Maße. Bei geringem Eiweißmangel wird der Organismus anfällig für Infektionen der Atmungs- und der Verdauungsorgane. Bei starker Eiweißunterernährung kann die geistige und körperliche Entwicklung gehemmt werden, so daß das Kind geistig und körperlich zurückbleibt, ja sie kann sogar zum Tod führen.
Es heißt, daß die Eiweißunterernährung die Zukunft vieler Millionen der Weltbevölkerung gefährde. Das ist schon traurig genug, aber da die Eiweißversorgung immer weiter hinter dem Bedarf zurückbleibt, befürchtet man eine noch größere Eiweißkrise.
Die Erde vermag genügend zu produzieren
Vermag die Erde ihre heutige Bevölkerung nicht ausreichend zu ernähren? Experten wie die Mitarbeiter der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN sind der Meinung, daß die Erde imstande wäre, weitere Milliarden Menschen zu ernähren. Somit vermag die Erde gewiß, genügend Nahrung für die jetzige Bevölkerung hervorzubringen. Was ist denn der Grund für die Misere?
In einem Bericht des Wirtschafts- und Sozialrates der UN wurde erwähnt, daß das Problem der Eiweißversorgung durch soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten noch verwickelter würde. Es wird zugegeben, daß die gegenwärtige Eiweißproduktion ausreichen würde, um den Bedarf der Erdbevölkerung zu decken. Aber die Nahrungsmittel gelangen nicht zu den Menschen, die sie benötigen. Die bekannte Völkerkundlerin Dr. Margaret Mead erklärte: „Das Grundproblem ist ethischer Natur.“
Das unethische Verhalten des Menschen hat unter anderem zur Folge, daß in einigen Ländern der Welt Überschüsse vorhanden sind, während die Bevölkerung anderer Länder hungert; daß es in einem Teil der Welt zu viel zu essen gibt, während anderswo die Kinder darben. Die Landwirtschaftsbetriebe sind Großunternehmen geworden. Man unterscheidet zwischen Nahrungsmitteln, die die Menschen ernähren, und Nahrungsmitteln, die für gewisse Personen oder gewisse Länder eine Einnahmequelle darstellen. Heute dienen Nahrungsmittel nicht mehr nur der Ernährung von Menschen, sondern sie sind eine Handelsware.
Das Hauptproblem ist zweifellos das gegenwärtige ungerechte weltweite System der Dinge. Die Erde vermag genügend gesunde Nahrung hervorzubringen; aber unter einem System der Dinge, in dem die Selbstsucht vorherrscht und das durch politische Fragen entzweit ist, gelangt die Nahrung nicht zu den Menschen, die sie benötigen.
Bemühungen, mit einer kritischen Situation fertig zu werden
Da es dem Menschen nicht möglich ist, das Grundproblem zu lösen, das heißt eine andere Ordnung zu schaffen, hat er sich bemüht, das „Zweitbeste“ zu tun: Er hat versucht, der kritischen Situation auf verschiedene Weise zu begegnen. Man hat zum Beispiel die Fischereiflotten vergrößert. Die Fänge in der ganzen Welt sind jedes Jahr um etwa 6 Prozent gesteigert worden. Nun befürchtet man jedoch, daß der Fischbestand der Binnengewässer so wie der Meere im Jahre 1985 erschöpft wäre, würde man bis dahin (ab 1967) jährlich nur 4,7 Prozent mehr Fische anlanden.
Ferner ist man bemüht, der kritischen Situation zu begegnen, indem man die Methoden der Fischverarbeitung verbessert. Das Ziel besteht darin, diese wertvolle Eiweißquelle besser auszunutzen. Teile der Fische, die gewöhnlich nicht gegessen werden, können zu einem haltbaren Mehl mit oder ohne Fischgeschmack und Fischgeruch verarbeitet werden.
Jetzt wird für verschiedene Produkte geworben, durch die man das Proteinmangelproblem zum Teil zu bewältigen hofft. Hersteller solcher Nahrungsmittel sind bestrebt, die Methoden zur Gewinnung von Mehl und Eiweißkonzentraten aus Erdnüssen, Sojabohnen, Baumwollsamen und anderen ölhaltigen Samen, nachdem das Öl ausgepreßt worden ist, zu verbessern. Das ist bei Sojabohnen bereits gut gelungen, und die Produkte, die auf Sojabohnenproteinen basieren, sind ein Beispiel für billiges pflanzliches Protein.
Sojabohnenproteinkonzentrat ist ein milder weißer Puder, mit dem man den Eiweißgehalt von Backwaren, Suppen, Getränken und Puddings steigern kann. Eine Mischung von Maismehl, Trockenmilch, Vitaminen, Mineralien und Sojabohnenmehl ergibt eine nahrhafte, eiweißreiche Mischung, die auch zu solchen Zwecken benutzt werden kann.
Aus Pflanzeneiweißkonzentraten werden gesunde Getränke, heiße und kalte, hergestellt. In Hongkong wird ein solches Getränk mehr gekauft als Limonade. Dieses Getränk kann mit etwa hundert verschiedenen Zusätzen hergestellt werden; das bedeutet, daß man dem Geschmack der verschiedenen Völker der Erde entgegenkommen kann.
Pflanzenprotein wird auch zu Fasern versponnen, um es fleischähnlich zu machen. Die Proteinfasern werden mit Fett, Pflanzengeschmack und Stabilisatoren gemischt. Diese fleischähnlichen Produkte kann man in Scheiben oder Würfel schneiden, oder man kann sie mahlen. Sie lassen sich gut zum Strecken von Fleisch verwenden.
Aber es werden nicht nur neue Erzeugnisse aus vorhandenen Proteinen entwickelt, sondern man erforscht auch ungewöhnliche Möglichkeiten, neue Eiweißquellen zu erschließen. So gewinnt man Protein aus Erdöl, Erdgas, Sägemehl, Zuckerrohr, Gras und Kokosnußfleisch Nein, diese Erzeugnisse sind nicht für die direkte menschliche Ernährung gedacht. Auf diesen Stoffen werden Hefepilze, Bakterien und andere Pilze gezüchtet, um Protein zu erhalten. Es wird „Single Cell Protein“ oder SCP genannt. Mit diesem aus Mikroorganismen erzeugten Protein will man Tiere füttern, die dann der menschlichen Ernährung dienen sollen. Es ist verständlich, daß eine Abneigung dagegen besteht, den Menschen getrocknete Mikroorganismen als Nahrung anzubieten.
Die „Grüne Revolution“
Andere Bemühungen, die Situation zu bewältigen, haben zu der „Grünen Revolution“, einer Revolution auf dem Gebiet des Getreideanbaus, geführt. In der ganzen Welt entstammen etwa 70 Prozent des Eiweißes und der Kalorien der Getreidenahrung. Durch Pflanzenhybriden, Düngemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel und bessere Lagermöglichkeiten ist die Getreideproduktion erheblich gesteigert worden.
Man hat der „Grünen Revolution“ eine so große Bedeutung beigemessen, daß man einem führenden Pflanzenzüchter, der sich um die Entwicklung ertragreicherer Getreidesorten verdient gemacht hat, im Jahre 1970 den Friedensnobelpreis verlieh.
Durch die neuen Weizen- und Reissorten hat man in vielen Ländern eine bedeutende Steigerung der Getreideproduktion erzielt. Auf Ceylon konnte man im Laufe von nur zwei Jahren die Reisernte um 34 Prozent steigern, und in Indien konnte man im Laufe von sechs Jahren die Weizenerzeugung mehr als verdoppeln. Japan, das zu den am dichtesten bevölkerten Gebieten der Welt gehört, erntet jetzt so viel Reis, daß es noch ausführen kann. Vor sechs Jahren mußten die Philippinen jährlich eine Million Tonnen Reis einführen; im Jahre 1970 erntete man in diesem Land so viel Reis, daß es den Eigenbedarf decken konnte, und man hoffte, mit der Zeit sogar Reis ausführen zu können, doch der Jubel war verfrüht.
Jetzt befürchtet man, durch die weitverbreitete Abhängigkeit von wenigen hochertragreichen Getreidesorten die Voraussetzung für eine ungeheure Katastrophe geschaffen zu haben Wenn die neuen Sorten, die eine sehr schmale genetische Grundlage haben, das heißt hochgezüchtet sind, von einer Krankheit befallen werden, wäre eine Katastrophe die Folge, und eine Zeitlang gäbe es keinen Ersatz dafür.
Die Nachrichten von den Philippinen zeigen, daß diese Sorgen nicht unbegründet sind. „Auf den Philippinen rechnet man mit einer erneuten Reisknappheit“, diese Schlagzeile konnte man in der New York Times vom 14. Februar 1972 lesen. Ein Untertitel lautete: „Gefährlicher Virus — eine der Ursachen der ständigen Knappheit“. In dem Artikel wurde gesagt:
„Die Philippinen, das Land, in dem die Grüne Revolution begann, leiden anscheinend unter einer Reiskrise nach der anderen. Dank der hochproduktiven Reissorten, die 1966 auf den Philippinen entwickelt worden waren, erntete man bis 1970 so viel Reis, daß der Landesbedarf gedeckt werden konnte und noch ein kleiner Überschuß blieb. Aber schon im Jahre 1971 mußten die Philippinen Tausende von Tonnen Reis einführen; und ein statistisches Amt gab bekannt, daß auch in den darauffolgenden zwei Jahren wahrscheinlich wieder große Mengen Reis eingeführt werden müßten.
Wie Domingo Panganiban, ein Experte des Ernährungs- und Landwirtschaftsrates dieses Landes, erklärte, wären die Ursachen der schlechten Ernten Taifune, fehlende Geldmittel, ein Mangel an Ruhe und Ordnung und der gefährliche Pflanzenvirus tungro.“
Durch die „Grüne Revolution“ läßt sich somit der schlimme Zustand nicht beseitigen. Im Gegenteil, dadurch wird die Gefahr einer gewaltigen Hungerkatastrophe noch größer. Und selbst da, wo die Ernteerträge gesteigert werden können, gelangen die Nahrungsmittel nicht zu den hungernden Menschen. Es gibt Länder, in denen 20 Prozent der Getreideernte wegen unsachgemäßer Lagerhaltung verlorengehen!
Die Menschheit benötigt somit etwas, was besser ist als die „Grüne Revolution“ — ein neues System der Dinge, das nicht von nationalistischem Denken und selbstsüchtigen, kommerziellen Interessen beherrscht sein wird. In der Bibel wird dargelegt, wie Gott zu Lebzeiten unserer Generation ein solches System errichten wird.
Bessere Verwertung der vorhandenen Eiweißquellen
Aber was kann der Durchschnittsmensch, bis es soweit ist, für sich und seine Familie tun, um dem Eiweißmangel abzuhelfen? Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Fleisch, zum Beispiel ein Schnitzel, mag gut schmecken, aber ein Schnitzel ist nicht erforderlich, um dem Körper ausreichend Eiweiß zuzuführen. Steht Fisch zur Verfügung? Viele Menschen decken ihren Eiweißbedarf aus dieser Quelle.
Eier, Milch und Käse liefern hochwertiges Eiweiß. Kannst du dir diese Nahrungsmittel leisten? Wenn nicht, dann kannst du deinen Eiweißbedarf auch mit Pflanzeneiweiß decken. In der Bibel wird berichtet, daß vor rund 3 800 Jahren ein nahrhaftes und eiweißreiches Linsengericht gegen ein Erstgeburtsrecht eingetauscht wurde. (1. Mose 25:29-34) Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen und Erbsen sind gute Eiweißquellen, die von vielen Menschen besser genutzt werden könnten. Den meisten pflanzlichen Erzeugnissen fehlt jedoch eine oder mehrere der essentiellen Aminosäuren. Diesem Mangel kann vielfach abgeholfen werden, indem man sie durch andere pflanzliche oder durch tierische Erzeugnisse ergänzt. Besteht die Kost zum Beispiel aus Bohnen oder Maniok oder Gemüsebananen, so kann man dem Körper die fehlenden Aminosäuren zuführen, indem man ein Nahrungsmittel, das hochwertiges Eiweiß enthält, wie Eier oder Käse, dazugibt. Dann kann er alles Nahrungseiweiß gut verwerten. Um dieses Ziel jedoch zu erreichen, muß man die eiweißreichen Nahrungsmittel dazu essen.
Man kann die Eiweißzufuhr leicht vergrößern, indem man mehr Sojabohnen ißt. Sojamehl kann man vielen Speisen beifügen, oder man kann ein Sojabohnengericht zubereiten. Am wertvollsten sind die Sojabohnen, wenn sie einigermaßen frisch sind; auch muß man sie vor dem Kochen einweichen. Die gekochten Sojabohnen schmecken nußähnlich und so, als wären sie noch etwas roh. Manch einer mag daher anfänglich glauben, sie wären noch nicht gar gekocht, aber das ist eine Eigenart dieser Bohne. Sojabohnen kann man unter Salat mischen oder als Gemüse reichen.
In Ländern, in denen die Kost allgemein eiweißarm ist, können die Eltern viel tun, um den Proteinanteil in der Nahrung ihrer Kinder zu verbessern. (Siehe Erwachet! vom 8. September 1966.) In diesen Ländern werden die Kinder gewöhnlich nach dem Abstillen von einer schweren Eiweißmangelkrankheit befallen. Die Muttermilch enthält meist genügend Eiweiß, was von der Nahrung, die das Kind nach seiner Entwöhnung erhält, nicht gesagt werden kann. In vielen Ländern besteht die Hauptnahrung des Kindes nach seiner Entwöhnung aus Maniok; das Maniokmehl ist zwar reich an Kohlehydraten, aber arm an Eiweiß. Reichte man jedoch ein Gericht aus den jungen, zarten Blättern dieser Pflanze zusammen mit den Knollen, wäre das Proteinproblem gelöst. Die Blätter, die gewöhnlich weggeworfen werden, enthalten das Protein, das für eine ausgeglichene Kost erforderlich wäre.
Sollte deine Kost eiweißarm sein, so schenke den Diätregeln etwas Aufmerksamkeit. Ermittle, durch welche Nahrungsmittel du deine Kost mit Eiweiß anreichern kannst. Ob ihr, du und deine Angehörigen, gesund seid, hängt zu einem nicht geringen Teil davon ab, ob du weißt, welche Nahrungsmittel, die dir zur Verfügung stehen, eiweißreich sind.
Unsere schöne Erde kann alle Menschen, die jetzt leben, und noch viel mehr ernähren aber wir dürfen in dem gegenwärtigen System der Dinge keine gleichmäßige Verteilung der Nahrungsmittel erwarten. Warum nicht? Weil eines der kennzeichnenden Merkmale dieses Systems selbstsüchtiges Gewinnstreben ist. Die Bibel zeigt, daß die Mißstände in diesem System andauern werden, bis das System selbst beseitigt werden wird. Und wie bereits erwähnt, werden alle Menschen in Gottes neuer Ordnung genügend zu essen haben. Gottes Prophet sagte das wie folgt voraus: „Jehova der Heerscharen wird bestimmt für alle Völker ... ein Festmahl von Gerichten, reich an Öl, machen, ein Festmahl von Hefenweinen, von Gerichten, reich an Öl, mit Mark gefüllt ... Jehova selbst hat es geredet.“ — Jes. 25:6-8.