Fragen von Lesern
● Ist es für eine Christin angebracht, ihre Ohrläppchen durchstechen zu lassen, um Ohrringe tragen zu können? (B. C., Kanada).
Die Bibel enthält keinen Aufschluß darüber, der es ermöglicht, diese Frage mit Ja oder Nein zu beantworten. Ob jemand seine Ohrläppchen zu diesem Zweck durchstechen läßt oder nicht, muß er tatsächlich selbst entscheiden.
In 3. Mose 19:28 finden wir den Grundsatz, der es verbietet, sich wegen einer verstorbenen Seele Einschnitte in sein Fleisch zu machen. Dieser Brauch bestand unter Völkern, die an falschen Glaubensansichten festhielten. Einige Personen mögen glauben dieses Verbot beziehe sich im Prinzip ebenso auf andere unnötige Einschnitte.
Man mag auch daran denken, daß Gott, nachdem er den Körper der ersten Menschen erschaffen hatte, sein Werk als „sehr gut“ bezeichnete. Daraus folgt, daß man seinen Körper nicht entstellen oder ernsthaft verunstalten sollte (1. Mose 1:27, 31).
Andererseits werden in der Bibel Ohrringe (und auch Nasenringe) erwähnt, und es läßt sich heute nicht feststellen, ob das Tragen dieser Ringe ein Durchstechen der Ohren erforderte oder nicht (1. Mose 24:22, 47; 2. Mose 32:2; 35:22; Hes. 16:12).
Wir können auch berücksichtigen, daß im Gesetzesbund vorgesehen war, das Ohr eines hebräischen Sklaven zu durchstechen, der die erforderliche Zeit in Sklaverei verbracht hatte und Sklave eines guten Herrn bleiben wollte (2. Mose 21:2-6). Als Zeichen dafür sollte der Herr ein Ohrläppchen des Sklaven mit einem Pfriem durchbohren. Dieses Durchstechen geschah natürlich nicht einfach deshalb, um einen Schmuck, wie zum Beispiel Ohrringe, anzubringen, doch mit dem Fleisch des Betreffenden geschah praktisch dasselbe.
Zieht man alle diese Faktoren in Betracht, so erkennt man, daß in dieser Frage keine dogmatische Entscheidung getroffen werden kann. Jede Christin muß in dieser Hinsicht das eigene Gewissen sprechen lassen. Einige mögen unter Berücksichtigung der oben erwähnten Grundsätze ihre Ohren nicht durchstechen lassen, andere mögen dies mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Eine verheiratete Frau, die ihre Ohren gern durchstechen lassen möchte, sollte richtigerweise zuerst ihren Ehemann, ihr Haupt, befragen. Auch eine Minderjährige würde die Angelegenheit mit ihren Eltern besprechen und sich in Übereinstimmung mit der von Jehova geschaffenen Familieneinrichtung an die Entscheidung ihrer Eltern halten (Kol. 3:18, 20; Eph. 2:22 bis 6:4).
Als Christen sollten wir auch die Gefühle anderer berücksichtigen. Wir können an den Rat der Apostel Petrus und Paulus denken, die zeigten, daß es nicht so sehr darauf ankommt, Schmucksachen zu tragen, als vielmehr darauf, sich „mit Bescheidenheit und gesundem Sinn“ sowie „durch gute Werke“ zu schmücken (1. Petr. 3:3; 1. Tim. 2:9, 10).
● In 2. Mose 4:11 ist zu lesen: „Wer hat für den Menschen einen Mund bestimmt, oder wer bestimmt den Stummen oder den Tauben oder den Klarsehenden oder den Blinden? Bin nicht ich es, Jehova?“ Bedeuten diese Worte, daß Gott in jedem Fall für einen körperlichen Mangel wie Taubheit oder Blindheit verantwortlich ist? (USA).
Nein, denn das würde nicht mit der ganzen Persönlichkeit Gottes übereinstimmen. In der Bibel lesen wir: „Gott kann nicht von üblen Dingen versucht werden, noch versucht er selbst irgend jemand“ (Jak. 1:13). Mit seinen Taten verfolgt er stets einen Zweck. Niemals bringt er ohne guten Grund Unheil über einen Menschen. Von ihm stammt „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk“ (Jak. 1:17). „Der Fels, vollkommen ist sein Tun, denn Gerechtigkeit sind alle seine Wege. Ein Gott der Treue, bei dem es keine Ungerechtigkeit gibt; gerecht und gerade ist er“ (5. Mose 32:4).
In Übereinstimmung damit erkennen wir, daß das erste Menschenpaar, Adam und Eva, seine Vollkommenheit und daher seine Fähigkeit, vollkommene Kinder hervorzubringen, aufgrund seiner eigenen Wahl verlor (Hiob 14:4). Während ihre Nachkommen heirateten, begannen sich immer mehr Unvollkommenheiten unter den Menschen bemerkbar zu machen, zu denen auch physische Mängel wie Blindheit und Taubheit zählten. Weil Jehova Gott zugelassen hat, daß sich solche Mängel entwickelten, konnte er von sich als von demjenigen sprechen, der den Stummen, den Tauben und den Blinden „bestimmt“. (Vergleiche Römer 8:20, 21.) Darüber hinaus versteht er solche Behinderungen und weiß, worauf sie zurückzuführen sind.
Jehova Gott hat Personen auch nicht vor den nachteiligen Auswirkungen verschont, die sich als Folge ihres Ungehorsams für den fleischlichen Organismus ergeben mögen. Gottes unabänderliches Gesetz lautet: „Was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal. 6:7). Kinder, die aus einem blutschänderischen Verhältnis hervorgehen, mögen daher mit Mängeln geboren werden, sie sind vielleicht von Geburt an blind, taub oder in anderer Hinsicht behindert. Personen, die sich auf geschlechtliche Unsittlichkeit einlassen, mögen sich eine Geschlechtskrankheit zuziehen, die dazu führt, daß sie blind, taub oder sogar geisteskrank werden. Dasselbe könnte auf Kinder zutreffen die von einer Frau geboren werden, die geschlechtskrank ist.
Jehova Gott kann aber auch Menschen blind, taub oder stumm werden lassen, sofern dies mit seinem Vorhaben in Übereinstimmung ist. Ein Beispiel dafür ist Sacharja, der Vater Johannes’ des Täufers. Als Sacharja Zweifel daran äußerte, daß er durch seine betagte Frau Elisabeth Vater eines Sohnes werden sollte, sagte der Engel Gabriel zu ihm: „Du wirst schweigen und nicht reden können bis zu dem Tage, an dem diese Dinge geschehen, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die zu ihrer bestimmten Zeit erfüllt werden“ (Luk. 1:20). Sacharja wurde dann stumm und konnte, bis sein Sohn am achten Tage beschnitten wurde, nicht sprechen. (Siehe auch Apostelgeschichte 13:8-11.)
Auch in einer anderen Hinsicht, nämlich in geistigem Sinne, „bestimmt“ Gott den Stummen, den Tauben und den Blinden. Falls sich Menschen erwählen, Gottes Botschaft gegenüber taub und blind zu sein, läßt er zu, daß sie in ihrem Unglauben verharren. Das war in den Tagen Jesajas, des Propheten, bei dem treulosen Volk Israel der Fall. Jesaja wurde angewiesen: „Geh, und du sollst zu diesem Volke sprechen: ,Hört immer wieder, aber versteht nicht; und seht immer wieder, aber erlangt keine Erkenntnis.‘ Mache das Herz dieses Volkes unempfänglich, und mache selbst ihre Ohren schwerhörig, und verklebe sogar ihre Augen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Ohren nicht hören und damit ihr eigenes Herz nicht verstehe und damit sie nicht wirklich umkehren und Heilung für sich erlangen“ (Jes. 6:9, 10).
Da Jehova Gott den Herzenszustand der untreuen Israeliten kannte, wußte er im voraus, daß sie seiner Botschaft widerstehen würden. Je mehr Jesaja ihre Aufmerksamkeit auf Jehovas Wort lenken würde, desto mehr würden sie sich dagegen verhärten. So machte Jesajas Prophezeiung das volle Ausmaß ihrer geistigen Blindheit und Taubheit deutlich oder offenbar. Es wirkte auf sie so, als ob sie geistig taub und blind gemacht worden wären.
Im Hinblick auf das, was Jehova Gott getan hat und tun kann, ist in der Bibel daher die Rede davon, daß er den Stummen, den Tauben und den Blinden „bestimmt“. Doch er ist nicht für alle Fälle, in denen solche körperlichen Behinderungen auftreten, unmittelbar verantwortlich. Diese körperlichen Mängel haben sich in der Hauptsache dadurch ergeben, daß Gott zuließ, daß eine sündige Menschheit ins Dasein kam. In einigen wenigen Fällen und aus bestimmten Gründen verursachte Jehova Gott buchstäbliche Blindheit und Sprachlosigkeit; er ließ geistige Blindheit und Taubheit bei Personen eintreten, die seinem Wort oder seiner Botschaft nicht glaubten. Andererseits gewährt er auch Personen, die seinen Willen zu tun suchen, geistig zu sehen und zu hören, und durch die Herrschaft seines Königreiches unter Christus wird er die Menschheit von allen körperlichen Behinderungen befreien (Jes. 61:1, 2; Offb. 21:3, 4).