Deckt Gottes Barmherzigkeit alle deine Sünden zu?
„Jehova, ein Gott, barmherzig und gnädig, ... der Vergehung und Übertretung und Sünde verzeiht, doch keinesfalls wird er Straffreiheit gewähren“ (2. Mose 34:6, 7).
1. Wie weit geht Gottes Barmherzigkeit nach der Ansicht einiger?
IST Gottes Barmherzigkeit grenzenlos? Ist er richtig dargestellt worden, wenn er von vielen als ein Gott beschrieben wurde, der so viel Erbarmen und eine solch allumfassende Liebe hat, daß er jeden mit offenen Armen aufnimmt, ganz gleich, was für ein Leben dieser führen mag? Zum Beispiel schrieb ein Theologieprofessor in einer Zeitschrift, die von dem Lehrpersonal eines Theologieseminars veröffentlicht wird: „Wenn die Kirche ihrer Berufung entsprechen möchte, muß sie mutig erklären, daß Homosexuelle Menschen sind, die im Bilde Gottes erschaffen wurden und für die Christus starb, und daß durch Gottes Gnade sie, die kein Volk waren, Gottes Volk sind, denn einst wurde ihnen keine Barmherzigkeit erwiesen, nun aber ist ihnen Barmherzigkeit erwiesen worden.“ Erweist Gott jemandem Barmherzigkeit, der ständig so etwas praktiziert? Ein anderer Geistlicher ist dieser Meinung, denn er schrieb über das gleiche Thema in einer Kirchenzeitschrift, die „mit kirchlicher Billigung“ veröffentlicht wird: „Wenn Gott den Homosexuellen mit seiner Natur, in der er erschaffen wurde, nicht verabscheut, sondern liebt, können wir nicht anders handeln. Und das bedeutet, daß wir den Homosexuellen so annehmen müssen, wie er ist.“ Nimmt Gott ihn an, wie er ist?
2. Welche Gewohnheit Jesu könnte einige veranlassen, Jesu Einstellung gegenüber Sündern mißzuverstehen, doch was antwortete Jesus seinen Kritikern?
2 Wer die Bibel oberflächlich liest, mag diesen von religiösen Führern geäußerten Ansichten zustimmen. Sie denken vielleicht an solche Erfahrungen Jesu Christi wie die, die in Matthäus, Kapitel 9 aufgezeichnet worden ist. „Als er in dem Hause zu Tische lag, siehe! da kamen viele Steuereinnehmer und Sünder und legten sich mit Jesus und seinen Jüngern zu Tische. Als aber die Pharisäer das sahen, begannen sie zu seinen Jüngern zu sagen: ,Wie kommt es, daß euer Lehrer mit Steuereinnehmern und Sündern ißt?‘ Als er sie hörte, sprach er: ,Gesunde benötigen keinen Arzt, wohl aber die Leidenden. Geht denn hin und lernt, was dies bedeutet: „Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer.“ Denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder‘“(Matth. 9:10-13).
BARMHERZIGKEIT ENTSCHULDIGT KEINE SÜNDEN
3. Welche Einstellung zu Sündern kann man aus Jesu Antwort an seine Kritiker erkennen, und wie ging dies auch aus seinen Taten hervor?
3 Könnte man bei oberflächlichem Lesen nicht den Eindruck gewinnen, daß Jesus Sünder guthieß, indem er bereit war, mit ihnen Gemeinschaft zu pflegen, und indem er die Pharisäer tadelte, die etwas dagegen hatten? Beachte jedoch Jesu einleitende Erklärung: „Gesunde benötigen keinen Arzt, wohl aber die Leidenden.“ Müßte man daraus nicht vielmehr schließen, daß Jesus deshalb mit ihnen Gemeinschaft pflegte, um sie zu heilen, und nicht einfach, um sie in dem kranken Zustand, in dem sie sich als Sünder befanden, anzunehmen? Jesus erwies tatsächlich Barmherzigkeit, und in seiner Bergpredigt ermunterte er auch andere, barmherzig zu sein, indem er sagte: „Glücklich sind die Barmherzigen, da ihnen Barmherzigkeit erwiesen werden wird“ (Matth. 5:7). Doch dadurch, daß Jesus Sündern Barmherzigkeit erwies, entschuldigte er nicht ihre Sünden. Vielmehr war seine Barmherzigkeit ihnen gegenüber ebenso ein Ausdruck des Mitgefühls wie gegenüber den physisch Kranken. Bei einer Gelegenheit erblickte ein Aussätziger Jesus, fiel auf sein Angesicht und bat ihn: „Herr, wenn du nur willst, so kannst du mich rein machen.“ Darauf streckte Jesus seine Hand aus, rührte ihn an und sagte: „Ich will es. Werde rein!“ Sogleich verschwand der Aussatz von ihm. Manchmal sagte er einem Kranken einfach, er solle sein Bett aufheben und seines Weges gehen. In anderen Fällen sagte er statt dessen: „Deine Sünden sind dir vergeben“ (Luk. 5:12, 13, 20).
4. (a) Was war eines der wichtigsten Merkmale des Dienstes Jesu? (b) Wie zeigte der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther, in welcher Beziehung Sünder zu Gottes Barmherzigkeit stehen?
4 Es ist also offensichtlich, daß Jesus die Menschen in ihren Sünden nicht so annahm, wie sie waren. Statt dessen war es eines der wichtigsten Merkmale seines Dienstes, Menschen von ihren geistigen Krankheiten zu heilen, damit sie von Gott wegen ihrer geänderten Lebensweise angenommen werden konnten (1. Petr. 3:12; Mal. 3:18; Apg. 10:34, 35). Jesu Jünger hatten keine verdrehte Ansicht über Gottes Barmherzigkeit. Zum Beispiel schrieb der Apostel Paulus, etwa zweiundzwanzig Jahre nachdem Jesus seinen irdischen Dienst erfolgreich beendet hatte, an bewährte Christen: „Was? Wißt ihr nicht, daß Ungerechte das Königreich Gottes nicht ererben werden? Laßt euch nicht irreführen. Weder Hurer noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Männer, die für unnatürliche Zwecke gehalten werden, noch Männer, die bei Männern liegen, noch Diebe, noch Habgierige, noch Trunkenbolde, noch Schmäher, noch Erpresser werden Gottes Königreich ererben. Und doch waren das einige von euch. Aber ihr seid reingewaschen worden, aber ihr seid geheiligt worden, aber ihr seid gerechtgesprochen worden im Namen unseres Herrn Jesus Christus und mit dem Geist unseres Gottes“ (1. Kor. 6:9-11).
5. Mit welchen Worten beschrieb Johannes die Sünde und diejenigen, die Sünde treiben, und was ist nach seinen Worten das Ende solcher Sünder?
5 Johannes, der ein Apostel Jesu war und den Jesus besonders liebte, beschrieb die Sünde und diejenigen, die Sünde treiben, mit folgenden Worten und zeigte auch, wie solche Personen enden würden: „Jeder, der Sünde treibt, treibt auch Gesetzlosigkeit, und so ist Sünde Gesetzlosigkeit. Ihr wißt auch, daß jener [Jesus] offenbar gemacht worden ist, um unsere Sünden hinwegzunehmen, und in ihm ist keine Sünde. Jeder, der in Gemeinschaft mit ihm bleibt, treibt nicht Sünde; jemand, der Sünde treibt, hat ihn weder gesehen noch ihn kennengelernt. Kindlein, laßt euch durch niemand irreführen; wer Gerechtigkeit übt, ist gerecht, so, wie jener gerecht ist. Wer fortgesetzt Sünde begeht, stammt vom Teufel, denn der Teufel hat von Anfang an gesündigt. Zu diesem Zweck ist der Sohn Gottes offenbar gemacht worden, nämlich um die Werke des Teufels abzubrechen“ (1. Joh. 3:4-8).
KEINE STRAFFREIHEIT FÜR SOLCHE, DIE SÜNDE TREIBEN
6. Wie denkt Jehova über Personen, die sündigen?
6 Wer Gottes Anerkennung erlangen oder behalten möchte, sollte Paulus’ Worte an die Versammlungen in Galatien gut beachten: „Laßt euch nicht irreführen: Gott läßt sich nicht verspotten. Denn was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten; denn wer im Hinblick auf sein Fleisch sät, wird von seinem Fleisch Verderben ernten, wer aber im Hinblick auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten“ (Gal. 6:7, 8). Gott vergibt Sünden, und er betrachtet die Kinder Adams, die in Sünde geboren wurden, barmherzig und mitleidvoll (Ps. 51:5). Jedoch offenbarte sich der wahre Gott Moses als „Jehova, ein Gott, barmherzig und gnädig ..., der Vergehung und Übertretung und Sünde verzeiht, doch keinesfalls wird er Straffreiheit gewähren“ (2. Mose 34:6, 7). Selbst im Falle König Davids, mit dem Jehova einen Bund für das Königreich geschlossen hatte, machte er keine Ausnahme. David wurde für seine Sünden bestraft, aber weil er bereute, wurde ihm auch barmherzig vergeben. Doch Jehova vergibt nicht solchen, die die gerechten Grundsätze, auf denen sein eigener Thron gegründet ist, vorsätzlich verletzen, noch denen, die sich das Sündigen zur Gewohnheit machen. (Vergleiche Hebräer 1:8, 9.) Im Gegenteil. Zwischen ihm und solchen Menschen besteht aktive Feindschaft, und sie können keinesfalls dem Gericht entrinnen, das er für sie vorgesehen hat.
7. Welches ist die richtige Ansicht über Jehovas Barmherzigkeit, aber wie denken einige darüber?
7 Das sollte uns nicht zu dem Schluß verleiten, daß Jehova kein Gott der Geduld und der Langmut sei. Gemäß seinem eigenen Zeugnis sagte er über seine Verfahrensweise mit der Nation Israel in alter Zeit: „Ich habe kein Gefallen am Tode des Bösen, sondern daran, daß ein Böser von seinem Wege umkehrt und tatsächlich am Leben bleibt“ (Hes. 33:11). Und obwohl einige der Bösen seine Geduld unvernünftig ausnutzen und sogar über die Warnung spotten, daß eines Tages seine Langmut zu Ende sei, läßt er sie gewähren, damit diejenigen, die ein ehrliches Herz haben, zu ihm umkehren und gerettet werden können (2. Petr. 3:3, 4, 9, 15; Röm. 2:4).
8. Inwiefern kommt Jehovas Langmut allen Menschen zugute?
8 Alle Menschen, sogar die Bösen, ziehen aus Gottes Barmherzigkeit Nutzen. Er enthält ihnen das zum Leben Notwendige nicht vor. Jesus führte uns diese Eigenschaft Jehovas, nämlich seine unverdiente Güte, als ein Beispiel vor Augen, indem er uns daran erinnerte, daß unser himmlischer Vater „seine Sonne über Böse und Gute aufgehen und es über Gerechte und Ungerechte regnen läßt“ (Matth. 5:45). Und als Adam und Eva Gottes Gesetz mißachteten, indem sie im Garten Eden von dem verbotenen Baum der Erkenntnis von Gut und Böse aßen, ließ Jehova sie aus Barmherzigkeit gegenüber ihren ungeborenen Nachkommen so lange leben, bis Kinder geboren worden waren.
9. Wie haben zahllose Millionen Menschen die Zeit der Langmut Jehovas ausgenutzt, und wie wird sich das schließlich für sie auswirken?
9 Viele haben Jehovas fortwährende unverdiente Güte und Langmut angenommen, ohne ihren Zweck zu verfehlen, doch andererseits haben zahllose Millionen von Adams Tagen an diese vorübergehende Zeit, die Zeit der Geduld Jehovas, als eine Gelegenheit benutzt, um im Widerspruch zu Gott zu leben und alle Arten ungerechter Handlungen zu begehen, die im Gegensatz zu Gottes ausdrücklichem Willen stehen (2. Kor. 6:1; Röm. 1:28-32). Aber Gott ist genausowenig verpflichtet, sie ewig zu ertragen, wie er es gegenüber Adam und Eva war, die zur bestimmten Zeit in den ewigen Tod gingen, so, wie es Jehova für sie bestimmt hatte (1. Mose 3:19; 5:5). Die Zeit der Geduld Jehovas ist bald zu Ende. Wenn sie zu Ende ist, werden Jehovas himmlische Heerscharen die ihnen zugewiesene Aufgabe der Urteilsvollstreckung übernehmen, und Jehovas Barmherzigkeit wird denen nicht zugute kommen, die dann immer noch gesetzlos handeln, die nicht umgekehrt sind und das Kennzeichen eines wahren Jüngers Christi nicht erhalten haben (Hes. 9:5, 6). Wird Gottes Barmherzigkeit alle deine Sünden zudecken, wenn es soweit ist?
STÄNDIGE WACHSAMKEIT NÖTIG
10. (a) Wie sollten Personen, die Gott hingegeben und getauft sind, die Barmherzigkeit, die Gott ihnen ständig erweist, betrachten? (b) Welchen Trost können sie aus den Worten des Johannes in 1. Johannes 2:1-6 schöpfen?
10 Wenn du die gerechten Verordnungen Jehovas noch nicht kennengelernt und als Lebensweg akzeptiert haben solltest, darfst du keine Zeit verlieren. Du mußt schnell handeln, wenn du vor Jehovas Hinrichtungsstreitkräften das Kennzeichen eines wahren Christen tragen möchtest. Doch schon viele, die die Seiten dieser Zeitschrift gelesen haben, haben bereits erkannt, daß sie vor Gott Sünder sind, und sie haben ihre schlechte Lebensweise bereut, sind umgekehrt und haben Gottes Vorkehrung zur Versöhnung, Gottes kostbare Gabe für die Menschheit, das Opfer seines lieben Sohnes, angenommen. Haben sie dadurch die Garantie, daß Gott ihnen ständig Gunst erweisen, also ihnen seine unveränderliche Barmherzigkeit zuteil werden lassen wird? Wer sich bereits Gott hingegeben und dies durch die Wassertaufe symbolisiert hat, weiß, daß er fortwährend wachsam sein muß (1. Kor. 10:12). Er weiß, daß er unvollkommen ist, und er ist sich des Konflikts, der in ihm vor sich geht, bewußt, so daß er mit dem Fleische ein Sklave des Gesetzes der Sünde ist, mit seinem Sinn aber ein Sklave des Gesetzes Gottes (Röm. 7:25). Er weiß, daß es verschiedene Grade von Missetaten und unterschiedliche Arten von Sünden gibt — Sünden gegen Menschen, Sünden gegen Gott und Christus, Sünden gegen den eigenen Leib, Sünden durch Mitschuld an den Sünden anderer sowie viele weitere Verstöße. Doch folgende Worte des Apostels Johannes trösten ihn: „Wenn jemand eine Sünde begeht, so haben wir einen Helfer beim Vater, Jesus Christus, einen Gerechten. Und er ist ein Sühnopfer für unsere Sünden, doch nicht nur für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. Und dadurch wissen wir, daß wir ihn kennengelernt haben, nämlich wenn wir fortfahren, seine Gebote zu halten. Wer sagt: ,Ich habe ihn kennengelernt‘ und dennoch seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in diesem. Wer aber sein Wort hält, in diesem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollkommen gemacht worden. Dadurch wissen wir, daß wir in Gemeinschaft mit ihm sind. Wer sagt, er bleibe in Gemeinschaft mit ihm, ist verpflichtet, selbst auch weiterhin so zu wandeln, wie jener wandelte“ (1. Joh. 2:1-6).
11. Wie können wir mit Jesu Worten beweisen, daß schon ein ungeziemendes Verhalten bei alltäglichen Verrichtungen dazu führen kann, daß wir vom Weg des Lebens abgleiten?
11 Wer sich auf dem Weg zum Leben befindet, vertraut auf Gottes Barmherzigkeit, die durch Jesus Christus zum Ausdruck kommt, und wird sich bemühen, in den Wegen Gottes zu wandeln. Doch obwohl er sich vor den schweren Sünden hütet, durch die er offensichtlich der Barmherzigkeit Gottes verlustig ginge, weiß er, daß es viele Handlungen oder Versäumnisse gibt, durch die sein Verhältnis zu Gott ernsthaft gefährdet werden könnte. Er weiß zum Beispiel, daß Jesus seinen Jüngern nichts Schlechtes anlastete, sie aber davor warnte, sich bei gewissen alltäglichen Verrichtungen ungeziemend zu verhalten, wodurch sie vom Weg des Lebens abgleiten könnten. Jesus sagte: „Gebt aber auf euch selbst acht, damit euer Herz niemals durch zuviel Essen und zuviel Trinken und Sorgen des Lebens beschwert werde und jener Tag [der Vollstreckung des Gerichts Jehovas] plötzlich, in einem Augenblick, über euch komme wie eine Schlinge“ (Luk. 21:34, 35). Wer Jesu Fußstapfen genau nachfolgen möchte, erkennt daher, daß er nichts ungefährdet außer acht lassen und nicht denken darf, eine Sache sei zu unbedeutend, als daß er ernsthaft und sorgfältig darauf achten müßte.
12. Von welch schwerwiegender Bedeutung ist es für uns, ob wir anderen vergeben? Gib biblischen Rat.
12 Können wir es uns angesichts dieser aufrüttelnden Ermahnung Jesu leisten, die Worte außer acht zu lassen oder zu bagatellisieren, die Jesus uns beten lehrte: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben.“? Bittest du Gott darum aufrichtig und mit Unterscheidungsvermögen? Diese Worte darf man nicht leichtnehmen. Jesus fügte hinzu: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben; wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, wird euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (Matth. 6:12, 14, 15). Jesus ermahnte weiter: „Hört auf zu richten, damit ihr nicht gerichtet werdet; denn mit dem Gericht, mit dem ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird man euch messen. Warum schaust du also auf den Strohhalm im Auge deines Bruders, beachtest aber nicht den Balken in deinem eigenen Auge? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ,Erlaube mir, den Strohhalm aus deinem Auge zu ziehen‘, wenn, siehe! ein Balken in deinem eigenen Auge ist? Heuchler! Ziehe zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge, und dann wirst du klar sehen, wie du den Strohhalm aus deines Bruders Auge ziehen kannst“ (Matth. 7:1-5).
BARMHERZIGKEIT — EINE POSITIVE EIGENSCHAFT
13. Welche verschiedenen Bedeutungen hat das Wort „Barmherzigkeit“, wie es in der Bibel benutzt wird?
13 So, wie das Wort Barmherzigkeit im Deutschen gebraucht wird, bezieht es sich oft auf ein Verschonen mit Strafe aus Mitleid oder Sympathie. Und in diesem Sinn wird es auch in der Bibel gebraucht. Wenn Gott Barmherzigkeit erweist, ist es immer im Einklang mit seinen anderen Eigenschaften und gerechten Maßstäben auch mit seiner Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit (Ps. 40:11; Hos. 2:19). Und da alle Menschen durch Vererbung Sünder sind und den Lohn der Sünde, den Tod, empfangen, ist es verständlich, daß Gottes Barmherzigkeit oft die Verzeihung von Irrtum oder die Erleichterung eines Urteils oder einer Strafe einschließt. Doch das hebräische und das griechische wie auch das deutsche Wort bezieht sich nicht allein auf Vergebung oder auf das Verschonen mit Strafe. Meistens bezieht sich der Begriff „Barmherzigkeit“ nicht auf eine negative Handlung, auf ein Verzichten (zum Beispiel auf Bestrafung), sondern auf eine positive Handlung, auf eine Äußerung von Rücksichtnahme oder Mitleid, um solchen, die benachteiligt sind und die der Barmherzigkeit bedürfen, Erleichterung zu verschaffen. Wie zu erwarten, zeigt die Bibel daher, daß die Barmherzigkeit Jehovas Gottes nicht eine Eigenschaft ist, die er nur dann anwendet, wenn Menschen vor seinem Richterstuhl stehen, weil sie irgendein Unrecht begangen haben. Vielmehr ist sie eine charakteristische Eigenschaft der Persönlichkeit Gottes und kennzeichnet sein übliches Verhalten gegenüber denen, die in Not sind. Sie ist ein Ausdruck seiner Liebe (2. Kor. 1:3; 1. Joh. 4:8).
14. Welches Licht werfen Jesu Taten der Barmherzigkeit auf die Bedeutung des Begriffes?
14 Das gleiche trifft auf Jesus zu. Er erwies nicht nur denen Barmherzigkeit, die ihm widerstanden oder die ihn beleidigten. Zu denen, die ihn veranlaßten, Barmherzigkeit und Mitleid zu bekunden, gehörten die Blinden, die von Dämonen Besessenen, die Aussätzigen und diejenigen, deren Kinder leidend waren (Matth. 9:27; 15:22; 17:15; Mark. 5:18, 19; Luk. 17:12, 13). Auf die flehentliche Bitte hin: „Habe Erbarmen mit uns“ wirkte Jesus Wunder, um ihnen Erleichterung zu verschaffen. Er tat dies nicht routinemäßig oder gleichgültig, sondern weil er „von Mitleid bewegt“ war (Matth. 20:33, 34).
15. Wie vergleicht Johannes Gottes Liebe mit der unsrigen?
15 Werden dadurch die Worte von Jakobus, dem Halbbruder Jesu, nicht noch bedeutungsvoller, der sagte: „Für den, der nicht Barmherzigkeit übt, wird das Gericht ohne Barmherzigkeit sein.“? (Jak. 2:13). Gottes Barmherzigkeit uns gegenüber ist so groß, daß wir gezwungen sind, unseren Mitmenschen Barmherzigkeit zu erweisen, wenn auch unsere Äußerung der Barmherzigkeit im Vergleich dazu verhältnismäßig gering sein mag. Johannes sagte: „Geliebte, laßt uns einander weiterhin lieben, weil die Liebe aus Gott ist, und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht kennengelernt, weil Gott Liebe ist. Dadurch wurde die Liebe Gottes in unserem Fall kundgemacht, daß Gott seinen einziggezeugten Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn Leben erlangen könnten. Die Liebe besteht in dieser Hinsicht nicht darin, daß wir Gott geliebt haben, sondern, daß er uns geliebt hat und seinen Sohn als ein Sühnopfer für unsere Sünden gesandt hat. Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, dann sind wir selbst verpflichtet, einander zu lieben“ (1. Joh. 4:7-11).
WIE WEIT GOTTES BARMHERZIGKEIT GEHT
16. Wie groß ist Gottes Barmherzigkeit zu uns im Vergleich zu der Barmherzigkeit, die wir anderen erweisen könnten und wie veranschaulichte Jesus dies in Matthäus 18:23-35?
16 Das mag manchmal schwierig erscheinen, und die Fehler oder die anscheinenden Schwächen unserer christlichen Brüder mögen derart sein, daß wir geneigt sind, das Erfordernis, Liebe zu üben und Barmherzigkeit zu erweisen, außer acht zu lassen und uns einzureden, daß Jesus bestimmt nicht meinte, wir sollten solch „extreme“ Fehler bei anderen übersehen. Doch Paulus zeigt, daß Gottes Liebe viel größer ist als die Liebe, die wir üben könnten, indem er sagt: „Gott aber empfiehlt seine eigene Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns starb, während wir noch Sünder waren“ (Röm. 5:8). Wieviel größer sind doch die Sünden, die Gott uns vergeben hat, als irgendwelche Sünden, die wir unseren christlichen Brüdern zu vergeben hätten! Und die Barmherzigkeit Gottes, die wir benötigen und die dadurch zum Ausdruck kommt, daß er eine Vorkehrung zur Erlösung geschaffen hat, kann keinesfalls mit der Barmherzigkeit gleichgestellt werden, die wir unseren Brüdern zu erweisen haben. Ist es da ein Wunder, daß sich Gottes Barmherzigkeit nicht auf solche erstrecken kann, die selbst nicht barmherzig sind? (Kol. 3:13; vergleiche Matthäus 18:23-35).
17. Wie könnten wir uns, obwohl wir Gott hingegeben sind, Gottes Strafgericht zuziehen, doch welche Zusicherung gibt Jakobus?
17 Folgende Frage ist daher für uns von schwerwiegender Bedeutung: Deckt Gottes Barmherzigkeit alle meine Sünden zu? Könnte ich von Gott wegen des Versäumnisses, anderen Barmherzigkeit und Liebe zu erweisen, verurteilt werden, selbst wenn ich mich Jehova Gott hingegeben, dies durch die Wassertaufe symbolisiert und dadurch an Gott die Bitte um ein gutes Gewissen gestellt habe? (1. Kor. 13:1-3). Jakobus warnte, wie bereits zitiert: „Denn für den, der nicht Barmherzigkeit übt, wird das Gericht ohne Barmherzigkeit sein.“ Doch Jakobus fügte dieser Ermahnung folgende tröstliche Zusicherung hinzu: „Barmherzigkeit frohlockt triumphierend über das Gericht“ (Jak. 2:13). Inwiefern? Und auf welche Weise könnten wir es schon heute, vor dem Tag des Gerichts, versäumen, Barmherzigkeit zu erweisen, und uns dadurch ein ungünstiges Urteil zuziehen?
18. Welches Beispiel für Barmherzigkeit können wir betrachten, nach welchem Muster der Barmherzigkeit richtete sich Joseph aus, und in welcher Hinsicht?
18 Ein hervorragendes Beispiel für Barmherzigkeit im vollen Sinne des Wortes finden wir bei Joseph, dem Lieblingssohn Jakobs. Aber Joseph folgte in der Barmherzigkeit, die er erwies, dem Beispiel, das Jehova gleichzeitig gab. Ob Joseph von Anfang an das volle Ausmaß der Barmherzigkeit Gottes ihm und dem Haushalt seines Vaters gegenüber erkannte, sagt der Bibelbericht nicht. Aber Joseph vertraute völlig darauf, von Jehova befreit zu werden, und ließ nie in seinem Entschluß nach, Jehovas Leitung zu folgen und sich streng an seine gerechten Erfordernisse zu halten, die er von seinem Vater Jakob gelernt hatte. Und immer, wenn Joseph in großer Not war, kam ihm Jehovas Barmherzigkeit zu Hilfe, so daß er zur gegebenen Zeit in die zweitprominenteste Stellung in der Welt seiner Tage gelangte, ja in eine solche Machtstellung, daß er sich, wenn er gewollt hätte, ungestraft an allen hätte rächen können, die ihn mißhandelt hatten. Er konnte seine Stellung aber auch gebrauchen, um für sie ein großer Segen zu sein. Wie Joseph Barmherzigkeit erwies, und zwar nicht nur gegenüber denen, die Unrecht begangen hatten, sondern in zartem Erbarmen und Mitgefühl auch gegenüber den Bedürftigen, und wie diese wahre Geschichte uns zeigen kann, inwiefern „Barmherzigkeit ... triumphierend über das Gericht“ frohlockt, soll der folgende Artikel zeigen. Es wäre sehr interessant und lehrreich, vorher sorgfältig 1. Mose, Kapitel 37 bis 47 zu lesen.
[Bild auf Seite 686]
Barmherzig heilte Jesus sowohl physisch Kranke als auch geistig Kranke, obwohl er Sünde nicht entschuldigte.