Gottes verborgene Weisheit — ein heiliges Geheimnis
„Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit ... der geistliche aber beurteilt alles.“ — 1. Kor. 2:14, 15.
1, 2. (a) Wie entstand und entwickelte sich die christliche Bewegung vom rein menschlichen Gesichtspunkt aus gesehen? (b) Welche Fragen entstehen, wenn man den Gesichtspunkt der christlichen Bibelschreiber in Betracht zieht?
ÜBER fünfzehnhundert Jahre schien es, als ob die Nation Israel dazu bestimmt wäre, für immer Jehovas Werkzeug zur Durchführung seines Vorhabens zu sein. Sie war sein auserwähltes Volk, das bestätigten ihre hochgeachteten heiligen Schriften zur Genüge. Doch dann geschah etwas, was ihre Führer beunruhigte. Ein neuer Prediger trat auf den Plan, um den sich eine neue Bewegung bildete. Nach dreieinhalb Jahren schien es, als ob diese neue Bewegung ein Fehlschlag gewesen wäre und wieder von der Bildfläche verschwinden würde, denn es gelang den hochgestellten Juden, den Führer dieser neuen Bewegung zu beseitigen, indem sie ihn an einen Marterpfahl schlugen, wo er, dem allgemeinen Gespött preisgegeben, starb. Die kleine Gruppe seiner Nachfolger zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und versammelte sich nur noch hinter verschlossenen Türen. (Joh. 20:19) War diese neue Bewegung aber tatsächlich aus dem Dasein ausgelöscht? Einundfünfzig Tage danach geschah etwas noch viel Beunruhigenderes. Diese neue Bewegung lebte wieder auf und breitete sich mit Windeseile nach allen Richtungen hin aus! Die aufsehenerregende Ansprache, die ihr Sprecher Petrus damals hielt und in der er alles, was er sagte, anhand der heiligen Schriften der Juden bewies, traf seine Zuhörer „mitten ins Herz“, und alle, „die sein Wort aufnahmen, ließen sich taufen, und so wurden [der Bewegung] an jenem Tage an die dreitausend Personen hinzugefügt“. In den darauffolgenden dreieinhalb Jahren wuchs die Bewegung und breitete sich immer mehr aus. Doch dann geschah etwas, worüber selbst ihre eigenen Glieder staunten. Derselbe Sprecher, Petrus, tat nämlich etwas völlig Unerwartetes: Er erschloß den verachteten, unbeschnittenen Heiden den Weg, auf dem diese sich ihnen anschließen konnten. Dann bildeten sich in jenem Gebiet unter den Gliedern dieser neuen Bewegung, in der nun die verschiedensten Nationen vertreten waren, nach und nach überall Versammlungen. Die Bewegung nahm allmählich Formen an und entwickelte sich zu einem Werkzeug, das zu einem bestimmten Zweck gebraucht werden konnte. Doch was bedeutete das alles? — Apg. 2:37, 41, Kr; 10:44-48.
2 Damit hätten wir die Entstehung und Ausbreitung dieser neuen Bewegung kennengelernt, wie die Allgemeinheit sie beobachten konnte. In unserer letzten Betrachtung dieses Themas erwähnten wir jedoch, daß wir sie auch noch von dem Gesichtspunkt aus kennenlernen wollten, von dem aus sie die Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften betrachteten. Beurteilten sie diese Bewegung, die später als die christliche Kirche bekannt wurde, nur vom menschlichen Gesichtspunkt aus, oder haben wir in ihrer Vorstellung von diesem neuen Werkzeug einen weiteren überzeugenden Beweis für die göttliche Inspiration und den göttlichen Ursprung ihrer Schriften und damit einen weiteren Beweis gegen die Annahme, daß diese von Menschen stammten? Diese kritische Frage möchten wir nun klären.
EINE GEISTIGE NATION
3. In welcher Beziehung hätte die christliche Bewegung, rein menschlich betrachtet, als Nation bezeichnet werden können?
3 Wie bereits gezeigt, wies Gottes früheres Werkzeug, das Israel nach dem Fleische, alle Merkmale einer Nation auf. Und sein neues Werkzeug, das geistige Israel? Nach menschlichen Maßstäben beurteilt, erfüllt es keine einzige der früher genannten Voraussetzungen, die es berechtigten, sich als Nation zu bezeichnen. Denn wo auf der Landkarte finden wir zum Beispiel sein Land? Seit den Tagen der Apostel haben die wahren Christen über die ganze Erde zerstreut gewohnt. Noch weniger könnte gesagt werden, sie hätten einen gemeinsamen Stammvater oder eine gemeinsame Sprache. Sie haben auch keine eigene Regierung, sondern ordnen sich als gesetzestreue Bürger den verschiedenen Landesregierungen unter, erkennen die im Lande üblichen Sitten und Gebräuche an und gehorchen dem Gesetz.
4. In welchem Sinne bezeichnet die Bibel diese Bewegung als eine Nation?
4 Dennoch bezeichnen die christlichen Schreiber diese neue Bewegung als eine Nation, nicht nur als eine Glaubensgemeinschaft. Petrus sagt von ihren Gliedern: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht ... eine heilige Nation.“ Wirklich? Jawohl, und zwar eine geistige Nation, denn Paulus sagt: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln.“ Wer hätte je an eine geistige Nation gedacht? Auf diesen Gedanken wäre bestimmt kein Mensch gekommen. — 1. Petr. 2:9; Phil. 3:20. Man vergleiche auch Matthäus 21:43.
5. (a) Wie zeigt die Bibel durchweg, daß das geistige Israel eine Nation ist? (b) Wieso kann es besonders seit 1919 zu Recht als Nation bezeichnet werden?
5 Wenn wir jedoch den Gesichtspunkt verstehen, von dem die christlichen Schreiber ausgingen, dann erkennen wir auch, daß sie recht haben und daß alles genau paßt. Die geistigen Israeliten haben zum Beispiel ihren Bund, den „neuen Bund“, dessen Mittler Jesus ist. Sie haben eine gemeinsame geistige Abstammung, denn „so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes ... Kinder Gottes“. Sie sprechen alle e i n e Sprache, die „reine Sprache“ des Wortes Gottes, des Wortes, das „Wahrheit“ ist. Sie unterstehen alle der einen Regierung, der sie auch ungeteilten Herzens ergeben sind: der himmlischen Regierung oder der „fürstlichen Herrschaft“, die auf den Schultern des Königs Christi Jesu ruht, der von der Hauptstadt der Nation, von der „Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem“, aus regiert. Besonders seit dem Jahre 1919 können sie zu Recht als eine Nation bezeichnet werden, denn in jenem Jahr, in dem es gerade wieder so aussah, als ob sie aus dem Dasein ausgelöscht würden, erlebten sie gleichsam eine Wiedergeburt, durch die sich die prophetischen Worte Jesajas erfüllten: „Kann ... eine Nation mit e i n e m Male geboren werden?“ Damals gelangten sie auch in einen bedeutend verbesserten Zustand, einen Zustand, in dem sie von Jehova gesegnet wurden und den Jesaja als ein „Land“ beschrieb, das „an e i n e m Tage zur Welt gebracht“ werden sollte, ein Land, dessen Grenzen zu ihrer Sicherheit genau bestimmt sind, das heißt eine durch Gottes Wort genau festgelegte, bedingte Freiheit. — Hebr. 9:15; Röm. 8:14-16; Zeph. 3:9, NW; Joh. 17:17; Jes. 9:6, NW; Hebr. 12:22; Jes. 66:8.
6. Wie beweist die Christenheit, daß sie den biblischen Standpunkt nicht vertritt?
6 Das Land dieser geistigen Nation, die in ihrem eigenen Gebiet wohnt, ist auf Gottes Landkarte, in seinem Wort, tatsächlich zu finden. Erkennt man das aber auch in der Christenheit? Nein. Nehmen wir zum Beispiel die römisch-katholische Kirche, die behauptet, die allein wahre, allumfassende Kirche zu sein. Von ihr sollte man doch bestimmt erwarten können, daß sie versteht, was es für Christen bedeutet, zu dieser Nation zu gehören. Was stellen wir jedoch fest? Wie wir alle wissen, gibt es französische Katholiken, deutsche Katholiken, englische Katholiken usw., man könnte diese Liste fast unendlich fortsetzen. Betrachten sich aber diese Katholiken vor allem als zu dieser geistigen Nation gehörend? Beweisen sie durch ihre Handlungsweise, daß sie diesen Standpunkt auch in Kriegszeiten beibehalten? Die Tatsachen beweisen leider das Gegenteil. Diese sogenannten Christen betrachten ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundene Treue und Opferbereitschaft vom rein menschlichen, irdischen Standpunkt aus. Sie wissen nichts anderes. Wie könnten sie auch etwas anderes wissen, wenn ihre Kirche sie nichts anderes lehrt? Sie sind in erster Linie Franzosen, Deutsche und Engländer. Ihre Religionszugehörigkeit kommt erst an zweiter Stelle oder wird, besonders in Kriegszeiten, meist überhaupt nicht beachtet. Das gleiche gilt im allgemeinen auch für die protestantischen Kirchen.
7. Vor wem hat Gott seine Weisheit verborgen, und wem und wie hat er sie geoffenbart?
7 Angesichts der Tatsache, daß die Christenheit den in den Christlichen Griechischen Schriften zum Ausdruck kommenden Standpunkt nicht versteht, fragen wir uns, mit welchem Recht ihre Geistlichen und Wortführer dann diese Schriften und ihre Inspiration in Frage ziehen. Der Apostel hatte wirklich recht, als er schrieb: „Wir reden Gottes Weisheit in einem heiligen Geheimnis, die verborgene Weisheit ... Diese Weisheit hat keiner der Herrscher dieses Systems der Dinge erkannt ..., [sondern] was Gott ... bereitet hat, ... hat Gott durch seinen Geist geoffenbart, denn der Geist erforscht alle Dinge, selbst die tiefen Dinge Gottes.“ Von daher stammte also die Inspiration jener christlichen Schreiber: von Gottes heiligem Geist. Vor Pfingsten und der Ausgießung des Geistes Gottes konnten die Nachfolger Christi noch nicht begreifen, daß Gott im Begriff war, sich ein anderes Werkzeug zur Durchführung seines Vorhabens zu erwählen. Aber nach jenem aufsehenerregenden Ereignis erkannten sie nicht nur, daß ein solcher Wechsel vor sich ging, sondern offenbarten in ihren Schriften auch eine Vorstellung hiervon, die nur von Jehova selbst stammen konnte. Verstehst du diesen Wechsel? — 1. Kor. 2:7-10, NW.
EIN GEISTIGER TEMPEL
8. (a) Was versteht man gewöhnlich unter einem Tempel oder einer Kirche? (b) Wie beschreibt aber die Bibel die christliche Kirche?
8 Wir möchten aber zur Bestätigung noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Als wir die verschiedenen Merkmale aufzählten, die das Israel nach dem Fleische zu einem Werkzeug Jehovas geeignet machten, erwähnten wir auch seinen Tempel auf dem Berg Morija in Jerusalem. Dieser Tempel spielte eine wichtige Rolle, denn er bildete den Mittelpunkt ihres Gottesdienstes. Hat auch die christliche Kirche, Jehovas neues Werkzeug, einen Tempel? Im allgemeinen versteht man unter einem Tempel ein aus Stein oder einem anderen Material erbautes Gebäude, das dem Dienst einer Gottheit geweiht ist. In der Christenheit ist ein Tempel oder eine Kirche ein Ort, an dem öffentliche Gottesdienste abgehalten werden, ein buchstäbliches Gebäude, das auf einer Landkarte eingetragen oder anhand einer solchen ausfindig gemacht werden kann. Wo befindet sich nun der Tempel der wahren christlichen Kirche? Über die ganze Welt zerstreut! Wieso? Weil es ein geistiger Tempel ist. Wer hätte je an so etwas gedacht? Hat man jemals so etwas gehört? Im selben Kapitel, in dem Petrus die wahre Kirche als eine „heilige Nation“ beschreibt, lesen wir kurz vorher, daß die einzelnen Glieder „als lebendige Steine zu einem geistigen Tempel“ aufgebaut würden, „zu einem heiligen Priestertum, um geistige Opfer darzubringen, die Gott durch Jesus Christus [der zum ‚Eckstein‘ gemacht wurde] wohlgefällig sind“. Welch erhabener Gedanke! Paulus sagt: „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnt?“ — 1. Petr. 2:5, 6, KFB; 1. Kor. 3:16.
9. Versteht die Christenheit diesen Gedanken, und was ist der beste Beweis dafür?
9 Wir fragen wiederum: Versteht die Christenheit diesen Gedanken? Nein, sie versteht ihn nicht, und zufolge ihrer Verweltlichung hat auch das Wort „Kirche“ seine ursprüngliche Bedeutung größtenteils eingebüßt. Unter dem griechischen ekklesi̱a, das in der King James-Bibel (und zum Teil auch in deutschen katholischen Bibeln) mit „Kirche“ wiedergegeben wird, ist eine Versammlung oder Gemeinde zu verstehen, die zum Dienste Gottes aus der Welt herausgerufen und dazu erwählt wurde, Gottes Werkzeug zu sein. (Siehe Matthäus 16:18; Apostelgeschichte 5:11; 11:22; Römer 16:5.) Dieses griechische Wort wurde nie auf ein Gebäude angewandt. Spricht man aber heute von einer Kirche oder davon, daß man in die Kirche gehe, so meint man damit stets ein buchstäbliches Gebäude oder eine buchstäbliche Andachtsstätte. Es werden ungeheure Summen für solche historischen Gebäude ausgegeben; wer denkt aber an die geistige Gesundheit der mit ihnen verbundenen Gemeinden?
10. Was ist unter Gottes „Tempel“ zu verstehen, der in Offenbarung 7:15 erwähnt wird, und wozu werden wir durch diese Vision ermuntert?
10 Statt die Betrachtung dieses Themas mit dieser bedauerlichen Feststellung abzuschließen, möchten wir unsere Leser an die ermutigende Vision erinnern, die im 7. Kapitel der Offenbarung geschildert wird. In den ersten acht Versen wird die wahre Kirche, deren Glieder die zwölf Stämme des geistigen Israel bilden, beschrieben. Dann wird eine „große Volksmenge“ geschildert, die „aus jeder Nation“ stammt und gerechtigkeitsliebende Menschen darstellt, die „aus der großen Drangsal“ kommen, die über Satans Welt hereingebrochen, durch Gottes Geduld jedoch verkürzt worden ist. Diese Menschen hoffen auf ein künftiges Leben in einem irdischen Paradies. Und was tun sie heute für Gott? Der Bericht sagt: „Sie ... dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel.“ In einem irdischen Gebäude? Natürlich nicht. Sie lernen zu ihrer großen Freude und Genugtuung, wie man Gott wohlgefällig und eifrig dient, und dienen ihm in enger Gemeinschaft mit den letzten Gliedern der wahren Kirche. In Gottes geistigem Tempel beteiligen sich nicht nur einzelne am eigentlichen Gottesdienst wie in den Kirchen der Christenheit, sondern alle werden eingeladen und helfen mit, „Gott stets ein Opfer des Lobes“ darzubringen, „das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“. Nimmst auch du an diesem Dienst teil? Können wir dir dabei irgendwie helfen? — Offb. 7:9-15; Hebr. 13:15.
11. Welche weiteren Vergleiche könnten wir zwischen den geistigen und dem natürlichen Israel ziehen, und zu welcher Schlußfolgerung kämen wir dadurch?
11 Damit hätten wir zwei Merkmale, die das natürliche Israel als ein auserwähltes Werkzeug unter anderem aufwies, betrachtet, nämlich, daß es eine Nation war und einen Tempel hatte. Wir haben auch gesehen, daß zwischen seinem Tempel und der wahren Kirche große Ähnlichkeit besteht, wenn auch nur in geistigem Sinne. Wir könnten auch noch die anderen Merkmale des natürlichen Israel anführen — seine Priesterschaft, seinen Hohenpriester und seine Opfer — und zeigen, daß auch diese bei Gottes neuem Werkzeug vorhanden sind. In jedem Falle lassen die Schreiber der Christlichen Schriften jedoch erkennen, daß sie eine andere Vorstellung haben als die Schreiber der Hebräischen Schriften. Ihre Vorstellung liegt auf einer geistigen und himmlischen Ebene, und auch die Verheißungen sind dementsprechend. Dennoch stimmen die beiden Gruppen von Bibelschreibern wunderbar miteinander überein. Ihre Schriften widersprechen sich nicht.
12. Worauf stützen die christlichen Schreiber ihre Vorstellung von Gottes Werkzeug?
12 Noch eine Frage: Was berechtigte denn die christlichen Schreiber zu dieser vollständig neuen Vorstellung? Da sie Gottes Werkzeug in ihrer Vorstellung nicht nur auf eine höhere menschliche, sondern auf eine grundverschiedene, nämlich auf eine geistige Stufe erhoben, müßte man annehmen, sie hätten sich dabei auf eine neue Quelle gestützt, aber das ist gerade das Erstaunliche: Sie zeigen in ihrer Schriften immer wieder, daß ihre neue Vorstellung durch die alten hebräischen Propheten gestützt wird, durch jene Männer also, die angeblich tastend nach Gott suchten und deren Schriften sich angeblich nur mit irdischen, zeitlichen Dingen befassen sollen.
13. Wie bestätigt Paulus seine Ausführungen über (a) das wirkliche Israel, (b) die Berufung eines neuen Volkes und (c) dessen Anerkennung von Gott?
13 Zur Bestätigung möchten wir kurz auf das 9. Kapitel des Römerbriefs eingehen, in dem der Apostel Paulus zu Beginn zeigt, daß sich Gott ein anderes Werkzeug erwählte. „Nicht alle, die aus Israel sind, sind auch Israel“, sagt er. „Und nicht, weil sie Same Abrahams sind, sind alle Kinder ... Nicht die Kinder des Fleisches [durch die übliche Fortpflanzung] sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Same angesehen“, ähnlich wie Isaak, der ebenfalls ein Kind der Verheißung Gottes war, denn Abraham und Sara waren in bezug auf die Fortpflanzungsfähigkeit „so gut wie tot“, als Isaak geboren wurde. (Hebr. 11:12, NW) Anhand weiterer Anführungen aus den Hebräischen Schriften beweist Paulus dann, daß Gott völlig berechtigt ist, zu erwählen, wen er will. Schon die alten Propheten hätten vorhergesagt, daß Gott schließlich ein Volk erwählen würde, das früher nicht anerkannt worden sei, schreibt er und führt als Beispiel die Worte Hoseas an: „Ich werde, was nicht mein Volk ist, nennen mein Volk ... Söhne des lebendigen Gottes.“ (Hos. 2:23; 1:10) Anhand weiterer Zitate beweist er, daß „Heiden“ oder Menschen aus den Nationen die „Gerechtigkeit aus Glauben“ erlangt hätten, das Israel nach dem Fleische sie dagegen nicht erlangt habe, weil es „nicht auf dem Wege des Glaubens, sondern auf dem Wege der Werke“ danach gestrebt habe. Schließlich führt er noch die göttlichen Aussprüche gegen Israel an, die Moses und Jesaja niederschrieben: „Ich will euch eifersüchtig machen auf ein Nicht-Volk [das, was keine Nation ist, NW]“, und: „Ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchen.“ (5. Mose 32:21; Jes. 65:1) — Röm. 9:6-8, 25, 26, 30-32; 10:19, 20, Si.
14. Was wird zum Beweis weiter über (a) die Priesterschaft und die Opfer und (b) über die Beschneidung gesagt?
14 In jedem Fall finden sich die Samen oder Wurzeln, aus denen die Vorstellung der christlichen Schreiber hervorging, in den Hebräischen Schriften gleichsam eingebettet oder verborgen. So zeigt zum Beispiel Paulus, daß der Hohepriester, der das einzige annehmbare Opfer, ein weitaus besseres Opfer als die Tieropfer, dargebracht habe, kein levitischer Priester gewesen sei, wie das eigentlich das Gesetz der Israeliten verlangt hätte. Auf Grund der heiligen Schriften könne das deutlich erkannt werden. „Noch klarer wird die Sache dadurch“, sagt er, „daß jetzt ein andersartiger Priester auftritt, der ähnlich wie Melchisedek sein Priestertum nicht durch ein Gesetz empfängt, das die leibliche Abstammung fordert, sondern er besitzt sein Priestertum kraft des ihm innewohnenden unvergänglichen Lebens. Denn es heißt ja von ihm: ‚In Ewigkeit bist du ein Priester nach der Weise Melchisedeks.‘“ (Hebr. 7:15-17, Br; Ps. 110:4) Stephanus führte in seiner Verteidigungsrede, die er vor dem Sanhedrin hielt, den Propheten Jesaja an, der von einer Wohnstätte Gottes spricht, die viel erhabener sein soll als der prächtige, aus buchstäblichen Steinen erbaute Tempel des Volkes Israel. (Apg. 7:48, 49; Jes. 66:1) Paulus spricht von der Beschneidung der geistigen Juden (Christen) als von einer Beschneidung „des Herzens, im Geiste, nicht im Buchstaben [des Gesetzes]“. Moses hatte aber schon Jahrhunderte vorher die Beschneidung des Herzens als wichtiger bezeichnet als die Beschneidung des Fleisches. — Röm. 2:29; 5. Mose 10:16; 30:6.
15. Was beweist die innere Harmonie der Bibel, und zu welcher Schlußfolgerung führt diese Tatsache?
15 Wer wollte angesichts dieser vielen Zeugnisse, die beweisen, welch wunderbare Vorstellung die christlichen Schreiber von Gottes neuem Werkzeug hatten und wie genau diese Vorstellung mit dem Vorbild der Hebräischen Schriften übereinstimmte, noch behaupten, diese Schriften seien von Menschen inspiriert, seien also menschlichen Ursprungs? Genauso wie zu Recht gesagt werden konnte: „Nie wurde eine prophetische Aussage durch Menschenwillen hervorgebracht, sondern vom Heiligen Geiste getrieben, haben Menschen von Gott her gesprochen“, kann auch zu Recht gesagt werden, daß prophetische Aussagen von Menschen, die sich auf ihre eigene Weisheit stützen, nie richtig verstanden werden können. Wir sind auf den Urheber der prophetischen Aussagen angewiesen, der sie zu der von ihm bestimmten Zeit verständlich macht durch jene, die von seinem Geist erfüllt sind. — 2. Petr. 1:21, Kr.
DAS WERK EINES EINZELNEN MENSCHEN ODER GOTTES WERK?
16. Wie wurde Israel in Ägypten zu einer Nation?
16 Wir kommen nun noch zu einer anderen Beweiskette. Betrachten wir kurz, was unmittelbar nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten geschah. Vorerst möchten wir aber noch daran erinnern, daß 215 Jahre vorher Jakob mit seinen Söhnen und ihren Kindern wegen einer Hungersnot nach Ägypten hinabgezogen war. Es handelte sich nur um diese eine Familie. Gott hatte damals zu Jakob in einer Vision jedoch gesagt: „Fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen; denn zu einer großen Nation will ich dich daselbst machen.“ Das bedeutet nicht, daß sie eine große selbständige Macht werden würden, sondern zahlenmäßig sollten sie zu einer großen Nation werden, und der Bericht sagt auch: „Die Kinder Israel waren fruchtbar und wimmelten ... und wurden sehr, sehr stark.“ (1. Mose 46:3; 2. Mose 1:7) Während ihres ganzen Aufenthalts in Ägypten hatten sie ein schweres Los, denn als Viehzüchter waren sie „den Ägyptern ein Greuel“. Sie wohnten deshalb „im Lande Gosen“, getrennt von den Ägyptern. Unter diesen Umständen wäre es wahrscheinlich nicht gerade ratsam, wenn nicht sogar unmöglich gewesen, eine starke, unabhängige Politik zu betreiben oder ein eigenes Regierungssystem aufzubauen. Sie bildeten daher einfach eine Volksgemeinschaft, die sich dem Ackerbau widmete und nach den ihr vertrauten patriarchalischen Grundsätzen lebte. — 1. Mose 46:34.
17. Was widerfuhr Israel nach Moses’ Geburt, und zu welchen wichtigen Ereignissen führte das?
17 Dann „kam ein neuer König in Ägypten zur Regierung, der Joseph nicht gekannt hatte“. Darauf erschwerten die Ägypter den Israeliten mindestens achtzig Jahre (von Moses’ Geburt an bis zum Auszug) „das Leben durch harte Fronarbeit ..., die sie zwangsweise von ihnen verrichten ließen“. Unter diesen Umständen hätte sich Israel niemals zu einer Nation entwickeln können. Dann kamen die zehn Plagen, dann der Auszug und schließlich zogen die Israeliten und mit ihnen „viel Mischvolk“ sicher durch das Rote Meer, während die ihnen nachjagenden Ägypter alle umkamen. Knapp drei Monate später lagerten sich die Israeliten „dem Berg Sinai gegenüber“. Damit begann für sie eine sehr denkwürdige Zeit: Sie sollten von nun an eine selbständige, unabhängige Nation sein. Wie war das möglich angesichts der Tatsache, daß sie in Staats- und Regierungsangelegenheiten sozusagen keine Erfahrung hatten? — 2. Mose 1:8, 14, Me; 12:38; 19:1, 2.
18. Welche Teile des Pentateuchs schrieb Moses sehr wahrscheinlich am Sinai?
18 Beachten wir, was nun geschah: Zunächst gab ihnen Gott die Zehn Gebote, eine ganze Menge „Rechtssatzungen“ — unter anderem über die Sklaverei, über Schadenersatz, Diebstahl, Verführung, Darlehen usw. — und verschiedene Vorschriften über den Sabbat und andere Feste. Das war aber noch nicht alles. Einige Tage später stieg Moses wieder auf den Berg, um weitere Richtlinien zu empfangen, und „verweilte auf dem Berge vierzig Tage und vierzig Nächte“. Und was war das Ergebnis? Aller Wahrscheinlichkeit nach schrieb Moses am Sinai sein erstes, zweites, drittes und vielleicht sogar die ersten Kapitel seines vierten Buches. — 2. Mose 21:1; 24:18, Me.
19. Was arbeitete Moses, rein menschlich gesprochen, für Israel ganz allein aus?
19 Angenommen, diese Aufzeichnungen wären wirklich, wie oft behauptet wird, menschlichen Ursprungs, dann hätte Moses also ganz allein in wenigen Monaten die umfassenden Richtlinien, die jede Phase des bürgerlichen und religiösen Lebens des Volkes Israel bis ins einzelne regelten, ausgearbeitet. Aber er gab ihm ja nicht nur die Grundgesetze — die Zehn Gebote — und die vielen Vorschriften über das bürgerliche Leben, sondern schrieb auch all die Richtlinien nieder, die das religiöse Leben und den Gottesdienst dieser Nation bis ins einzelne festlegten. Sie betrafen unter anderem den Bau der Bundeslade, der Stiftshütte und ihres Vorhofes, die Ausstattung der Stiftshütte, die Gewänder der Priester und des Hohenpriesters und deren Einsetzung in ihr Amt sowie viele Einzelheiten über das Material, das verwandt werden sollte, die Farben, die Maße usw. Darüber hinaus finden wir im dritten Buche Mose nicht nur die vielen Gesetze, die bestimmten, wie sich das Volk verhalten mußte, um vor Gott erscheinen zu können, sondern auch die Vorschriften über die verschiedenen Opfer.
20. Warum ist es unmöglich, daß ein einzelner Mensch all das hätte zustande bringen können?
20 Ein einzelner Mensch hätte unmöglich das alles allein zustande gebracht. Abgesehen von den unzähligen Einzelheiten verrät das Ganze eine Vorstellung, die auf einer erstaunlich hohen Ebene liegt. Kein Mensch und keine Regierung hat jemals etwas von dieser Art oder auch nur etwas annähernd Ähnliches hervorgebracht. Die patriarchalische Gesellschaft, mit der Gott in der Zeit vor Moses handelte, hatte zwar auch schon gut verankerte Gesetze, aber Moses’ Werk diente größtenteils dem Zweck, einem Volk, das sich zu einer blühenden Nation entwickeln sollte, eine neue Ordnung für den Gottesdienst zu geben. Auch berechtigt nichts zu der Annahme, daß sich Moses das heidnische Leben und den Kult der Ägypter zum Vorbild genommen hätte, obwohl er „in aller Weisheit der Ägypter“ unterwiesen worden war. — Apg. 7:22.
21. Was beweist ferner, daß Moses und alle übrigen Bibelschreiber von Jehovas Geist inspiriert wurden?
21 Es gilt aber noch zwei weitere Punkte zu beachten. Oft dauert es einige Generationen, bis eine Nation ihre Rechtsordnung entwickelt hat, die dann manchmal nach kurzer Zeit schon wieder ergänzt und abgeändert werden muß. Bei dem durch Moses verordneten Gesetz war das jedoch nicht nötig, es brauchte nicht die geringste Verbesserung vorgenommen zu werden. Der zweite Punkt ist folgender: Paulus sagt in seinem Brief an die Hebräer, „das ‚Gesetz‘“ sei „ein Schatten der kommenden guten Dinge“, und führt dann viele Einzelheiten daraus an und zeigt, wie treffend sie „die himmlischen Dinge selbst“ darstellten. Wie hätte Moses das voraussehen und das, was er niederschrieb, so abfassen können, daß es auf etwas hinwies, wovon er gar nichts wußte? Ja, hätte der Apostel Paulus oder ein anderer Schreiber der Bibel von sich aus gewisse Züge des neuen Werkzeuges Jehovas so wunderbar in jenem alten Gesetz erkennen können? Welch ein überzeugender Beweis dafür, daß Moses und Paulus sowie alle anderen Bibelschreiber von Jehovas heiligem Geist dazu inspiriert wurden, sein hervorragendes Buch zu schreiben! — Hebr. 10:1, NW; 9:23.
22. Wie wurde das Gesetz gleichsam in e i n e m Wort neu abgefaßt, und wie läßt sich das mit dem von Moses niedergeschriebenen Gesetz vergleichen?
22 Und was geschah nach der Mosaischen Gesetzgebung? Über fünfzehnhundert Jahre später beschrieb ein anderer Bibelschreiber, wie der Gesetzesbund ungültig gemacht wurde. Er sagt, Gott habe „die aus Verordnungen bestehende, gegen uns gerichtete handschriftliche Urkunde [oder den Bund], die wider uns war“, getilgt, „indem er sie an den Marterpfahl“ genagelt habe. An anderer Stelle gibt derselbe Bibelschreiber das ganze Gesetz, menschlich gesprochen, in einer neuen Fassung wieder, und zwar in e i n e m Wort: LIEBE! Er weist darauf hin, daß „die Liebe die Summe des Gesetzes“ sei und daß „das ganze Gesetz ... in e i n e m Worte“ erfüllt sei, nämlich in dem: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Diese Liebe ist nicht dasselbe wie das, was die Menschen Liebe nennen und vorwiegend eine Angelegenheit der Gefühle ist, sondern es ist die Liebe, die Jehova selbst offenbart und die uns als Beispiel dient, denn der Apostel Johannes sagt: „Gott ist Liebe.“ Das mag nicht so eindrucksvoll sein wie das von Moses abgefaßte Gesetz, aber es geht viel tiefer. — Kol. 2:14, NW; Röm. 13:10; Gal. 5:14; 1. Joh. 4:16.
23. Welche Segnungen stehen jenen bevor, die die Bibel wirklich als Gottes Wort annehmen?
23 Sobald wir also den richtigen Standpunkt einnehmen, können wir dieses Thema von jeder Seite oder jedem Gesichtspunkt aus betrachten, und wir werden noch mehr zu der Überzeugung gelangen, daß tatsächlich „die ganze Schrift ... von Gott inspiriert“ ist und daß wir in ihr ein unvergängliches Zeugnis dafür haben, daß Jehova der „Gott der Wahrheit“ ist. Wir dürfen völlig davon überzeugt sein, daß sein Wort, die ganze Bibel, zuverlässig ist und sich alles, was darin vorhergesagt wird, erfüllt. Die Neue-Welt-Gesellschaft der Zeugen Jehovas, eine Gruppe von Menschen, die Jehova völlig ergeben ist und sein Wort ungeteilten Herzens annimmt, genießt jetzt schon einige der guten Dinge, die er in seinem Wort verheißt. Auch du kannst sie genießen. Jehova sagt selbst: „Mein Wort ... wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird ausrichten, was mir gefällt, und durchführen, wozu ich es gesandt habe. Denn in Freuden werdet ihr ausziehen und in Frieden geleitet werden.“ — 2. Tim. 3:16, NW; Ps. 31:5; Jes. 55:11, 12.
24. Welche Frage in Verbindung mit der Bibel erhebt sich nun noch?
24 Will man ein Buch oder eine Sammlung von Büchern wie die Bibel richtig schätzen, so ist es gut, wenn nicht sogar unbedingt notwendig, die Persönlichkeit des Verfassers kennenzulernen. Doch wie können wir den Verfasser der Bibel kennenlernen? Es lohnt sich, sich mit dieser Frage etwas eingehender zu befassen.