Wir beobachten die Welt
Evangelische Geistliche kontra Landeskirche
◆ Nach einem Bericht der Zeitung Der Enztäler haben 215 evangelische Geistliche, darunter zwei aktive Dekane und ein Dekan im Ruhestand, dem Präsidenten der Synode einen offenen Brief geschrieben und darin erklärt, sie könnten es „nicht verantworten“, den Konfirmandenunterricht gemäß der „Anleitung“ zu gestalten. Diese bisher einmalige Befehlsverweigerung nannte der Stuttgarter Pfarrer Manfred Fischer ein Zeichen für den „Notstand in der Landeskirche“. Den Anlaß für diese Fehde hatte die Landessynode selbst mit der verbindlichen Verabschiedung der „Anleitung zum Konfirmandenunterricht“ geliefert, die von maßgeblichen Juristen als Kirchengesetz gewertet wird. Nach Meinung der protestierenden Pfarrer sei diese „Anleitung“ ein Rückfall in die Restauration, sie fordere das Auswendiglernen und den kontrollierten Gottesdienstbesuch, widerspreche dem Geist des Evangeliums und sei insgesamt ein Ausdruck des in der Synode besonders stark ausgeprägten Ordnungsdenkens. Dies scheint jedoch nicht der einzige Grund der „Befehlsverweigerung“ zu sein, denn wie Der Enztäler weiter mitteilt, habe Pfarrer Friedemann Binder (Stuttgart) zu diesem Thema gesagt: „Es gibt unheimlich viele Gründe, warum man diese Anleitung für großen Quatsch halten muß.“ Wie weiter berichtet wird, sind sich die Wortführer des offenen Briefes, der von den 215 Geistlichen unterzeichnet worden ist, darüber im klaren, daß ihre Weigerung, von der Synode gesetztes Recht auszuführen, ihnen disziplinarische Strafen einbringen kann. Ihr Standpunkt ist: „Wir sind bereit, solche Maßnahmen auf uns zu nehmen. Und das gilt für alle. Wir sind solidarisch und lassen uns nicht auseinanderdividieren.“ Diese für die evangelische Landeskirche unerfreuliche Konfrontierung mit 215 Geistlichen kommentiert der Stuttgarter Oberkirchenrat Tompert mit den Worten: „Hier hat ein Kirchenkampf begonnen.“
Zehntausend zuckerkranke Kinder in der Bundesrepublik
◆ Kürzlich wurde in München auf einem sozialmedizinischen Symposium zum Europäischen Diabetes-Kongreß von Vertretern verschiedener europäischer Länder über eine erschreckend hohe Zahl zuckerkranker Kinder berichtet. Demnach gibt es auf der ganzen Welt etwa zwei Millionen Kinder und Jugendliche mit Diabetes, allein in der Bundesrepublik — gemäß Schätzungen — 10 000.
Die „Jahrhundert-Wies’n“
◆ Das weltweit bekannte Münchner Oktoberfest war im Jahre 1975 ein Rekordfest. Dabei wurden nahezu 4,5 Millionen Maß Bier getrunken und annähernd 600 000 Hendl’n (Brathühner) verzehrt. Die Besucherzahl lag um rund 10 % höher als im Jahre 1974. Das Münchner Oktoberfest hat also trotz aller Sorgen um Park- und Sitzplatz seine Anziehungskraft weder im Inland noch im Ausland verloren. Im Gegenteil, der Werbeslogan „Leut — vergeßt die Kris’n, kommt’s auf die Wies’n“ wurde von etwa 6 Millionen befolgt, und die Sorgen wurden mit der nötigen Menge Bier „hinuntergespült“.
„Freie Meinungsäußerung“
◆ In Boston und im übrigen Massachusetts ist das Fluchen und der Gebrauch vulgärer Ausdrücke in der Öffentlichkeit nicht länger verboten. Das hat jetzt der Oberste Gerichtshof des amerikanischen Bundesstaates entschieden. Nach dem Richterspruch ist die Verwendung von Schimpfwörtern in der Öffentlichkeit durch das Gesetz über die freie Meinungsäußerung gedeckt, vorausgesetzt, daß sie nicht zu Gewalttätigkeiten führen. Das Gericht erklärte in seinem einstimmigen Beschluß, daß eine grobe Ausdrucksweise, wenn sie auch das Ohr verletze, nicht gegen das 200 Jahre alte Gesetz verstoße, das „Müßiggang und liederlichen Lebenswandel“ unter Strafe stelle.
Teurer Frieden
◆ Das amerikanische Abgeordnetenhaus hat für 15 Monate Verteidigungsausgaben in Höhe von 112 Milliarden Dollar (rund 293 Milliarden Mark) bewilligt; das sind pro Tag 650 Millionen Mark. Das bedeutet, daß die Nationen täglich rund 2 Milliarden Mark ausgeben, um zu verhindern, daß sie sich bekriegen.
Geburtenregelung durch Sterilisierung
◆ Aus Neu-Delhi wird gemeldet, daß die Regierung des indischen Bundesstaates Maharashtra mit drastischen Mitteln gegen den Geburtenüberschuß vorgehen will. Gemäß Presseberichten sollen die für Familienplanung verantwortlichen Beamten künftig gemaßregelt werden, wenn in ihrem Bezirk ein Mindestsatz von Sterilisierungen nicht erreicht werde. Die erste Stufe sei eine Verwarnung, dann folge eine Beförderungssperre, schließlich sogar die Entlassung. Neutrale Beobachter meinen dazu, daß diese neue Verordnung geradezu zur Fälschung der Unterlagen verführe.
Zweifel an der Ursache des Todes von Haile Selassie
◆ Gemäß einer dpa-Meldung kursierten in Äthiopien Gerüchte, nach denen der ehemalige Kaiser Haile Selassie keines natürlichen Todes gestorben sei. Die äthiopische Militärregierung habe seinerzeit bekanntgegeben, Haile Selassie sei am 28. August in seinem Bett im Menelik-Palast nach einer Komplikation seines Prostata-Leidens gestorben. Laut UPI würden Diplomaten Indizien, daß Haile Selassie keines natürlichen Todes gestorben sei, darin sehen, daß selbst das Kommuniqué der Regierung über den Tod erwähnt, daß 36 Stunden lang kein Arzt am Krankenbett gewesen sei, obwohl sich der Zustand des Patienten plötzlich verschlechtert habe. Gemäß dem Kommuniqué habe man sich bemüht, den Leibarzt ausfindig zu machen, der jedoch nirgends zu entdecken gewesen sei. Dieser wiederum habe inzwischen vor Freunden erklärt, er habe zur Verfügung gestanden. Andere Kreise würden laut UPI glauben, der Kaiser sei ermordet worden. Niemand habe die Leiche sehen dürfen, die nach unbestätigten Berichten verbrannt worden sei. Eine Autopsie sei nicht vorgenommen worden. Aus Kreisen hoher Diplomaten habe es geheißen, es lägen Beweise dafür vor, daß der regierende Militärrat mit 31 gegen 27 Stimmen die Ermordung des Kaisers beschlossen habe.
Mangel an Beichtvätern
◆ Tausenden von Pilgern standen gemäß einem dpa-Bericht während des Jahres 1975, das vom Papst zum „Heiligen Jahr“ erklärt worden war, in den vier römischen Erzbasiliken, in denen die Pilger in verschiedenen Sprachen ihre Sünden bekennen konnten, nicht genügend Beichtväter zur Verfügung. Darum sah sich das Zentralkomitee für das „Heilige Jahr“ veranlaßt, einen dringenden Appell an alle vorübergehend in Rom weilenden Priester zu richten, sich für die Beichte zur Verfügung zu stellen.
Das sind schlechte Zeiten für unvollkommene Menschen, die ihre Fehler bekennen und Vergebung erlangen wollen. Um so tröstlicher sind die Worte Jesu, der seinen Nachfolgern nie sagte, daß sie sich an Menschen um Vergebung ihrer Sünden wenden sollten. Vielmehr sagt er in seiner Bergpredigt: „Jeder, der bittet, empfängt, und jeder, der sucht, findet, und jedem, der anklopft, wird aufgetan werden ... Darum, ... wieviel mehr wird euer Vater, der in den Himmeln ist, denen gute Dinge geben, die ihn bitten?“ (Matth. 7:8-11). Über denselben Gott, der alle Sprachen versteht, schreibt der Prophet Jesaja (Kap. 65, Vers 24): „Und es wird tatsächlich geschehen, bevor sie rufen, daß ich selbst antworten werde, während sie noch reden, werde ich selbst hören.“
Immer wieder „Der Exorzist“
◆ Obwohl den Instanzen der westlichen Welt, die über die Qualität eines Filmes zu entscheiden haben, die demoralisierende Wirkung des Filmes „Der Exorzist“ bekannt sein sollte, unternehmen sie nichts, um den schädigenden Einfluß, den dieser Film auf Jugendliche ausübt, zu unterbinden. Das geht aus einer dpa-Meldung hervor, gemäß der ein siebzehnjähriger Jugendlicher aus der nordenglischen Stadt York ein neunjähriges Mädchen auf grausame Weise getötet hat. Nach dem Motiv seiner Tat befragt, erklärte er, der Film „Der Exorzist“ sei der Auslöser seiner Tat gewesen. Vor Gericht machte er geltend, er habe den Film gesehen und danach begonnen, „Schwarze Magie“ zu betreiben. „Nicht ich war es, der diese Tat beging, es war etwas in mir, seit ich den Film sah. Ein Geist, der mich besaß, hat das Mädchen ermordet“, sagte er. Außerdem berichtete er, Alpträume vom Teufel gehabt und mit Vergnügen Vögel zerstückelt zu haben.
85 300 Geschlechtskranke in der Bundesrepublik registriert
◆ Das in Köln erscheinende Deutsche Ärzteblatt gab jetzt bekannt, daß 1974 in der Bundesrepublik insgesamt 85 300 Geschlechtskranke registriert wurden. Mehr als 90 % aller Erkrankten waren noch keine 40 Jahre alt. Nach den Informationen der Fachzeitschrift meldeten die Großstädte die meisten Erkrankungen. Als Beispiel wurde die Stadt Frankfurt genannt, wo im Jahre 1974 700 Erkrankungen je 100 000 Einwohner gemeldet wurden, während die durchschnittlich registrierte Erkrankungshäufigkeit 137 Fälle auf 100 000 Einwohner beträgt. Die Fachzeitschrift wies aber noch auf die „hohe Dunkelziffer“ hin und betonte, daß die Statistik keinesfalls den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Nach Angaben des Deutschen Ärzteblattes treten Geschlechtskrankheiten am häufigsten nach den Sommerferien auf.
Gehörschädigungen durch Popmusik
◆ Die Lärmbelästigung am Arbeitsplatz und durch Flugzeuge ist schon oft Gegenstand heftiger Diskussionen gewesen. Bürgerinitiativen haben dazu beigetragen, daß sogar der Gesetzgeber in dieser die Gesundheit der Menschen bedrohenden Frage aktiv wurde. Um besonders am Arbeitsplatz durch Lärmbelastung gefährdete Menschen vor Gesundheitsschäden zu bewahren, sind Höchstgrenzen für den Geräuschpegel gesetzlich vorgeschrieben. Solche Maßnahmen müssen aber völlig versagen, wenn der Lärm zum Vergnügen gemacht wird, denn einen Anhänger der Popmusik kann man kaum überreden, mit Watte in den Ohren zu einem Konzert oder in die Diskothek zu gehen. Und für die Band ist die Verstärkeranlage eine unentbehrliche Voraussetzung des Erfolgs. Doch wurde kürzlich in einer Studie die in der britischen medizinischen Fachzeitschrift Lancet erschien, der Nachweis erbracht, daß der Preis für diese populäre Form der Unterhaltung ein Hörverlust ist, der den betroffenen Jugendlichen zwar nicht sofort auffällt. Mit fortschreitendem Alter kann aber die Hörfähigkeit so stark eingeschränkt werden, daß den Liebhabern musikalischen Lärms eine Unterhaltung immer schwerer fällt. Denn die Popmusik schädigt im Gegensatz zu dem in der Industrie üblichen Lärm das Gehör hauptsächlich in den unteren Frequenzbereichen, in denen auch die menschliche Stimme aufgenommen wird. Ob aber die Warnung der Wissenschaftler bei Musikern und Publikum Gehör finden wird, ist fraglich.