Kapitel 9
Kinder von frühester Jugend an erziehen
1—4. Was zeigt, daß ein kleines Kind eine gewaltige Lernkapazität hat?
DER Sinn eines Neugeborenen ist schon oft mit einem unbeschriebenen Blatt verglichen worden. Tatsächlich empfängt der Sinn bereits viele Eindrücke, wenn das Kind noch im Mutterleib ist. Gewisse Charaktermerkmale werden durch die Vererbung unauslöschlich eingeprägt. Doch vom Augenblick der Geburt an ist eine gewaltige Lernkapazität vorhanden. Statt den Sinn des Kindes mit einem einzelnen Blatt zu vergleichen, sollte man lieber von einer ganzen Bibliothek sprechen, die darauf wartet, mit Informationen gefüllt zu werden.
2 Das Gehirn eines Kindes wiegt bei der Geburt nur ein Viertel vom Gewicht des Gehirns eines Erwachsenen. Doch das Gehirn wächst so schnell, daß es schon innerhalb von zwei Jahren Dreiviertel seines endgültigen Gewichts erreicht. Die intellektuelle Entwicklung hält damit Schritt. Forscher glauben, die Intelligenz eines Kindes nehme in den ersten vier Lebensjahren genausoviel zu wie in den darauffolgenden dreizehn. Einige behaupten sogar, daß „die Dinge, die das Kind vor seinem fünften Geburtstag lernt, zu den schwierigsten zählen, denen es je begegnet“.
3 Grundbegriffe wie rechts und links, oben und unten, voll und leer sowie das Erfassen unterschiedlicher Größen und Gewichte erscheinen uns als etwas ganz Natürliches. Doch ein Kind muß diese und viele weitere Begriffe lernen. Ja auch die Grundbegriffe der Sprache müssen im Sinn des Kindes verankert werden.
4 Einige bezeichnen das Erlernen der Sprache als die „wahrscheinlich intellektuell schwierigste Leistung, die zu vollbringen von einem Menschengeschöpf je verlangt wird“. Wenn du dich schon einmal bemüht hast, eine neue Sprache zu lernen, wirst du wahrscheinlich gern zustimmen. Du hast zumindest den Vorteil, zu wissen, wie die Sprache funktioniert. Ein Kleinkind weiß das nicht, und doch ist es imstande, die Grundbegriffe der Sprache zu erfassen und anzuwenden. Kinder können sogar im zarten Alter mit Leichtigkeit zwei Sprachen lernen, wenn bei ihnen zu Hause zwei Sprachen gesprochen werden oder wenn sie in einer zweisprachigen Gegend leben. Die Intelligenz ist somit vorhanden. Sie wartet nur darauf, entwickelt zu werden.
BEGINNE SOFORT MIT DER ERZIEHUNG
5. Wann sollte man mit der Kindererziehung beginnen?
5 Der Apostel Paulus erinnerte seinen Gefährten Timotheus in einem Brief daran, daß er die heiligen Schriften „von frühester Kindheit an“ gekannt habe (2. Timotheus 3:15). Weise Eltern erkennen den natürlichen Wissensdurst eines Säuglings. Babys sind gute Beobachter; sie sind immer ganz Auge und Ohr. Kinder nehmen ständig Informationen in sich auf, speichern sie, fügen neue hinzu und ziehen Schlußfolgerungen, ganz gleich, ob die Eltern es merken oder nicht. Wenn Eltern nicht aufpassen, kann schon der Säugling bemerkenswert schnell lernen, wie er sie nach seinen Wünschen manipulieren kann. Eltern sollten daher folgende Ermahnung aus Gottes Wort schon von der Geburt ihres Kindes an beachten: „Erziehe einen Knaben gemäß dem Wege für ihn; auch wenn er alt wird, wird er nicht davon abweichen“ (Sprüche 22:6). Die ersten Lektionen erhält das Kind natürlich in bezug auf Liebe; ihm wird viel liebevolle Fürsorge und Zuneigung zuteil. Doch gleichzeitig sollte es auch zurechtgewiesen werden, wenn es nötig ist — freundlich, aber bestimmt.
6. (a) Wie sollte man am besten mit einem Kind reden? (b) Welche Einstellung sollte man zu den vielen Fragen haben, die ein Kind stellt?
6 Sprich mit dem Säugling nicht in einer „Babysprache“, sondern in einfacher Erwachsenensprache, denn diese soll er ja lernen. Wenn das Kind sprechen lernt, wird es dich mit Fragen überschütten: „Warum regnet es? Woher komme ich? Wo sind am Tag die Sterne? Was machst du da? Warum dies? Warum das?“ Fragen über Fragen! Höre zu, denn Fragen sind für ein Kind eines der besten Mittel zu lernen. Wenn du seine Fragen unterdrückst, kannst du seine geistige Entwicklung hemmen.
7. Wie kann man am besten auf die Fragen eines kleinen Kindes antworten, und warum?
7 Beachte jedoch, was der Apostel Paulus sagte: „Als ich ein Unmündiger war, pflegte ich wie ein Unmündiger zu reden, wie ein Unmündiger zu denken, wie ein Unmündiger zu überlegen“ (1. Korinther 13:11). Beantworte die Fragen, so gut du kannst, doch einfach und kurz. Wenn ein Kind fragt: „Warum regnet es?“, möchte es keine komplizierte, ausführliche Antwort haben. Es mag schon zufrieden sein, wenn du antwortest: „Die Wolken sind voller Wasser. Wenn sie zu schwer werden, fällt das Wasser herab.“ Das Konzentrationsvermögen eines Kindes ist begrenzt, und bald wendet es sich anderen Dingen zu. Genauso, wie du deinem Kind so lange Milch gibst, bis es feste Nahrung zu sich nehmen kann, gib ihm einfache Auskünfte, bis es ausführlichere Antworten verstehen kann. (Vergleiche Hebräer 5:13, 14.)
8, 9. Was könnte man tun, um einem Kind allmählich das Lesen beizubringen?
8 Die Belehrung sollte fortschreitend sein. Wie bereits erwähnt, war Timotheus von frühester Kindheit an mit den heiligen Schriften vertraut. Offensichtlich schlossen seine frühesten Erinnerungen an die Kindheit Belehrungen aus der Bibel ein. Gewiß wurde er fortschreitend belehrt, genauso wie ein Vater oder eine Mutter heutzutage beginnen würde, einem Kind das Lesen beizubringen. Lies deinem Kind vor. Wenn es noch ganz klein ist, könntest du es auf den Schoß nehmen, deinen Arm um seine Schultern legen und ihm mit angenehmer Stimme vorlesen. Es wird sich dann sicher und geborgen fühlen, und das Vorlesen wird ein angenehmes Erlebnis sein, ganz gleich, wieviel es davon versteht. Später kannst du ihm das Alphabet beibringen, vielleicht in Form eines Spiels. Dann forme Wörter, und schließlich gestalte die Wörter zu Sätzen. Geh dabei so vor, daß das Lernen dem Kind Freude macht, soweit es möglich ist.
9 Ein Ehepaar las zum Beispiel seinem Dreijährigen laut vor, und sie zeigten dabei mit dem Finger auf jedes Wort, damit das Kind folgen konnte. Bei bestimmten Wörtern machten sie eine Pause, und dann mußte das Kind das nächste Wort einfügen, zum Beispiel „Gott“, „Jesus“, „Mann“ oder „Baum“. Allmählich nahm die Zahl der Wörter, die es lesen konnte, zu, und mit vier Jahren konnte es die meisten Wörter lesen. Zusammen mit dem Lesen kommt das Schreiben, zuerst einzelne Buchstaben und dann ganze Wörter. Ein Kind ist fasziniert, wenn es seinen eigenen Namen schreiben kann.
10. Weshalb ist es weise, jedem Kind zu helfen, seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln?
10 Jedes Kind ist anders und hat seine eigene Persönlichkeit. Ihm sollte daher geholfen werden, sich gemäß seinen ererbten Möglichkeiten und Gaben zu entfalten. Wird es seinen ererbten Kräften und Fähigkeiten entsprechend erzogen, so braucht es andere Kinder nicht um ihre Leistungen zu beneiden. Jedes Kind sollte um seiner selbst willen geliebt und geschätzt werden. Es ist zwar richtig, wenn du deinem Kind hilfst, verkehrte Neigungen zu überwinden oder zu unterdrücken, doch solltest du nicht versuchen, es in eine vorherbestimmte Form zu pressen. Fördere vielmehr seine eigenen guten Charakterzüge.
11. Weshalb ist es unweise, ein Kind mit einem anderen zu vergleichen?
11 Eltern können in einem Kind einen selbstsüchtigen Konkurrenzgeist wecken, indem sie seine Überlegenheit oder Unterlegenheit im Vergleich zu anderen Kindern herausstellen. Kleine Kinder lassen schon früh im Leben Anzeichen von angeborener Selbstsucht erkennen, doch Standesbewußtsein, Überlegenheitsgefühle und Überheblichkeit sind ihm anfänglich fremd. Deshalb konnte Jesus ein kleines Kind als Vorbild anführen, als er seine Jünger tadelte, weil sie bei einer bestimmten Gelegenheit Ehrgeiz und den Wunsch nach persönlichem Ansehen zum Ausdruck gebracht hatten (Matthäus 18:1-4). Vermeide es daher, ein Kind mit einem anderen Kind zu vergleichen. Es kann dies als Ablehnung auffassen. Zuerst wird es sich gekränkt fühlen, und wenn es öfter geschieht, wird es wahrscheinlich feindselig werden. Wird ihm aber eingeredet, es sei anderen überlegen, kann es hochmütig werden und sich unbeliebt machen. Deine Liebe und deine Anerkennung sollten niemals davon abhängen, wie dein Kind im Vergleich zu anderen ist. Vielfalt ist etwas Schönes. In einem Orchester gibt es ganz verschiedenartige Instrumente, und doch spielen alle harmonisch zusammen. Durch unterschiedliche Persönlichkeiten wird deine Familie vielseitig und interessant, und wenn sich alle nach den guten Grundsätzen des Schöpfers ausrichten, wird dadurch die Harmonie nicht gestört.
HILF DEINEM KIND, GEISTIG ZU WACHSEN
12. Welche Tatsachen in bezug auf Erwachsene zeigen, daß ein Kind die richtige Anleitung braucht?
12 Gottes Wort sagt: „Es steht nicht bei dem Manne, der da wandelt, auch nur seinen Schritt zu richten“ (Jeremia 10:23). Die meisten Menschen sind anderer Meinung. Sie lehnen daher Gottes Richtlinien ab, lassen sich von Menschen leiten, geraten von einer Schwierigkeit in die andere und liefern letzten Endes den Beweis dafür, daß Gott doch recht hat. Jehova Gott sagt, es gebe einen Weg, der einem Menschen gerade erscheine, doch dessen Ende sei der Weg des Todes (Sprüche 14:12). Die Menschen sind lange Zeit den Weg gegangen, der ihnen gerade erschien, und das hat zu Kriegen, Hungersnöten, Krankheiten und zum Tod geführt. Wenn schon ein Weg, der einem erwachsenen, erfahrenen Menschen gerade erscheint, im Tod endet, wie könnte es da bei dem Weg, der einem Kind gerade erscheint, anders sein? Wenn es nicht bei dem Manne, der da wandelt, steht, seine Schritte zu richten, wie sollte es dann einem Kind, das noch gar nicht richtig laufen kann, möglich sein, von sich aus den Weg des Lebens zu gehen? Der Schöpfer gibt sowohl Eltern als auch Kindern Anleitung durch sein Wort.
13, 14. Wie könnten Eltern ihre Kinder in Übereinstimmung mit der Ermahnung aus 5. Mose 6:6, 7 unterweisen’?
13 Zu Eltern sagt Gott: „Es soll sich zeigen, daß diese Worte, die ich dir heute gebiete, auf deinem Herzen sind; und du sollst sie deinem Sohn einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt und wenn du auf dem Wege gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst“ (5. Mose 6:6, 7). Eltern sollten zu jeder Zeit, wann immer sich die Gelegenheit bietet, Belehrung erteilen. Zum Beispiel haben es viele morgens sehr eilig, rechtzeitig zur Schule oder zur Arbeit zu kommen, doch wenn die Familie gemeinsam frühstückt, sollte sie sich die Zeit nehmen, für das Essen zu danken. Dadurch werden die Gedanken auf den Schöpfer gerichtet, und es könnten auch noch andere Dinge erwähnt werden, die für die Familie von geistigem Wert sind. Vielleicht erlaubt es die Zeit noch, zu besprechen, was für den Tag geplant ist oder was in der Schule zu erwarten ist, und es könnte guter Rat zu Problemen erteilt werden, die wahrscheinlich während des Tages auftreten. Die Schlafenszeit, „wenn du dich niederlegst“, kann für kleine Kinder eine sehr schöne Zeit sein, wenn ihnen die Eltern dann besondere Aufmerksamkeit schenken. Gutenachtgeschichten können für die Kleinen viel bedeuten und ein gutes Mittel zum Lehren sein. Die Bibel bietet eine Fülle von Stoff. Mit etwas Geschick und Gefühl können Eltern viele Geschichten daraus erzählen, die dem Kind Freude machen. Persönliche Erlebnisse aus deinem eigenen Leben werden bei deinen Kindern besonders Anklang finden, und du kannst sie auf diese Weise so manches Nützliche lehren. Zunächst mag es schwierig erscheinen, stets neue Geschichten zu finden, doch oft wirst du feststellen, daß das Kind die gleichen Geschichten immer und immer wieder hören möchte. Wenn du dir die Zeit dafür nimmst, wirst du merken, daß der Gedankenaustausch mit deinen Kindern sehr verbessert wird. Das Gebet mit den Kindern zur Schlafenszeit kann auch dazu beitragen, schon früh die Verbindung zu dem Einen herzustellen, der sie am besten führen und schützen kann (Epheser 3:20; Philipper 4:6, 7).
14 Wo du auch bist, ob du ‘im Hause sitzt’ oder ob du ‘unterwegs’ bist, bieten sich dir Gelegenheiten, dein Kind auf interessante und wirkungsvolle Weise zu belehren. Ein großer Teil der Belehrung kann Kindern in Form eines Spiels erteilt werden. Ein Ehepaar wandte diese Methode an, um Kindern zu helfen, sich an Gedanken zu erinnern, die in einer biblischen Zusammenkunft besprochen worden waren:
„Eines Abends nahmen wir einen kleinen Jungen mit, der sechs Jahre alt war und gewöhnlich in den Zusammenkünften nicht besonders gut aufpaßte. Als wir zum Saal gingen, sagte ich: ,Wir wollen heute ein Spiel spielen. Auf dem Heimweg wollen wir versuchen, uns daran zu erinnern, welche Lieder gesungen und welche Hauptgedanken in der Zusammenkunft besprochen wurden.‘ Als wir nach Hause gingen, waren wir sehr überrascht. Der Kleine, der gewöhnlich unaufmerksam war, erhielt als erster die Gelegenheit zu erzählen, und er erinnerte sich noch an viele Gedanken. Unsere Kinder fügten dann ihre Kommentare hinzu, und schließlich kamen wir Erwachsenen an die Reihe. Es war keine Arbeit für sie, sondern Spiel.“
15. Wie könnte man ein Kind ermuntern, seine Leistungen zu verbessern?
15 Während ein Kind heranwächst, wird es lernen, Ideen zu verwirklichen, zu zeichnen, kleine Arbeiten zu verrichten oder ein Instrument zu spielen. Es hat dann das Empfinden, etwas geleistet zu haben. Diese Leistung ist gewissermaßen ein Teil von ihm. Sie ist etwas ganz Persönliches. Wenn du seine Arbeit betrachtest und sagst: „Gut gemacht!“, wird es begeistert sein. Findest du daran etwas, was du aufrichtig loben kannst, so wird es sich ermutigt fühlen. Kritisierst du sie unverblümt, so wird es wahrscheinlich den Mut verlieren. Du kannst ihm zu einem bestimmten Gesichtspunkt eine Frage stellen, wenn es nötig ist, doch erwecke nicht den Anschein, daß du seine ganze Leistung ablehnst. Statt zum Beispiel seine Zeichnung zu nehmen und sie zu ändern, könntest du auf einem anderen Stück Papier zeigen, wie man es besser machen kann. Dadurch hat es die Möglichkeit, seine eigene Zeichnung zu ändern, wenn es will. Ermutigst du dein Kind bei seinen Bemühungen, so förderst du sein geistiges Wachstum; kritisierst du es stark, so magst du es entmutigen oder in ihm den Wunsch ersticken, es weiter zu versuchen. Ja, der Grundsatz aus Galater 6:4 kann auch auf Kinder angewandt werden: „Jeder erprobe sein eigenes Werk, und dann wird er Grund zum Frohlocken im Hinblick auf sich allein und nicht im Vergleich mit einer anderen Person haben.“ Ein Kind benötigt Ermutigung, besonders für seine ersten Versuche. Wenn seine Leistung für sein Alter gut ist, dann lobe es. Ist sie es nicht, so lobe seine Mühe, und ermuntere es, es nochmals zu versuchen. Schließlich konnte es auch nicht gleich beim ersten Versuch laufen.
WIE SOLL ICH MEIN KIND AUFKLÄREN?
16. Welche Antworten sollte man in Anbetracht dessen, was die Bibel sagt, einem Kind geben, das Fragen in bezug auf geschlechtliche Dinge stellt?
16 Du beantwortest die Fragen deines Kindes und ermutigst es, sich stets an dich zu wenden. Dann aber wirst du plötzlich über geschlechtliche Dinge gefragt. Antwortest du offen, oder gibst du irreführende Antworten? Sagst du zum Beispiel, das neue Brüderchen oder Schwesterchen sei im Krankenhaus gekauft worden? Wirst du eine korrekte Auskunft geben, oder läßt du es so weit kommen, daß deine Kinder von größeren Kindern schlechte oder falsche Antworten erhalten oder gar auf schmutzige Weise aufgeklärt werden? Die Bibel spricht ganz offen über eine Anzahl Dinge, die mit der Sexualität oder den Geschlechtsorganen zusammenhängen (1. Mose 17:11; 18:11; 30:16, 17; 3. Mose 15:2). Als Gott seinem Volk gebot, an bestimmten Orten zusammenzukommen, wo sein Wort vorgelesen werden sollte, sagte er: „Versammle das Volk, die Männer und die Frauen und die Kleinen ..., damit sie hören und damit sie lernen mögen“ (5. Mose 31:12). So würden die Kinder Bezugnahmen auf sexuelle Dinge in einer ernsten, würdigen Atmosphäre hören und nicht in einer schmutzigen Weise auf der Straße.
17—19. Wie könnte man ein Kind fortschreitend aufklären?
17 Die Aufklärung über die geschlechtlichen Vorgänge ist in Wirklichkeit gar nicht so schwierig, wie viele Eltern denken. Kinder interessieren sich schon sehr früh für ihren Körper und entdecken dabei die verschiedenen Teile. Du sagst dann, wie man sie nennt: Hände, Füße, Nase, Bauch, Gesäß, Glied, Scheide. Das kleine Kind wird nicht verlegen, es sei denn, du änderst plötzlich deine Stimme und übergehst schnell die Geschlechtsteile. Oft befürchten Eltern, daß sie alles erklären müßten, wenn einmal das Fragen beginnt. In Wirklichkeit stellt das Kind nur die Fragen, die seinem jeweiligen Entwicklungsstadium entsprechen. Wenn es die verschiedenen Entwicklungsstadien erreicht, brauchst du lediglich die richtigen Begriffe zu nennen und einfache, allgemeine Erklärungen zu geben.
18 Eines Tages wirst du zum Beispiel gefragt: „Woher kommen die kleinen Kinder?“ Darauf kannst du ganz einfach antworten: „Sie wachsen im Bauch ihrer Mutter.“ Später mag dein Kind fragen: „Wie kommt das Baby denn da heraus?“ „Dafür gibt es eine besondere Öffnung.“ Und gewöhnlich genügt das — für dieses Mal.
19 Irgendwann später mag die Frage kommen: „Wie fängt ein Baby an zu wachsen?“ Darauf könntest du antworten: „Ein Vater und eine Mutter möchten ein Baby haben. Eine Samenzelle vom Vater trifft auf eine Eizelle im Leib der Mutter, und ein Baby fängt an zu wachsen, genauso wie ein Samenkorn im Erdboden zu einer Blume oder zu einem Baum heranwächst.“ Es ist also eine Art Fortsetzungsgeschichte, und jeder Teil genügt, um das Kind fürs erste zufriedenzustellen. Später mag das Kind fragen: „Wie kommt denn der Samen des Vaters in die Mutter?“ Darauf kannst du einfach antworten: „Du weißt doch, wie ein Junge aussieht. Er hat ein Glied. Das Mädchen hat in ihrem Körper eine Öffnung, in die das Glied hineinpaßt. Auf diese Weise kommt der Samen in die Mutter. Jehova hat die Menschen so gemacht, damit ein Baby entstehen, in der Mutter wachsen und schließlich geboren werden kann.“
20. Weshalb ist es gut, wenn Kinder von ihren Eltern über die geschlechtlichen Vorgänge aufgeklärt werden?
20 Solche ehrlichen Erklärungen sind weit besser als Lügengeschichten oder Ablenkungsmanöver, durch die das Kind den Eindruck erhält, das Thema habe etwas Unanständiges an sich. (Vergleiche Titus 1:15.) Auch ist es viel besser, wenn das Kind die Tatsachen von seinen Eltern erfährt, die in Verbindung mit ihren Auskünften erklären können, weshalb nur Verheiratete, die sich lieben und die die Verantwortung auf sich genommen haben, ihre Kinder zu lieben und für sie zu sorgen, Babys haben sollten. Auf diese Weise wird das Thema auf einer anständigen Ebene behandelt und nicht in einem Rahmen, der das Geschlechtliche unrein erscheinen läßt.
DIE WICHTIGSTEN LEHREN DES LEBENS
21. Angesichts welcher Neigung der Kinder ist es wichtig, daß die Eltern ein gutes Beispiel geben?
21 Jesus verglich einmal die Menschen seiner Zeit mit Kindern, die „auf den Marktplätzen sitzen und ihren Spielgefährten zurufen, indem sie sagen: ,Wir haben euch auf der Flöte vorgespielt, doch ihr habt nicht getanzt; wir haben gewehklagt, doch ihr habt euch nicht vor Leid geschlagen‘ “ (Matthäus 11:16, 17). Die Kinder ahmten in ihren Spielen die Erwachsenen und ihre Feste und Trauerfeiern nach. Da das Kind einen natürlichen Nachahmungstrieb hat, spielt das elterliche Beispiel bei der Kindererziehung eine gewaltige Rolle.
22. Wie kann sich das Verhalten der Eltern auf ihre Kinder auswirken?
22 Von Geburt an lernt dein Kind von dir — nicht nur durch das, was du sagst, sondern auch durch die Art und Weise, wie du etwas sagst, durch den Ton, in dem du redest: mit dem Baby selbst, mit deinem Ehepartner und mit anderen Personen. Es beobachtet, wie die Eltern einander behandeln und wie sie mit anderen Familiengliedern und mit Besuchern umgehen. Durch dein Beispiel in diesen Dingen kannst du dein Kind etwas lehren, was weit wichtiger ist als das Laufen, das Zählen oder das Abc. Du kannst dadurch die Grundlage für ein Wissen legen, das zu wahrem Glück im Leben verhilft. Dein Beispiel kann dein Kind für die Übermittlung gerechter Maßstäbe empfänglich machen, wenn es alt genug ist, durch Worte oder Lesestoff belehrt zu werden.
23, 24. Wozu müssen Eltern bereit sein, wenn sie möchten, daß ihre Kinder gewissen Maßstäben entsprechen?
23 „Werdet Nachahmer Gottes als geliebte Kinder, und wandelt weiterhin in der Liebe“, ermahnte der Apostel Paulus Christen. Kurz zuvor erklärte er, was es bedeutet, Gott nachzuahmen, indem er schrieb: „Möge alle boshafte Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und lästerliches Reden samt aller Schlechtigkeit von euch entfernt werden. Werdet aber freundlich gegeneinander, voll zarten Erbarmens, indem ihr einander bereitwillig vergebt, so, wie auch Gott euch durch Christus bereitwillig vergeben hat. Darum werdet Nachahmer Gottes als geliebte Kinder ...“ (Epheser 4:31, 32; 5:1, 2). Wenn die Stimmen, die ein Säugling hört, oder die Vorgänge, die er sieht, ihm den Eindruck einer gereizten Atmosphäre vermitteln, wenn er zum Beispiel lautes und schrilles Reden, heftige Vorwürfe, arrogante Worte oder Zornausbrüche hört, erhält er Eindrücke, die nur schwer wieder auszulöschen sind. Wenn du aber zu allen freundlich und rücksichtsvoll bist und hohe sittliche Maßstäbe und gute Grundsätze vertrittst, dann wird dich dein Kind vermutlich darin nachahmen. Handle so, wie deine Kinder handeln sollen, und sei so, wie deine Kinder sein sollen.
24 Eltern sollten nicht zwei verschiedene Maßstäbe haben, einen, den sie predigen, und einen anderen, nach dem sie handeln; einen für die Kinder und einen für sich selbst. Was nützt es, wenn du deinen Kindern sagst, sie sollten nicht lügen, aber selbst lügst? Kannst du erwarten, daß sie das halten, was sie dir versprechen, wenn du selbst deine Versprechen brichst? Wie sollen Kinder Respekt lernen, wenn sich die Eltern gegenseitig nicht respektieren? Wie kann sich ein Kind Demut zum Maßstab nehmen, wenn es nie sieht, daß sein Vater oder seine Mutter Demut bekundet? Es ist sehr gefährlich, wenn Eltern ihrem Kind die Vorstellung vermitteln, sie seien immer im Recht. Das Kind mag dann den Eindruck bekommen, daß alles, was die Eltern tun, richtig ist — auch wenn sie aufgrund ihrer unvollkommenen, sündigen Natur etwas Falsches tun. Wer etwas sagt, aber nicht danach handelt, ist wie die heuchlerischen Pharisäer, von denen Jesus sagte: „Alles daher, was sie euch sagen, tut und haltet, aber handelt nicht nach ihren Taten, denn sie sagen es wohl, aber handeln nicht entsprechend.“ Wenn ihr als Eltern also keine kleinen Pharisäer in eurer Familie haben wollt, dann seid selbst keine großen Pharisäer! (Matthäus 23:3).
25. Wie sollten die Kinder über die Liebe belehrt werden?
25 Kinder lernen die Liebe zuerst dadurch kennen, daß sie sie beobachten, und sie lernen, Liebe zu geben, indem sie selbst Liebe empfangen. Liebe kann man nicht erkaufen. Eltern mögen ihre Kinder mit Geschenken überschütten, doch Liebe ist hauptsächlich eine geistige Angelegenheit, eine Sache des Herzens und nicht des Geldbeutels. Geschenke allein können wahre Liebe nie ersetzen. Wer versucht, Liebe zu erkaufen, wertet sie ab. Noch mehr als materielle Geschenke solltest du etwas von dir selbst geben: deine Zeit, deine Kraft und deine Liebe. In dem gleichen Maße, wie du gibst, wird dir wiedererstattet werden (Lukas 6:38). 1. Johannes 4:19 sagt über unsere Liebe zu Gott: „Wir [lieben], weil er uns zuerst geliebt hat.“
26, 27. Wie könnte man Kindern beibringen, daß das Geben Freude bereitet?
26 Kinder können etwas über das Geben lernen, indem sie empfangen. Man kann ihnen helfen, die Freude des Gebens, des Dienens und des Teilens kennenzulernen. Hilf ihnen erkennen, daß es glücklich macht zu geben. Oft möchten Erwachsene keine Geschenke von Kindern annehmen. Sie halten es irrtümlich für ein Zeichen von Liebe, Kinder die Geschenke behalten zu lassen, die sie geben möchten. Ein Mann erklärte:
„Ich lehnte immer ab, wenn mir ein Kind etwas von seinen Süßigkeiten anbot. Ich dachte, ich würde damit etwas Gutes tun, weil es sie so gern aß. Doch wenn ich ablehnte und das Kind alles behalten ließ, freute es sich nicht, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Da erkannte ich, daß ich seine Großzügigkeit, seine Gaben und es selbst ablehnte. Später nahm ich solche Geschenke immer an, um das Kind wissen zu lassen, welche Freude das Geben bereitet.“
27 In einer Familie wollten die Eltern ihrem kleinen Sohn helfen, so zu werden, wie es in 1. Timotheus 6:18 beschrieben wird — ‘freigebig, bereit zu teilen’. Wenn sie daher Zusammenkünfte besuchten, in denen die Bibel studiert wurde, nahmen sie das Geld, das sie spenden wollten, aus ihrem Portemonnaie, gaben es ihrem Sohn und ließen ihn das Geld in den Spendenkasten werfen. Dadurch wurde ihm eingeprägt, wie wichtig es ist, geistige Angelegenheiten zu unterstützen und zur Deckung der damit verbundenen materiellen Bedürfnisse beizutragen.
28, 29. Wie könnte man Kindern beibringen, daß es wichtig ist, sich zu entschuldigen?
28 Genauso, wie Kinder lernen können, zu lieben und großzügig zu sein, wenn die richtige Belehrung von einem guten Beispiel begleitet ist, so können sie auch lernen, sich zu entschuldigen, wenn es angebracht ist. Ein Vater erzählte: „Wenn ich meinen Kindern gegenüber einen Fehler mache, gebe ich es zu. Ich erkläre ihnen kurz, warum ich den Fehler gemacht habe und daß ich im Unrecht war. Es fällt ihnen dann leichter, ihre Fehler zuzugeben, weil sie wissen, daß ich nicht vollkommen bin und Verständnis haben werde.“ Folgendes Beispiel mag das veranschaulichen: Bei einer Gelegenheit besuchte ein Fremder eine Familie, und der Vater stellte ihm seine Familie vor. Der Besucher erzählte später:
„Alle, die da waren, wurden mir vorgestellt, und dann kam ein lächelnder kleiner Junge ins Zimmer gelaufen. Der Vater sagte: ,Und das ist unser Jüngster, der mit der Marmelade auf dem Hemd.‘ Darauf verschwand das Lächeln aus dem Gesicht des Kleinen, und er machte eine gekränkte Miene. Als der Vater sah, daß der Kleine so verlegen war, daß ihm fast die Tränen kamen, zog er ihn schnell an sich und sagte: ,Das hätte ich nicht sagen sollen; es tut mir leid.‘ Der Kleine schluchzte einen Augenblick und verließ das Zimmer. Aber bald war er wieder da, mit einem noch strahlenderen Lächeln und einem frischen Hemd.“
29 Gewiß wird die Zuneigung des Kindes durch eine solche Demut vertieft. Bei einer späteren Gelegenheit kann ihm der Vater oder die Mutter natürlich erklären, daß es eine ausgeglichene Ansicht über die Probleme des Lebens, die großen und die kleinen, haben muß. Man kann den Kindern sagen, daß sie geringfügige Vorkommnisse nicht zu ernst nehmen dürfen und daß sie in der Lage sein sollten, über sich selbst zu lachen, und niemals von anderen Vollkommenheit erwarten dürfen, weil sie ja auch nicht möchten, daß andere von ihnen Vollkommenheit erwarten.
VERMITTLE ECHTE WERTMASS-STÄBE
30—32. Weshalb sollten Eltern schon sehr früh beginnen, ihren Kindern zu helfen, die wahren Werte des Lebens zu erkennen?
30 Heute sind viele Eltern nicht sicher, welches die wahren Werte des Lebens sind. Als Folge davon werden vielen Kindern überhaupt keine Wertmaßstäbe vermittelt. Einige Eltern zweifeln sogar daran, daß sie das Recht haben, die Einstellung ihrer Kinder zu formen. Doch wenn die Eltern das nicht tun, werden andere Kinder, die Nachbarn, das Kino oder das Fernsehen es tun. Eltern fürchten sich vor dem Generationskonflikt, vor Jugendrevolten, Drogen, der neuen Moral und der sexuellen Revolution. Aber in Wirklichkeit ist die Persönlichkeit des Kindes schon ziemlich weit entwickelt, bevor diese Probleme in seinem Leben auftauchen.
31 In einer wissenschaftlichen Zeitschrift wurde berichtet, daß „die Persönlichkeit eines Menschen zum größten Teil schon vor Beginn der Schulzeit festgelegt ist. Es ist natürlich allgemein bekannt, daß Kinder im Vorschulalter besonders beeinflußbar und formbar sind ... Wir haben jedoch festgestellt, daß Einflüsse und Erlebnisse aus der Kindheit oft sogar bleibende und manchmal unveränderliche Verhaltensmuster prägen.“
32 Falsche Verhaltensmuster lassen sich ändern, aber ein anderer Forscher erklärte, was geschieht, wenn man darüber kostbare Jahre vergehen läßt: „Das Kind bleibt in seinen ersten sieben Jahren formbar, doch je länger man wartet, desto radikaler muß man seine Umwelt ändern — und die Wahrscheinlichkeit einer Änderung wird mit jedem Jahr geringer.“
33. Was sind die wichtigsten Begriffe, die Kinder lernen sollten?
33 Kleine Kinder müssen eine feste Vorstellung davon haben, was richtig und was verkehrt ist. Paulus forderte die Christen von Ephesus in einem Brief auf, genaue Erkenntnis zu erlangen, und sagte zur Begründung: „Damit wir nicht mehr Unmündige seien, die wie von Wellen umhergeworfen und von jedem Wind der Lehre hierhin und dorthin getrieben werden durch das Trugspiel der Menschen, durch List im Ersinnen von Irrtum, sondern die Wahrheit redend, laßt uns in allen Dingen durch Liebe in den hineinwachsen, der das Haupt ist, Christus“ (Epheser 4:13-15). Wenn Eltern ihren Kindern nicht von klein auf helfen, Liebe zur Wahrheit und zur Ehrlichkeit zu entwickeln und das zu lieben, was gut und recht ist, werden sich die Kinder gegen Unwahrheit und Unrecht nicht zur Wehr setzen können. Die Vorschuljahre gehen vorüber, ehe es den Eltern richtig bewußt wird. Laß sie nicht einfach verstreichen; nutze sie, um deinen Kindern echte Wertmaßstäbe zu vermitteln. Du magst dir dadurch in späteren Jahren viel Kummer ersparen (Sprüche 29:15, 17).
34. Weshalb sind stabile Maßstäbe wichtig, und welches ist die beste Quelle für solche Maßstäbe?
34 „Die Szene dieser Welt wechselt“, schrieb der inspirierte Apostel Paulus, und das trifft gewiß auf ihre materiellen, geistigen und sittlichen Maßstäbe zu (1. Korinther 7:31). In der Welt kann man wenig Halt finden. Eltern müssen erkennen, daß wir als unvollkommene Menschen in dieser Hinsicht ebenfalls versagen können. Wenn ihnen das Wohl ihrer Kinder am Herzen liegt und sie auf ihr künftiges Glück bedacht sind, werden sie ihnen Maßstäbe vermitteln, die wirklich stabil sind. Das können sie tun, indem sie ihren Kindern von Anfang an einprägen, daß, welche Frage auch immer auftauchen mag oder welches Problem gelöst werden muß, Gottes geschriebenes Wort, die Bibel, zu Rate gezogen werden sollte, da sie Antworten enthält, die gut und nützlich sind. Ganz gleich, wie verwirrend oder düster das Leben aufgrund bestimmter Umstände manchmal auch erscheinen mag, Gottes Wort wird stets ‘eine Leuchte für ihren Fuß und ein Licht für ihren Pfad sein’ (Psalm 119:105).
35. Von welcher Bedeutung ist die Kindererziehung?
35 Ja, betrachte die Kindheit als die goldene Gelegenheit, deinen Kindern Wertmaßstäbe zu vermitteln, auf die sie sich während ihres ganzen Lebens verlassen können. Keine Karriere ist großartiger, keine Arbeit wichtiger als die Erziehung deiner Kinder. Beginne damit, sobald sie geboren sind, im Säuglingsalter!
[Bild auf Seite 117]
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