Fragen von Lesern
● Welches ist die Bedeutung von Prediger 7:16, 17, wo uns gesagt wird: „Sei nicht allzu gerecht“ und „sei nicht allzu gesetzlos“? — C. R., Pennsylvania.
Um ein wenig mehr den Zusammenhang zu beleuchten und um auch die Ausdrucksweise durch den Gebrauch der modernen Sprache abzuklären, zitieren wir Prediger 7:15-18 aus Einer Amerikanischen Übersetzung: „Ich habe alle Arten von Dingen in meinem leeren Leben gesehen: zum Beispiel den Gerechten, der bei seiner Gerechtigkeit umkommt, und den Gesetzlosen, der bei seiner Gesetzlosigkeit seine Tage verlängert. Sei nicht allzu gerecht und sei nicht übermäßig weise; warum willst du dich verderben? Sei nicht allzu gesetzlos und sei nicht töricht; warum willst du vor deiner Zeit sterben? Es ist gut, daß du an einer Sache festhältst und auch von der anderen deine Hand nicht abziehst; denn der Gottesfürchtige entgeht beidem“. Moffatts Wiedergabe des Verses 18 ist interessant: „Der beste Weg ist, die eine Richtung zu nehmen, und doch die andere nicht zu vermeiden; derjenige, der in Ehrfurcht vor Gott steht, wird beide Extreme vermeiden“.
Diese Ermahnung, beide Extreme zu vermeiden, scheint der Schlüssel zu sein, der die Bedeutung dieser Verse erschließt. Einige sind extrem in ihren Ansichten über Gerechtigkeit und sehen auf andere wie auf Böse herab, wenn jene sich nicht nach der Auffassung der Extremisten über das, was gerecht ist, ausrichten. Zu dieser Klasse gehörten in Jesajas Zeit diejenigen, die sagten: „Bleibe für dich und nahe mir nicht, denn ich bin dir heilig (heiliger als du, AS).“ Aber anstatt sie zu beachten, sagt der heilige Jehova vielmehr von ihnen: „diese sind ein Rauch in meiner Nase, ein Feuer, das den ganzen Tag brennt.“ (Jes. 65:5) Ähnlich selbstgerecht waren die Schriftgelehrten und Pharisäer in den Tagen Jesu, die sich für so gerecht und andere für so böse hielten. Das wird durch eine bildliche Rede, die Jesus hielt, wie folgt beleuchtet.
„Er hielt diese bildliche Rede auch einigen, die auf sich selbst vertrauten, daß sie gerecht seien, und die übrigen für nichts achteten: ‚Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Steuereinnehmer. Der Pharisäer stand und begann folgendes bei sich zu beten: „O Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen der Menschen, Erpresser, Ungerechte, Ehebrecher oder wie dieser Steuereinnehmer. Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den Zehnten von allem, was ich erwerbe.“ Aber der Steuereinnehmer stand etwas weiter entfernt und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel aufzuheben, sondern schlug an seine Brust und sagte: „O Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!“ Ich sage euch: Dieser Mann ging hinab in sein Haus, gerechter erfunden als jener andere Mann, da jeder, der sich erhöht, erniedrigt, aber derjenige, der sich erniedrigt, erhöht werden wird.‘“ — Luk. 18:9-14, NW.
Der Pharisäer hielt sich für so gerecht und Ehebrecher und sogar Steuereinnehmer für böse und weit unter ihm stehend; doch war es der anscheinend böse Steuereinnehmer, der in Gottes Augen gerechter war. Und Jesus sagte bei einer anderen Gelegenheit zu den selbstgerechten, vornehmsten Priestern und einflußreichen älteren Männern: „Wahrlich, ich sage euch, daß die Steuereinnehmer und die Huren euch vorangehen in das Königreich Gottes.“ Das heißt, nachdem sie ihre Bedrückung und Unmoral verlassen haben. (Matth. 21:23, 31, NW) Der sich selbst erhöhende jüdische Religionist war nicht gerecht und weise gemäß dem Worte Gottes, sondern gemäß den Überlieferungen der Menschen, von denen Jesus sagte, sie widersprächen den Geboten Gottes. (Matth. 15:1-9) Ihre ganze Gerechtigkeit war nur äußerlicher Schein. Sie verlor sich derart in aufgebauschten Kleinigkeiten zeremonieller und ritueller Natur und in derart kleinlichen Angelegenheiten, daß es niemals dazu kam, die wichtigeren Gebote zu erfüllen. (Matth. 23:23-32) Diese jüdischen Religionisten waren gerecht und auch weise, aber nur in ihren eigenen Augen und in ihrer eigenen Einbildung. Gewiß wurden sie von Gott und Christus Jesus nicht so betrachtet, denn ihnen wurde gesagt, daß sie das ewige Vernichtungsgericht der Gehenna erwartet. (Matth. 23:33) In einer Gerechtigkeit wie der ihrigen mußten sie umkommen.
Diese Selbstgerechten betrachteten auf der anderen Seite die wahren Diener Gottes als Böse. Sie brachten über die Treuen Unrecht und Schläge und klagten sie als böse Aufrührer und Lästerer und Tempelentweihende an. (Apg. 17:5-8; 24:5, 6) Von Menschen der Welt Satans werden Christen als böse angesehen, wie Jesus es voraussagte: „Glücklich seid ihr, wenn die Menschen euch schmähen und verfolgen und lügnerisch allerlei Böses wider euch reden um meinetwillen.“ (Matth. 5:11, NW) Aber mögen Satans Gimpel den Dienst der Christen als böse ansehen, wenn sie wollen; nichtsdestoweniger geschieht es durch solche sogenannte „Bosheit“, daß Christen ihr Leben verlängern. Doch müssen sie vorsichtig sein, nicht allzu gerecht zu werden, d. h. fanatisch und extrem gegenüber unwesentlichen und geringen Punkten, vernarrt in Charakter-Entwicklung, um in ihren eigenen Augen als gerecht zu erscheinen, was alles zur Vernachlässigung wirklichen Dienstes als Zeuge Jehovas führt. Sie sollten auch nicht weise in ihren eigenen Augen werden. Das würde ihren Untergang bedeuten. Natürlich dürfen sie nicht allzu gesetzlos werden, tatsächliches Unrecht gegen Gott und Menschen begehen und mit Recht ‚als Mörder oder Dieb oder Übeltäter leiden‘. Sie werden nicht den Toren spielen und Gott verleugnen und über sich den vorzeitigen Tod bringen. — Ps. 14:1; 1. Pet. 4:15, NW.
Angesichts des Vorausgegangenen scheint es, daß Prediger 7:15-18 uns sagt, nicht zu versuchen, außergewöhnliche Gerechtigkeit als äußeren Schein zu heucheln und so gerecht in unseren eigenen Augen und in den Augen anderer zu erscheinen, denn wir werden durch jene Art heuchlerischer Gerechtigkeit umkommen. Wir dürfen auch nicht nach übermäßiger Weisheit trachten, um vor anderen zu glänzen, denn das würde nicht wahre Weisheit sein, sondern nur eine Weisheit in unseren eigenen Augen, die uns ins Verderben brächte. Wir werden danach streben, unser Leben zu verlängern, indem wir Gott dienen, wenn dies auch von der Welt unter Satan als böse angesehen werden mag. Wir wollen aber nicht in Gottes Augen zu wirklicher Bosheit herabsinken und von ihm vernichtet, werden. Deshalb werden wir an göttlicher Gerechtigkeit festhalten, aber dem Extrem der pharisäischen Selbstgerechtigkeit entfliehen, und wir werden die sogenannte „Bosheit“ des Dienstes Gottes nicht außer acht lassen, sondern wollen immer vor den Extremen wirklicher Bosheit fliehen. Auf diese Weise können wir Gott annehmbar dienen und zur gleichen Zeit das Extreme vermeiden; auch wollen wir nicht versuchen, gerechter zu erscheinen, als wir in Wirklichkeit sind, noch wirklich böse zu werden, nur um den Anschein als Charakter-Entwickler zu vermeiden.
● Was meint Salomo, wenn er sagt, er fand unter Tausenden einen wahren Mann, aber niemals eine wahre Frau? — J. K., New Hampshire.
Prediger 7:27-29 erklärt (AÜ): „‚Siehe, dieses habe ich gefunden‘, sagt Koheleth, ‚indem ich eines zum anderen fügte, um ein richtiges Urteil zu finden, welches ich wiederholt gesucht habe, aber nicht fand, einen Mann aus Tausenden habe ich gefunden, aber ein Weib unter diesen allen habe ich nicht gefunden. Nur, siehe, dieses habe ich gefunden, daß Gott den Menschen aufrichtig geschaffen hat; sie aber haben viele Ränke gesucht.‘“ Moffatt gibt den Vers 28 wie folgt wieder: „Folgendes ist das, was ich gefunden habe, sagt der Sprecher: einen wahren Mann unter tausend, aber niemals eine wahre Frau!“
Das kann kaum so aufgefaßt werden, daß Männer besser sind als Frauen. Es kann nicht buchstäblich genommen werden, so daß es bedeuten könnte, es gäbe keine wahren Frauen, denn die Bibel spricht von treuen Frauen, und es gibt heute mehr Frauen, die Zeugen Jehovas sind, als Männer. Salomo könnte von seiner persönlichen Erfahrung gesprochen haben, denn er hatte tausend Weiber und Konkubinen, wenn man alle zusammenzählt. Es mag nicht eine einzige darunter gegeben haben, die Jehova Gott hingegeben war, obgleich er zweifellos einige Männer kannte, die Gott treu waren. Folglich mag er seine eigene unglückliche häusliche Situation im Sinne gehabt haben, als er dies schrieb.
Es gibt jedoch eine andere mögliche Bedeutung, die stichhaltiger erscheint. Tausend ist ein Vielfaches von zehn, das irdische Vollständigkeit darstellt. Deshalb mag das Tausend sich auf alle Frauen, die jemals auf Erden gelebt haben, beziehen, von denen nicht eine vollkommen war oder ist. Eva blieb nicht eine solche, bestand in der Tat niemals die Prüfung, was sie als vollkommen in Lauterkeit vor Gott gezeigt hätte. Die Jungfrau-Mutter von Jesus, Maria, war nicht vollkommen. Was die Männer anbetrifft, würden die tausend auch irdische Vollständigkeit darstellen und alle Männer, die jemals auf Erden gelebt hätten, mit einschließen. Die Situation der Männer sieht anders aus als die der Frauen.
Während es niemals eine vollkommene Frau gegeben hat, die tadellosen Gehorsam gegenüber Jehova Gott zeigte, hat es doch einen solchen Mann, nämlich Christus Jesus, gegeben. Er ist der einzig wahre, vollkommene Mann, und der einzige, der je auf Erden gelebt hat. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, daß diese große Wahrheit durch die Worte Salomos in Prediger 7:27-29 eingeschlossen ist. Der Schluß von Vers 29 kommt einer einschneidenden Quersumme gleich, die die ganze Menschheit einschließt, also mehr den Menschen als solchen, als daß hier Männer mit Frauen verglichen würden, und somit unterstützt sie mehr die zuletzt dargelegte Ansicht als die erste Möglichkeit, daß sich nämlich Salomos Worte auf seine eigenen Erfahrungen beziehen könnten.