Ungehorsam gegenüber den Eltern — Ein Zeichen der letzten Tage?
„DA IST eine Generation, die sogar auf ihren Vater Übles herabruft und die nicht einmal ihre Mutter segnet“ (Sprüche 30:11). Mit diesen Worten wird die seit 1914 lebende Generation treffend beschrieben. Ist die Jugend heute in dieser Hinsicht aber wirklich unübertroffen? Wenn ja, warum?
Unsere sich wandelnde Welt
In der Vergangenheit war die Familie ein Zufluchtsort, an dem man Liebe und Hilfe fand. Es bestanden keine Zweifel über die Aufgaben und Pflichten der einzelnen Familienglieder. Die Männer waren die Brotverdiener. Die Frauen blieben meist zu Hause und kümmerten sich um die Kinder und die Hausarbeit. Gemeinsam belehrten sie ihre Kinder über Wertmaßstäbe und Grundsätze. Die Kinder waren mit Hausarbeiten häufig so beschäftigt, daß sie keine Zeit hatten, groben Unfug zu treiben.
Was seit dem Jahre 1914, das heißt seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, geschehen ist, hat dieses Idyll zerstört. Unser Jahrhundert zeichnet sich, wie Jesus es vorhergesagt hat, durch grausame Kriege, Gesetzlosigkeit und Nahrungsmittelknappheit aus (Matthäus 24:4-14). Was ist dadurch bewirkt worden? Eine drastische Veränderung unserer Lebensweise. In der heutigen Zeit, wo das Reisen große Mode ist, sind Familienangehörige oft durch große Entfernungen voneinander getrennt, weil der eine oder andere unterwegs ist. Durch die Fortschritte der Technik von zahlreichen mühseligen Hausarbeiten befreit, tauschen viele Frauen die Arbeit im Haushalt gegen eine berufliche Tätigkeit. Lehrer und Kindergärtnerinnen werden Ersatzeltern. Kinder kämpfen gegen Langeweile, da elektrische Geräte die Hausarbeit verrichten.
Diese jüngsten Entwicklungen haben zu vermehrten Spannungen in den Familien geführt. Die Zahl der Ehescheidungen ist erschreckend gestiegen. Auch die Einelternfamilien werden immer zahlreicher. Eine alleinstehende Mutter äußerte sich über die Schwierigkeit, ein Kind allein zu erziehen, wie folgt: „Wenn ich aus dem Büro heimkomme, ist die Schule bereits drei Stunden aus. Ich habe keine Möglichkeit festzustellen, was meine Kinder tun. Ich bin sicher, daß meine 16jährige Tochter schon mit einem Jungen aus ihrer Klasse geschlafen hat und daß mein 13jähriger Sohn nach der Schule regelmäßig in den Spielsalon geht.“
Opfer der „Ich“-Generation
Wahrscheinlich hat es noch nie eine Generation gegeben, die so sehr auf ihre persönlichen „Rechte“ pochte wie die unsrige. Das hat nach den Worten eines bekannten Psychiaters dazu geführt, daß die Eltern „ihren Kindern mit der Zeit gestatteten, ihnen zu widersprechen und ihre eigenen Meinungen und Ansichten geltend zu machen, ja daß sie sogar einen gewissen Ungehorsam duldeten“. Ist das aber gut?
Der Schriftsteller und Pulitzerpreisträger Robert Coles sagte: „Viele Eltern fürchten sich, ihre Kinder selbst, das heißt nach ihrer eigenen Überzeugung und ihren eigenen Moralbegriffen, zu erziehen. Sie werden von den vielen Experten eingeschüchtert, die Bücher über die Kindererziehung schreiben und ihnen sagen, was sie tun sollten.“ Eltern, die auf Theorien über antiautoritäre Kindererziehung hereingefallen sind, leisten schließlich den Launen ihrer Kinder Vorschub und erkennen später, daß das Bibelwort wahr ist: „Wenn einer seinen Knecht von Jugend an verzärtelt, wird er in seinem späteren Leben sogar ein Undankbarer werden“ (Sprüche 29:21).
Die Auswirkungen des Fernsehens
Vor kurzem veröffentlichte das US-Institut für Psychohygiene einen umfassenden Bericht unter der Überschrift „Fernsehen und Verhalten“. Der Bericht zeigte, daß sich das Fernsehen, abgesehen davon, daß es den Geist mit brutaler Gewalt und mit Unmoral bombardiert, auch in anderer Hinsicht ungünstig auf das Familienleben auswirkt. „In überraschend vielen Fällen“ wird zum Beispiel die Wahl des Programms, das sich die Familie ansieht, den Kindern überlassen, so daß diese „oft festlegen, was sich die Familie ansieht; sie sind Familienschiedsrichter geworden“.
In dem Buch Generation of Narcissus wird noch auf eine andere heimtückische Nebenwirkung des Fernsehens hingewiesen. Es heißt darin, das Fernsehen bewirke, „daß die Kinder die sogenannte wirkliche Welt von einem besonderen Gesichtspunkt aus erleben. Es ist eine Welt, die sich scheinbar nur um sie dreht.“ Ja, ein fernsehsüchtiges Kind kann eine völlig egozentrische Lebensanschauung entwickeln.
All das hat dazu beigetragen, das Familienleben aus dem natürlichen Gleichgewicht zu bringen. Kann aber die Reaktion der Jugend wirklich als Auflehnung gegen die elterliche Gewalt bezeichnet werden?
Offener und versteckter Ungehorsam
Die ‘Zunahme der Gesetzlosigkeit’ unter der Jugend gehört zu den offenkundigeren Zeichen dafür, daß es Jugendliche gibt, die sich gegen die elterliche Gewalt auflehnen (Matthäus 24:12). So wird zum Beispiel nach einem Bericht „in Groß-London ein Viertel aller schweren Verbrechen von Schulkindern verübt“. In den Vereinigten Staaten „stieg die Zahl der Verhaftungen von Jugendlichen, die Gewaltverbrechen verübt hatten, ... in den Jahren zwischen 1960 und 1975 um 293 Prozent, und die Gesamtzahl der Verhaftungen Jugendlicher steigt jährlich um 10 Prozent — doppelt so schnell wie bei den Erwachsenen“. Berichte aus China sprechen von jugendlichen „Mördern, Betrügern, Dieben, Sittlichkeitsverbrechern, Drogenhändlern und Schiebern“.
Selbst an Eltern werden gemeine Gewalttaten verübt. Eine unter der Leitung des Soziologen Richard J. Gelles durchgeführte Untersuchung ergab, daß „mehr als 2 1⁄2 Millionen Jugendliche [in den USA] ihren Vater oder ihre Mutter schon mindestens einmal geschlagen haben. Annähernd 900 000 Väter oder Mütter sind von ihren halbwüchsigen Kindern schon mit der Faust geschlagen, gebissen, getreten, mit einem harten Gegenstand geschlagen, verprügelt oder mit einem Messer oder einer Pistole bedroht oder angegriffen worden.“ Diese traurigen Vorkommnisse bestätigen die Vorhersage der Bibel, daß in den letzten Tagen die Menschen „ohne natürliche Zuneigung“ sein würden (2. Timotheus 3:3). In der Tat erschütternd war die Schlußfolgerung, daß „aller Wahrscheinlichkeit nach das wahre Ausmaß der von Jugendlichen an Eltern verübten Gewalttaten sowohl bei den angegebenen Ziffern als auch bei den Erwartungen unterschätzt worden ist“ (Kursivschrift von uns) (The Urban & Social Change Review, Jahrgang 15, Nummer 1, 1982).
Häufig wechselnder Geschlechtsverkehr ist ein weiteres Gebiet, auf dem sich Jugendliche den Wünschen ihrer Eltern widersetzen. Eine Umfrage, die unter 160 000 amerikanischen Jugendlichen durchgeführt wurde, ergab, daß 31 Prozent im Alter von 13 bis 15 Jahren schon Geschlechtsverkehr gehabt hatten. Bei den 16- bis 18jährigen waren es 58 Prozent. Aus Japan wird berichtet, daß „die Zahl der Teenager weiblichen Geschlechts, die sexuelle Beziehungen pflegen, in den letzten sieben Jahren auffallend gestiegen ist“.
Ziemlich viele Teenager greifen heimlich zum Alkohol oder zu suchterzeugenden Drogen. Ungefähr 43 Prozent gaben zu, schon Marihuana geraucht zu haben. Die Forscher kamen zu dem Schluß, daß das Marihuanarauchen „für viele Teenager ein üblicher Zeitvertreib ist“. Die Hälfte von ihnen gaben zu, daß sie ihre Eltern belügen würden, wenn diese sie danach fragten.
Andere Jugendliche, die frustriert sind, weil ihre Eltern bestimmte Leistungen von ihnen verlangen, sie aber kaum unterstützen, lehnen sich heimlich gegen sie auf, indem sie in der Schule absichtlich versagen. Wieder andere sind ungehorsama, indem sie sich nicht überzeugen lassen, sich nach den moralischen oder religiösen Maßstäben ihrer Eltern zu richten. Nur 53 Prozent der befragten Jugendlichen sagten, sie würden sich an die Religion ihrer Eltern halten. Die übrigen erklärten, sie würden es nicht tun oder sie seien nicht sicher. Welche Enttäuschung für die Eltern! Nur 17 Prozent sagten, sie wollten von ihren Eltern über Sex beraten werden; noch weniger würden ihre Eltern um Rat über Drogen bitten. Durch ein solches Aufeinanderprallen von Standpunkten kann das Elternhaus in ein Schlachtfeld verwandelt werden.
Was kannst du tun?
Es kann also mit Sicherheit gesagt werden, daß unsere Generation einzigartig ist und unter einzigartigen Verhältnissen herangewachsen ist. Die weltweite Tendenz zum Ungehorsam, verbunden mit den übrigen Tatsachen, zwingt uns zu dem Schluß, daß wir in den letzten Tagen leben.
Jehovas Zeugen haben jedoch festgestellt, daß das Studium der Bibel — nicht das der heutigen widersprüchlichen Theorien über Kindererziehung — sie in die Lage versetzt, mit den heutigen Problemen fertig zu werden. Ihrer Ansicht nach ist das Gebot aus Epheser 6:1-4 realistisch und zweckmäßig: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in Gemeinschaft mit dem Herrn, denn das ist gerecht ... Und ihr, Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie weiterhin auf in der Zucht und in der ernsten Ermahnung Jehovas.“ Jehovas Zeugen würden sich daher freuen, mit dir ein systematisches Bibelstudium zu beginnen.
Selbst wenn du keine Kinder hast, wirst du aus einem Studium der Bibel großen Nutzen ziehen. Gottes Wort zu erforschen wird dir helfen, Gott und seine Vorsätze kennenzulernen. Wer so handelt, ist weise, denn die Bibel sagt: „Suchet Gerechtigkeit, suchet Sanftmut. Wahrscheinlich könnt ihr am Tage des Zornes Jehovas geborgen werden“ (Zephanja 2:3).
[Fußnote]
a Das griechische Wort für „Ungehorsam“ bedeutet wörtlich „sich nicht überzeugen oder überreden lassen“.
[Herausgestellter Text auf Seite 5]
Annähernd 900 000 Väter oder Mütter sind in den USA von ihren halbwüchsigen Kindern schon mit der Faust geschlagen, gebissen, getreten, verprügelt oder mit einem Messer oder einer Pistole bedroht oder angegriffen worden.
[Herausgestellter Text auf Seite 7]
Eine alleinstehende Mutter sagte: „Wenn ich aus dem Büro heimkomme, ist die Schule bereits drei Stunden aus. Ich habe keine Möglichkeit festzustellen, was meine Kinder tun.“
[Bild auf Seite 6]
Eltern, die bei der Erziehung antiautoritäre Methoden anwenden, erleben oft, daß aus ihrem Kind ein Tyrann wird.