Das, was in uns Zeugnis gibt
„Mein Gewissen [gibt] mit mir Zeugnis ... in heiligem Geist.“ — Röm. 9:1.
1, 2. (a) Warum sollten wir sehr daran interessiert sein, etwas über das, was in uns Zeugnis gibt, zu erfahren? (b) Was in uns gibt Zeugnis, und womit steht es in Verbindung?
WIR alle haben etwas in uns, was Zeugnis gibt. Es kann uns sehr dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, die sowohl unser jetziges als auch unser künftiges Glück ernstlich beeinflussen. Tatsächlich gibt es dann Zeugnis, wenn es um unser Leben geht. Und die Art, wie wir auf seine Stimme reagieren, wirkt sich unvermeidlich auf das Leben anderer aus. Dadurch wird die Tatsache, daß es ein verkehrter Zeuge werden kann, um so tragischer. Es kann in kritischen Zeiten irreführendes Zeugnis geben oder es sogar völlig unterlassen, sich zu melden.
2 Was in uns gibt denn Zeugnis? Es ist unser Gewissen. (2. Kor. 1:12) Im Deutschen bedeutet das Wort „Gewissen“ im wesentlichen dasselbe wie der griechische Ausdruck (syneídesis), den die inspirierten Bibelschreiber gebrauchten. Dieses Wort bedeutet „Mitwissen“ oder „Bewußtsein“. Es handelt sich dabei um die Stimme dessen, was die Bibelschreiber als das ‘geheime Ich’, „der Mensch, der wir innerlich sind“, und „die verborgene Person des Herzens“ bezeichnen. (Ps. 51:6; 2. Kor. 4:16; 1. Petr. 3:4; vergleiche Römer 7:22.) Hast du schon einmal Worte gebraucht wie: „Ich dachte bei mir, das zu tun sei richtig“ oder: „Ich würde schon tun, was du mir sagst, aber etwas in meinem Inneren sagt nein.“? So spricht das Gewissen, unser inneres Bewußtsein oder unser Sinn für Recht und Unrecht.
3, 4. Wie gibt unser Gewissen Zeugnis? Und wie kann es uns in sittlicher Hinsicht leiten?
3 Wie gibt es Zeugnis? Indem es aufgrund sittlicher Maßstäbe entweder gegen oder für unser Verhalten aussagt und uns entweder anklagt oder entschuldigt. Es kann einen wertvollen sittlichen Sicherheitsfaktor bilden, denn es kann Schmerzen verursachen, wenn es etwas verurteilt, oder Freude bereiten, wenn es etwas gutheißt.
4 Zum Beispiel wird berichtet, daß dem David, nachdem er gegenüber König Saul eine Handlung der Unehrerbietigkeit begangen hatte, „das Herz fortwährend schlug“. (1. Sam. 24:5; vergleiche 2. Samuel 24:10.) Sein Gewissen verurteilte ihn. Nach einer anderen schweren Missetat hatte David unter Gewissensbissen zu leiden. Er selbst berichtet: „Als ich stillschwieg, verzehrten sich meine Gebeine durch mein Gestöhn den ganzen Tag. Denn Tag und Nacht war ... [Gottes] Hand schwer auf mir. Mein Lebenssaft ist verwandelt worden wie in der trockenen Sommerhitze.“ Aber als David schließlich Gott sein Unrecht bekannte und Gottes Vergebung erlangte, fand er Erleichterung und Freude. Sein Gewissen wurde wieder ruhig, es wurde wieder rein. — Ps. 32:1-5; vergleiche Vers 10 und 11.
DAS MENSCHLICHE GEWISSEN LÄSST GOTTES WEISHEIT ERKENNEN
5—8. (a) Warum brauchte Gott den ersten Menschen keine umfassende, ausführliche Gesetzessammlung zu geben? (b) Wie konnten sie, selbst wenn neue Situationen und Umstände eintreten sollten, feststellen, welches die richtige Handlungsweise war? (c) Gib Beispiele dafür an, wie die Gabe des Gewissens in ihnen wirken würde.
5 Zu Beginn der Menschheitsgeschichte umgab Jehova Gott die ersten Menschen nicht mit Regeln, durch die jede kleine Einzelheit und Phase des Lebens überwacht worden wäre. Seine allgemeinen Anweisungen und das eine Verbot, das er ihnen gab, lassen sich in einigen wenigen Zeilen der Bibel zusammenfassen. (1. Mose 1:28-30; 2:15-17) Warum war keine umfassende Gesetzessammlung nötig?
6 Jehova Gott gab seinen menschlichen Geschöpfen bei ihrer Erschaffung einen Sinn, dem Verstand innewohnte, und ein Herz, dem ein Sittlichkeitsgefühl innewohnte. Durch das Zusammenwirken von Sinn und Herz entsteht die Gabe des Gewissens. Der Mensch hat sein Gewissen daher, daß er in Gottes ‘Bild und Gleichnis’ gemacht wurde, offensichtlich nicht in physischem Sinne, sondern in sittlicher Hinsicht. (1. Mose 1:26, 27; vergleiche 2. Korinther 3:18.) Somit erhielt der Mensch die Gabe des Gewissens schon bei der Erschaffung.
7 Statt Gesetze zu erlassen, in denen jede Einzelheit von Recht und Unrecht angegeben und erklärt worden wäre, konnte Gott das Sittlichkeitsgefühl des Menschen stärken, indem er ihm seine Persönlichkeit, seine Wege und seine Maßstäbe offenbarte. Dadurch schuf Gott Grundsätze, um seine Kinder, die Menschen, zu leiten. Während sie an Erkenntnis, Verständnis und Wertschätzung für ihn zunahmen, ermöglichte es ihnen ihr Gewissen oder ihr Sittlichkeitsgefühl, diese Grundsätze auf irgendwelche Umstände, die sich ergeben konnten, anzuwenden.
8 Gott brauchte Adam zum Beispiel kein offizielles Gesetz zu geben, das besagt hätte, er dürfe seine Frau nicht schlagen oder mit Steinen bewerfen, oder das verboten hätte, einem Vogel oder einem anderen Tier aus Spaß am Töten das Leben zu nehmen. Ja, überall um sich her konnte das Menschenpaar Beweise für die Liebe, den Großmut, die Rücksicht und die Güte des Schöpfers sehen. Solche Beweise waren darin zu sehen, daß er den beiden einen wunderbaren, anpassungsfähigen Körper gegeben hatte, sowie in der Schönheit und großen Mannigfaltigkeit ihrer Umgebung und all dem Angenehmen, das er für all ihre Sinne — Geruch, Geschmack, Gefühl, Gesicht und Gehör — geschaffen hatte. (Ps. 139:14; 104:10-24; Pred. 3:11) Wieviel mehr sollte dies das Herz der Menschen doch zu Gerechtigkeit und Güte anspornen, als es ein Erlaß bewirkt hätte! Gottes Liebe zu jenen beiden Menschen diente ihnen als Beispiel für ihren Umgang miteinander. Sie bildete die Grundlage dafür, daß sich ihr Gewissen gegen Grausamkeit oder Rücksichtslosigkeit irgendwelcher Art wandte.
DIE SÜNDE BRINGT EINEN INNEREN KONFLIKT MIT SICH
9. Wie würde sich Ungehorsam auf den vollkommenen Menschen auswirken, und warum?
9 Da Adam in Gottes Gleichnis erschaffen wurde, sollte es für ihn normal und natürlich sein, die Eigenschaften seines Vaters, ja seinen Schöpfer selbst durch richtiges Verhalten widerzuspiegeln. Doch da er einen freien Willen hatte, konnte er seine eigene Wahl treffen. Wenn Adam vor der Wahl stand, in Übereinstimmung mit der Persönlichkeit und Handlungsweise Gottes oder im Gegensatz dazu zu handeln, konnte er sich für das eine oder für das andere entscheiden. Aber der Mensch konnte nur dann das „richtige Gefühl“ haben, wenn er sich für die positive Handlungsweise entschied. Eine entgegengesetzte Handlungsweise wäre „gegen den Strich“ gewesen und hätte im Inneren des Menschen zu Störungen geführt.
10. Wie zeigt der Bericht aus 1. Mose 3:6-11, daß in Adam etwas vorhanden war, was Zeugnis gab?
10 Die geschichtlichen Aufzeichnungen bestätigen dies. Als Adam und seine Frau das einzige Verbot, das Gott ihnen gegeben hatte, übertraten, machte ihnen das innerlich zu schaffen. Sie bekamen Gefühle der Schuld, Angst, Schande und Unsicherheit. Als der Schöpfer mit Adam sprach, gab dieser zu, daß er aus Furcht versucht hatte, sich zu verstecken. Es war so, als ob in ihm ein eingebauter Lügendetektor gearbeitet hätte, so daß Gott mit Recht sogleich fragen konnte: „Hast du von dem Baum, von dem nicht zu essen ich dir geboten hatte, gegessen?“ Ja, im Menschen war etwas, was Zeugnis gab, und zwar zugunsten eben dieser Schlußfolgerung. — 1. Mose 3:6-11.
11, 12. Welche andere Kraft wurde nun zu einem Bestandteil der menschlichen Natur, und wie wirkt sie sich auf die sittliche Natur und auf das Gewissen des Menschen aus?
11 Von da an haben im Menschen zwei einander entgegengesetzte Kräfte gewirkt. Obwohl er ursprünglich in Gottes Bild erschaffen wurde, wurde er nun sündig, unvollkommen. Die Sünde beeinträchtigte das menschliche Spiegelbild des ‘Gleichnisses’ des Schöpfers; sie bewirkte einen Fehler, den alle Nachkommen Adams ererbt haben, und niemand kann sich durch eigene Anstrengungen davon befreien. Die Neigung, Unrecht zu begehen, wurde nun zu einem Bestandteil der menschlichen Natur. Wurde dadurch aber das innere Gefühl für Recht und Unrecht, Gewissen genannt, ausgelöscht oder ersetzt? Nein, dieses blieb ebenfalls ein Bestandteil der menschlichen Natur. Daher erleben die Menschen — besonders, wenn sie sich sittlichen Fragen und Entscheidungen gegenübersehen — aufgrund dieser entgegengesetzten Kräfte, die in ihnen wirken, einen innerlichen Konflikt.
12 Aber kann das Gewissen der Menschen, wenn die Sünde in ihnen wirkt, noch zufriedenstellend arbeiten, ohne durch eine ausführliche Gesetzessammlung überwacht zu werden? Ja, wie es der Geschichtsbericht zeigt.
DAS GEWISSEN ARBEITET WEITER, OBWOHL KEINE GESETZESSAMMLUNG VORHANDEN IST
13, 14. Was zeigt, daß das menschliche Gewissen, obwohl nun die Sünde eine Rolle spielte, richtig arbeiten konnte, ohne daß eine Gesetzessammlung vorhanden war?
13 Erst nach der Flut finden wir ein ausdrückliches Gesetz über Mord. (1. Mose 9:5, 6) Bedeutet das, daß die Menschen vorher geglaubt hätten, sie könnten einfach töten, ohne ein Schuldgefühl zu haben? Keineswegs.
14 In Eden zeigte Gott, daß der Tod des Menschen für Übertreter seines Willens bestimmt war. (1. Mose 2:16, 17) Logischerweise sollte der Tod daher nur als Strafe für Sünde eintreten, und Gott als anerkannter Lebengeber sollte es sein, der bestimmt, wer den Tod verdient. Was geschah also, als Kain gestattete, daß ihn die Sünde veranlaßte, in glühendem Zorn seinen Bruder zu töten? Kein ausdrückliches Gesetz verbot den Mord; doch Kains Gewissen zeugte gegen ihn, wie es sein ausweichendes Verhalten zeigte, als er von Gott befragt wurde. (1. Mose 4:3-9) Später fand das Gewissen Lamechs, eines Nachkommens Kains, offensichtlich eine Entschuldigung dafür, einen jungen Mann, der ihn verwundet hatte, zu töten. Lamech trat für Selbstverteidigung ein und beanspruchte anscheinend Straflosigkeit gegenüber irgendeinem Rächer des Todes jenes Mannes. Warum? Weil er wußte, daß Gott zugesagt hatte, gegen jeden vorzugehen, der im Falle Kains Rache üben wollte, und weil er seinen eigenen Fall für entschuldbarer hielt als denjenigen Kains. (1. Mose 4:17, 18, 23, 24) Den Menschen fehlte es also nie an Grundsätzen und Präzedenzfällen, nach denen sie ihr Gewissen ausrichten konnten.
15. Wie konnte das Gewissen der Menschen Zeugnis gegen die Rebellion gegenüber der Leitung durch ein Haupt, gegen Trägheit, geschlechtliche Unsittlichkeit und ähnliches Unrecht geben, wenn man nur den Geschichtsbericht aus 1. Mose 1:26 bis 4:16 zugrunde legt?
15 Die Menschen kannten den Grundsatz der Leitung durch ein Haupt, denn Gott hatte seine eigene Stellung als Haupt in Eden bekanntgemacht und hatte den Mann zum Haupt der Frau bestimmt. Obwohl sie keine Gesetze hatten, in denen Trägheit verurteilt wurde, wußten sie, daß der Mensch arbeiten sollte, um für das zu sorgen, was Gott ihm auf der Erde zur Verfügung gestellt hatte. Auch das wurde in Eden geoffenbart. Noch ehe Homosexualität, Ehebruch und Vergewaltigung in dem mit Israel geschlossenen Gesetzesbund ausdrücklich verurteilt wurden, erkannten sie, daß geschlechtliche Vereinigungen zwischen Mann und Frau stattfinden sollten und daß solche Vereinigungen nicht etwas Vorübergehendes (wie bei Hurerei oder Ehebruch), sondern etwas Bleibendes sein sollten; sie sollten in einem Familienverhältnis stattfinden, und die Partner würden ‘Vater und Mutter verlassen’, um ein solches dauerhaftes Verhältnis als „e i n Fleisch“ einzugehen. (1. Mose 2:24; beachte auch, wie sich Joseph verhielt; 1. Mose 39:7-9) Ohne daß es irgendwelche Gesetze gegen gesetzwidrige Übergriffe oder gegen Diebstahl gab, konnten sie angesichts des Gebotes Gottes über die Bäume in Eden den Grundsatz der Eigentumsrechte erkennen. Ohne daß es Gesetzesvorschriften gegen Betrug, Schwindel, Verleumdung und Falschanklage gab, konnten sie sehen, welche schlechten Ergebnisse die Folge der ersten Lüge waren. — 1. Mose 1:26 bis 4:16.
16. Wurde durch unterschiedliche Umstände oder neue Situationen daran etwas geändert?
16 Wenn also auch keine Gesetzessammlung mit bestimmten Verordnungen und Regeln gegeben wurde, gab es Grundsätze und Präzedenzfälle, nach denen sich die Menschen richten konnten und aufgrund deren ihr Gewissen wahres Zeugnis ablegen konnte. Die Situationen mochten von Person zu Person anders sein, es mochten unterschiedliche Umstände eintreten, doch konnten sie auf diese Grundsätze zurückgreifen, um zu richtigen Schlußfolgerungen zu gelangen und weise Entscheidungen zu treffen. In den darauffolgenden Jahrhunderten, doch noch ehe der Gesetzesbund mit Israel geschlossen wurde, wurde denjenigen, die sich bemühten, Gottes Gleichnis widerzuspiegeln, durch Gottes Handlungsweise mit den Menschen und durch seine Äußerungen noch mehr geoffenbart.
17. Zeige, wie Jesus und seine Apostel den Wert dieser Grundsätze und Präzedenzfälle als Anleitung zur Gerechtigkeit darlegten.
17 Im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung beriefen sich Jesus und seine Apostel auf jene ersten Grundsätze und Präzedenzfälle, indem sie für die gerechte Ansicht in bezug auf Ehescheidung, Verfolgung und Verleumdung, Unterwürfigkeit der Frau gegenüber dem Mann, Mord und andere Angelegenheiten eintraten. — Matth. 19:3-9; Joh. 8:43-47; 1. Tim. 2:11-14; 1. Joh. 3:11, 12.
18. (a) Was für Menschen lassen offizielle, bestimmte Gesetze als Abschreckungsmittel nötig werden? (b) Vergleiche diese Menschen mit demjenigen, der wirklich Gerechtigkeit liebt.
18 All dies hilft uns erkennen, wie richtig die Worte des Apostels Paulus sind, der erklärte, daß „das Gesetz nicht für einen gerechten Menschen öffentlich bekanntgegeben ist, sondern für Gesetzlose und Widerspenstige, für Gottlose und Sünder, für die, denen es an liebender Güte fehlt, und für Unheilige, Vatermörder und Muttermörder, Totschläger, Hurer, Männer, die bei männlichen Personen liegen, Menschenräuber, Lügner, Falschschwörende und was sonst noch der gesunden Lehre entgegengesetzt ist“. (1. Tim. 1:9, 10) Wer eine echte Liebe zur Gerechtigkeit in seinem Herzen hat, benötigt keine speziellen Gesetze, in denen so etwas verurteilt wird, damit er sich davon zurückhält. Wenn er sich aufrichtig bemüht, Gottes „Gleichnis“ erkennen zu lassen und ‘mit ihm zu wandeln’, wird er all solche Handlungen ablehnen. Wenn es irgend jemandem dagegen an diesem gerechten Wunsch fehlt, so mögen bestimmte Gesetze und Strafen für denjenigen, der sie übertritt, als Abschreckung dienen — doch wird dadurch nie völlig erreicht werden, ihn daran zu hindern, daß er Unrecht begeht. Die Menschheitsgeschichte liefert hierfür reichlich Beweise.
DER GESETZESBUND UND DAS CHRISTLICHE GEWISSEN
19. Welchen verschiedenen Zwecken diente der Gesetzesbund, der mit Israel geschlossen wurde?
19 Im Laufe der Zeit gab Jehova Gott der Nation Israel eine vollständige Sammlung von Gesetzen und Bestimmungen. Diese dienten zwar als Abschreckung davor, Unrecht zu begehen, und ermöglichten auch ein wertvolles Verständnis der Maßstäbe und Eigenschaften Gottes, doch hatte Jehova, als er diese Gesetzessammlung gab, in seiner Voraussicht etwas Größeres im Sinn. Gott gab sie den Israeliten, „um Übertretungen kundzumachen“, damit sie, wenn sie auch sein auserwähltes Volk waren, nicht aufgrund ihres eigenen Verdienstes und ihrer eigenen Werke Anspruch auf Gerechtigkeit erheben konnten. Ihr Unvermögen, jenes Gesetz vollkommen zu halten, zeigte ganz offen ihre Sündhaftigkeit und bewies nachdrücklich, daß sie die Loskaufsvorkehrung benötigten, die Gott durch Christus Jesus treffen würde. Gleichzeitig enthielt das Gesetz einen ‘Schatten’ oder Schimmer der künftigen Vorsätze Gottes und der Mittel zu ihrer Durchführung. — Gal. 3:19; Röm. 3:19, 20, 24.
20. (a) Wie unterscheidet sich der neue Bund von dem Gesetzesbund? (b) Warum bewirkt das Fehlen einer ausführlichen Gesetzessammlung unter Christen keine niedrigeren Maßstäbe?
20 Noch während jene Gesetzessammlung in Kraft war, sagte Jehova jedoch vorher, daß er einen neuen Bund mit Personen schließen würde, in deren „Inneres“ sein Gesetz gelegt würde, nicht als eine eingravierte oder gedruckte Gesetzessammlung, sondern indem es ‘in ihr Herz geschrieben’ würde. (Jer. 31:33) Dieser neue Bund wurde mit den geistigen Israeliten, mit der Christenversammlung, geschlossen. Sie stehen nicht mehr unter der Gesetzessammlung, die Israel gegeben wurde. (Gal. 4:4, 5; Hebr. 8:7-13) Bewirkt dieses Fehlen einer solchen ausführlichen Gesetzessammlung einen niedrigeren Sittenmaßstab unter den Christen? Nein, im Gegenteil, das Christentum fordert sogar noch höhere Maßstäbe, wie dies Jesu eigene Lehren zeigten. (Matth. 5:21, 22, 27, 28, 31-48) Und es verlangt eindeutig, daß man das Gewissen noch mehr anwendet. Als Christen werden wir daraufhin geprüft, ob Gottes Wege ‘in unser Herz geschrieben’ worden sind oder nicht. Dadurch, daß wir nicht unter eine ausführliche Gesetzessammlung gestellt worden sind, werden wir bezüglich dessen, was wirklich in unserem Herzen ist, auf die Probe gestellt.
21. Welche Erkenntnis sollte bei uns als Christen die Grundlage für das Zeugnis bilden, das unser Gewissen ablegt? Müssen Bibelstellen ein direktes Gebot, ein Verbot oder ein spezielles Gesetz sein, damit sich unser Gewissen formen?
21 Als Christen haben wir natürlich sowohl die inspirierten Hebräischen als auch die Griechischen Schriften, die uns einen wunderbaren Einblick in Gottes Persönlichkeit, Wege und Maßstäbe, in sein Vorhaben und in seinen Willen geben. Darin sind die Worte und Taten des Sohnes Gottes aufgezeichnet, der auf die Erde kam und den Menschen seinen Vater offenbarte oder „erklärte“, damit wir durch ihn ‘den Vater völlig erkennen’ können. (Joh. 1:18; Matth. 11:27) Wenn also uns als Christen nur wenige spezielle Gesetze und Gebote gegeben worden sind, verglichen mit dem Gesetzesbund und seinen Hunderten von Gesetzesvorschriften und Bestimmungen, sind wir doch weit besser ausgerüstet, so daß wir wissen können, wie wir im ‘Gleichnis und Bild Gottes’ handeln sollten. Tatsächlich sind wir für ALLES verantwortlich, was wir über Gott wissen, und diese GESAMTE Erkenntnis sollte sich auf unser Gewissen auswirken, ob es sich dabei um ein direktes Gebot, Gesetz oder Verbot für Christen handelt oder nicht.
SOLLTEN REGELN DAS GEWISSEN DES EINZELNEN ERSETZEN?
22. Was erwarten einige von der leitenden Körperschaft der Christenversammlung, und warum wird dem nicht entsprochen?
22 Aber viele sind hiermit nicht zufrieden. Sie möchten trotzdem, daß über das hinaus, was Gottes Wort darlegt, ausdrückliche Regeln aufgestellt und genaue Richtlinien gegeben werden. Sollte daher die leitende Körperschaft der Christenversammlung heute die Verantwortung auf sich nehmen, eine vollständige Regelsammlung herauszugeben, die jede denkbare Situation erfaßt? Nein, denn das würde einer verkehrten Ansicht entsprechen, einer ähnlichen Ansicht, wie sie während der Zeit des Dienstes Jesu auf Erden unter den Juden herrschte, wenn sie auch damals nicht aufkam oder endete.
23, 24. Wer war ebenso an bestimmten Verfügungen interessiert? Nenne Beispiele.
23 Eine solche Einstellung wurde von den Pharisäern und anderen religiösen Führern gefördert. Über den Gesetzesbund hinaus stellten sie eine Zusatzsammlung von Überlieferungen und Regeln auf und versuchten so, jeden untergeordneten Gesichtspunkt der Anwendung des Gesetzesbundes zu behandeln. Dadurch wurde jede im Gesetz enthaltene Einschränkung in eine Menge kleinerer Einschränkungen aufgeteilt.
24 Zum Beispiel verbot das Sabbatgesetz, am siebenten Tag Arbeit zu verrichten. Aber was ist alles „Arbeit“? Diese religiösen Führer versuchten mit äußerster Genauigkeit zu definieren, was solche „Arbeit“ einschloß. Ähren abzureißen, um die Körner zu essen (wie es die Apostel am Sabbattag taten), wurde als eine Art des Erntens und somit als „Arbeit“ beurteilt, die am Sabbat verboten war. (Mark. 2:23, 24) Die Überlieferung besagte unter anderem, daß es sogar verkehrt sei, am Sabbat einen Floh zu fangen, weil dies eine Art des Jagens sei. Es gab viele Spitzfindigkeiten. Gemäß einer gewissen Verfügung war jemand, der Kleidungsstücke zerriß oder Gegenstände verbrannte, nur um sie zu zerstören, nicht schuldig, den Sabbat verletzt zu haben; wenn er sie aber zerstörte, um später eine Verbesserung vorzunehmen (indem er zum Beispiel ein Gebäude abriß, um es wieder aufzubauen), so war er zu bestrafen (The Jewish Encyclopedia, 1909, Bd. X, S. 599; vergleiche Matthäus 15:4-6; 23:16-19).
25. (a) Was war das Gefährliche daran, eine solche komplizierte Sammlung von Verfügungen aufzustellen? (b) Was sagte Jesus über dieses Vorgehen?
25 Was war das gefährliche, nachteilige Ergebnis des Versuchs, mit so einer extremen Genauigkeit die Anwendung jedes Gesetzes herauszufinden? In der Cyclopædia von M’Clintock and Strong wird die wahre Gefahr erkannt, die diese Handlungsweise der religiösen Führer darstellte, indem es darin heißt, sie hätten „versucht, peinlich genau den Buchstaben des Gesetzes zu beobachten und dem Urteilsvermögen und Gewissen des einzelnen so wenig wie möglich anzuvertrauen“ (Bd. IX, S. 191; Kursivschrift von uns). Die religiösen Führer drängten gewissermaßen dem übrigen Volk ihr eigenes Gewissen, ihre Bedenken und das, was sie persönlich vorzogen, und ihre Vorliebe auf. Jesus verglich dieses Hinzufügen von Überlieferungen zum mosaischen Gesetz damit, „schwere Lasten“ auf die Schultern der Menschen zu laden, und er sagte warnend, daß diese Gleichstellung menschlicher Überlieferungen mit der Heiligen Schrift dazu führe, Gottes Wort ungültig zu machen. (Matth. 15:1-9; 23:1-4) Jesus sagte zu den religiösen Führern, die seine Jünger verurteilten, weil sie am Sabbat Ähren abgerissen hatten: „Wenn ihr ... verstanden hättet, was dies bedeutet: ,Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer‘, so würdet ihr die Schuldlosen nicht verurteilt haben.“ — Matth. 12:1-7.
26. Welches Beispiel zeigt, wie die überlieferten Verfügungen die Juden daran hinderten, ihr Gewissen richtig anzuwenden? Und wie wirkte sich dies auf ihr Herz aus?
26 Später appellierte Jesus in einer Synagoge bei der Anwendung des Gesetzes Gottes an ihr Gewissen. Im Gesetzesbund stand nichts über irgendwelche Bemühungen, am Sabbat für die Kranken zu sorgen, aber gemäß der jüdischen Überlieferung war dies nur gestattet, wenn jemand in Lebensgefahr schwebte. Als sich Jesus einem Mann mit einer verdorrten Hand gegenübersah und ihm von den religiösen Führern die Frage gestellt wurde, ob es ‘erlaubt sei, am Sabbat zu heilen’, fragte er: ‘Welcher Mensch unter euch, der ein einziges Schaf hat, wird dieses, wenn es am Sabbat in eine Grube fällt, nicht herausheben? Wieviel wertvoller ist doch ein Mensch als ein Schaf! Ist es erlaubt, am Sabbat eine gute Tat, eine vortreffliche Tat, zu tun?’ Aber sie weigerten sich, ihr Gewissen anzuwenden; sie schwiegen. Jesus wurde daraufhin ungehalten; er war „tief betrübt wegen der Gefühllosigkeit ihres Herzens“, und er heilte den Mann. — Matth. 12:9-13; Mark. 3:1-5.
27. (a) Warum ist es verkehrt, zu erwarten, daß jemand anders für uns die Entscheidungen in sittlichen Fragen trifft? (b) Welche Fragen, die in folgendem Artikel betrachtet werden, entstehen nun?
27 Wenn man also wünscht, daß ein Ältester oder die Ältestenschaft in einer Versammlung oder die leitende Körperschaft der Christenversammlung außer dem, was die Bibel enthält, eine Gesetzessammlung aufstellt, so verrät dies eine verkehrte Einstellung. In Angelegenheiten, in denen Gottes Wort verlangt, daß wir uns der Gabe des Gewissens — des Urteilsvermögens, des Verständnisses, des Unterscheidungsvermögens und der Weisheit — bedienen, sollten wir nicht versuchen, die Verantwortung auf jemand anders zu schieben, indem wir erwarten, daß er eine „Entscheidung“ fällt. Wir mögen vernünftigerweise Rat und Anleitung suchen — doch kann das, was gesagt wird, darüber nicht hinausgehen, und das sollten wir auch nicht wünschen. Aber wie können wir die Gewißheit haben, daß das, was in uns Zeugnis gibt, richtige Aussagen macht? Wie können wir dafür sorgen, daß es stets laut und deutlich spricht? Lies den nächsten Artikel, um die Antworten auf diese Fragen zu erhalten.
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DAS GEWISSEN ergibt sich aus dem Zusammenwirken eines Sinnes, dem Verstand innewohnt, und eines Herzens, dem ein Sittlichkeitsgefühl innewohnt.