Jehovas Zeugen und die Blutfrage
1. Über welchen Sachverhalt in Verbindung mit Blut hat man jetzt ein besseres Verständnis?
1 BLUT ist für das Leben unerläßlich. Das war schon im Altertum bekannt, doch durch die Forschungen in jüngerer Zeit hat man ein besseres und genaueres Verständnis über die lebenerhaltenden Funktionen des Blutes erlangt.
2. Was wird als anerkannte therapeutische Methode betrachtet, doch wer lehnt sie ab?
2 Die Übertragung von Menschenblut spielt bei der heutigen ärztlichen Versorgung eine bedeutende Rolle. Personen, die auf dem Gebiet der Medizin tätig sind, und viele andere betrachten die Übertragung des Blutes von einem Menschen auf einen anderen als eine anerkannte therapeutische Methode1a. Doch es gibt Personen, die keine Bluttransfusion annehmen — Jehovas Zeugen.
3, 4. Welche biblische Ansicht in bezug auf das Leben vertreten Jehovas Zeugen, und welche Fragen erheben sich deshalb?
3 Jehovas Zeugen lieben das Leben und haben hohe Achtung davor. Das ist einer der Gründe, weshalb sie nicht rauchen, keine suchterzeugenden Drogen nehmen oder Abtreibungen vornehmen lassen. Sie haben aus der Bibel gelernt, das Leben als etwas Heiliges anzusehen, als etwas, was geschützt und bewahrt werden muß, und zwar sowohl ihr eigenes Leben als auch das ihrer Kinder.
4 Warum lehnen Jehovas Zeugen dann aber Bluttransfusionen ab? Gibt es eine vernünftige Grundlage für diese Überzeugung, an der sie sogar in Todesgefahr festhalten? Ist ihr Standpunkt völlig unvereinbar mit den heutigen medizinischen Kenntnissen und Grundsätzen?
5. Was ist der Zweck dieser Broschüre, und wie wird das Thema abgehandelt werden?
5 Dieser Gegenstand sollte einen jeden interessieren, der auf medizinischem Gebiet tätig ist, denn ein Arzt kann zu jeder Zeit mit der Frage der Bluttransfusion konfrontiert werden. Das ist sehr gut möglich, da es weltweit über zwei Millionen Zeugen Jehovas gibt. Wahrscheinlich leben einige von ihnen auch in Ihrer Nachbarschaft. Diese Broschüre ist geschrieben worden, um Ärzten zu helfen, Jehovas Zeugen als Patienten zu verstehen, und um zu zeigen, wie auf ihre Überzeugung Rücksicht genommen werden kann. Zunächst werden wir die religiöse Grundlage ihres Standpunktes untersuchen. Darauf werden wir, beginnend mit Seite 17, die ethischen Faktoren besprechen, die dabei eine Rolle spielen, und über Entdeckungen und Beobachtungen berichten, die qualifizierte Ärzte in jüngerer Zeit gemacht haben und die für die Lösung der Probleme in Verbindung mit dem Gebrauch des Blutes von praktischem Wert sein mögen.
6. Für wen ist dieses Thema von Interesse?
6 Auch Personen, die nicht auf medizinischem Gebiet tätig sind, werden eingeladen, sich mit dieser wichtigen Angelegenheit zu befassen. Der Standpunkt, den Jehovas Zeugen in bezug auf das Blut einnehmen, hängt mit Rechten und Grundsätzen zusammen, die jeden von uns angehen. Außerdem wird jemand, der weiß, was sie glauben und warum sie es glauben, die Streitfrage, mit der sich Ärzte, Juristen und Erforscher der Bibel schon oft auseinandersetzen mußten, besser verstehen. Worum geht es bei der Blutfrage eigentlich?
DIE RELIGIÖSE GRUNDLAGE
7. Wie denken einige über die Verwendung von Blut, und worauf berufen sich Jehovas Zeugen bei ihrem Standpunkt das Blut betreffend?
7 Die meisten Ärzte sind der Ansicht, daß die Verwendung von Blut eine Sache des medizinischen Urteils sei, genauso wie die Verordnung von Arzneimitteln und die Durchführung operativer Eingriffe zu ihren täglichen Entscheidungen gehören. Andere mögen den Standpunkt der Zeugen Jehovas eher als eine moralische oder rechtliche Frage ansehen. Sie mögen an das Recht auf Leben denken, an die Befugnis, Entscheidungen über den eigenen Körper zu treffen, oder an die Pflicht des Staates, das Leben seiner Bürger zu schützen. All diese Gesichtspunkte spielen eine Rolle. Doch die Haltung, die Jehovas Zeugen einnehmen, beruht vor allem auf religiösen Gründen; sie stützt sich auf das, was die Bibel sagt.
8. Welche Frage erhebt sich logischerweise in Anbetracht des Standpunktes der Zeugen Jehovas?
8 Viele Personen mögen an der Stichhaltigkeit dieser Erklärung zweifeln. Sie wissen, daß zahlreiche Kirchen die Verwendung von Blut unterstützen, die Einrichtung von Blutbanken fördern und zum Blutspenden aufrufen. Dadurch erhebt sich natürlich die Frage:
Was sagt die Bibel über die Aufnahme von Blut in den menschlichen Körper?
9, 10. Was zeigt, daß die Bibel viel über das Blut zu sagen hat, und was gebot Gott früh in der Menschheitsgeschichte in Verbindung mit Blut?
9 Selbst Personen, die nicht glauben, daß die Bibel das inspirierte Wort Gottes ist, müssen zugeben, daß sie viel über das Blut zu sagen hat. Vom ersten bis zum letzten Bibelbuch wird der Ausdruck „Blut“ über vierhundertmal erwähnt. Einige Bibelverse geben eine besonders einschlägige Auskunft über die Frage der Bewahrung des Lebens durch Blut. Wir wollen diese Verse hier kurz untersuchen:
10 Aus dem Bibelbericht geht hervor, daß sich der Schöpfer und Lebengeber schon früh in der Menschheitsgeschichte zur Blutfrage äußerte. Gleich nach der Sintflut, als Gott den Menschen zum erstenmal das Recht einräumte, Tierfleisch zu essen, gebot er Noah und seiner Familie: „Jedes sich regende Tier, das am Leben ist, möge euch zur Speise dienen. Wie im Falle der grünen Pflanzen gebe ich euch gewiß das alles. Nur Fleisch mit seiner Seele — seinem Blut — sollt ihr nicht essen“ (1. Mose 9:3, 4).
11. Was zeigt, daß es beim Töten von Tieren um mehr als die Beschaffung von Speise ging?
11 Der Schöpfer gab damals, als die Menschheit einen neuen Anfang nahm, in erster Linie eine Speisevorschrift. (Vergleiche 1. Mose 1:29.) Gott gab jedoch zu verstehen, daß es bei dem Töten von Tieren zu Nahrungszwecken nicht nur um die Beschaffung von Speise ging. Denn das Blut eines Geschöpfes stellt sein Leben oder seine Seele dar. Daher geben einige Bibelübersetzungen 1. Mose 9:4 wie folgt wieder: „Ihr sollt kein Fleisch essen, in dem noch das Leben, das Blut, ist“ (Stuttgarter Erklärungsbibel; Luther).
12, 13. Womit brachte der Schöpfer die Verwendung von Blut in Verbindung, und woher wissen wir, daß es nicht nur um Tierblut geht?
12 Dieses göttliche Gebot war somit nicht lediglich eine Einschränkung in bezug auf die Kost, so etwa, wie ein Arzt einem Patienten verbietet, Salz oder Fett zu genießen. Der Schöpfer brachte das Blut mit einem sehr wichtigen sittlichen Grundsatz in Verbindung. Dadurch, daß Noah und seine Nachkommen alles Blut auslaufen ließen, soweit es vernünftigerweise möglich war, würden sie ihre Achtung davor bekunden, daß das Leben vom Schöpfer stammte und von ihm abhängig war. Doch gehen wir der Sache weiter nach.
13 Der obenerwähnte Bibeltext bezieht sich auf Tierblut. Trifft dieser Grundsatz auch auf Menschenblut zu? Ja, und zwar mit noch größerem Nachdruck. Denn Gott sagte zu Noah weiter: „Außerdem werde ich euer Blut, das eurer Seelen, zurückfordern. ... Wer irgend Menschenblut vergießt, dessen eigenes Blut wird durch Menschen vergossen werden, denn im Bilde Gottes hat er den Menschen gemacht“ (1. Mose 9:5, 6). Wenn nun das Tierblut (das tierisches Leben darstellt) für Gott heilig war, so hat das Menschenblut bestimmt noch größeren Wert. Personen, die sich an diese Richtlinien Gottes hielten, würden weder Menschenblut vergießen, das heißt Menschen töten, noch würden sie tierisches oder menschliches Blut zu sich nehmen.
War das Gebot, das Gott Noah gab, nur eine begrenzte oder vorübergehende Einschränkung? Gilt es auch für spätere Generationen, einschließlich der unsrigen?
14, 15. Wie umfassend war das Gebot, das Noah bezüglich des Blutes erhielt, und welcher Kommentar eines Rabbiners bezieht sich darauf?
14 Viele Bibelgelehrte erkennen an, daß Gott hier eine Vorschrift erließ, die nicht nur für Noah und seine Angehörigen galt, sondern für die ganze Menschheit von jener Zeit an, denn alle, die nach der Sintflut geboren wurden, stammen von Noahs Familie ab (1. Mose 10:32). Der Theologe und Reformator Johannes Calvin beispielsweise gab zu, daß das Blutverbot „der ganzen Welt gleich nach der Flut gegeben worden“ war2. Und Gerhard von Rad, Professor an der Universität Heidelberg, bezeichnet das Gebot in 1. Mose 9:3, 4 als „eine Verordnung für die ganze Menschheit“, da die ganze Menschheit von Noah abstammt3.
15 Da das Blutverbot mit der Erklärung Gottes hinsichtlich der Achtung vor dem Menschenleben verbunden ist, können wir verstehen, daß der Rabbiner Benno Jacob bemerkte:
„Die beiden Abmahnungen [gehören] zusammen. Sie sind die elementarsten Forderungen der ,Humanität‘ im buchstäblichen Sinne des Wortes ... Die Erlaubnis, Fleisch zu essen, aber nicht mit seinem Lebensblut, und die Warnung, Menschenblut zu vergießen, normieren die grundsätzliche Stellung des Menschen innerhalb der gesamten Lebewelt ... Mit einem Wort: die Gründe für das Blutverbot liegen auf dem Gebiete der Sittigung und Sittlichkeit. ... das spätere Judentum hat den Ausdruck Noachiden für die vor- und außerisraelitische Menschheit und deren Stellung zu Gesetz und Sittlichkeit geschaffen“ (Kursivschrift von uns)4.
Tatsächlich leiteten die Juden später aus dem ersten Teil der Genesis sieben „grundlegende Gesetze“ für die Menschheit ab, und das Noah und seinen Söhnen gegebene Gebot hinsichtlich des Blutes war eines davon5. Ja, trotz der Tatsache, daß sich die meisten Nationen nicht danach richteten, war es doch in Wirklichkeit ein Gesetz für die ganze Menschheit (Apostelgeschichte 14:16; 17:30, 31).
16, 17. Welches Gesetz, das die Israeliten erhielten, zeigt, daß Gottes Verbot betreffs des Blutes immer noch galt, und nur wofür durften die Israeliten das Blut verwenden?
16 In dem Gesetz, das Jehova Gott später der Nation Israel gab, war Mord verboten, und das zeigt, daß das Gebot, das Gott Noah gegeben hatte, immer noch in Kraft war (2. Mose 20:13). Dementsprechend verbot Gott auch den Genuß von Blut, denn wir lesen:
„Was irgendeinen Mann vom Hause Israel oder einen als Fremdling Ansässigen, der in eurer Mitte weilt, betrifft, welcher Blut von irgendeiner Art ißt, gegen die Seele, die das Blut ißt, werde ich gewißlich mein Angesicht richten, und ich werde sie in der Tat von den Reihen ihres Volkes abschneiden“ (3. Mose 17:10).
17 Den Israeliten war nur eine Verwendung von Tierblut erlaubt. Sie durften es Gott als Opfer darbringen, da sie ihn dadurch als den Lebengeber anerkannten, dem gegenüber sie verschuldet waren. Gott sagte ihnen: „Die Seele des Fleisches ist im Blute, und ich selbst habe es für euch auf den Altar gegeben, damit Sühne geleistet werde für eure Seelen, denn das Blut ist es, das Sühne leistet durch die Seele [oder: das Leben] darin“ (3. Mose 17:11).
18, 19. (a) Was mußte ein israelitischer Jäger tun, wenn er ein Tier zu Nahrungszwecken erlegt hatte, und warum? (b) Was anerkannten sie dadurch, daß sie dieses Gebot beachteten?
18 Was aber sollte mit dem Blut von Tieren geschehen, die zu Nahrungs- und nicht zu Opferzwecken geschlachtet wurden? Gott sagte seinen Anbetern, wie ein Jäger vorgehen sollte, der ein wildes Tier oder Geflügel fangen würde: „Er soll in diesem Fall sein Blut ausgießen und es mit Staub bedecken. Denn die Seele von jeder Art Fleisch ist sein Blut durch die Seele darin. Demzufolge sprach ich zu den Söhnen Israels: ,Ihr sollt nicht das Blut von irgendeiner Art Fleisch essen, weil die Seele von jeder Art Fleisch sein Blut ist. Wer irgend es ißt, wird vom Leben abgeschnitten werden‘ “ (3. Mose 17:13, 14; 5. Mose 12:23-25).
19 Das Ausgießen des Blutes war nicht lediglich ein religiöses Ritual; das Gebot war in Wirklichkeit eine Erweiterung des Gesetzes, das Gott Noah gegeben hatte. Wer ein Tier tötete, sollte anerkennen, daß es sein Leben von Gott hatte und daß sein Leben Gott gehörte. Dadurch, daß die Israeliten das Blut nicht aßen, sondern es auf den Altar oder auf den Erdboden ‘ausgossen’, gaben sie das Leben des Geschöpfes gewissermaßen Gott zurück.
20. (a) Wie wurde die Mißachtung des Gesetzes Gottes über das Blut bestraft, was zeigt, daß es ein schweres Vergehen war? (b) Welche Bibeltexte zeigen, daß man Schuld auf sich lud, wenn man Fleisch mitsamt dem Blut aß?
20 Die Mißachtung des Lebens, dargestellt durch das Blut, galt für einen Israeliten als ein sehr schweres Vergehen. Wer dieses Gesetz hinsichtlich des Blutes vorsätzlich mißachtete, sollte „abgeschnitten“, das heißt hingerichtet werden (3. Mose 7:26, 27; 4. Mose 15:30, 31). Selbst wenn jemand das nicht ausgeblutete Fleisch eines Tieres aß, das verendet war oder von einem wilden Tier getötet worden war, lud er eine gewisse Schuld auf sich (3. Mose 17:15, 16; vergleiche 3. Mose 5:3; 11:39).
Durfte Gottes Gesetz hinsichtlich des Blutes in Notfällen außer acht gelassen werden?
21. Welches biblische Beispiel zeigt, daß Gottes Gesetz hinsichtlich des Blutes in Notfällen nicht außer acht gelassen werden durfte?
21 Die Bibel beantwortet die Frage mit Nein. Für Notfälle waren keine Ausnahmen vorgesehen. Ein Beispiel dafür ist das, was mit einigen israelitischen Soldaten in den Tagen König Sauls geschah. Nach einem langen Kampf trieb sie der Hunger dazu, Schafe und Rinder zu schlachten und „das Blut mitzuessen“. Sie waren hungrig und aßen das Blut nicht vorsätzlich, doch sie hatten es so eilig, das Fleisch zu essen, daß sie nicht darauf achteten, die Tiere richtig ausbluten zu lassen. Entschuldigte die Tatsache, daß dies ein „Notfall“ zu sein schien, ihr Verhalten? Im Gegenteil: Ihr von Gott ernannter König erkannte, daß sie ‘gegen Jehova gesündigt hatten, indem sie das Blut mitgegessen hatten’ (1. Samuel 14:31-35).
Gilt diese angebrachte Abneigung gegen Blut auch für Menschenblut?
22. Warum ist die Schlußfolgerung vernünftig, daß das Gesetz Gottes hinsichtlich Tierblut auch für Menschenblut gilt?
22 Ja. Das ist auch völlig verständlich, denn Gottes Gesetz verbot, „Blut von irgendeiner Art“, „das Blut von irgendeiner Art Fleisch“, zu genießen (3. Mose 17:10, 14). Wie sehr die jüdische Nation dieses Gesetz achtete, zeigt ein Vorfall, der einige Juden betraf, die Jesus gefolgt waren und ihm zugehört hatten. Bei einer Gelegenheit sprach er sinnbildlich davon, daß man ‘sein Blut trinken’ werde, denn er wußte, daß sein Blut zur gegebenen Zeit vergossen werden mußte, das heißt, daß er einen Opfertod sterben würde und daß dies für diejenigen, die an ihn glaubten und sein Opfer annähmen, Leben bedeuten würde (Johannes 6:53-58). Einige seiner jüdischen Jünger, die offensichtlich nicht erkannten, daß Jesus in Sinnbildern sprach, waren über seine Worte so erschüttert, daß sie ihm nicht mehr nachfolgten (Johannes 6:60-66). Ja, der Gedanke daran, Menschenblut zu genießen, war für diese jüdischen Anbeter Gottes absolut widerwärtig.
WIE VERHÄLT ES SICH MIT CHRISTEN?
23. Wie wirkte sich der Opfertod des Messias auf die Speisevorschriften des mosaischen Gesetzes aus?
23 Das mosaische Gesetz wies auf das Kommen und den Opfertod des Messias hin. Daher waren nach Jesu Tod wahre Anbeter Gottes nicht mehr verpflichtet, das mosaische Gesetz zu halten (Römer 10:4; 6:14; Kolosser 2:13, 14). Die Speisevorschriften des Gesetzes, zum Beispiel in bezug auf das Fett oder das Fleisch gewisser Tiere, waren nicht mehr gültig (3. Mose 7:25; 11:2-8).
Gilt das Blutverbot daher auch noch für Christen?
24. Was wurde hinsichtlich des Blutes entschieden, als die Frage behandelt wurde, ob sich die Heidenchristen beschneiden lassen müßten oder nicht?
24 Diese Frage kam im Jahre 49 u. Z. zur Sprache, und zwar auf einer Tagung der Apostel und der älteren Männer von Jerusalem, die als eine zentrale Ältestenschaft für alle Christen dienten. Diese Tagung war anberaumt worden, weil eine Frage bezüglich der Beschneidung aufgetaucht war. Auf diesem Apostelkonzil wurde beschlossen, daß sich die Nichtjuden, die das Christentum annahmen, nicht beschneiden lassen mußten. Im Laufe der Besprechung machte Jakobus, ein Halbbruder Jesu, die Anwesenden auf andere notwendige Dinge aufmerksam, die seiner Ansicht nach unbedingt in der Entscheidung eingeschlossen sein sollten, nämlich „sich von Dingen [zu] enthalten, die durch Götzen befleckt sind, und von Hurerei und von Erwürgtem und von Blut“ (Apostelgeschichte 15:19-21). Er verwies dabei auf die Schriften des Moses, aus denen hervorgeht, daß Gott schon vor Einführung des Gesetzesbundes unsittliche Geschlechtsbeziehungen und Götzendienst sowie den Blutgenuß mißbilligte, wozu das Essen von Fleisch gehörte, das von erdrosselten, nicht ausgebluteten Tieren stammte (1. Mose 9:3, 4; 19:1-25; 34:31; 35:2-4).
25. Wovon wurde diese Entscheidung des Apostelkonzils ein Bestandteil?
25 Die Entscheidung des Konzils wurde den Christenversammlungen in einem Brief mitgeteilt. Sie gehört nun zur Bibel und ist ein Bestandteil der inspirierten Schriften, die nützlich sind „zum Lehren ..., zum Richtigstellen der Dinge“ (2. Timotheus 3:16, 17). Die Entscheidung lautete:
26, 27. Wie war der genaue Wortlaut jener Entscheidung, und was zeigt, daß das nicht lediglich die Meinung der Apostel war?
26 „Der heilige Geist und wir selbst haben es für gut befunden, euch keine weitere Bürde aufzuerlegen als folgende notwendigen Dinge: euch der Dinge zu enthalten, die Götzen geopfert wurden, sowie des Blutes und des Erwürgten und der Hurerei. Wenn ihr euch vor diesen Dingen sorgfältig bewahrt, wird es euch wohlgehen“ (Apostelgeschichte 15:28, 29).
27 Ja, obwohl Christen nicht unter dem mosaischen Gesetz standen, war es „notwendig“, daß sie sich des Blutes enthielten. War dies lediglich die persönliche Meinung der Apostel? Keineswegs. Wie sie erklärten, war diese Entscheidung im Einklang mit Gottes heiligem Geist gefällt worden.
28. Welchen Unterschied machte jene Entscheidung gemäß Professor Walther Zimmerli?
28 Über dieses christliche Dekret schrieb Professor Walther Zimmerli von der Universität Göttingen folgendes:
„Die erste judenchristliche Gemeinde macht in der Entscheidung, von der Apg. 15 berichtet, einen Unterschied zwischen dem durch Mose an Israel gegebenen Gesetz und dem in Noah aller Welt gegebenen Gebot“ (Zürcher Bibelkommentare)6.
29. Was zeigt, daß das Gebot, sich des Blutes zu enthalten, nicht lediglich eine Speisevorschrift, sondern ein sittliches Erfordernis war?
29 Das Gebot, ‘sich des Blutes zu enthalten’, war nicht lediglich eine Speisevorschrift, sondern ein schwerwiegendes sittliches Erfordernis. Das geht daraus hervor, daß es dem Erfordernis gleichgestellt wurde, ‘sich des Götzendienstes und der Hurerei zu enthalten’.
DIE ERSTEN CHRISTEN UND DAS BLUT
30, 31. Was zeigt, daß das Blutverbot bindend und nicht nur von vorübergehender Gültigkeit war?
30 Im Anschluß an das Konzil zu Jerusalem wurde diese eindeutige Entscheidung den Christenversammlungen übermittelt, und sie zeitigte positive Auswirkungen. In Apostelgeschichte, Kapitel 16 lesen wir über Paulus und seine Gefährten: „Als sie nun durch die Städte reisten, überbrachten sie denen, die dort waren, die zu beachtenden Verordnungen, welche von den Aposteln und älteren Männern, die sich in Jerusalem befanden, beschlossen worden waren. Die Versammlungen wurden daher tatsächlich im Glauben weiterhin befestigt und nahmen von Tag zu Tag an Zahl zu“ (Apostelgeschichte 16:4, 5).
War die in Apostelgeschichte 15:28, 29 aufgezeichnete Entscheidung nur von vorübergehender Gültigkeit und nicht eine Verpflichtung, die Christen für alle Zeiten auferlegt wurde?
31 Einige Personen sind der Ansicht, daß das Aposteldekret keine bleibende Verpflichtung für Christen war. Doch die Apostelgeschichte läßt diesen Schluß nicht zu. Wir lesen darin, daß sich die Christen noch zehn Jahre nach dem Erlaß des Dekrets durch das Konzil zu Jerusalem an die Entscheidung hielten, „daß sie sich bewahren sollten vor dem, was Götzen geopfert worden ist, wie auch vor Blut und Erwürgtem und vor Hurerei“ (Apostelgeschichte 21:25). Sie waren sich somit wohl bewußt, daß das Gebot, sich des Blutes zu enthalten, nicht nur auf Bekehrte aus den Heiden zutraf, die in einer bestimmten Gegend lebten, und daß es nicht nur für eine kurze Zeit gültig war.
32, 33. Was sagt Eusebius über die Anerkennung des Blutverbots zu seiner Zeit?
32 Doch wie war es in späteren Jahrhunderten, als sich das Christentum in ferne Länder ausbreitete? Wir wollen uns nun mit dem Beweismaterial befassen, das aus den Jahrhunderten nach dem Erlaß des in Apostelgeschichte 15:28, 29 aufgezeichneten Dekrets stammt.
33 Eusebius, ein Schreiber des dritten Jahrhunderts, der als der „Vater der Kirchengeschichte“ bezeichnet wird, erzählt, was sich im Jahre 177 u. Z. in Lyon (jetzt in Frankreich) ereignete. Religiöse Feinde beschuldigten die Christen zu Unrecht, Kinder zu essen. Während einige Christen gefoltert und hingerichtet wurden, erwiderte ein Mädchen namens Biblis auf die falschen Anklagen folgendes: „Wie können solche Menschen Kinder verspeisen, da es ihnen nicht einmal gestattet ist, das Blut unvernünftiger Tiere zu genießen!“7
34—36. Was haben Tertullian und Minucius Felix über den Blutgenuß von Christen in ihrer Zeit geschrieben?
34 Ähnliche Falschanklagen veranlaßten den lateinischen Theologen Tertullian (ca. 160—230 u. Z.), darauf hinzuweisen, daß Christen bestimmt kein Blut tranken, wenn dies auch bei den Römern üblich war. Er schrieb:
„Vor Scham erröten sollte eure Verblendung vor uns Christen, da wir nicht einmal Tierblut unter die zum Genuß erlaubten Speisen rechnen ... Deshalb legt ihr ja, wenn ihr Christen auf die Probe stellen wollt, ihnen auch Würste vor, die mit Tierblut gefüllt sind — offenbar in der festen Gewißheit, daß deren Genuß bei ihnen verboten ist —, und wollt sie damit von ihrem Glauben abtrünnig machen. Doch wie soll man es auffassen, daß ihr glaubt, wer eurer eigenen Überzeugung nach vor Tierblut zurückschaudert, werde nach Menschenblut lechzen?“8
35 In bezug auf das Dekret in Apostelgeschichte 15:28, 29 sagte er: „Das Verbot bezüglich des ,Blutes‘ werden wir erst recht [als ein Verbot] in bezug auf Menschenblut verstehen.“9
36 Minucius Felix, ein römischer Rechtsanwalt, der bis etwa 250 u. Z. lebte, äußerte den gleichen Gedanken, indem er schrieb: „So sehr haben wir Scheu vor Menschenblut, daß wir nicht einmal das Blut eßbarer Tiere unter unseren Speisen kennen.“10b
37, 38. Welche Erklärungen gaben ein Bischof und ein katholischer Bibelgelehrter über das Thema Blut ab?
37 Das historische Beweismaterial ist so umfangreich und deutlich, daß Bischof John Kaye (1783—1853) kategorisch erklären konnte: „Die ersten Christen hielten sich gewissenhaft an das von den Aposteln in Jerusalem ausgesprochene Dekret, indem sie sich des Erwürgten und des Blutes enthielten.“11
Sind die „ersten Christen“ und Jehovas Zeugen der Neuzeit die einzigen, die diesen biblisch begründeten Standpunkt eingenommen haben?
38 Keineswegs. In einem Kommentar zu Apostelgeschichte 15:29 verweist der katholische Bibelgelehrte Giuseppe Ricciotti (1890—1964) auf den bereits erwähnten Vorfall in Lyon und führt ihn als Beweis dafür an, daß die ersten Christen kein Blut essen durften. Dann fügt er hinzu: „Sogar in den darauffolgenden Jahrhunderten bis ins Mittelalter stoßen wir auf ein unerwartetes Echo dieses früheren ,Abscheus‘ [vor dem Blut], zweifellos aufgrund des Dekrets.“12
39. Was wurde auf der Trullanischen Synode bezüglich des Blutes erklärt, und was sagte Otto von Bamberg zu Neubekehrten über das Blut?
39 Zum Beispiel wurde auf der Trullanischen Synode (Quinisextum), die im Jahre 692 in Konstantinopel stattfand, erklärt: „Die Heilige Schrift gebietet uns, uns des Blutes, des Erwürgten und der Hurerei zu enthalten. ... Wenn daher von nun an irgend jemand das Blut irgendeines Tieres irgendwie zu essen sucht, so wird ihm, wenn er Priester ist, der Rock ausgezogen, und wenn er Laie ist, wird er exkommuniziert.“13 Ähnlich erklärte der Bischof und Evangelist Otto von Bamberg (ca. 1060 bis 1139 u. Z.) Bekehrten in Pommern, „daß sie nichts Unreines essen durften oder was von selbst gestorben war oder was erdrosselt oder Götzen geopfert worden war oder das Blut von Tieren“14.
40. Was schrieb Martin Luther bezüglich Apostelgeschichte 15:28, 29?
40 Später erkannte Martin Luther ebenfalls die Konsequenzen des Dekrets aus dem Jahr 49 u. Z. Als er gegen katholische Bräuche und Ansichten protestierte, war er geneigt, das Apostelkonzil mit späteren Kirchenkonzilien, deren Entscheidungen kein Teil der Bibel waren, auf eine Stufe zu stellen. Dennoch schrieb Luther bezüglich Apostelgeschichte 15:28, 29:
„Wollen wir nu eine Kirchen haben nach diesem Concilio, (wie billig, weil es das höhest und erst ist, auch von den Aposteln selbs gehalten,) so müssen wir nu lehren und treiben, daß kein Fürst, Herr, Bürger noch Baur, hinfurt Gänse, Rehe, Hirs, 14) [14) Hirsche] Schweinefleisch im Schwarzen [in schwarzer, d. i. Blutbrühe] esse ... Und sonderlich müssen die Bürger und Baurn kein Rothwurst oder Blutwurst essen“ (Von den Conciliis und Kirchen, 1539)15.
41. Was schrieb ein baptistischer Theologe über 1. Mose 9:3, 4?
41 Im neunzehnten Jahrhundert schrieb Andrew Fuller, der als „vielleicht der bedeutendste und einflußreichste aller baptistischen Theologen“ angesehen wird, über das in 1. Mose 9:3, 4 enthaltene Blutverbot:
„Da es Noah verboten wurde, scheint es auch der ganzen Menschheit verboten worden zu sein; auch sollte dieses Verbot nicht so angesehen werden, als gehöre es zu den Zeremonien des jüdischen Systems. Es wurde nicht nur erlassen, bevor dieses System existierte, sondern es wurde auch den Heidenchristen durch das Aposteldekret, Apg. XV. 20, auferlegt. ... Das Blut ist das Leben, und Gott scheint es als heilig für sich selbst zu beanspruchen.“16
42. Was antwortete der Geistliche William Jones denen, die das biblische Blutverbot außer acht lassen wollten?
42 Könnte ein Christ einwenden, die sogenannte „christliche Freiheit“ sollte es ihm erlauben, das Blutverbot außer acht zu lassen? In dem Buch The History of the Christian Church antwortet der Geistliche William Jones (1762—1846) darauf:
„Nichts kann ausdrücklicher sein als das Verbot, Apg. XV. 28, 29. Können diejenigen, die sich in dieser Hinsicht auf ihre ,christliche Freiheit‘ berufen, auf irgendeinen Teil des Wortes Gottes hinweisen, in dem dieses Verbot später rückgängig gemacht worden wäre? Wenn nicht, so sei uns erlaubt zu fragen: ,Mit welcher Befugnis, außer seiner [Gottes] eigenen, kann irgendeines der Gesetze Gottes aufgehoben werden?‘ “ (S. 106).
43. In bezug auf das Blut sind Jehovas Zeugen wozu entschlossen, gestützt auf welche Tatsachen und Bibeltexte?
43 Die Schlußfolgerung ist klar: Unter der Leitung des heiligen Geistes beschloß das Apostelkonzil, daß Christen, die Gottes Gunst haben möchten, sich ‘des Blutes enthalten’ müssen, wie Gott es schon seit den Tagen Noahs verlangt (Apostelgeschichte 15:28, 29; 1. Mose 9:3, 4). Dieser biblische Standpunkt wurde von den ersten Christen anerkannt und beachtet, selbst wenn es sie das Leben kostete, und durch die Jahrhunderte hindurch ist dieses Erfordernis als für Christen „notwendig“ anerkannt worden. Der Entschluß der Zeugen Jehovas, sich des Blutes zu enthalten, beruht somit auf Gottes Wort, der Bibel, und wird durch viele Beispiele aus der Geschichte des Christentums gestützt.
BLUT ALS HEILMITTEL
44. Welche drei Punkte haben wir nachgewiesen, und wie sind sie in der Bibel begründet?
44 Bis hierher haben wir nachgewiesen, daß die Bibel folgendes verlangt: Kein Mensch darf sich mit Hilfe des Blutes eines anderen Geschöpfes am Leben erhalten (1. Mose 9:3, 4). Wenn einem Tier das Leben genommen wird, so muß das Blut als Sinnbild des Lebens ‘ausgegossen’, dem Lebengeber zurückgegeben werden (3. Mose 17:13, 14). Und gemäß dem Aposteldekret müssen sich Christen ‘des Blutes enthalten’. Das bezieht sich sowohl auf Menschenblut als auch auf Tierblut (Apostelgeschichte 15:28, 29).
Gelten diese biblischen Grundsätze auch für die Annahme einer Bluttransfusion als lebenrettendes Heilverfahren?
45, 46. Welche Frage erhebt sich nun, und auf welche modernen medizinischen Techniken finden die biblischen Grundsätze Anwendung?
45 Einige Personen vertreten die Ansicht, die Bibel verbiete den Blutgenuß zu Speisezwecken und das habe absolut nichts mit der Annahme einer Bluttransfusion zu tun, eines medizinischen Verfahrens, das in biblischen Zeiten nicht bekannt gewesen sei. Ist dieses Argument stichhaltig?
46 Es läßt sich nicht leugnen, daß sich Gottes Gesetz in biblischen Zeiten besonders auf den Genuß von Blut zu Speisezwecken bezog. Damals wurde kein Blut intravenös verabreicht. Doch obwohl die Bibel nicht direkt von den heutigen medizinischen Techniken in Verbindung mit dem Blut spricht, finden die darin dargelegten Grundsätze auch darauf Anwendung.
47, 48. Welcher Unterschied wird in Apostelgeschichte 15:29 nicht gemacht, und aus welchem Grund nicht?
47 Man beachte zum Beispiel das Gebot, Christen sollten sich des Blutes enthalten (Apostelgeschichte 15:29). In diesem Text wird nichts gesagt, was einen berechtigen würde, einen Unterschied zwischen der Aufnahme von Blut durch den Mund und der Aufnahme von Blut durch die Blutgefäße zu machen. Und besteht denn wirklich grundsätzlich ein Unterschied zwischen beiden Applikationsformen?
48 Ärzte wissen, daß jemand sowohl durch den Mund als auch intravenös ernährt werden kann. Bestimmte Arzneimittel können auf verschiedenen Wegen verabreicht werden. Einige Antibiotika zum Beispiel können oral in Tablettenform eingenommen werden; sie können aber auch in die Muskeln oder in den Blutkreislauf (intravenös) eingespritzt werden. Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine gewisse antibiotische Tablette eingenommen, darauf hätte sich eine gefährliche allergische Reaktion gezeigt und man hätte Ihnen daher geraten, sich in Zukunft dieser Droge zu enthalten. Wäre es vernünftig, anzunehmen, der Arzt hätte mit seiner Warnung gemeint, Sie sollten das Mittel nicht mehr in Tablettenform einnehmen, könnten es sich aber gefahrlos in den Blutkreislauf injizieren lassen? Wohl kaum! Es käme nicht auf die Form der Verabreichung an, sondern darauf, daß Sie dieses Antibiotikum überhaupt nicht zu sich nehmen dürften. Genauso verhält es sich mit der Entscheidung, daß sich Christen des Blutes enthalten müssen: Sie bezieht sich auf die Aufnahme von Blut in den Körper, ganz gleich, ob diese durch den Mund oder direkt in den Blutkreislauf erfolgt.
Wie wichtig ist diese Angelegenheit für Jehovas Zeugen?
49. Wozu sind Jehovas Zeugen fest entschlossen, und wovon sind sie überzeugt?
49 Wer seine Abhängigkeit vom Schöpfer und Lebengeber anerkennt, sollte entschlossen sein, seine Gebote zu halten. Diesen Standpunkt vertreten Jehovas Zeugen. Sie sind völlig davon überzeugt, daß es richtig ist, Gottes Gebot, das die Aufnahme von Blut in den Körper verbietet, zu halten. Sie folgen dabei keiner persönlichen Laune oder einer grundlosen, fanatischen Anschauung. Aus Gehorsam gegenüber der höchsten Autorität des Universums, dem Schöpfer des Lebens, weigern sie sich, Blut in irgendeiner Form, sei es durch Essen oder durch eine Transfusion, in ihren Körper aufzunehmen.
50, 51. Was steht bei der Blutfrage auf dem Spiel, und welchen Worten des Psalmisten stimmen wir von ganzem Herzen zu?
50 Jehovas Zeugen geht es bei der Blutfrage daher um die fundamentalsten Grundsätze, nach denen sie als Christen ihr Leben ausrichten. Ihr Verhältnis zu ihrem Schöpfer und Gott steht dabei auf dem Spiel. Außerdem stimmen sie von ganzem Herzen mit den Worten des Psalmisten überein: „Die richterlichen Entscheidungen Jehovas sind wahr; sie haben sich allesamt als gerecht erwiesen. ... Sie zu halten bringt große Belohnung“ (Psalm 19:9, 11).
51 Personen, die nur an die unmittelbaren Folgen einer Entscheidung denken, mögen daran zweifeln, daß Gehorsam gegenüber dem Blutgesetz eine „Belohnung“ mit sich bringt. Aber Jehovas Zeugen sind davon überzeugt, daß es sich zu ihrem bleibenden Wohl auswirkt, wenn sie sich an die Richtlinien ihres Schöpfers halten.
52, 53. Welchen Standpunkt nahmen die ersten Christen ein, und zu welchem Preis?
52 Die ersten Christen waren der gleichen Ansicht. Die Geschichte zeigt, daß ihr Gehorsam gegenüber Gott manchmal bis zum Äußersten geprüft wurde. Im Römischen Reich wollte man sie zwingen, Götzendienst oder unsittliche Handlungen zu begehen. Ihre Weigerung konnte bedeuten, daß sie in einer römischen Arena wilden Tieren vorgeworfen wurden. Aber diese Christen hielten an ihrem Glauben fest; sie gehorchten Gott.
53 Man denke nur, was das für sie bedeutete! Eltern unter den ersten Christen, die sich weigerten, Gottes Gesetz zu brechen, mußten sogar damit rechnen, daß ihre Kinder getötet wurden. Doch wissen wir aus der Geschichte, daß diese Christen Gott und den Grundsätzen, nach denen sie lebten, nicht aus Furcht und Unglauben den Rücken kehrten. Sie glaubten an die Worte Jesu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer Glauben an mich ausübt, wird zum Leben kommen, auch wenn er stirbt“ (Johannes 11:25). Trotz der unmittelbaren Folgen gehorchten diese Christen daher der apostolischen Entscheidung, sich der Dinge zu enthalten, die Götzen geopfert worden waren, sowie der Hurerei und des Blutes. Soviel bedeutete ihnen die Treue gegenüber Gott.
54. Welche Verantwortung nehmen sie auf sich?
54 Heute bedeutet sie für Jehovas Zeugen das gleiche. Sie fühlen sich zu Recht moralisch verpflichtet, für sich und ihre Kinder Entscheidungen zu treffen, die mit ihrer Anbetung zusammenhängen. Deshalb erwarten Jehovas Zeugen nicht, daß jemand anders diese moralischen Entscheidungen für sie trifft, weder ein Arzt noch eine Krankenhausverwaltung, noch ein Richter. Sie wünschen nicht, daß jemand anders versucht, ihre Verantwortung vor Gott auf sich zu nehmen, denn das kann wirklich kein anderer tun. Es ist eine persönliche Verantwortung, die der Christ gegenüber seinem Gott und Lebengeber hat.
IST DIE WEIGERUNG EINE ART SELBSTMORD?
55, 56. (a) Welcher Einwand wird gegen die Verweigerung einer Bluttransfusion erhoben? (b) Warum kann man den Zeugen nicht vorwerfen, sie würden Selbstmord begehen, wie das Zeugnis anderer zeigt?
55 Bei hohem Blutverlust infolge eines Unfalls, einer Krankheit oder chirurgischer Komplikationen sind häufig Bluttransfusionen verabreicht worden, um das Leben zu retten. Wenn daher bekannt wird, daß jemand eine Bluttransfusion verweigert, mögen einige der Ansicht sein, der Betreffende nehme sich gewissermaßen das Leben. Ist das der Fall?
Ist die Verweigerung einer Bluttransfusion „Selbstmord“ oder die Ausübung des „Rechts auf den Tod“?
56 Selbstmord ist die gewaltsame Beendigung des eigenen Lebens — eine Selbstzerstörung. Doch jeder, der auch nur oberflächlich die Ansichten und Gewohnheiten der Zeugen Jehovas kennt, weiß, daß sie nicht daran interessiert sind, ihr Leben zu zerstören. Sie lehnen zwar Bluttransfusionen ab, sind aber gern bereit, andere ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. In einem Artikel, der im American Surgeon erschien, hieß es korrekt:
„Die Ablehnung einer medizinischen Behandlung ist im allgemeinen nicht gleichbedeutend mit ,Selbstmord‘. Jehovas Zeugen bemühen sich um ärztliche Behandlung und lehnen nur einen Bestandteil der ärztlichen Maßnahmen ab. Die Ablehnung ärztlicher Behandlung oder bestimmter medizinischer Praktiken ist kein ,Verbrechen‘, das jemand als eine offenkundige Handlung mit der Absicht auf Selbstzerstörung begeht, wie dies beim Selbstmord der Fall ist“ (Kursivschrift von uns)17.
Professor Robert M. Byrn erklärte in der Zeitschrift Fordham Law Review, die Ablehnung einer lebenrettenden Therapie und versuchter Selbstmord seien rechtlich so unterschiedlich wie Apfel und Orangen18. Und auf einer Ärztetagung sagte Dr. David Pent aus Arizona:
„Jehovas Zeugen sind der Ansicht, daß sie, falls sie aufgrund ihrer Weigerung, eine Bluttransfusion anzunehmen, sterben sollten, genauso für ihren Glauben sterben wie die frühen religiösen Märtyrer vor einigen Jahrhunderten. Wenn das passiver medizinischer Selbstmord ist, dann möchte ich nur darauf hinweisen, daß mehrere Ärzte hier in der Zuhörerschaft gerade Zigaretten rauchen, und das ist wahrscheinlich genauso passiver Selbstmord.“19.
57. Warum macht man durch die Ablehnung von Bluttransfusionen keinen Gebrauch von seinem Recht auf den Tod?
57 Was ist nun zu der Ansicht zu sagen, Jehovas Zeugen machten durch ihre Ablehnung von Bluttransfusionen von einem „Recht auf den Tod“ Gebrauch? Tatsache ist, daß Jehovas Zeugen am Leben bleiben möchten. Deshalb bemühen sie sich auch um ärztliche Hilfe. Aber sie können und werden nicht gegen ihre feste und biblisch begründete religiöse Überzeugung handeln.
58. Welches Recht haben die Gerichte jedem Menschen zuerkannt, und logischerweise warum?
58 Gerichte haben oft den Grundsatz hervorgehoben, daß jeder Mensch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit hat, und das bedeutet, daß letzten Endes der einzelne selbst die Verantwortung trägt, zu entscheiden, was mit seinem Körper geschieht. Sicher möchten auch Sie dieses Recht für sich in Anspruch nehmen, wenn Sie krank sind oder ins Krankenhaus eingeliefert werden. Da es um Ihr Leben, Ihre Gesundheit und Ihren Körper geht, sollten Sie dann nicht das letzte Wort haben, wenn zu entscheiden ist, ob etwas Bestimmtes mit Ihnen getan wird oder nicht?
59, 60. (a) Worüber muß der Patient die letzte Entscheidung fällen? (b) In welchem Menschenrecht finden das Recht und die Pflicht des Arztes ihre Grenzen?
59 Dieser vernünftige und moralische Standpunkt hat logische Konsequenzen. In einer Broschüre der Medizinischen Gesellschaft Amerikas heißt es: „Der Patient muß die letzte Entscheidung darüber fällen, ob er sein Glück mit der ärztlich empfohlenen Behandlung oder Operation versuchen will oder ob er das Risiko auf sich nehmen will, ohne diese zu leben. Das ist das natürliche Recht des einzelnen und wird vom Gesetz anerkannt.“ „Ein Patient hat das Recht, seine Zustimmung zu einer lebenrettenden Behandlung zu verweigern. Dementsprechend kann er gewisse Bedingungen und Einschränkungen auferlegen, von denen er seine Zustimmung abhängig macht.“20
60 Das trifft auf Bluttransfusionen genauso zu wie auf jede andere „lebenrettende Behandlung“. Dr. jur. H. Narr aus Tübingen erklärte: „Das Recht und die Pflicht des Arztes zu heilen finden in dem grundsätzlichen freien Selbstbestimmungsrecht des Menschen über seinen Körper ihre Grenze ... Gleiches gilt für andere ärztliche Eingriffe, also auch für die Transfusionsverweigerung.“21
61. Was ist die Ansicht mancher Menschen über die Bewahrung des Lebens, doch welche Frage erhebt sich deshalb?
61 Verständlicherweise sind einige Personen schockiert darüber, daß jemand Blut verweigert, wenn dies doch gefährlich sein oder sogar tödliche Folgen haben kann. Viele sind der Ansicht, das Leben sei das Wichtigste; es müsse um jeden Preis bewahrt werden. Es stimmt: Die Bewahrung des menschlichen Lebens ist eine der wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft. Doch sollte das bedeuten, daß die „Bewahrung des Lebens“ höher steht als alle anderen Grundsätze?
62. Was zeigt gemäß N. L. Cantor, daß die Heiligkeit des Lebens nicht der höchste Wert ist, wie kann man das veranschaulichen?
62 Norman L. Cantor, außerordentlicher Professor an der Juristischen Fakultät der Rutgers-Universität, antwortete darauf:
„Die Menschenwürde wird dadurch erhöht, daß man den einzelnen für sich entscheiden läßt, für welche Überzeugungen es sich lohnt zu sterben. Im Laufe der Jahrhunderte ist so manche edle Sache, sowohl auf religiösem als auch auf weltlichem Gebiet, eines Selbstopfers für wert erachtet worden. Gewiß halten die meisten Regierungen und Gesellschaften, einschließlich unserer eigenen, die Heiligkeit des Lebens nicht für den höchsten Wert.“22
Als Beispiel führte N. L. Cantor an, daß in Kriegen einige Männer bereit waren, um der Sache der „Freiheit“ oder der „Demokratie“ willen Verwundungen und sogar den Tod auf sich zu nehmen. Hielten ihre Landsleute solche Opfer, die um eines Ideals willen gebracht wurden, für moralisch verkehrt? Wurde diese Handlungsweise von ihrer Nation als unehrenhaft verurteilt, da einige von denen, die starben, unterstützungsbedürftige Witwen oder Waisen hinterließen? Sind Sie der Ansicht, daß Rechtsanwälte und Ärzte gerichtliche Maßnahmen hätten erwirken sollen, um diese Männer davon abzuhalten, sich für ihre Ideale zu opfern? Ist es daher nicht offensichtlich, daß Jehovas Zeugen und die ersten Christen nicht als einzige bereit gewesen sind, um gewisser Ideale willen Gefahren auf sich zu nehmen? Tatsache ist, daß eine solche Grundsatztreue von vielen Personen hochgeachtet wird.
63. Welcher Standpunkt der Zeugen sollte jeden daran hindern, zu versuchen, eine Behandlung zu erzwingen, die völlig im Gegensatz zu ihrer Überzeugung steht?
63 Auch sollte hier nochmals betont werden, daß Jehovas Zeugen zwar keine Bluttransfusionen annehmen, aber gern bereit sind, sich einer anderen Behandlung zu unterziehen, die ihnen helfen mag, am Leben zu bleiben. Warum sollte dann irgend jemand anders auf einer gewissen Therapie, die völlig im Gegensatz zu den Grundsätzen und den tiefsten religiösen Überzeugungen einer Person steht, bestehen und sie erzwingen?
64. Was schreibt eine medizinische Fachzeitschrift über Ärzte, die versuchen, Patienten eine gewisse Behandlung aufzuzwingen, die ihr Gewissen verletzt?
64 Und doch ist dies vorgekommen. Einige Ärzte und Krankenhausverwaltungen haben sich sogar an Gerichte gewandt, um die rechtliche Befugnis zu erlangen, jemandem Blut aufzuzwingen. Über diejenigen, die diesen Weg eingeschlagen haben, schrieb Dr. D. N. Goldstein im Wisconsin Medical Journal:
„Ärzte, die diesen Standpunkt vertreten, leugnen die Opfer all der Märtyrer, die die Geschichte schmückten, indem sie sich sogar auf Kosten ihres Lebens einem Ideal weihten. Denn diese Patienten, die lieber den sicheren Tod auf sich nehmen, als sich über religiöse Bedenken hinwegzusetzen, sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie diejenigen, die ihren Glauben an Gott mit dem Leben bezahlten oder die lieber auf den Scheiterhaufen gingen, als sich [gezwungenermaßen] taufen zu lassen. ... Wir haben die Pflicht, Leben zu retten, aber wir sollten uns gut überlegen, ob wir nicht auch die Pflicht haben, die Integrität zu schützen und die wenigen Gesten persönlicher Authentizität zu bewahren, die es in unserer vermehrt reglementierten Gesellschaft noch gibt. ... Kein Arzt sollte rechtlichen Beistand suchen, um einen Körper zu retten, indem er eine Seele vernichtet. Das Leben gehört dem Patienten; es ist sein Eigentum.“23
DIE ROLLE DES ARZTES
65, 66. Warum mag ein Arzt erschüttert sein, wenn er erfährt, daß er es mit einem Zeugen zu tun hat, der eine Bluttransfusion ablehnt?
65 Wir haben gesehen, daß Jehovas Zeugen aufgrund ihrer festen religiösen Überzeugung sowohl Nahrungsmittel, die Blut enthalten, als auch ärztlich verordnetes Blut meiden. Doch wie werden andere von diesem Standpunkt betroffen, zum Beispiel Ärzte, die Zeugen Jehovas behandeln?
66 Ärzte haben sich der Aufgabe gewidmet, Leben zu retten oder zu verlängern. Das ist ihr Beruf. Folglich mag ein Arzt, der aufgrund seiner Ausbildung die Bluttransfusion als die übliche Behandlungsmethode für Patienten ansieht, die schwer krank sind oder viel Blut verloren haben, erschüttert sein, wenn er erfährt, daß ein Patient Blut verweigert. Das biblisch geschulte Gewissen des Patienten mag eine Bluttransfusion nicht zulassen, aber auch der Arzt hat ein Gewissen und hält sich an ethische Grundsätze, die für ihn sehr wichtig sind.
Sollte sich ein Arzt nach seiner medizinischen Ausbildung und Überzeugung richten, wenn er der Ansicht ist, daß ein Patient eine Bluttransfusion benötigt, selbst wenn dieser sie ablehnt?
67, 68. Gemäß welchen medizinischen und rechtlichen Gründen darf sich ein Chirurg nicht nach seiner Überzeugung richten, wenn diese das Gewissen eines Patienten verletzt?
67 Zweifellos entsteht in solchen Fällen eine heikle Situation. Doch jeder von uns kann sich fragen: Wenn ich in einer Lage wäre, in der ein Konflikt zwischen meinem Gewissen als Patient und der aufrichtigen Überzeugung eines behandelnden Arztes bestünde, was sollte dann meiner Ansicht nach getan werden? Man beachte die Bemerkungen, die Dr. William P. Williamson auf dem „Ersten [amerikanischen] Landeskongreß über ärztliche Ethik und Berufssolidarität“ machte:
„Gewiß muß der Arzt zuerst auf das Wohl des Patienten bedacht sein. Da das Leben eine Gabe des Schöpfers an den einzelnen ist, gebührt die Entscheidung in erster Linie dem Patienten, da der Patient der Verwalter dieser Gabe ist. ... Der Arzt sollte den Patienten im Rahmen der Gebote der Religion des Patienten behandeln und dem Patienten nicht seine eigene religiöse Überzeugung aufzwingen“ (Kursivschrift von uns)24.
68 Es gibt noch einen weiteren, einen rechtlichen Grund, weshalb man sich nicht über das Gewissen des Patienten hinwegsetzen darf. Professor Byrn schrieb diesbezüglich in der Zeitschrift Fordham Law Review: „Ich meine nicht, daß der Arzt durch die Entscheidung des Patienten verpflichtet ist, etwas gegen sein ärztliches Gewissen zu tun. ... Ich meine aber, daß der Patient nicht durch das Gewissen des Arztes verpflichtet ist, etwas zu tun, was seiner Entscheidung als Patient widerspricht, und folglich mag der Arzt das Recht und die Wahl haben, nichts zu tun. Das Gesetz der bewußten Zustimmung wäre bedeutungslos, wenn die Entscheidung des Patienten dem ärztlichen Gewissensurteil untergeordnet wäre“ (Kursivschrift von uns)25.
69, 70. Anstatt den Fall aufzugeben, was sollte ein Arzt tun, wenn er einen Patienten vor sich hat, der eine Bluttransfusion ablehnt?
69 Es besteht also die Möglichkeit, daß ein Arzt in dieser Lage nichts tut, das heißt den Fall aufgibt. Doch ist dies die einzige Alternative? In dem Artikel „Emergency Surgical Procedures in Adult Jehovah’s Witnesses“ schrieb Dr. Robert D. O’Malley diesbezüglich folgendes: „Die Weigerung des Patienten, eine Bluttransfusion anzunehmen, sollte dem Arzt nicht als Entschuldigung dienen, den Patienten aufzugeben.“26
70 Was könnte denn ein Arzt tun? Dr. J. K. Holcomb erklärte in einer medizinischen Zeitschrift:
„Zweifellos fühlen wir Ärzte uns frustriert, ja sogar verärgert, wenn sich ein widerspenstiger Patient weigert, etwas anzunehmen, was wir als die bevorzugte Behandlungsmethode betrachten würden. Doch sollten wir wirklich so reagieren, wenn der Patient eine religiöse Überzeugung als Grundlage für die Verweigerung einer bestimmten Behandlung anführt? Wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, werden wir zugeben, daß wir in unserer täglichen Praxis bei vielen Patienten etwas Geringeres als die ideale Behandlung anwenden. ... Wenn wir das mit unserer medizinischen Überzeugung vereinbaren können, sollten wir dann nicht auch in gleicher Weise bereit sein, unser Bestes zu tun, wenn die Überzeugung eines Patienten, besonders auf religiösem Gebiet, uns daran hindert, die Therapie anzuwenden, die wir für wünschenswert halten? Gewöhnlich sind sich die Patienten, die Bluttransfusionen aus religiösen oder anderen Gründen ablehnen, der medizinischen Risiken ihrer Entscheidung bewußt, sind aber bereit, diese Risiken auf sich zu nehmen, und bitten uns lediglich, unser Bestes zu tun.“27
71. Was kann über die moralische Verpflichtung des Patienten und des Arztes in bezug auf eine „außerordentliche“ Behandlung gesagt werden?
71 Es gibt noch eine andere Überlegung zu dem moralischen Gesichtspunkt der Sache. John J. Paris, außerordentlicher Professor für Sozialethik, erklärte: „Es besteht große Übereinstimmung zwischen Vertretern des medizinischen und des moralischen Standpunkts, nämlich daß niemand moralisch verpflichtet ist, sich einer ,außerordentlichen‘ medizinischen Behandlung zu unterziehen. Und wenn der Patient nicht moralisch verpflichtet ist, sich einer ,außerordentlichen‘ Behandlung zu unterziehen — so üblich sie auch in der Praxis sein mag —, so ist auch der Arzt nicht moralisch verpflichtet, sie durchzuführen, noch der Richter, sie anzuordnen.“28 Für Jehovas Zeugen, die ihr Leben nach der Bibel ausrichten, sind Bluttransfusionen gewiß eine „außerordentliche“ Behandlung. Tatsächlich sind sie ihnen vom moralischen Standpunkt aus verboten.
ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN PATIENT UND ARZT
72. Welchen Standpunkt nehmen die Zeugen in bezug auf medizinische Behandlungen im allgemeinen ein, doch mit welcher Ausnahme?
72 Alle Personen, die von dieser Angelegenheit betroffen sind, können versichert sein, daß Jehovas Zeugen keine Fanatiker sind, die sich einer medizinischen Behandlung widersetzen würden. Man denke daran, daß Lukas, der den Bibelbericht über die Entscheidung gegen Blut schrieb, selbst Arzt war (Kolosser 4:14). Wenn Jehovas Zeugen krank sind oder einen Unfall haben, lassen sie sich daher nicht von einem „Wunderheiler“ behandeln. Vielmehr suchen sie ärztliche Hilfe. Wenn sie das tun, versuchen sie nicht, Ärzten vorzuschreiben, wie sie ihren Beruf auszuüben haben, ja nicht einmal, wie sie ihren Krankheitsfall zu behandeln haben. Das einzige, worum sie konsequent bitten, ist, daß kein Blut verwendet wird.
73. Was schätzen Jehovas Zeugen in Verbindung mit ihrem Standpunkt in der Blutfrage?
73 Jehovas Zeugen haben hohe Achtung vor der Ausbildung und den Fähigkeiten derer, die im Arztberuf tätig sind. Sie schätzen aufrichtig Ärzte, die ihre Geschicklichkeit gebrauchen, um einen Patienten zu behandeln, und dies in Übereinstimmung mit der Gewissensüberzeugung des Patienten tun. Jehovas Zeugen erkennen, daß es Mut erfordert, einen Patienten zu operieren, ohne die Freiheit zu haben, Blut zu verwenden. Auch gehört Mut dazu, gegen die Ansichten anderer Ärzte zu handeln und sich bereit zu erklären, unter Bedingungen zu arbeiten, die vom medizinischen Standpunkt aus nicht optimal sind.
74. Worüber sind sich die Zeugen im klaren, und wozu sind sie bereit?
74 Natürlich sind sich Jehovas Zeugen darüber im klaren, daß einige chirurgische Eingriffe mit so hohem Blutverlust verbunden sind, daß ein Arzt aufrichtig glauben mag, sie könnten unter den Bedingungen, die Jehovas Zeugen stellen, nicht vorgenommen werden. Die meisten chirurgischen Eingriffe können jedoch ohne Blut vorgenommen werden. Ärzte mögen zwar der Ansicht sein, daß die Operation ohne Verwendung von Blut gefährlicher ist, aber Jehovas Zeugen sind bereit, mit der mutigen Hilfe geschickter Ärzte solche erhöhten Risiken in Kauf zu nehmen.
75. Zu welchem Schluß kam man in einem schweren Fall, nachdem die Operation ohne Blut erfolgreich verlaufen war?
75 Während einer Diskussion an der University of Pennsylvania erzählte Dr. William T. Fitz einen interessanten Fall. Es ging dabei um einen vierunddreißigjährigen Patienten, der aufgrund eines Darmtumors viel Blut verloren hatte. Der Mann, ein Zeuge Jehovas, sagte den Ärzten, er sei gern bereit, sich jeglichem chirurgischen Eingriff zu unterziehen, solange er kein Blut erhalte. Die Ärzte erklärten sich einverstanden und versprachen, kein Blut zu geben. Während und nach der Operation war der Blutverlust so hoch, daß der Hämoglobingehalt, der normalerweise 14 bis 15 Gramm pro 100 ml Blut beträgt, auf 2,4 Gramm sank. Aber der Patient starb nicht. Statt dessen stabilisierte sich sein Zustand, und dann besserte sich sein Blutbild zusehends. Über das Versprechen der Ärzte, kein Blut zu geben, sagte Dr. Francis Wood, Vorsitzender der medizinischen Abteilung: „Ich denke, Sie hatten völlig recht, das Versprechen zu geben. Der Mann wäre gestorben, wenn Sie ihn nicht operiert hätten. Er hatte eine gewisse Chance, durch eine Operation ohne Bluttransfusion gerettet zu werden; ich denke daher, daß es völlig gerechtfertigt war, ihm diese Chance nach seinen eigenen Bedingungen einzuräumen.“29
BEFREIUNG DER ÄRZTE VON DER VERANTWORTUNG
76. Warum brauchen die Ärzte nicht zu befürchten, die Zeugen würden sie wegen „eines Kunstfehlers“ verklagen, wenn aufgrund der Operation ohne Blut Schäden eintreten?
76 Jedesmal, wenn Ärzte einen schweren Fall zu behandeln haben, sind sie in einer schwierigen Lage, denn wenn sie es versäumen, alle zur Verfügung stehenden Verfahren anzuwenden, können sie wegen „ärztlichen Kunstfehlers“ angeklagt werden. Jehovas Zeugen sind jedoch bereit, die Verantwortung für ihre Transfusionsverweigerung selbst zu tragen. Sie werden eine Erklärung unterschreiben, durch die das Arztpersonal und das Krankenhaus jeglicher Sorge wegen eines möglichen Gerichtsverfahrens enthoben werden, falls aufgrund der Operation ohne Blut Schäden eintreten.
77. Was beinhaltet im wesentlichen das Formular der Medizinischen Gesellschaft Amerikas, das gemäß ihrer Empfehlung Patienten, die Bluttransfusionen verweigern, unterschreiben sollen?
77 Die Medizinische Gesellschaft Amerikas hat für Patienten, die aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion ablehnen, ein Formular mit der Überschrift „Verweigerung der Zustimmung zur Bluttransfusion“ empfohlen. Es lautet: „Ich [wir] ersuche[n] darum, daß ............ während seines Krankenhausaufenthalts weder Blut noch Blutderivate verabreicht werden, selbst wenn der behandelnde Arzt oder seine Assistenten eine solche Behandlung für nötig halten, um das Leben zu bewahren oder die Rekonvaleszenz zu fördern. Ich [wir] befreie[n] den behandelnden Arzt, seine Assistenten, das Krankenhaus und das Krankenhauspersonal von jeglicher Verantwortung für irgendwelche schädlichen Folgen, die aufgrund meiner [unserer] Weigerung, der Verwendung von Blut oder Blutderivaten zuzustimmen, entstehen mögen.“30 Dieses Dokument ist mit dem Datum zu versehen und vom Patienten und von anwesenden Zeugen zu unterschreiben. Ein naher Verwandter, wie der Ehepartner oder ein Elternteil (im Falle eines Kindes), könnte das Formular ebenfalls unterzeichnen.
78. Woraus geht hervor, daß Jehovas Zeugen bereit sind, die Verantwortung für die Verweigerung, sich Blut übertragen zu lassen, selbst zu tragen?
78 Die Bereitschaft der Zeugen Jehovas, die Verantwortung für ihren Standpunkt bezüglich des Blutes selbst zu tragen, geht auch daraus hervor, daß die meisten von ihnen eine unterschriebene Karte mit der Überschrift „Keine Bluttransfusion!“ bei sich tragen. In diesem Dokument heißt es, daß sich der Unterzeichner der Folgen einer Transfusionsverweigerung bewußt ist und sie auf sich nimmt. Selbst wenn er also bewußtlos zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus gebracht wird, macht diese unterzeichnete Erklärung seinen festen Standpunkt klar.
Könnte ein Arzt oder ein Krankenhaus verantwortlich gemacht werden, wenn kein Blut gegeben wird?
79. Was wurde über die Wahrscheinlichkeit gesagt, daß ein Arzt verklagt wird, weil er einem Patienten keine Bluttransfusion aufgezwungen hat?
79 Diese Frage wurde in einem Artikel behandelt, der in der Zeitschrift University of San Francisco Law Review erschien. Darin hieß es, daß Richter Warren Burger, der Gerichtspräsident des Obersten Bundesgerichts der Vereinigten Staaten wurde, sagte, ein Verfahren wegen standeswidrigen Verhaltens würde in einem Fall, in dem eine Erklärung unterzeichnet worden sei, „unbegründet erscheinen“. Weiter hieß es in dem Artikel:
„Die Möglichkeit einer Anklage ist noch abwegiger. Ein Kommentator, der die Literatur überprüfte, berichtete: ,Ich habe keinen einzigen Beleg für die Behauptung gefunden, der Arzt mache sich durch sein Versäumnis, einem unwilligen Patienten eine Transfusion aufzuzwingen, strafbar.‘ Das Risiko scheint eher das Produkt eines phantasievollen Rechtsgeistes als eine realistische Möglichkeit zu sein.“31
80. Wie ist die Situation in England, wenn ein Patient stirbt, weil er sich kein Blut übertragen ließ?
80 Über die Situation in England hieß es in dem Buch Emergencies in Medical Practice: „Wenn dem Patienten die Sachlage erklärt wurde und er ohne Transfusion stirbt, so kann gegen den Arzt keine Maßnahme ergriffen werden, denn kein Patient ist verpflichtet, sein Leben durch die Anwendung besonderer oder außerordentlicher Maßnahmen zu bewahren.“32
81, 82. Welche moralische Verpflichtung hat ein Arzt, aber welche moralische Verpflichtung hat er nicht?
81 Ein Arzt, der einen chirurgischen Eingriff plant, wird seinem Patienten natürlich deutlich erklären wollen, worin die möglichen Risiken einer Transfusionsverweigerung bestehen. Doch wenn er dies einmal getan hat, braucht er sich nicht moralisch verpflichtet zu fühlen, weiteren Druck auszuüben. Es wäre bestimmt unethisch, einen Patienten, der fest entschlossen ist, Blut zu verweigern, einschüchtern oder zum Nachgeben zwingen zu wollen.
82 Da Jehovas Zeugen bereit sind, die Verantwortung für ihre Entscheidung zu tragen, sind Ärzte rechtlich und auch moralisch frei von jeder Verpflichtung, auf einer Bluttransfusion zu bestehen. Und so wollen es auch viele ethischgesinnte und aufrichtige Ärzte haben. „Vor einer Lockerung des Selbstbestimmungsrechtes des Menschen, auch des Patienten, kann nicht dringend genug gewarnt werden“, schrieb der Hamburger Chirurg Dr. G. Haenisch. „Eine Machtzuteilung an den Arzt, von ihm für richtig gehaltene Eingriffe auch gegen den Willen des Patienten vorzunehmen, ist kompromißlos abzulehnen“ (Deutsche Medizinische Wochenschrift)33.
83. Weswegen könnte ein Arzt verklagt werden, der seinem Patienten, einem Zeugen, eine Bluttransfusion aufzwingt?
83 In Anbetracht dieses Menschenrechts wurde in einigen Ländern in juristischen und medizinischen Schriften wiederholt davor gewarnt, daß die Verabreichung einer Transfusion gegen den Willen des Patienten für den Arzt (oder das Krankenhauspersonal) eine Anklage wegen gewaltsamer Körperverletzung oder ein gerechtfertigtes Verfahren wegen standeswidrigen Verhaltens nach sich ziehen kann.
Was ist zu einer Blutübertragung zu sagen, die ohne Wissen des Patienten vorgenommen wird, vielleicht wenn er bewußtlos ist?
84, 85. Welche Handlungsweise eines Arztes wäre „vom ethischen Standpunkt aus ... äußerst verwerflich“, und warum?
84 Viele aufrichtige Ärzte sind der Ansicht, daß es in einigen Fällen, zum Beispiel bei Krebs im Endstadium, mit Rücksicht auf den Patienten nicht ratsam ist, ihn völlig über seinen Zustand aufzuklären. Andere mögen unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es angemessen ist, einen Patienten nicht über seinen Zustand aufzuklären, doch ist dies etwas ganz anderes, als würde ein Arzt eine Behandlung vornehmen, von der er weiß, daß der Patient sie für sich verboten hat. Diesen Gedanken hoben Dr. Bernard Garner und seine Mitarbeiter im New York State Journal of Medicine hervor. Sie gaben zu, daß Ärzte manchmal einen Zeugen Jehovas bewußtlos werden ließen und ihm dann Blut gaben, vielleicht in der Meinung: „Was er nicht weiß, kann ihm nicht schaden.“ Doch am Schluß schrieben sie nachdrücklich: „Das Motiv mag zwar uneigennützig sein, doch vom ethischen Standpunkt aus wäre dies äußerst verwerflich.“34
85 Weshalb das so ist, erklärte Marcus L. Plante, Professor an der Juristischen Fakultät der Universität von Michigan. Er schrieb: „Der Arzt hat ein Vertrauensverhältnis zu seinem Patienten und ist absolut verpflichtet, den Patienten niemals durch Worte oder Stillschweigen in bezug auf die Natur und den Charakter des medizinischen Verfahrens irrezuführen, das er beabsichtigt anzuwenden.“35
86, 87. (a) Was schrieb die deutsche Ausgabe der Medical Tribune über Blutübertragung im Fall von Bewußtlosigkeit? (b) Welcher Gerichtsentscheid unterstrich diesen Standpunkt, was zu welchem Schluß führt?
86 Außerdem ist es in einigen Ländern ungesetzlich, wenn der Arzt verspricht, kein Blut zu geben, und es dann heimlich doch tut. So wurde zum Beispiel in der deutschen Ausgabe der Medical Tribune erklärt: „An dieser Rechtslage ändert sich auch nichts dadurch, daß ein Patient bewußtlos wird.“ Denn: „Die einmal ausdrücklich und klaren Sinnes erklärte Ablehnung einer Bluttransfusion gilt auch für den Fall der Bewußtlosigkeit des Patienten.“36 Noch nachdrücklicher erklärte der Oberste Gerichtshof von Kansas:
„... Jeder Mensch wird als Herr seines eigenen Körpers angesehen, und er kann, wenn er klaren Sinnes ist, ausdrücklich die Durchführung lebenrettender chirurgischer Eingriffe oder eine andere ärztliche Behandlung verbieten. Ein Arzt mag wohl der Ansicht sein, daß eine Operation oder eine andere Form der Behandlung wünschenswert oder nötig ist, doch das Gesetz gestattet ihm nicht, durch irgendeine Form von Täuschung oder Betrug seine eigene Überzeugung statt die des Patienten durchzusetzen“ (Kursivschrift von uns)37.
87 Folglich widerspricht eine mit Hilfe von Täuschung erwirkte Bluttransfusion an einem Zeugen Jehovas der Ethik moralisch verantwortlicher Ärzte. Ein Arzt könnte sich dadurch auch rechtlich schuldig machen.
ACHTUNG VOR DER VERANTWORTUNG DER ELTERN
88, 89. (a) Welcher Gesichtspunkt der Blutfrage ist der umstrittenste? (b) Wie denken die Zeugen darüber, und warum?
88 Die Behandlung eines Kindes ist wahrscheinlich der umstrittenste Gesichtspunkt der Blutfrage, da hierbei besonders Gefühle mit ins Spiel kommen. Wir alle erkennen an, daß Kinder Pflege und Schutz brauchen. Gottesfürchtige Eltern sind sich dessen besonders bewußt. Sie lieben ihre Kinder sehr und sind sich über die ihnen von Gott aufgetragene Verantwortung, für sie zu sorgen und Entscheidungen für ihr ewiges Wohl zu treffen, völlig im klaren (Epheser 6:1-4).
89 Auch die Gesellschaft erkennt die Verantwortung der Eltern und gesteht ihnen als ersten die Befugnis zu, für ihre Kinder zu sorgen und Entscheidungen zu treffen. Natürlich spielt dabei die religiöse Überzeugung der Familie eine Rolle. Bestimmt haben Kinder einen Nutzen davon, wenn die Religion ihrer Eltern Wert darauf legt, daß die Eltern für ihre Kinder sorgen. Das ist bei Jehovas Zeugen der Fall, die ihre Kinder in keiner Hinsicht vernachlässigen wollen. Sie sehen es als eine von Gott aufgetragene Verpflichtung an, ihren Kindern Nahrung, Kleidung und Obdach zu geben und ihnen Gesundheitspflege zu ermöglichen. Zu der Fürsorgepflicht gehört auch, daß die Eltern ihren Kindern sittliche Grundsätze und die Achtung vor dem, was recht ist, beibringen. Wie bereits erwähnt, waren die ersten Christen darin vorbildlich. Die Eltern belehrten ihre Kinder und lebten selbst nach den Sittenlehren, die sie vertraten. Die Geschichte berichtet davon, daß manchmal ganze Familien in römischen Arenen dem Tod ausgesetzt wurden, weil die Eltern nicht bereit waren, ihr religiöses Gewissen zu verletzen.
90. (a) Was ist die Folge, wenn die elterliche Belehrung fehlt? (b) Wie handeln im Gegensatz dazu Eltern, die Zeugen Jehovas sind?
90 Wir wissen alle, daß die fehlende Belehrung und das fehlende sittliche Beispiel der Eltern dazu beigetragen haben, daß viele Jugendliche heute keine sittlichen Werte kennen; es macht ihnen nichts aus, ihre Gesundheit und ihr Leben und auch das Leben anderer durch eine hemmungslose Sucht nach Nervenkitzel aufs Spiel zu setzen. Ist es für Jugendliche nicht viel besser, Eltern zu haben, die das sittliche Verhalten und die Achtung vor hohen Grundsätzen fördern? Eltern, die Zeugen Jehovas sind, bekunden große Liebe sowohl ihren Kindern gegenüber als auch gegenüber ihrem Gott, indem sie die Bibel gebrauchen, um ihren Kindern zu helfen, anständige Menschen zu werden. Wenn diese dann alt genug sind, um zu wissen, was die Bibel über das Blut sagt, unterstützen sie ebenfalls die Entscheidung ihrer Eltern, sich des Blutes zu enthalten (Apostelgeschichte 15:29).
Muß sich ein Arzt verpflichtet fühlen, einem Kind Blut zu geben, auch wenn die Eltern und vielleicht das Kind selbst dies entschieden ablehnen?
91, 92. Warum muß ein Arzt sich nicht verpflichtet fühlen, einem Kind Blut zu geben, wenn die Eltern dies entschieden ablehnen?
91 Offen gesagt: In Anbetracht des anerkannten Rechts der elterlichen Verantwortung ist es aus moralischen und grundsätzlichen Überlegungen heraus nur konsequent, wenn der Arzt die Verantwortung liebevoller, besorgter Eltern anerkennt, Entscheidungen für ihre minderjährigen Kinder zu treffen.
92 Diesbezüglich schrieb Dr. A. D. Kelly, Sekretär der Medizinischen Gesellschaft Kanadas: „Die Eltern von Minderjährigen und die nächsten Angehörigen bewußtloser Patienten haben das Recht, den Willen des Patienten darzulegen, und wir sollten ihre Wünsche anerkennen und auch respektieren. ... Ich bewundere nicht das Vorgehen eines Gerichts, das sich um 2 Uhr nachts versammelt, um ein Kind der Obhut seiner Eltern zu entreißen.“38
93. Warum ist es inkonsequent, einem Kind von Zeugen Jehovas eine Bluttransfusion aufzuzwingen?
93 Einige Personen, die in medizinischen oder in juristischen Berufen tätig sind, erkennen das Recht eines zurechnungsfähigen Erwachsenen an, eine Bluttransfusion zu verweigern. Doch sie sind der Ansicht, daß eine Transfusion durch einen Gerichtsentscheid erzwungen werden sollte, wenn Eltern die Zustimmung für ihr Kind verweigern. Dieser Standpunkt entbehrt jedoch jeglicher Konsequenz und Harmonie, wie dies in der Zeitschrift Forensic Science erklärt wurde:
„Sollten wir denn davon ausgehen, daß es den Gerichten obliegt, für die Kinder eine andere Religion festzusetzen als die ihrer Eltern, wenn doch die Statistik zeigt, daß die überwältigende Mehrheit der Kinder in dem gleichen Glauben erzogen wird und der gleichen Religionsgemeinschaft angehören wird wie ihre Eltern? Wäre dies nicht ein Verstoß gegen die Rechte der Kinder durch die Gerichte, während sich das Gericht bemüht, die gleichen Rechte für Erwachsene unter dem ersten Zusatzartikel [der Verfassung] zu schützen, indem es verbietet, eine Transfusion gegen den Willen des Erwachsenen zu geben? Setzen die Gerichte für die Kinder nicht im Grunde genommen eine Religion fest, wenn sie Transfusionen für Erwachsene aus religiösen Gründen verbieten, sie für die Kinder der gleichen Erwachsenen jedoch gestatten?“39
94. Erwähne eine weitere Inkonsequenz, die in manchen Krankenhäusern vorhanden ist.
94 Das Erzwingen einer Bluttransfusion für ein Kind, dessen Eltern darum gebeten haben, eine andere Behandlungsmethode anzuwenden, ist auch mit einer weiteren groben sittlichen Inkonsequenz verbunden. In einigen Krankenhäusern mögen Ärzte in einem Raum einem Kleinkind eine Transfusion aufzwingen. In einem anderen Raum dagegen mögen andere Ärzte legale Abtreibungen vornehmen und so Menschenleben auslöschen, die nur wenige Monate jünger sind als das Kind, dem Blut aufgezwungen wird, um „Leben zu retten“. Das hat denkende Personen zu der Frage veranlaßt, ob die Bewahrung des Lebens tatsächlich immer das eigentliche Motiv einer erzwungenen Transfusion ist.
95. Was schrieb ein schottischer Dozent über das Aufzwingen von Bluttransfusionen bei Erwachsenen und Kindern?
95 Man beachte die Konsequenzen einer staatlich autorisierten ärztlichen Behandlung, durch die den Eltern ihr Recht auf Verantwortung weggenommen wird. In Schottland schrieb A. D. Farr, Dozent für Bluttransfusionstechniken, im Hinblick auf erzwungene Transfusionen bei Kindern und Erwachsenen:
„Die Mißachtung der religiösen Überzeugung einer Minderheit führt zur Mißachtung des gesamten Grundsatzes, daß ein Erwachsener das Recht hat, eine bestimmte Form der medizinischen Behandlung anzunehmen oder abzulehnen. ... Der Staat übernimmt allmählich die Funktion, Entscheidungen für den einzelnen zu treffen. Auf diese Weise hören freie Länder auf, frei zu sein, und werden totalitär. Tatsächlich wurde durch die Übernahme der deutschen Kinder in die Hitlerjugend bewirkt, daß im Dritten Reich die Freiheit und die Privatsphäre schließlich unterdrückt wurden. Das ist keine bloße phantasievolle Spekulation. Die Freiheit ist ein kostbares und verhältnismäßig seltenes Gut, das in den Ländern, in denen es vorhanden ist, eifersüchtig bewahrt werden sollte. Jede einzelne Beschneidung der persönlichen Freiheit ist bereits ein Schritt zu weit.“40
96, 97. Wieso spricht das Prinzip der Wahl zwischen mehreren Verfahren gegen erzwungene Bluttransfusionen?
96 Außerdem muß man sich fragen: Wenn ein Arzt aufrichtig glaubt, daß ein Kind eine Bluttransfusion benötigt, bedeutet das dann, daß keine andere Behandlungsmethode hilft? Oder bedeutet es vielmehr, daß er denkt, eine Transfusion biete eine größere Erfolgsaussicht als eine andere Therapie? In diesem Zusammenhang schrieb in den Vereinigten Staaten ein Richterkollegium in der Schrift Guides to the Judge in Medical Orders Affecting Children (Leitfaden für den Richter bei ärztlichen Anordnungen, Kinder betreffend):
97 „Wenn eine Wahl zwischen mehreren Verfahren besteht — wenn der Arzt zum Beispiel ein Verfahren empfiehlt, das eine achtzigprozentige Erfolgschance bietet, von den Eltern aber abgelehnt wird, diese jedoch nichts gegen ein Verfahren einzuwenden haben, das nur eine vierzigprozentige Erfolgschance bietet —, dann muß der Arzt das Verfahren anwenden, das vom medizinischen Standpunkt aus riskanter ist, aber die Zustimmung der Eltern hat.“41
98. Welche Tatsache in Verbindung mit dem medizinischen Wissen spricht ebenfalls gegen erzwungene Bluttransfusionen?
98 Diese Richter sagten auch: „Das medizinische Wissen ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß ein Arzt mit ziemlicher Sicherheit voraussagen könnte, ob sein Patient leben oder sterben oder bleibenden physischen Schaden oder eine bleibende Behinderung davontragen wird.“ Ist daran nicht viel Wahres? Betonen medizinische Autoritäten nicht immer wieder, daß sie bestenfalls nur sagen können, was wahrscheinlich eintreten wird? Daher sind viele angesehene Ärzte und Chirurgen auf die Wünsche der Zeugen Jehovas eingegangen und haben junge und alte Patienten ärztlich hervorragend behandelt und dabei doch die biblisch begründeten Ansichten über das Blut respektiert.
DIE BEHANDLUNG DES „GANZEN MENSCHEN“
99. Welchen Einfluß hat das Prinzip der Behandlung des ganzen Menschen auf erzwungene Bluttransfusionen?
99 Immer mehr Ärzte erkennen die Wichtigkeit, den Patienten als „ganzen Menschen“ zu behandeln. Was behandelt werden muß, ist nicht lediglich eine Schilddrüse oder eine Leber, sondern eine ganze Person, ein Mensch mit Gefühlen und Überzeugungen, die seine Reaktion auf die Behandlung tatsächlich beeinflussen können. In einem Leitartikel der Zeitschrift Texas Medicine schrieb Dr. Grant F. Begley: „Wenn ich eine Krankheit behandle, die den Körper, das Gemüt und den Geist des Patienten berührt, dann ist mir das wichtig, was er glaubt. Seine Glaubensansichten, nicht die meinigen, veranlassen ihn, Furcht, Zweifel und Schuld zu empfinden. Wenn mein Patient eine Bluttransfusion ablehnt, spielt es keine Rolle, wie ich darüber denke.“42
100, 101. Was bedeutet eine Heilung des Körpers, wenn dabei das Gemüt oder der Geist eines Menschen gebrochen wird?
100 Die Behandlung des „ganzen Menschen“ ist sowohl menschlich als auch praktisch, wenn man die tragischen Folgen bedenkt, die durch eine Vernachlässigung dieses Grundsatzes bewirkt werden können. „Der scharfsichtige Arzt“, forderte Dr. Melvin A. Casberg im Journal of the American Medical Association, „muß diese getrennten, aber in Wechselbeziehung stehenden Faktoren, Körper, Gemüt und Geist, berücksichtigen und anerkennen, daß die Heilung des Körpers nur ein Teilsieg oder sogar eine völlige Niederlage ist, wenn dabei das Gemüt oder der Geist gebrochen wird.“43
101 Ein Arzt, der die religiösen Überzeugungen seines Patienten hinsichtlich der Verwendung von Blut respektiert, folgt somit der Stimme der Vernunft und behandelt den „ganzen Menschen“.
IST IHR STANDPUNKT MEDIZINISCH UNVERNÜNFTIG?
102—104. Welche Tatsachen sprechen dafür, daß der Standpunkt der Zeugen bezüglich der Bluttransfusionen nicht unvernünftig ist?
102 Obwohl Jehovas Zeugen Bluttransfusionen in erster Linie aus religiösen Gründen ablehnen, betrachten viele Personen diesen Standpunkt als medizinisch unvernünftig. Trifft dies aber zu? Da der Standpunkt der Zeugen eine medizinische Frage berührt, ist es angebracht, kurz die medizinischen Konsequenzen einer Transfusionsverweigerung zu untersuchen.
103 Allein in den Vereinigten Staaten, in Japan und Frankreich werden jährlich etwa 15 Millionen Einheiten (zu je 500 cm3) Blut übertragen. Es ist daher angebracht zu fragen: Wird all dieses Blut übertragen, weil es benötigt wird, um Leben zu retten?
104 Achthundert europäische Ärzte, die in Paris tagten, kamen zu dem Schluß, daß das „Blut nur allzuoft als ein ,Wundertonikum‘ betrachtet wird, das dem Patienten gegeben wird, ob er es braucht oder nicht“. Diese Ärzte mißbilligten besonders Transfusionen von einer Einheit Blut, die in „99 von 100 Fällen nutzlos“ seien44. Eine Studie in den Vereinigten Staaten ergab, daß vermutlich 72 Prozent der Transfusionen, die an einigen Orten vorgenommen werden, „unnötig oder fragwürdig“ sind45.
105, 106. Warum sehen einige Ärzte die Bluttransfusion nicht objektiv, und warum haben einige Richter empfohlen, andere Methoden anzuwenden?
105 Dr. Rune Eliasson aus Stockholm äußerte die Vermutung, „daß viele Ärzte, vielleicht durch die Macht des Wortes über den Geist irregeführt, sich zu leicht durch den Heiligenschein haben blenden lassen, mit dem sie die Bluttransfusion selbst versehen haben, so daß die Vorteile und die Nachteile dieser Behandlung nicht mehr in ihrer richtigen Perspektive gesehen werden können“46.
106 Ob man mit den religiösen Gründen, die Jehovas Zeugen für ihre Transfusionsverweigerung anführen, übereinstimmt oder nicht, so verdienen doch „die Vorteile und die Nachteile dieser Behandlung“ Beachtung. Das ist besonders deshalb der Fall, weil einige Richter, die sich mit dem Thema der Transfusion befaßt haben, empfehlen, daß die Wünsche eines Patienten nach einer anderen Behandlungsmethode beachtet werden sollten, wenn mit der üblichen Behandlungsmethode ein entschiedenes Risiko verbunden ist.
DAS BLUT — KOMPLEX UND EINZIGARTIG
107, 108. Welche Tatsache in Verbindung mit dem Blut beeinträchtigt nachhaltig den Wert der Bluttransfusionen?
107 Einige Personen mögen zwar schnell bereit sein, die Ablehnung von Blut als selbstmörderisch zu bezeichnen, doch bei einer unvoreingenommenen Untersuchung der Angelegenheit muß man zugeben, daß mit einer Bluttransfusion Unsicherheit und sogar Gefahren verbunden sind.
108 Ärzte wissen, daß das Blut äußerst komplex ist. Das kann man schon an den verschiedenen Blutgruppen erkennen. Aus Nachschlagewerken geht hervor, daß es etwa 15 bis 19 bekannte Blutgruppensysteme gibt. Über eines von diesen, das Rh-Blutgruppensystem, heißt es in einem kürzlich erschienenen Buch über Blut, daß „gegenwärtig nahezu 300 verschiedene Rhesusbluttypen theoretisch erkannt werden können“47
109—111. Welche anderen Merkmale des Blutes beeinflussen den mit Bluttransfusionen verbundenen Risikofaktor?
109 Ein anderer Gesichtspunkt der Komplexität und Einzigartigkeit des Blutes jedes einzelnen ist die Vielzahl der Antikörper im Blut. Auf einer wissenschaftlichen Tagung in Zürich erklärte eine Gruppe britischer Kriminalbiologen, die Antikörper seien so verschiedenartig, daß das Blut jedes Menschen als spezifisch und einzigartig bezeichnet werden könne. Wissenschaftler hoffen, daß es möglich sein wird, „aus einem Blutfleck das Persönlichkeitsbild jedes Menschen zu rekonstruieren, der die Blutspur hinterließ“48.
110 Die Tatsache, daß das Blut ein äußerst komplexes Gewebe ist, das sich von Person zu Person unterscheidet, steht in bedeutsamer Beziehung zur Bluttransfusion. Diesen Gedanken hob kürzlich Dr. Herbert Silver hervor, der an der Blutbank und in der Immunohämatologischen Abteilung des Hartford-Krankenhauses in Connecticut (USA) arbeitet. Er schrieb, wenn allein diejenigen Blutfaktoren berücksichtigt würden, die mittels vorhandener Tests erkannt werden können, so stehe „die Chance 1 zu 100 000, daß jemand Blut erhält, das dem seinen genau gleicht“49.
111 Daher lehnen manche Personen ungeachtet ihrer religiösen Überzeugung Bluttransfusionen einfach deswegen ab, weil es sich dabei im Grunde genommen um eine Organverpflanzung handelt und bestenfalls nur eine teilweise Verträglichkeit mit dem eigenen Blut besteht.
WIE GEFÄHRLICH SIND BLUTTRANSFUSIONEN TATSÄCHLICH?
112—114. Was bezeugt, daß Bluttransfusionen riskant sind?
112 Ärzte wissen, daß mit jedem medizinischen Präparat ein gewisses Risiko verbunden ist, sogar mit so „alltäglichen“ Arzneimitteln wie Schmerztabletten (Acetylsalicylsäure) und Penicillin. Deshalb muß bei einer Behandlung mit einer Substanz, die so kompliziert ist wie das menschliche Blut, ebenfalls mit Gefahren gerechnet werden. Doch wie groß sind diese Gefahren? Und inwiefern kann dies die Ansicht des Arztes über den Standpunkt der Zeugen Jehovas beeinflussen?
113 Bei einer unvoreingenommenen Beurteilung der Tatsachen muß eine Bluttransfusion als ein Verfahren angesehen werden, das mit erheblichen Gefahren verbunden ist und sogar einen tödlichen Ausgang haben kann50.
114 Dr. C. Ropartz, Direktor des Zentralinstituts für Transfusionen in Rouen (Frankreich), sagte: „Eine Flasche Blut ist eine Bombe.“ Da die gefährlichen Folgen erst nach einiger Zeit auftreten mögen, fügte er hinzu: „Außerdem kann sie für den Patienten auch eine Zeitbombe sein.“51 In einer von der US-Regierung herausgegebenen Schrift stand ein Artikel über die Gefahren des Blutes, und es hieß dort u. a.:
„Das Blutspenden kann mit dem Übersenden einer geladenen Pistole an eine arglose oder unvorbereitete Person verglichen werden. ... Wie bei der geladenen Pistole, so gibt es auch einen Sicherheitshebel oder -knopf für Bluttransfusionen. Doch wie viele Menschen sind schon an Schußwunden gestorben, weil sie glaubten, der Hebel stehe auf ,gesichert‘?“52
Können unterrichtete Ärzte die erwähnten Gefahren als Übertreibungen abtun?
115—117. Warum können unterrichtete Ärzte die Gefahren der Bluttransfusion nicht als Übertreibungen abtun?
115 Wohl kaum, denn die Realität der Gefahren wird den Ärzten oft vor Augen geführt. „Kein biologisches Produkt in der Medizin“, schrieb Winfield S. Miller in der Zeitschrift Medical Economics, „birgt so viele Gefahren mit tödlichem Ausgang in sich wie Blut. Manch ein Arzt hat zu seinem Leidwesen die Erfahrung gemacht, daß jede Blutkonserve in den Blutbanken so gefährlich ist wie eine Flasche voll Nitroglyzerin.“53
116 Der Patient oder seine Familie mag die Gefahren erst erkennen, wenn es bereits zu spät ist. Dr. J. Garrott Allen, ein führender Experte auf dem Gebiet des Blutproblems, der an der Stanford-Universität arbeitet, schätzt, daß jährlich mindestens 3 500 Amerikaner an Bluttransfusionen sterben und daß 50 000 weitere Schäden davontragen54. Es ist jedoch stark anzunehmen, daß dies in Wirklichkeit eine Unterschätzung ist. Zum Beispiel wurde vor kurzem in der Zeitschrift Southern Medical Journal die Vermutung geäußert, daß die Annahme, 3 000 bis 30 000 Todesfälle seien Transfusionen zuzuschreiben, wahrscheinlich nur eine vorsichtige Schätzung ist55. Man darf nicht vergessen, daß sich diese Zahlen nur auf ein Land beziehen, von dem übrigen Teil der Welt ganz zu schweigen.
117 Auf einer Tagung des American College of Surgeons berichtete Dr. Robert J. Baker, die Gefahr schädlicher Nebenwirkungen von Bluttransfusionen sei weit größer als bisher angenommen, da bei jedem zwanzigsten Patienten eine Reaktion auftrete. Wie viele sind sich dessen bewußt? Daß dieser Bericht uns alle angeht, zeigen die Worte von Dr. Charles E. Huggins, einem der Direktoren einer großen Blutbank, der hinzufügte: „Der Bericht ist erschreckend, aber realistisch, da jedes Institut der Welt vor den gleichen Problemen steht.“56
118. Besteht die Aussicht, daß die mit der Bluttransfusion verbundenen Probleme überwunden werden können? Wenn nicht, warum nicht?
118 Ist eine Besserung in Aussicht? Viele Personen, vielleicht sogar einige Mediziner, mögen der Ansicht sein, daß die Wissenschaft wirklich Fortschritte zur Überwindung der Gefahren der Bluttransfusion gemacht hat. Doch vor kurzem hieß es in einer Ausgabe der Zeitschrift Surgery: „Neue, große Probleme sind in Verbindung mit massiven Transfusionen aufgetreten, Probleme, die vor fünf Jahren noch kaum oder gar nicht berücksichtigt wurden, die aber potentiell fast alle Probleme überschatten, die das Bewußtsein der Blutbanken, der Kliniken und der Forscher in den ersten vierzig Jahren des Bestehens der klinischen Blutbanken heimsuchten.“57
WORIN BESTEHEN DIE GEFAHREN?
119, 120. Welche unterschiedlichen Gefahren sind mit Bluttransfusionen verbunden?
119 Ohne den Leser allzulange mit den Beweisen für das Vorhandensein von Gefahren plagen zu wollen, können wir kurz untersuchen, worin einige dieser Gefahren bestehen. Viele Ärzte sind zwar mit dem folgenden Aufschluß vertraut, doch er mag anderen Personen verstehen helfen, daß der religiös begründete Standpunkt der Zeugen Jehovas auch medizinisch nicht unbegründet ist.
120 In dem Lehrbuch Hematology ist folgende Tabelle enthalten58:
Transfusionsreaktionen
Fieber
Leukozyten-Antikörper
Blutplättchen-Antikörper
Pyrogene
Allergien
Hämolyse
(Unverträglichkeit des Spender- und Empfängerblutes)
Übertragung von Krankheitserregern
Serumhepatitis
Malaria
Syphilis
Zytomegalie
Grobe bakterielle Verunreinigung
Herzüberlastung
Zitratvergiftung
Kaliumvergiftung
Anormale Blutung
Unverträglichkeit des Spender- und Empfängerblutes
Massive Transfusion
Isosensibilisierung
Transfusionshämosiderose
Verschiedenes
Thrombophlebitis
Luftembolie
Injektion von Fremdkörpern
121, 122. Was sind einige der nachteiligen „Sofortreaktionen“ bei Bluttransfusionen?
121 Diese zahlreichen möglichen Transfusionszwischenfällec sind tatsächlich schwerwiegend, da manche sogar einen tödlichen Verlauf nehmen können. Betrachten wir einige davon.
122 In der Tabelle sind zunächst einige der „Sofortreaktionen“ aufgeführt. Eine Fieberreaktion kann gewöhnlich erfolgreich behandelt werden. Doch wie James W. Linman, Professor der Medizin, berichtet, „kommen schwere Fieberreaktionen vor, die bei akut kranken Patienten so belastend sein können, daß sie lebensgefährlich sind“58. Fehler in der Blutgruppenbestimmung führen zu einer hämolytischen Reaktion, die mit einer schnellen Zerstörung der roten Blutkörperchen verbunden ist und zu Nierenversagen, Schock und Tod führen kann. Hämolytische Reaktionen sind besonders für Patienten unter Narkose gefährlich, da die Symptome erst dann bemerkt werden mögen, wenn es zu spät ist59.
123—125. In welchem Maß ist die Gefahr, eine Krankheit zu übertragen, mit Bluttransfusionen verbunden?
123 „Übertragung von Krankheitserregern“ steht ebenfalls auf der Liste der möglichen Risiken. Sind von diesem Gebiet her echte Gefahren zu erwarten?
124 Hepatitis B (Serumhepatitis) ist eine besonders gefürchtete Komplikation bei Bluttransfusionen. Das Spenderblut kann, ohne daß Verdacht besteht, das Hepatitisvirus enthalten, das die Gesundheit des Blutempfängers schädigen oder sogar zum Tod führen kann. Je mehr Transfusionen jemand empfängt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Serumhepatitis. Dazu ist jedoch keine große Menge Blut erforderlich. Es reicht schon weniger als ein Tropfen aus; man kann sich die Krankheit bereits von einem millionstel Milliliter infiziertem Blut zuziehen60.
125 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß man sich durch eine Bluttransfusion eine Hepatitis zuzieht? Das hängt teilweise davon ab, wo man lebt, denn das Auftreten von Hepatitis infolge einer Transfusion ist häufiger in Ländern zu beobachten, in denen ein Teil des Blutes von bezahlten „Spendern“ stammt, von Leuten also, die ihr Blut verkaufen.
126, 127. Was ist über die Häufigkeit der Serumhepatitis zu sagen?
126 Nach einer Schätzung, die oft in medizinischen Zeitschriften zu lesen ist, tritt bei einem Prozent der Patienten infolge einer Bluttransfusion Hepatitis auf61. Die Tatsachen zeigen jedoch, daß der Prozentsatz in Wirklichkeit viel höher liegt. Das liegt daran, daß die Serumhepatitis eine Inkubationszeit von bis zu sechs Monaten hat, so daß die Krankheit möglicherweise erst lange nach der Transfusion auftritt. Dr. John B. Alsever und Dr. Peter van Schoonhoven schrieben in der Zeitschrift Arizona Medicine:
„Die Häufigkeit ihres Vorkommens lag im Laufe der letzten 10 bis 15 Jahre in den Blutbanken großer Gemeinden bei etwa 1 % bei gemeldeten rückwirkend angestellten Studien klinisch evidenter Krankheitsfälle. Wenn man jedoch Blutempfänger vorsorglich in 2- bis 4wöchigen Abständen im Labor untersucht, stellt man eine bis zu zehnmal größere Häufigkeit der Infektion fest.“62
127 Betrachten wir die Sache von einem anderen Gesichtspunkt aus. Oft hieß es, daß es in den Vereinigten Staaten jährlich 30 000 Fälle von Transfusionshepatitis gibt mit 1 500 bis 3 000 Todesfällen63. Wenn dem so wäre, dann wäre es schlimm genug. Doch gemäß den Informationen des staatlichen Zentrums für Infektionskrankheitsbekämpfung beläuft sich eine vorsichtige Schätzung der Serumhepatitisfälle jährlich auf 200 000 oder mehr64. Und wer kann die Gesamtzahl aller Fälle von transfusionsbedingter Hepatitis für ganz Nord- und Südamerika, Europa, Afrika und Asien schätzen?
128. Warum ist die Möglichkeit, daß ein Zeuge eine Serumhepatitis bekommt, mehr als ein gerechtfertigtes Risiko?
128 Natürlich sehen einige Personen die Möglichkeit einer Hepatitis infolge einer Bluttransfusion als ein gerechtfertigtes Risiko an. Ein Arzt mag argumentieren: „Mir ist es lieber, mein Patient lebt mit einer Hepatitis, die ich behandeln kann, als daß er stirbt, weil er keine Transfusion erhalten hat.“ Doch eine solche Argumentation ist keine gültige Grundlage dafür, die Verweigerung einer Transfusion aus Gewissensgründen als „selbstmörderisch“ und unannehmbar zu betrachten.
Kann ein Patient verhältnismäßig sicher sein, daß er eine transfusionsbedingte Hepatitis überlebt?
129, 130. Welche Tatsachen sprechen dagegen, daß ein Patient verhältnismäßig sicher sein kann, daß er einen Anfall von Serumhepatitis überleben wird?
129 Eine nüchterne Tatsache ist, daß nach Auskunft von Sachverständigen etwa 10 bis 12 Prozent derer, die sich durch eine Transfusion Serumhepatitis zuziehen, als Folge davon sterben65. Bei Personen über vierzig Jahre liegt die Sterblichkeitsrate bei 20 Prozent, das ist einer von fünf66. Bei infizierten Patienten über sechzig Jahre stirbt die Hälfte an der Hepatitis67.
130 Außerdem gibt es keine sichere Methode, das hohe Risiko, sich durch eine Transfusion eine Hepatitis zuzuziehen, zu beseitigen. In dem Journal of Legal Medicine wird zugegeben, daß „keine der bis jetzt bekannten Methoden der Blutkonservierung gegen Viren wirksam ist. Jedes Mittel, durch das das Hepatitisvirus zerstört oder auch nur geschwächt wird, wird das Blut oder den Blutbestandteil zerstören.“68
131, 132. In welchem Maß haben moderne Techniken die Gefahren, eine transfusionsbedingte Serumhepatitis zu bekommen, beseitigt?
131 Welche Fortschritte hat man in bezug auf die Testverfahren zur Erkennung und Beseitigung von infiziertem Blut gemacht? Dr. M. Shapiro, der für den Südafrikanischen Bluttransfusionsdienst arbeitet, erklärte kürzlich, daß „sich selbst bei den empfindlichsten Tests vielleicht nur einer von acht Fällen oder sogar noch weniger Fälle von Transfusionshepatitis durch eine im Laboratorium vorgenommene Untersuchung des Spenderbluts vermeiden lassen“69.
132 Selbst wenn also Serumhepatitis die einzige durch eine Transfusion verursachte Krankheitsgefahr wäre, hätte man genügend medizinische Gründe, einer Bluttransfusion kritisch gegenüberzustehen. Tatsache ist aber, daß Hepatitis nur eines der Risiken ist. Man beachte die anderen:
133. Welche Schwierigkeit bietet syphilisinfiziertes Blut?
133 „Blut sollte als ein gefährliches Mittel angesehen werden, das mit derselben Vorsicht wie zum Beispiel Morphium anzuwenden ist.“70 Mit diesen Worten schloß Professor H. Busch, Direktor einer Abteilung für Transfusionsmedizin, sein Referat auf einer Tagung norddeutscher Chirurgen. In diesem Referat erwähnte er ein Dilemma in bezug auf Blutübertragungen. Er sagte, die optimale biologische Wertigkeit der Vollblutkonserve sei nur vierundzwanzig Stunden gewährleistet; danach nehme das metabolische Risiko zu, weil in dem gelagerten Blut Veränderungen vor sich gingen. Andererseits muß Blut mindestens zweiundsiebzig Stunden gelagert werden, damit keine Syphilis übertragen wird. Und sogar Tests zur Entdeckung von syphilisinfiziertem Blut bieten keine Sicherheit, da Syphilis im Frühstadium dadurch nicht erkannt werden kann. Es ist nicht nötig, an dieser Stelle zu beschreiben, welcher Schaden angerichtet werden kann, wenn eine Person syphilisinfiziertes Blut empfängt, und welchen Schaden dies für die Familie des Betreffenden bringen kann.
134, 135. Welche anderen Infektionen können durch Bluttransfusionen übertragen werden?
134 In dem deutschen Bericht wurde ferner die Gefahr erwähnt, daß durch Bluttransfusionen das Zytomegalie-Virus und Malaria übertragen werden können. Das Zytomegalie-Virus ist für Kinder gefährlich. Mit gutem Grund wurden daher die deutschen Ärzte gewarnt, Bluttransfusionen könnten „schwerste, ja tödliche Folgen“ haben. Und die Medizinische Gesellschaft Amerikas wies darauf hin, daß „mit der Zunahme des Weltverkehrs und der Rückkehr von Soldaten aus endemisch verseuchten Gebieten die Häufigkeit von Malaria bei Empfängern von Bluttransfusionen zugenommen hat“71.
135 In tropischen Gebieten gibt es eine Anzahl weiterer Krankheiten, die durch Bluttransfusionen übertragen werden können, zum Beispiel die Chagas-Krankheit (mit einer Sterblichkeitsrate von 1 zu 10), die Schlafkrankheit, Frambösie und Filariose72.
136. Welche andere Gefahr ist mit Bluttransfusionen verbunden, und wie groß ist sie?
136 Eine andere Gefahr, die nicht übersehen werden darf, ist die bakterielle Verunreinigung von Blut. Gewisse Arten von Bakterien können sich sogar in kalt gelagertem Blut vermehren und stellen eine große Gefahr für jeden späteren Empfänger des Blutes dar. Obwohl diese Komplikation nicht so häufig auftritt wie beispielsweise die Serumhepatitis, hat sie doch für diejenigen, die davon betroffen werden, unheilvolle Folgen. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 50 bis 75 Prozent73.
137. Was verlangen einige Krankenhäuser wegen der mit Bluttransfusionen verbundenen Gefahren von den Patienten?
137 Wird man in der Zukunft in der Lage sein, die Gefahren auszuschalten, die mit Bluttransfusionen verbunden sind? „Die Liste der übertragbaren Krankheiten“, berichtet Dr. John A. Collins von der Medizinischen Fakultät der Universität Washington, „wird sich verändern und wird sich gewiß erweitern, und es mag ein erhebliches Unbehagen eintreten, je mehr tumorerzeugende Viren im menschlichen Blut entdeckt werden.“74 Daher verlangen jetzt viele Krankenhäuser in den USA von ihren Patienten, daß sie eine Erklärung unterschreiben, die besagt, daß sie den Arzt oder das Krankenhaus nicht für die Schäden verantwortlich machen, die durch eine Bluttransfusion entstehen mögen75.
138. Warum lehnen Jehovas Zeugen eine Bluttransfusion in erster Linie ab?
138 Bedeutet diese kurze Abhandlung über nur einige der mit einer Bluttransfusion verbundenen medizinischen Risiken, daß Jehovas Zeugen solche Transfusionen hauptsächlich aus medizinischen Gründen ablehnen? Nein, das ist nicht der Fall. Sie lehnen Bluttransfusionen in erster Linie aufgrund dessen ab, was die Bibel sagt. Ihre Weigerung beruht hauptsächlich auf religiösen, nicht auf medizinischen Gründen. Doch die Tatsache, daß mit einer Bluttransfusion ernste Risiken verbunden sind, zeigt deutlich, daß die Haltung der Zeugen Jehovas selbst vom medizinischen Standpunkt aus vernünftig ist.
ANDERE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN
139—141. Welche anderen Möglichkeiten als Bluttransfusionen gibt es bei Operationen, die im voraus geplant werden?
139 Wenn die Handlungsweise der Zeugen Jehovas fanatisch wäre, keine Grundlage hätte und unweigerlich ihnen selbst und vielleicht auch anderen schaden würde, so bestünde Anlaß zur Besorgnis. In dieser Verbindung ist die Frage berechtigt:
Ist die religiöse Ansicht der Zeugen Jehovas so unvereinbar mit den Maßstäben der menschlichen Gesellschaft und mit dem medizinischen Wissen, daß kein vernünftiges Übereinkommen möglich ist?
140 Tatsache ist, daß ihre biblisch begründete Ablehnung von Blut in den meisten Fällen durch Anwendung einer anderen Behandlungsmethode berücksichtigt werden kann.
141 Anerkanntermaßen können Ärzte bei Operationen, die im voraus geplant werden, das Blut des Patienten vor und nach dem Eingriff aufbauen, zum Beispiel durch Aminosäuren und Eisen in Form von Kapseln oder Spritzen76d; dadurch kann die Notwendigkeit einer Transfusion verringert werden. Mit Hilfe künstlicher Hypothermie (Senkung der Körpertemperatur des Patienten) ist es möglich, den Blutverlust während chirurgischer Eingriffe auf ein Mindestmaß herabzusetzen, sogar bei Kleinkindern78. Ähnlich kann durch eine Blutdrucksenkung die Sickerblutung aus kleineren Gefäßen während chirurgischer Eingriffe herabgesetzt werden. Am erfolgreichsten ist es wahrscheinlich, auch ganz kleine Gefäße vor der Durchtrennung beidseitig zu unterbinden, eine Methode, die wegen des geringen Blutverlustes als „trockene Chirurgie“ bezeichnet wird. In der Zeitschrift American Journal of Obstetrics and Gynecology schrieb ein Arzt, der viele Zeugen Jehovas operiert hat:
„Wenn man sich in der Situation befindet, ohne die Möglichkeit einer Transfusion operieren zu müssen, wird man dazu neigen, bessere Arbeit zu leisten. Man ist dann mehr darauf bedacht, jedes blutende Gefäß abzuklemmen.“79
Ist die Ansicht vernünftig, für einen Patienten, der während einer Operation oder durch einen Unfall viel Blut verloren hat, gebe es keine andere Behandlung als eine Bluttransfusion?
142, 143. Was ist in erster Linie nötig, wenn der Patient viel Blut verloren hat?
142 Einige Tatsachen, die Professor James W. Linman in dem Buch Hematology darlegt, helfen uns, darauf eine Antwort zu finden:
„Blut ist kein Stärkungs- oder Anregungsmittel; es beschleunigt weder das Heilen von Wunden, noch unterdrückt es eine Infektion; und seine Eigenschaft als Sauerstoffträger ist selten, wenn überhaupt, ein einschränkender Faktor in der Chirurgie. Eine Transfusion dient lediglich dazu, das Gesamtblutvolumen zu erhöhen, die Sauerstofftransportkapazität des Blutes zu steigern und die normalen Plasmabestandteile bereitzustellen“ (Kursivschrift von uns)80.
143 Befassen wir uns zunächst mit der Aussage, die Transfusion diene dazu, „das Gesamtblutvolumen zu erhöhen“. Wenn jemand viel Blut verloren hat, so braucht er, um Schock und Tod zu verhindern, in erster Linie einen Ausgleich für das verlorene Blutvolumen. Auf einem Kongreß der Medizinischen Gesellschaft Südafrikas erklärte ein Bluttransfusionsexperte, daß man bis zu 1,5 Liter Blut verlieren und dennoch mehr als 60 Prozent seiner roten Blutkörperchen haben kann81, eine Menge, die zur Ernährung der Gewebe ausreicht. Der Betreffende benötigt aber mehr Flüssigkeit in seinen Gefäßen, damit die roten Blutkörperchen weiter zirkulieren können.
144. Welches ist die beste Flüssigkeit, wenn ein Patient viel Blut verloren hat?
144 In der britischen Zeitschrift Anaesthesia wurde berichtet, dies könne durch entsprechende Lösungen besser erreicht werden als durch Bluttransfusionen, da sie sich nicht negativ auf die Herztätigkeit auswirkten, eine Komplikation, die bei Bluttransfusionen nicht selten auftritt. In dem Artikel hieß es, daß bei Gelegenheiten, bei denen anscheinend ausreichende Mengen von Blut nicht das gewünschte Ergebnis bei Verletzungen erzielten, die Verwendung entsprechender Lösungen häufig eine erhebliche Besserung bewirkt habe. Daher hieß es in dem Artikel weiter:
„Selbst wenn genügend Vollblut vorhanden ist, ist es fraglich, ob dies die beste Flüssigkeit für eine schnelle Transfusion bei der Initialbehandlung schwer hypovolämischer Patienten [derer, die viel Blut verloren haben] ist.“82
145, 146. Einen wie großen Blutverlust kann der Mensch aushalten, und warum sind Ersatzlösungen kein wirklicher „Blutersatz“?
145 Ist es nicht logisch, daß jemand die entsprechende Menge einer Blutkonserve, nämlich 500 cm3, oder mehr Blut ohne tödliche Folgen verlieren könnte? Viele Personen haben Blut in dieser Menge gespendet und sind danach ihrer täglichen Arbeit nachgegangen. Kontrollierte klinische Studien haben gezeigt, daß jemand „mit einem großen Blutvolumen den Verlust von bis zu zwei Liter Vollblut vertragen kann“, ohne daß etwas anderes nötig ist, als die verlorene Flüssigkeit mit entsprechenden Lösungen zu ersetzen83.
146 Wie verhält es sich aber mit der Aussage, eine Bluttransfusion diene dazu, „die Sauerstofftransportkapazität des Blutes zu steigern“? Ärzte wissen, daß sogenannte Ersatzlösungen kein wirklicher „Blutersatz“ sind. Warum nicht? Weil allein das Hämoglobin der roten Blutkörperchen ausreichend Sauerstoff in alle Teile des Körpers transportieren kann. Erythrozytenfreien Flüssigkeiten fehlen solche Sauerstoffträger.
Muß ein Patient, der viel Blut verloren hat, Vollblut oder ein Konzentrat aus roten Blutkörperchen erhalten, damit sein Körper wieder ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann?
147, 148. Was haben die Tatsachen bezüglich eines sicheren Hämatokritwertes oder Hämoglobingehalts für chirurgische Eingriffe gezeigt?
147 Diese Ansicht wird häufig vertreten. Doch stimmt sie mit den Tatsachen überein?
148 Normalerweise hat man 14 bis 15 Gramm Hämoglobin pro 100 cm3 Blut. Nach allgemeiner Auffassung der Ärzte „bildet ein Hämoglobingehalt von 10,3 bis 10,5 Gramm unter besonderen Bedingungen die untere Sicherheitsgrenze bei Routineeingriffen“84. Doch in Wirklichkeit dient ein großer Teil des im Körper vorhandenen Hämoglobins als Reserve für große körperliche Anstrengungen. Ein bettlägeriger Patient kommt daher oft gut mit 5 bis 6 Gramm aus85. M. Keith Sykes, Professor für klinische Anästhesie an der Universität London, erklärte kürzlich: „Obwohl die meisten Zentren einen Wert von 9 bis 10 Grammprozent als Trennungslinie zwischen Annahme und Ablehnung elektiver Operationen wählen, muß folgendes betont werden: Es gibt keinen schlüssigen Beweis dafür, daß Werte oberhalb dieser Grenze ,sicher‘ sind oder Werte unterhalb dieser Grenze ein besonderes Risiko für chirurgische Eingriffe darstellen. Es erscheint daher unvernünftig, eine willkürliche Zahl als Mindesthämoglobingehalt zu wählen.“86 Eine ähnliche Erklärung gab Dr. Jeffrey K. Raines vom Massachusetts General Hospital. Er sagte: „Wir können den Hämatokritwert viel tiefer sinken lassen, als wir bisher glaubten. Wir dachten immer, ein Patient müßte einen Hämoglobingehalt von 10 haben, aber wir wissen jetzt, daß dem nicht so ist.“87 Dr. Ricardo Vela, der in einer Anästhesieabteilung in Madrid arbeitet, hat in dieser Verbindung Erfahrung mit Patienten, die Zeugen Jehovas sind. Er schrieb, daß ein sehr geringer Hämoglobingehalt, der früher als verboten gegolten habe, „von den Patienten überraschend gut verkraftet wurde“88.
149, 150. Hat man festgestellt, daß die Sauerstoffbeförderung im Blut durch eine Transfusion sogleich verbessert wird?
149 Es gibt einen weiteren Gesichtspunkt in dieser Angelegenheit, der noch nicht allgemein bekannt ist, nicht einmal in medizinischen Kreisen.
Wird die Sauerstoffbeförderung im Blut durch eine Transfusion sogleich verbessert?
150 Viele Personen sind dieser Auffassung, doch ein Leitartikel in der Zeitschrift Anaesthesia enthielt folgenden bemerkenswerten Gedanken: „Man sollte auch daran denken, daß das Hämoglobin gelagerter, mit Zitrat versetzter roter Blutkörperchen in den ersten 24 Stunden nach der Transfusion nicht völlig für den Transport von Sauerstoff in die Gewebe zur Verfügung steht ...; eine schnelle Bluttransfusion muß daher in den Anfangsstadien hauptsächlich als reiner Volumenexpander angesehen werden.“89 Forscher an der Universität von Ohio stellten fest, daß der Grund dafür in den chemischen Veränderungen liegt, die im gelagerten Blut vor sich gehen. Ihre Untersuchung ergab, daß Blut, das über zehn Tage lang gelagert wurde, „den Sauerstofftransport unmittelbar nach der Transfusion nicht verbessert, sondern sogar verschlechtern mag“. Sie stellten auch fest, daß der Sauerstofftransport noch vierundzwanzig Stunden später unter dem Normalwert lag90.
Welche blutlosen Flüssigkeiten werden als Alternative zu Bluttransfusionen verwendet? Sind sie wirkungsvoll? Worin bestehen ihre Vorteile?
151. Welche sind einige der Lösungen, die man als Ersatz für Bluttransfusionen benutzt?
151 Wahrscheinlich der am weitesten verbreitete und in Notfällen am häufigsten benutzte Plasmaersatz ist eine einfache Kochsalzlösung (0,9 %). Sie ist leicht zuzubereiten, preiswert, stabil und chemisch mit Menschenblut verträglich91. Laktat-Ringer-Lösung (Hartmann) ist eine weitere elektrolytische oder kristalloide Zubereitung, die bei schweren Verbrennungen und bei Operationen, während deren Patienten bis zu 66 % des Flüssigkeitsvolumens ihres Blutes verloren hatten, erfolgreich angewandt wurde92.
152. Welche andere Plasmavolumenexpander sind erfolgreich verwendet worden?
152 Eine andere Möglichkeit besteht darin, verlorenes Blut mit Kolloiden wie Dextran zu ersetzen. Es handelt sich dabei um eine spezielle Lösung auf Kohlehydrat-Basis, die sich sowohl bei chirurgischen Eingriffen als auch bei der Behandlung von Verbrennungen und Schockzuständen als wertvoll erwiesen hat93. Manchmal wird sie mit einer gepufferten Salzlösung verbunden, um jeweils die besten Eigenschaften auszunutzen. Haemaccel- und Hydroxyäthylstärke-Lösungen sind ebenfalls bei verschiedenen operativen Eingriffen mit gutem Erfolg als Plasmavolumenexpander verwendet worden94e.
153. Was kann über den Gebrauch der verschiedenen Expander gesagt werden, wenn eine akute Blutvolumenkrise besteht?
153 Jede dieser Flüssigkeiten hat ihre eigenen Eigenschaften und Vorteile. Doch über Notsituationen hieß es in der Zeitschrift Anaesthesia:
„Anfänglich, im akuten Stadium, ist es verhältnismäßig unwichtig, genau welche Flüssigkeit gewählt wird, vorausgesetzt, daß sie nicht schädlich ist. Wenn dann später das Kreislaufvolumen einmal aufgefüllt ist, müssen die besonderen Erfordernisse für jeden bestimmten Fall in Betracht gezogen werden.“96
154, 155. Was zeigt, daß Blut nicht der einzige wirksame Ersatz für einen Blutverlust ist?
154 Bedeutet das, daß diese Flüssigkeiten nur für Notfälle gut sind? Keineswegs. In bezug auf „alle größeren Operationen“ schrieben Ärzte der Medizinischen Fakultät der Universität von Kentucky:
„Hundert Patienten verloren während der Operation je über 1 000 ml Blut und erhielten zwei- bis dreimal soviel Hartmannlösung. Das Fehlen des Blutes in dem Ersatzmittel hatte keinen Einfluß auf die postoperative Mortalität und Morbidität. ... Trotz der beharrlichen Behauptung, Blut sei der einzige wirksame Ersatz für einen Blutverlust hat die Verwendung von Salzlösungen als teilweisem oder vollständigem Blutersatz in vielen Zentren an Boden gewonnen.“93
155 Jehovas Zeugen lehnen zwar Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab, aber sie haben nichts gegen die Verwendung blutloser Plasmaexpander einzuwenden. Vom Standpunkt eines Arztes aus haben diese Produkte daher den Vorteil, daß sie bei Jehovas Zeugen angewandt werden können. Doch es bestehen noch zahlreiche weitere Vorteile.
156, 157. Nenne einige der Vorteile, die die Plasmaexpander gegenüber Blut haben.
156 „Nichtbiologische Ersatzstoffe für Blut“, schrieb der kanadische Professor E. A. Moffitt, „können in großen Mengen hergestellt und lange Zeit gelagert werden. ... Die Risiken der Bluttransfusion sind die Vorteile der Plasmaersatzmittel: die Vermeidung von Infektionen durch Bakterien oder Viren, von Transfusionsreaktionen und einer Rh-Sensibilisierung.“97
157 Die Verwendung von Plasmaexpandern hat noch einen weiteren bemerkenswerten Vorteil. Bei der Lagerung von Menschenblut müssen chemische Substanzen zugesetzt werden, um eine Blutgerinnung zu verhindern. Wenn das Blut dann später einem Patienten gegeben wird, können diese Zusätze die Gerinnungsfähigkeit des eigenen Blutes beeinträchtigen, und das kann zu erhöhtem Blutverlust führen. Der Herzchirurg Dr. Melvin Platt machte darauf aufmerksam, daß dieses Problem vermieden wird, wenn „eine neutrale Substanz“ wie die Laktat-Ringer-Lösung statt gelagertes Blut verwendet wird98.
OPERATIONEN OHNE BLUT
158. Welche interessanten Tatsachen hat die Erfahrung Dr. Denton Cooleys gelehrt?
158 Mutige Ärzte, die bereit waren, Zeugen Jehovas ohne Blut zu operieren, haben oft aufschlußreiche Erfahrungen gemacht. Ein Beispiel dafür sind die kürzlich gemachten Entwicklungen auf dem Gebiet der Chirurgie am offenen Herzen. In der Vergangenheit wurden normalerweise große Mengen Blut gebraucht. Aber das Chirurgenteam unter der Leitung von Dr. Denton Cooley am Herzinstitut in Texas beschloß, den Versuch zu machen, Zeugen Jehovas zu operieren. Da die Ärzte die für diese Operationen erforderliche Herz-Lungen-Maschine nicht mit Blut laden und auch während und nach der Operation kein Blut verabreichen konnten, verwandten sie blutlose Plasmaexpander. Dr. Cooley berichtet: „Uns beeindruckten die Ergebnisse an Zeugen Jehovas so sehr, daß wir begannen, das Verfahren bei all unseren Herzpatienten anzuwenden. Wir hatten überraschend guten Erfolg und wandten es auch bei unseren [Herz-]Transplantationen an.“ Er fügte hinzu: „Wir haben eine Abmachung mit Jehovas Zeugen, unter keinen Umständen eine Transfusion zu geben. Die Patienten tragen dann das Risiko, weil wir für sie nicht einmal Blut bereitstellen.“99
159. Welche Langzeiterfolge hat die blutlose Herzchirurgie bei Zeugen Jehovas, Kindern und Erwachsenen, gezeigt?
159 Welche Langzeiterfolge hat die „blutlose Herzchirurgie“ bei Kindern und Erwachsenen gezeitigt? Dr. Jerome H. Kay aus Kalifornien schrieb: „Wir haben jetzt im Saint Vincent’s Hospital in Los Angeles fast 6 000 Operationen am offenen Herzen durchgeführt. Wir haben den Eindruck, daß es den Patienten bessergeht, seit wir den meisten Patienten kein Blut mehr geben.“100 Aus einer detaillierten kanadischen Studie geht hervor, daß „die Zahl der Todesfälle von 11 auf 3,8 % sank“, wenn blutlose Flüssigkeiten, wie Dextran und Ringer-Lösung, anstelle von Blut verwandt wurden101. Solche Operationen wurden auch an Zeugen Jehovas und Kindern in Norwegen, Australien, Südafrika, Frankreich, England und Japan erfolgreich vorgenommen.
160, 161. Welches sind die Ergebnisse gewesen, wenn Zeugen sich einer Operation unterziehen mußten, bei der man normalerweise Blut für unerläßlich hält?
160 Erfahrene Chirurgen wissen jedoch, daß der größte Teil des transfundierten Blutes bei allgemeinen chirurgischen Eingriffen gegeben wird und nicht bei schwereren Eingriffen, wie zum Beispiel bei Operationen am offenen Herzen. Wie ist es den Zeugen Jehovas ergangen, die sich alltäglicheren Operationen unterziehen mußten, bei denen normalerweise beträchtliche Mengen Blut verwendet werden?
161 Unter der Überschrift „Große Chirurgie an Zeugen Jehovas“ berichtete eine Gruppe New Yorker Ärzte über eine Anzahl von Fällen, bei denen umfangreiche Eingriffe erforderlich waren, wie zum Beispiel die totale Entfernung von krebsbefallenen Organen, und sie erklärten, daß diese Eingriffe bei Anwendung präziser chirurgischer Techniken ohne Blut vorgenommen werden können102. Andere Eingriffe, die erfolgreich ohne Verabreichung von Blut durchgeführt wurden, sind radikale Kopf- und Halsoperationen, umfangreiche Unterleibsoperationen und Hemipelvektomien (operative Entfernung eines Beines und einer Beckenhälfte)103. Nach der Entfernung eines großen Hirnaneurysmas an einem Zeugen machte Dr. J. Posnikoff Einwendungen gegen die „gegenwärtige Meinung der meisten Neurochirurgen, eine Bluttransfusion sei [für solche Hirnoperationen] absolut notwendig“. Er forderte andere Chirurgen auf, „Menschen, die in einer verzweifelten Notlage sind, aber aus moralischen Gründen keine Bluttransfusion annehmen können, nicht routinemäßig größere Operationen zu verweigern“104.
162. Welche Erfahrung hat Dr. Philip Roen gemacht?
162 Dr. Philip R. Roen kam in dem Artikel „Größere operative Eingriffe an den Harnorganen ohne Bluttransfusion“ zu folgendem Schluß:
„Unsere Erfahrungen mit Zeugen Jehovas, die sich einer Operation unterziehen mußten, haben uns gelehrt, daß es auch ohne Blut geht, selbst wenn der Hämoglobingehalt niedrig ist, wenn er nur — wie in einem der Fälle — 5 g je 100 ml beträgt. ... Der Standpunkt der Zeugen Jehovas, die eine Bluttransfusion bei notwendigen großen und umfangreichen Eingriffen ablehnen, stellt für den Urologen ein erhebliches Problem und eine Herausforderung dar. Solche Patienten können und dürfen nicht wegen ihrer religiösen Überzeugung aufgegeben werden. Wir haben nicht gezögert, trotz der verweigerten Blutersetzung jegliche notwendigen chirurgischen Eingriffe vorzunehmen.“105
WAS WERDEN SIE TUN?
163, 164. Welche Tatsachen zeigen, daß der Standpunkt der Zeugen Jehovas in bezug auf Bluttransfusionen medizinisch vertretbar ist?
163 Bei unserer Betrachtung über den Standpunkt der Zeugen Jehovas bezüglich des Blutes haben wir auf gewisse wichtige Gesichtspunkte aufmerksam gemacht. Wir haben untersucht, weshalb sie Blut verweigern, und haben gesehen, daß sie dies aus religiösen, biblischen Gründen tun. Wir haben auch die ethischen Fragen besprochen, die dabei eine Rolle spielen, und gezeigt, daß jeder das Recht hat, zu entscheiden, was mit seinem Körper geschieht und welche medizinische Behandlung bei ihm und seinen Kindern angewandt wird. Wir haben auch die Rolle des Arztes analysiert und festgestellt, daß die Berücksichtigung der Glaubensansichten des Patienten mit den Grundsätzen des Arztberufes in Übereinstimmung steht. Und bei der Behandlung der medizinischen Aspekte der Bluttransfusion haben wir gezeigt, daß der Standpunkt, den Jehovas Zeugen einnehmen, medizinisch vertretbar ist. Krankengeschichten beweisen, daß geschickte, mutige Ärzte in den meisten Fällen Patienten, die Zeugen Jehovas sind, ohne Verwendung von Blut erfolgreich behandeln können.
164 Jedoch sollten wir die Angelegenheit nicht lediglich als eine abstrakte Abhandlung über eine interessante Frage betrachten. Jeder von uns mag sich eines Tages gezwungen sehen, diesen Aufschluß zu gebrauchen, um eine persönliche Entscheidung zu treffen.
Was sollte der Arzt tun?
165, 166. (a) In Anbetracht all der dargelegten Tatsachen, was sollte ein Arzt in bezug auf die Zeugen Jehovas verstehen? (b) Was bedeutet das in der Praxis?
165 In Anbetracht dessen, was wir besprochen haben, sollte der Arzt verstehen, daß Jehovas Zeugen keine „selbstmörderischen“ religiösen Fanatiker sind, die sich jeglicher medizinischen Behandlung widersetzen. Sie sind vielmehr vernünftige, ethischgesinnte Menschen, die den Wunsch haben, am Leben zu bleiben. Sie lieben das Leben und die Gesundheit, und deshalb bemühen sie sich um eine gute ärztliche Betreuung. Der Arzt sollte aber auch verstehen, daß Jehovas Zeugen ihre religiöse Überzeugung ernst nehmen und völlig davon überzeugt sind, daß sie und ihre Familie kein Blut annehmen dürfen. Wenn daher Personen, die auf medizinischem Gebiet tätig sind, mit einer Transfusionsverweigerung konfrontiert werden, so sollten sie das nicht als eine gefühlsmäßige Laune ansehen, die ruhig ignoriert werden dürfte. Es handelt sich vielmehr um eine wichtige religiöse Überzeugung, die geachtet werden sollte.
Was bedeutet das in der Praxis?
166 Es bedeutet, daß Zeugen Jehovas aus Achtung vor altehrwürdigen Grundsätzen kein Blut aufgezwungen werden darf. Es stimmt zwar, daß ein Arzt, der ihre religiöse Überzeugung berücksichtigen will, möglicherweise seine gewöhnliche Behandlungsmethode ändern muß. Doch ist es, auf weite Sicht gesehen, nicht besser, wenn die medizinische Behandlung durch die religiöse Überzeugung etwas eingeschränkt wird, als daß grundlegende religiöse Glaubensansichten durch die übliche medizinische Praxis einfach ignoriert werden? Wer vernünftig über diese Frage nachdenkt, wird dem zustimmen müssen. Ein Arzt, der auf die Überzeugung eines Zeugen Jehovas Rücksicht nimmt, beweist, daß er die Menschenrechte hochhält und den freien Gebrauch des religiösen Gewissens achtet. Gleichzeitig wird er den „ganzen Menschen“ behandeln, indem er Therapien anwendet, mit deren Hilfe der Patient physisch geheilt werden kann, ohne daß er seelisch oder geistig Schaden nimmt. Das wird im bleibenden Interesse des Patienten sein und den ethischen Maßstäben Ehre machen, denen der Arzt verpflichtet ist.
Was sollten Zeugen Jehovas oder andere tun, die Gottes Wort in ihrem Leben anwenden möchten?
167, 168. Welchen Rat erhalten Jehovas Zeugen, die mit der Bluttransfusionsfrage konfrontiert werden?
167 Unsere Abhandlung über die Blutfrage sollte die Achtung vor dem ausdrücklichen Verbot der Bibel, das Leben mit Hilfe von Blut zu bewahren, weiter vertiefen.
168 Jeder Christ sollte entschlossen sein, in seinem Glauben standhaft zu bleiben. Im Umgang mit Ärzten oder dem Krankenhauspersonal sollte der Christ vernünftig und zur Zusammenarbeit bereit sein, gleichzeitig aber deutlich zu verstehen geben, daß jede ärztliche Behandlung mit seinen religiösen Glaubensansichten in Übereinstimmung sein muß, wie zum Beispiel mit seiner Weigerung, Blut anzunehmen. Falls ein chirurgischer Eingriff nötig ist, wird es wichtig sein, sich im voraus mit den Ärzten über den biblischen Standpunkt bezüglich des Blutes zu unterhalten, um ihre Zusicherung zu erlangen, daß während oder nach der Operation unter keinen Umständen Blut übertragen wird. Und wenn ein bestimmter Arzt meint, er könne die Operation nicht ohne Hilfe von Blut durchführen, dann kann der Christ sich nach einem anderen Arzt umsehen.
169. Was zeigen Jehovas Zeugen durch ihre Einstellung zum Blut im Einklang mit welchem Beispiel der ersten Christen?
169 Jehovas Zeugen zeigen durch ihr Bemühen, Gottes Gesetz hinsichtlich des Blutes zu halten, daß sie verstanden haben, daß das Leben von ihrem Schöpfer und Lebengeber stammt und von ihm abhängig ist. Er hat in der Bibel gesagt, daß das Glück und das künftige Leben eines Christen von seinem Glauben und seinem Gehorsam abhängen (1. Johannes 2:3-6). Aus diesem Grund waren die ersten Christen bereit, lieber ihr gegenwärtiges Leben zu riskieren, als gegen ihre religiöse Überzeugung zu handeln. Jehovas Zeugen sind heute genauso entschlossen, ihr gutes Verhältnis zu Gott aufrechtzuerhalten. Daher werden sie weiterhin dem Gebot der Bibel gehorchen, ‘sich des Blutes zu enthalten’ (Apostelgeschichte 15:29).
QUELLENVERZEICHNIS
1. The Gift Relationship (1971), Professor Richard M. Titmuss, S. 27.
2. Ioannis Calvini In Novum Testamentum Commentarii, Ad Editionem Amstelodamensem, Vol. IV. In Acta Apostolorum (1833), S. 306.
3. Das Alte Testament Deutsch, Das erste Buch Mose (1964), Gerhard von Rad, S. 109.
4. Das erste Buch der Thora, Genesis (1934), B. Jacob, S. 250—252.
5. The Torah: A Modern Commentary, Genesis (1974), W. Gunther Plaut, S. 86.
6. Zürcher Bibelkommentare, 1. Mose 1-11, W. Zimmerli (3. Aufl., 1967), S. 330.
7. Kirchengeschichte, Eusebius von Cäsarea (1967), hrsg. v. H. Kraft, S. 237.
8. Verteidigung des Christentums, Tertullian (2. Aufl., 1961), hrsg. v. C. Becker, S. 91, 93.
9. The Ante-Nicene Fathers, Bd. IV, S. 85, 86.
10. Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 14, S. 190.
11. The Ecclesiastical History of the Second and Third Centuries (1845), John Kaye, Bischof von Lincoln, S. 146.
12. The Acts of the Apostles (1958), Guiseppe Ricciotti, S. 243.
13. Nicene and Post-Nicene Fathers of the Christian Church, Philip Schaff und Henry Wace, Bd. XIV, S. 395.
14. Geschichte von Rügen und Pommern, Bd. 2 (1840), F. W. Barthold, S. 40.
15. Dr. Martin Luther’s sämmtliche Werke, Bd. 25 (1830), bearbeitet von Dr. J. K. Irmischer, S. 238, 239.
16. The Complete Works of the Rev. Andrew Fuller (1836), S. 751.
17. The American Surgeon, Juli 1968, S. 542.
18. Fordham Law Review, Jg. 44, 1975, S. 23, 24.
19. American Journal of Obstetrics and Gynecology, 1. Juni 1968, S. 395.
20. Medicolegal Forms with Legal Analysis (1976), S. 24, 38.
21. Medical Tribune (deutsche Ausgabe), 19. März 1976, S. 30.
22. Rutgers Law Review, Jg. XXVI, 1973, S. 244.
23. The Wisconsin Medical Journal, August 1967, S. 375.
24. The Journal of the American Medical Association, 5. September 1966, S. 794, 795.
25. Fordham Law Review, Jg. 44, 1975, S. 29.
26. The Journal of Abdominal Surgery, Juni 1967, S. 160.
27. The Cape County Journal, Juni 1967, S. 5.
28. University of San Francisco Law Review, Sommer 1975, S. 28.
29. Surgery, Gynecology & Obstetrics, April 1959, S. 503, 504.
30. Medicolegal Forms with Legal Analysis (1976), S. 85.
31. University of San Francisco Law Review, Sommer 1975, S. 27, 28.
32. Emergencies in Medical Practice (1971), hrsg. v. C. Allan Birch, S. 564.
33. Deutsche Medizinische Wochenschrift, 19. Dezember 1975, S. 2622.
34. New York State Journal of Medicine, Mai 1976, S. 766.
35. Fordham Law Review, Jg. 36, 1968, S. 651.
36. Medical Tribune (deutsche Ausgabe), 19. März 1976, S. 30.
37. Natanson v. Kline et al., 186 Kan. 393, 350 P.2d 1093, 1104.
38. Canadian Medical Association Journal, 18. Februar 1967, S. 432.
39. Forensic Science, Juli 1972, S. 135.
40. God, Blood and Society (1972), A. D. Farr, S. 115.
41. Crime and Delinquency, April 1968, S. 116.
42. Texas Medicine, Dezember 1970, S. 25.
43. The Journal of the American Medical Association, 3. Juli 1967, S. 150.
44. Ouest-France, 10. März 1975.
45. Drugs (1973), Bd. 6, S. 130.
46. Obstetrik och gynekologi (1962), hrsg. v. Carl Gemzell, S. 206.
47. God, Blood and Society (1972), A. D. Farr, S. 32.
48. Die Welt, 14. Oktober 1975.
49. The Journal of the American Medical Association, 12. April 1976, S. 1611.
50. Clinical Hematology (1974), Professor Maxwell M. Wintrobe, S. 474.
51. Le Concours Médical, 1. April 1972, S. 2598.
52. Oasis, Februar 1976, S. 23, 24.
53. Medical Economics, 11. Dezember 1967, S. 96.
54. The National Observer, 29. Januar 1972, S. 1.
55. Southern Medical Journal, April 1976, S. 476.
56. Chicago Tribune, 10. Oktober 1969, S. 2.
57. Surgery, Februar 1974, S. 274, 275.
58. Hematology (1975), Professor James W. Linman, S. 991.
59. Journal of Forensic Sciences, Januar 1969, S. 87.
60. The Gift Relationship (1971), Professor Richard M. Titmuss, S. 142.
61. Journal of Hygiene, Oktober 1974, S. 173; Southern Medical Journal, April 1976, S. 477.
62. Arizona Medicine, April 1974, S. 263.
63. Annals of the New York Academy of Sciences, 20. Januar 1975, S. 191.
64. The American Journal of the Medical Sciences, September/Oktober 1975, S. 276, 281; Morbidity and Mortality Weekly Report, 7. Mai 1976, S. 3; Inspection News, November/Dezember 1972, S. 18.
65. Scandinavian Journal of Infectious Diseases, Jg. 6, 1974, S. 286.
66. Hematology (1975), Professor James W. Linman, S. 994.
67. The Gift Relationship (1971), Professor Richard M. Titmuss, S. 147.
68. The Journal of Legal Medicine, Juni 1976, S. 19.
69. South African Medical Journal, 24. Januar 1976, S. 107.
70. Die Welt, 9. Dezember 1974.
71. General Principles of Blood Transfusion (1973), S. 15.
72. Tropical Diseases Bulletin, September 1972, S. 828, 848.
73. Hematology (1975), Professor James W. Linman, S. 995.
74. Surgery, Februar 1974, S. 275.
75. Medicolegal Forms with Legal Analysis (1976), S. 83.
76. The Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery, Juli 1974, S. 3.
77. Mayo Clinic Proceedings, November 1976, S. 725.
78. Medical World News, 4. Dezember 1970, S. 7.
79. American Journal of Obstetrics and Gynecology, 1. Juni 1968, S. 395.
80. Hematology (1975), Professor James W. Linman, S. 985.
81. South African Medical Journal, 24. Januar 1976, S. 107.
82. Anaesthesia, Juli 1968, S. 395, 396.
83. Archives of Surgery, Januar 1969, S. 52.
84. Anaesthesia, Juli 1968, S. 413; Mayo Clinic Proceedings, November 1976, S. 726.
85. Postgraduate Medicine, November 1959, S. A44.
86. Canadian Anaesthetists’ Society Journal, Januar 1975, S. 8.
87. RN Magazine, Mai 1975, S. 38.
88. Bibliotheca Haematologica, „Intentional Hemodilution“, Nr. 41, 1975, S. 270.
89. Anaesthesia, März 1975, S. 150.
90. The Dispatch, Columbus (Ohio), 31. August 1972, S. 1B.
91. Anaesthesia, Juli 1968, S. 418, 419.
92. Annals of the New York Academy of Sciences, 14. August 1968, S. 905; The Journal of the American Medical Association, 29. März 1971, S. 2077.
93. Blood Transfusion in Clinical Medicine (1972), Professor P. L. Mollison, S. 150, 153.
94. Surgical Clinics of North America, Juni 1975, S. 671.
95. Anaesthesia, Juli 1968, S. 416.
96. The Journal of the American Medical Association, 5. Februar 1968, S. 399, 401.
97. Canadian Anaesthetists’ Society Journal, Januar 1975, S. 12.
98. The Elks Magazine, August 1976, S. 14.
99. The San Diego Union, Sonntag, 27. Dezember 1970, S. A-10.
100. The Journal of the American Medical Association, 3. Dezember 1973, S. 1231.
101. The Toronto Star, 22. November 1975, S. A8.
102. New York State Journal of Medicine, Mai 1976, S. 765, 766.
103. The Journal of the American Medical Association, 5. Februar 1968, S. 399.
104. California Medicine, Februar 1967, S. 124, 127.
105. New York State Journal of Medicine, 15. Oktober 1972, S. 2526, 2527.
[Fußnoten]
a Die Quellenangaben sind auf Seite 61—64 zu finden.
b Andere Bezugnahmen (aus dem 2. und 3. Jahrhundert), die diese Anwendung von Apostelgeschichte 15:28, 29 unterstützen, sind in folgenden Werken zu finden: Origenes, Gegen Celsus, VIII, 29, 30 und Kommentar zu Matthäus XI, 12; Klemens, Der Erzieher II, 7 und Teppiche IV, 15; Klementinen: Homiliensammlung VII, 4, 8; Wiedererkennungsroman IV, 36; Justinus der Märtyrer, Dialog XXXIV; Cyprian, Traktate, An Quirinus III, 119; Lehren der zwölf Apostel VI; Apostolische Konstitutionen VI, 12; Lucian, Über das Lebensende des Peregrinus, Abs. 5.
c Siehe auch Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 1975 unter „Transfusionszwischenfälle“.
d Studien haben ergeben, daß die Produktion der roten Blutkörperchen mit Hilfe der Eisentherapie um das Zwei- bis Vierfache des üblichen Wertes gesteigert werden kann77.
e PVP (Polyvinylpyrrolidon) wird auch noch in einigen Ländern gebraucht.