Was hat Gott im Sinn?
SPRICHT man mit jemand über Gottes Vorhaben mit der Menschheit, so hört man oft die Frage: „Wer kann das wissen?“ Die gleiche Frage stellte ein berühmter Mann vor 1900 Jahren. Er fragte: „Wer hat den Sinn Jehovas kennengelernt ...?“ (1. Kor. 2:16) Doch dieser Mann wußte die maßgebende Antwort auf seine Frage. Er konnte sie gestützt auf zwei wichtige Tatsachen geben: 1. weil er die Hebräischen Schriften genau kannte und im Gesetz, das die Israeliten von Gott empfangen hatten, gründlich bewandert war und 2. weil er durch seine Stellung — er war nämlich einer der zwölf Apostel des Herrn Jesus Christus, des Sohnes Gottes — mit Gott so eng verbunden war, wie es nur wenige Menschen waren. Er zeigt zwar, daß niemand alles wissen kann, was Jehova im Sinn hat, beantwortet aber die Frage mit folgenden Worten: „‚Dinge, die das Auge nicht gesehen und das Ohr nicht gehört noch im Herzen eines Menschen aufgekommen sind, die hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.‘ Denn uns hat Gott sie durch seinen Geist geoffenbart, denn der Geist erforscht alle Dinge, selbst die tiefen Dinge Gottes.“ — 1. Kor. 2:9, 10.
Jehova, der Gott der Bibel, der Gott des Volkes Israel und der Gott Jesu Christi und seiner Nachfolger, ist kein schweigsamer Gott. Er ist so sehr daran interessiert, mit der Menschheit Verbindung zu haben, daß er seinen eigenen Sohn, seinen vertrautesten Mitarbeiter, vom Himmel auf die Erde herabsandte, damit dieser den Menschen sein Vorhaben offenbare. Darum sagte der erwähnte Apostel zu seinen Mitchristen weiter: „Wir haben Christi Sinn.“ (1. Kor. 2:16) Aus Jehovas Wort oder seinem Buch, in dem seine Gedanken aufgezeichnet sind, von denen er das Volk Israel unterrichtete und die er auch durch Jesus Christus offenbarte, erfahren wir, was er im Sinn hat. Gott gebietet uns: „Befragt mich selbst über die künftigen Dinge, die meine Söhne betreffen; und die Tätigkeit meiner Hände solltet ihr mir anbefehlen.“ (Jes. 45:11, NW) Jesus gibt uns den Rat: „Bittet fortwährend, und es wird euch gegeben werden; sucht unablässig, und ihr werdet finden; klopft immer wieder an, und es wird euch aufgetan werden.“ (Matth. 7:7, 8) Mit anderen Worten, wir sollten Gottes Wort erforschen und herauszufinden suchen, warum und weshalb Gott gewisse Dinge sagt und tut. Er ist für uns nicht abwesend oder unerreichbar, noch erwartet er von uns, daß wir etwas tun, ohne zu wissen, was er diesbezüglich im Sinn hat. Besonders ermutigend und herzerfreuend bei der Erforschung der Gedanken Jehovas, die er in seinem Wort enthüllt, ist die Feststellung, daß er uns gut gesinnt und auf unser Wohl bedacht ist.
Vortreffliche Anhaltspunkte für eine Betrachtung der Frage „Was hat Gott im Sinn?“ gab Gott im achten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, indem er durch seinen Propheten Jesaja sprach. Durch eine Prüfung dieser Prophezeiung erfahren wir, warum und weshalb Jehova gewisse Dinge tut. Wir lernen auf diese Weise seine Gedanken so genau kennen, daß wir nicht mehr im Zweifel sind, wie wir handeln müssen.
WARUM ER VORAUSSAGEN MACHT
Die erwähnte Prophezeiung wird zu einer Zeit gemacht, in der Israel im Verheißenen Land lebt. Babylon ist noch nicht die dritte Weltmacht geworden. Es ist noch nicht einmal eine ernsthafte Gefahr für Assyriens Vormachtstellung. Doch Gott hat vorhergesagt, er werde zulassen, daß die Israeliten wegen ihrer Sünden nach Babylon in die Gefangenschaft kämen. Wie wir aber in Jesaja 48:1-13 lesen, spricht er ihnen schon vor ihrer Wegführung Mut zu, indem er sie daran erinnert, daß er der Schöpfer des Himmels und der Erde ist, daß er stets derselbe, der Erste und der Letzte ist und sein Volk nicht vergißt. Er sagt ihnen, er werde um seiner selbst willen gegen Babylon vorgehen, um sein Volk zu befreien. Er wird nicht zulassen, daß er wegen Nichterfüllung seiner Verheißungen entheiligt wird, noch wird er seine Ehre einem falschen Gott zukommen lassen. Er sagt:
„Versammelt euch, ihr alle, und höret! Wer unter ihnen hat dieses verkündet? Den Jehova liebt, der wird sein Wohlgefallen vollführen an Babel und seinen Arm an den Chaldäern [wirken lassen, Me]. Ich, ich habe geredet, ja, ich habe ihn gerufen; ich habe ihn kommen lassen, und sein Weg wird gelingen.“ (Jes. 48:14, 15) Was will Jehova damit sagen? Dem Sinne nach folgendes: „Welcher unter den falschen Göttern der heidnischen Welt hat solches über den Sturz Babylons und die Befreiung meines Volkes durch Kores, den Perser, vorausgesagt? Ich liebe diesen Kores, weil er an Babylon das Werk vollführen wird, wozu ich ihn ausersehen habe. Er wird an dieser verderbten Stadt das ausführen, was mir wohlgefällt. Ich werde seinen Arm mit einer Gewalt an den Chaldäern wirken lassen, der sie nicht standhalten werden.“
Kores erfuhr erst nach der Einnahme Babylons und erst, als ihm Daniel Jesajas Prophezeiung zeigen konnte, daß Jehova ihn gebraucht hatte, um Babylon einzunehmen und die Chaldäer zu unterwerfen. Gott bezeichnet sich selbst als der, der diese Dinge vorhersagt, indem er spricht: „Nahet euch zu mir, höret dieses! Ich habe vom Anfang an nicht im verborgenen geredet; von der Zeit an, da es ward, bin ich da.“ (Jes. 48:16) Jehova fürchtet sich nicht, diese Dinge vorauszusagen. Er sagt sie nicht heimlich voraus, damit später niemand beweisen könne, daß er sie wirklich vorhersagte. Er weiß, was er tun will, und er sagt es auch voraus, damit sein Volk — und auch wir heute — die Gewißheit hat und sich darauf verlassen kann, daß er sein angekündigtes Vorhaben durchführt. Er sagt weiter zu Israel:
SEIN VORHABEN MIT SEINEM VOLK
„So spricht Jehova, dein Erlöser, der Heilige Israels: Ich bin Jehova, dein Gott, der dich lehrt, zu tun, was dir frommt [der dich belehrt zu deinem Nutzen, RSt], der dich leitet auf dem Wege, den du gehen sollst. O daß du gemerkt hättest auf meine Gebote! dann würde dein Friede gewesen sein wie ein Strom, und deine Gerechtigkeit wie des Meeres Wogen; und dein Same würde gewesen sein wie der Sand, und die Sprößlinge deines Leibes wie seine Körner; sein Name würde nicht ausgerottet und nicht vertilgt worden sein vor meinem Angesicht.“ — Jes. 48:17-19.
Das läßt die Israeliten erkennen, daß Gott sie aus Babylon befreien wird. Jehova bezeichnet sich selbst als ihr Erlöser. Da er im voraus weiß, daß er sie befreien wird, zeigt er, daß er von Herzen wünscht, sie würden seine Gebote beachten und dadurch verhüten, daß sie als Gefangene aus ihrer Heimat weggeführt werden. In diesem Fall könnten sie dem Unheil entgehen, das Babylon über sie bringen würde, und könnten sich eines Friedens und einer Wohlfahrt erfreuen, die mit einem großen tiefen Fluß zu vergleichen wäre. Ihre gerechten Taten wären so zahlreich wie des Meeres Wogen. Jehova hatte ihrem Vorvater Abraham verheißen, seinen Samen so zahllos werden zu lassen wie den Sand am Meer. Wie sehr er sie doch liebt, und wie gut er es mit ihnen meint! Er appelliert an ihre Liebe, indem er ihnen zeigt, daß er es ist, der wirklich an ihnen interessiert ist, der sie zu ihrem Nutzen belehrt, sie liebevoll auf dem Wege leitet, den sie gehen sollen. O wenn sie doch nur hören wollten! Er wünscht nicht, daß sie ausgerottet oder vor seinem Angesicht vertilgt werden. Er weiß jedoch im voraus, daß sie widerspenstig sein und seiner Belehrung und Führung nicht folgen werden und deshalb gezüchtigt werden müssen. Dennoch ist Jehova so gütig zu ihnen, daß er sie nicht vollständig im Stich läßt. Seine folgenden Worte sollen für sie ein Hoffnungsstrahl sein in ihrer Gefangenschaft:
„Ziehet aus Babel, fliehet aus Chaldäa mit Jubelschall; verkündiget, laßt dieses hören, bringet es aus [laßt die Kunde dringen, Me] bis an das Ende der Erde! Sprechet: Jehova hat seinen Knecht Jakob erlöst. Und sie dürsteten nicht, als er sie durch die Wüsten führte; er ließ ihnen Wasser rieseln aus dem Felsen, er spaltete den Felsen, und Wasser flossen heraus.“ — Jes. 48:20, 21.
Er läßt also diese Nachkommen seines geliebten Knechtes Jakob nicht ohne jede Hoffnung. Natürlich wird Babylon sein Gefängnis nicht freiwillig öffnen und die Israeliten daraus entfliehen lassen. Es ist aber auch nicht Jehovas Wille, daß sie aus dem Gefängnis ausbrechen und Babylon vor dessen Sturz zu verlassen suchen sollten. Durch seinen Propheten Jeremia (25:11-14) wird er ihnen später sagen, daß sie erst in ihr Heimatland zurückkehren könnten, wenn es siebzig Jahre verödet gewesen sei. Sie werden somit auf Jehova warten müssen, der sie durch Kores, den er als ihren Befreier liebt, erlösen wird.
Seine Vorhersage dieser Dinge trug zur Erhöhung seines Namens bei, denn als Babylon wirklich fiel, ging die Kunde von dessen Sturz durch das ganze Medo-Persische Reich, und die Israeliten konnten mit anderen darüber sprechen und ihnen erklären, warum Babylon fiel, und konnten dadurch vermeiden, daß die Ehre für dieses Ereignis ausschließlich einem Menschen gegeben wurde. Gott ließ also seine Taten und sein Vorhaben nicht nur durch sein Wort, sondern auch durch seine Zeugen kundtun, wie das auch heute der Fall ist. Seine große Liebe zu denen, die sich die Freilassung zunutze machten, zeigte sich darin, daß er sie durch Wüsten zurückführte, für sie aber sorgte, indem er Wasser aus den Felsen herausfließen ließ, und sie leitete, so daß sie sicher nach Jerusalem zurückkehrten. Jehovas Güte zu seinem Volk war in der Tat ohnegleichen. Mit den Gliedern seines Volkes, die seine Gebote nicht hielten, und besonders mit den verderbten Babyloniern konnte er jedoch nicht in Frieden leben. — Jes. 48:22.
Einige Israeliten, zum Beispiel auch der betagte Daniel, kehrten nach dem Sturz Babylons nicht nach Jerusalem zurück; doch diese wurden nicht unbedingt als böse betrachtet. Wer es nicht für gut hielt, Babylon zu verlassen, konnte die Anregung in Kores Erlaß befolgen und den Zurückkehrenden Gold, Silber und andere Habe sowie Haustiere übergeben und auf diese Weise eine freiwillige Gabe für das Haus des wahren Gottes in Jerusalem mitschicken. — Esra 1:2-4.
WARUM ER DIE LEIDEN SEINES VOLKES ZULIESS
Jerusalem vertrat den Namen Gottes; aber in den Tagen Jesajas waren die Israeliten widerspenstig. Gott wußte, daß bis zum Sturz Jerusalems durch Babylon (607 v. u. Z.) ihre Bosheit so groß sein würde, daß seine Geduld mit ihnen ein Ende haben werde und er sie züchtigen müßte. Er warnte sie daher mit den Worten:
„Erwache, erwache; stehe auf, Jerusalem, die du aus der Hand Jehovas den Becher seines Grimmes getrunken! Den Kelchbecher des Taumels hast du getrunken, hast ihn ausgeschlürft. Da war niemand, der sie leitete, von allen Kindern, die sie geboren; und niemand, der sie bei der Hand nahm, von allen Kindern, die sie großgezogen. Zweierlei war es, was dir begegnete — wer sollte dir Beileid bezeigen? —: die Verheerung und die Zerschmetterung und die Hungersnot und das Schwert. Wie könnte ich dich trösten? Deine Kinder sind ohnmächtig hingesunken, sie lagen an allen Straßenecken wie eine Antilope im Netze; sie waren voll des Grimmes Jehovas, des Scheltens deines Gottes.“ — Jes. 51:17-20.
Gott gebrauchte Babylon, um diese Züchtigung vorzunehmen. Die Stadt Jerusalem taumelte wegen seines Bechers des Grimmes und keiner ihrer Bewohner konnte ihr helfen, geradeaus zu gehen. Nicht einmal die paar Gerechten, wie Hesekiel, Daniel und dessen drei vertraute hebräische Gefährten, konnten sie vor dem Taumeln bewahren und ihr auf die Füße helfen. Zweierlei sollte sie aus Jehovas Becher des Grimmes trinken: 1. Verheerung oder Raub und Zerschmetterung und 2. Hungersnot und Schwert. Während der achtzehnmonatigen Belagerung durch Nebukadnezar herrschte in ihr eine außergewöhnliche Hungersnot, sie bekam das babylonische Kriegsschwert zu spüren und erlebte schließlich den Zusammenbruch ihrer Regierung und Verteidigung sowie die Beraubung durch heidnische Eroberer. Ägypten, an das sie sich wandte, konnte ihr nicht helfen, und ihre Bewohner sanken vor Schwäche und Erschöpfung hin. Jehova hatte aber das Ende ihres Zustandes, in dem sie einer Trunkenen glich, vorausgesagt:
„Darum höre doch dieses, du Elende und Trunkene, aber nicht von Wein! So spricht Jehova, dein Herr, und dein Gott, der die Rechtssache seines Volkes führt: Siehe, ich nehme aus deiner Hand den Taumelbecher, den Kelchbecher meines Grimmes; du wirst ihn hinfort nicht mehr trinken. Und ich gebe ihn in die Hand deiner Peiniger [derer, die dich zum Zorn reizen, NW], die zu deiner Seele sprachen: Bücke dich, daß wir darüber hinschreiten! Und du machtest deinen Rücken der Erde gleich, und gleich einer Straße für die darüber Schreitenden.“ — Jes. 51:21-23.
Das erklärt, warum Jehova zuließ, daß Jerusalem in die Gefangenschaft kam, nämlich, weil es als Hauptstadt seines Volkes im Widerstand gegen ihn führend vorangegangen war, statt daß es sich liebevoll mit Gott vereinigt und ihm vertrauensvoll gehorcht hätte. Diese Züchtigung sollte jedoch ein Ende haben, und Gott würde seinen Grimm von Jerusalem abwenden und ihn gegen Babylon und dessen Verbündete richten, die Jerusalem so lange zum Zorn gereizt und gedemütigt hatten, bis es gleichsam mit dem Gesicht zum Boden hingeworfen war und sie darüber hinwegschreiten konnten, als ob es eine Straße wäre. Diese Demütigung Jerusalems erfolgte im Jahre 607 v. u. Z. Von da an wurde Jerusalem von den Heiden niedergetreten. Damals begannen auch die sieben „Zeiten der Heiden“, die im Jahre 1914 endeten. — Luk. 21:24; Dan. 4:16, 23, 25, 32.a
Im Jahre 539 v. u. Z. wurde der Becher des Grimmes Jehovas aus der Hand Jerusalems genommen und Babylon gegeben. Zwei Jahre später, im Jahre 537 v. u. Z., gab Kores seinen Erlaß heraus, durch den die Israeliten frei wurden. Damals begann sich folgende Prophezeiung zu erfüllen, die unter der Inspiration Jehovas zweihundert Jahre früher geäußert worden war: „Wache auf, wache auf; kleide dich, Zion, in deine Macht! Kleide dich in deine Prachtgewänder, Jerusalem, du heilige Stadt! Denn hinfort wird kein Unbeschnittener und kein Unreiner in dich eintreten. Schüttle den Staub von dir ab, stehe auf, setze dich hin, Jerusalem! mache dich los von den Fesseln deines Halses, du gefangene Tochter Zion!“ — Jes. 52:1, 2.
Zion sollte wieder zu einer prächtigen Stadt aufgebaut werden. Es sollte keine hilflose Sklavin Babylons mehr sein, sondern in Prachtgewänder gekleidet und für den Dienst und die Anbetung Jehovas gestärkt werden. Es sollte wieder zur „Stadt des großen Königs“ (wie Jesus es nannte) werden und sollte sich darum in seine prächtigen königlichen Gewänder kleiden. (Ps. 48:2; Matth. 5:35) Da es eine heilige Stadt sein sollte, würden Unbeschnittene und Unreine sein Gebiet nicht betreten dürfen. Solange es seinem Gott treu bliebe und seine Heiligkeit bewahrte, würde es kein unbeschnittener, heidnischer Eroberer überfallen und es erneut in den Staub erniedrigen. Obwohl damals kein König aus dem Hause Davids mehr eingesetzt wurde und die aufeinanderfolgenden Weltmächte über Jerusalem herrschten, blieb es für Jehovas auserwähltes Volk dennoch die heilige Stadt, das Zentrum der Anbetung, bis es schließlich wegen seiner Widerspenstigkeit im Jahre 70 u. Z. von den Römern zerstört wurde. Die Prophezeiung Jesajas bewahrheitete sich, denn das 52. Kapitel des Buches Jesaja erfüllt sich im eigentlichen, vollständigen Sinne an Gottes himmlischer Organisation, dem himmlischen Zion, das das freie „Jerusalem droben“ ist und durch das irdische Zion oder Jerusalem vorgeschattet wurde. Siebenunddreißig Jahre vor der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 u. Z. hatte Jehova den geistigen Tempel, die Christenversammlung, zu seinem Zentrum der Anbetung gemacht. — Gal. 4:26.
Solange Jerusalem als Gefangene in Babylon war, konnte es die „gefangene Tochter Zion“ genannt werden. Nun aber sollte es nicht mehr als Trauernde auf dem Boden sitzen, sondern einen erhöhten Platz einnehmen und die Fesseln oder Ketten der Gefangenschaft von seinem Halse lösen. Es sollte von seiner Freiheit Gebrauch machen, um Jehova in dessen Tempel zu dienen. Dort sollte gemäß der Prophezeiung Sacharjas (2:7, 10) Jehova in seiner Mitte wohnen: „Hui! entrinne, Zion, die du wohnst bei der Tochter Babels! Jubele und freue dich, Tochter Zion! denn siehe, ich komme und werde in deiner Mitte wohnen, spricht Jehova.“
WIE GOTTES VOLK VERKAUFT UND LOSGEKAUFT WURDE
Zion wurde Babylon von Jehova wegen seiner Widerspenstigkeit umsonst verkauft oder ausgeliefert. Babylon hätte daher nicht denken sollen — was es jedoch tat —, es habe einen immerwährenden Anspruch auf Zion. Jehova erklärt: „Umsonst seid ihr verkauft worden, und nicht um Geld sollt ihr gelöst [losgekauft, Me] werden.“ (Jes. 52:3) Jehova Gott würde somit kein Lösegeld zu bezahlen haben, um für Zion die Freiheit zu erkaufen. Zions Freilassung würde ihn nichts kosten. Dennoch wurde Zion losgekauft, denn König Kores, der Jehova anerkannte, ließ Zion freiwillig ziehen, Jehova dagegen gab Kores, dem Perser, die Länder, die dieser auf seinem Siegeszug in Richtung Babylon erobert hatte, und zur Zeit des Kambyses, Kores’ Sohn, gab er Persien auch das Land Ägypten. (Jes. 43:3, 4) Alle diese Länder waren heidnische Länder. Als König Kores die Israeliten in ihr Land zurückkehren ließ, damit sie in Jerusalem den Tempel wieder aufbauen konnten, gab er ihnen die Geräte zurück, die König Nebukadnezar aus dem Tempel Jehovas gestohlen hatte, ohne dafür eine Entschädigung zu verlangen.
Babylon hatte keinen rechtmäßigen Anspruch auf Gottes Volk. Es wurde daher vernichtet, weil es dieses Volk bedrückte. Gott erinnert daran, daß sein Volk früher schon bedrückt wurde. Er sagt gemäß Jesaja 52:4: „Nach Ägypten zog mein Volk im Anfang hinab, um sich daselbst aufzuhalten; und Assyrien hat es ohne Ursache bedrückt.“ Babylon hatte nichts aus dem gelernt, was über Gottes Taten zur Befreiung der Israeliten von den Ägyptern berichtet wurde. Es ignorierte die geschichtliche Tatsache, daß Gott 185 000 Mann des assyrischen Heeres, das einst Jerusalem bedrohte, geschlagen und um das Jahr 633 v. u. Z. Assyrien durch die Meder und Chaldäer gestürzt hatte, nachdem es ohne Ursache das Zehn-Stämme-Reich Israel gestürzt, das Volk weggeführt und das Land mit Heiden aus fremden Ländern wiederbesiedelt hatte.
JEHOVA VERLANGT ACHTUNG VOR SEINEM NAMEN
Was wollte Jehova angesichts dieser Tatsache mit Babylon noch zu tun haben? Er antwortet: „Mein Volk ist umsonst hinweggenommen; seine Beherrscher jauchzen, spricht Jehova, und beständig, den ganzen Tag, wird mein Name gelästert. Darum soll mein Volk meinen Namen kennen lernen, darum an jenem Tage erfahren, daß ich es bin, der da spricht: Hier bin ich!“ (Jes. 52:5, 6) Jehova wußte demnach, daß er in Babylon eine ähnliche Situation vorfinden würde wie im alten Ägypten und in Assyrien. Er konnte Babylons Rühmen und Prahlen gegenüber Jerusalem nicht unbeachtet lassen, da dadurch sein Name in ein schlechtes Licht gerückt wurde. Er war gezwungen, etwas dagegen zu unternehmen, denn die Babylonier dachten nicht, daß sie noch schlimmer gegen den wahren Gott sündigen würden, als dessen Volk gegen ihn gesündigt hatte, das er ihnen umsonst verkauft hatte, und daß sie ihre Sünde, die sie durch ihren Götzenkult bereits auf sich geladen hatten, dadurch noch erhöhten.
Die Israeliten hätten aus dieser von Jehova kommenden Züchtigung etwas lernen sollen. Viele lernten auch etwas. Sie hatten große Schmach auf den Namen Jehovas gebracht. Der christliche Apostel Paulus sagte um das Jahr 56 u. Z. zu den damaligen natürlichen Juden: „Denn ‚der Name Gottes wird euretwegen unter den Nationen gelästert‘, wie es geschrieben steht.“ (Röm. 2:24) Siebzig Jahre mußten sie diese Lästerung ertragen, und das brachte natürlich viel Schmach auf sie. Sie hörten, wie Gottes Name entehrt, geschmäht, gelästert und in unwürdiger Weise gebraucht wurde. Jehova konnte das nicht anstehen lassen. Er achtete seinen Namen und seine Stellung als universeller Souverän zu sehr. Er versicherte, daß er seinen Namen rechtfertigen und ihn vor allen Nationen heiligen werde, denn er sagte: „Ich ... bin [es], der da spricht: Hier bin ich!“
WIE JEHOVA ANGEBETET WERDEN MÖCHTE
Aus dieser Erfahrung des Volkes Israel lernen wir, daß Jehova große Liebe zu seinen Geschöpfen hat und allen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit erweist. Vor allem aber liebt er sein Volk, das heißt die Menschen, die seinen Namen tragen. Er achtet aber auch sorgfältig darauf, daß sein Name unter ihnen richtig geachtet wird. Er wünscht keinen bloßen Lippendienst, sondern erwartet, daß man ihm aus Liebe gehorcht, so, wie ein treuer Sohn seinem Vater gehorcht. Für alle, die den Namen Gottes angenommen haben, sollte die Religion nicht etwas von ihrem Leben Getrenntes sein, sondern sie sollten ihr Leben von der Anbetung Jehovas und dem Gehorsam gegenüber seinen Geboten beherrschen lassen. Er, nicht der Mensch, legt die Norm dafür fest, wie er angebetet werden sollte. Er hat an allen Wohlgefallen, die sich an diese Norm halten, und er gedenkt, sie unvorstellbar zu segnen. Der Apostel sagte: „Dinge, die das Auge nicht gesehen und das Ohr nicht gehört noch im Herzen eines Menschen aufgekommen sind, die hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.“ (1. Kor. 2:9) Darum sollten wir sein Wort studieren. Selbst wenn er für seinen Namen eifert, so tut er es nicht aus Eigennutz. Warum nicht? Weil sich die Heiligung seines Namens durch das Königreich des größeren Kores, Jesu Christi, zum Nutzen des ganzen Universums auswirken wird. Sie wird der Erde endlosen Frieden und allen Menschen, die Gott gehorchen, ewiges Leben und all die damit verbundenen Segnungen bringen, Dinge, die noch kein Ohr gehört hat, die aber der liebende Schöpfer für sie bereitet hat.
[Fußnote]
a Siehe Der Wachtturm, 15. Februar 1965, und das Buch „Babylon die Große ist gefallen!“ Gottes Königreich herrscht!, Kapitel 10, herausgegeben von der Watch Tower Bible & Tract Society of Pennsylvania.