Petrus, der Apostel mit den Schlüsseln
WELCHE Wechsel traten ein! Vom unbekannten Fischer zum hervorragenden Apostel Jesu Christi! Von dem, der Fische fing, zum Menschenfischer! Was für eine Verwandlung im Leben dieses Mannes Simon, dessen Name sogar in Petrus umgewandelt wurde! Seine ganze Laufbahn samt seinen Wünschen, Beweggründen, Bestrebungen und seinen Lebensansichten wurde gründlich geändert. Unsagbare Segnungen, Gunstbezeugungen und Vorrechte kamen ihm zu. Der ungelehrte, gewöhnliche Mensch wurde zu jemand, der die Weisen dieser Welt verwirrte und Wunderkräfte über Leben und Tod besass. Ausserdem wurden ihm die besonderen Schlüssel der Erkenntnis anvertraut, womit er die heiligen Geheimnisse Gottes erschliessen konnte. So studiere denn das Leben, die Persönlichkeit, die Einstellung und Neigungen des Petrus, denn dies wird dir helfen, dein eigenes Ich von dieser alten Welt der Sünde und des Todes zu lösen, umzugestalten und hinüberzuwechseln in die neue Welt der Gerechtigkeit und des Lebens.
Da Simons frühes Leben sozusagen in Dunkel gehüllt ist, ist uns wenig davon bekannt. Einige denken, er sei zwischen 30 und 40 Jahre alt gewesen, als er ein Jünger Christi wurde. Der Name seines Vaters war Jona. Simon Bar-Jonas Heimatstadt war Bethsaida am Nordufer von Galiläa. Dort widmete er sich mit seinem Bruder Andreas und den zwei Söhnen des Zebedäus, Jakobus und Johannes, dem Fischergeschäft. Simon war ein verheirateter Mann, und im nahen Kapernaum wohnte seine Schwiegermutter in einem ziemlich grossen Hause. — Matth. 8:14; 16:17, NW; Joh. 1:44.
Der Fischerberuf, obwohl vielleicht ein niedriger, war keinesfalls ein knechtischer, noch war er unvereinbar mit einem Sinn für hohe Bildung und Kultur. Alle jüdischen Knaben mussten geschult werden, und wenn Simon auch keine besonderen Rabbinerschulen besuchte, um einen Titel oder Doktorgrad der Theologie zu erhalten, hatte er doch eine gute Erkenntnis der allerwichtigsten Dinge im Leben, nämlich der heiligen Schriften, die über Jehovas Handeln mit seinem erwählten Volke sprechen und besonders seine kostbaren Verheissungen hinsichtlich des kommenden Messias enthalten.
Wir sind daher nicht überrascht, Simon, wenn er uns vorgestellt wird, als einen Jünger Johannes’ des Täufers anzutreffen, der darauf vorbereitet war, Christus aufzunehmen. Im Herbst des Jahres 29 n. Chr., als Johannes ausrief: „Siehe, das Lamm Gottes!“, war Petrus unter den ersten, ihn anzunehmen, und damals geschah es, dass Christus zum erstenmal zu Simon sagte: „Du wirst Kephas genannt werden (was übersetzt wird: Petrus).“ (Joh. 1:35-44, NW) Sechs Monate später liess Christus an ihn und seine Gefährten die Einladung ergehen: „Kommet mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen“, und sogleich verliess Petrus alles und nahm den Evangeliumsdienst auf. (Matth. 4:18-20; Mark. 1:16-18; Luk. 5:1-11, NW) Die Annahme jenes Rufes zum Vollzeitdienst kennzeichnete den Beginn einer ganz neuen und überaus frohen und gesegneten Zeit im Leben des Petrus. — Matth. 19:27-29.
EIN AUSSERGEWÖHNLICHER JÜNGER
Betrachtet nur einmal einige der wunderbaren Vorrechte des Petrus. Als einer der zwölf Apostel wurde ihm Autorität „über unreine Geister“ gegeben, um „jederlei Krankheit“ zu heilen, und er wurde ausgesandt, zu heilen und im Namen Christi zu predigen. (Matth. 10:1 bis 11:1; Mark. 3:16; Luk. 6:13, 14, NW) So war er denn oft der erste, der im Namen der andern sprach, wie folgendes Beispiel zeigt: „Jesus sprach zu den Zwölfen: ‚Ihr wollt doch nicht auch weggehen, oder?‘ Simon Petrus antwortete ihm: ‚Meister, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.‘ “ (Matth. 15:15; 18:21; Mark. 11:21; Luk. 8:45; 12:41; Joh. 6:67, 68, NW) Petrus war einer der drei Apostel, welche Augenzeugen waren von der Auferweckung der Tochter des Jairus, welche die Umgestaltungsszene auf dem Berge mitansahen und welche beiseitegenommen wurden, um Zeugen zu sein von Jesu Ängsten in Gethsemane. (Matth. 17:1-6; 26:36-45; Mark. 5:35-37) Petrus und Johannes waren es, die ausgesandt wurden, um Vorbereitungen für das letzte Passah zu treffen. (Luk. 22:7-13) Petrus war es, der hingesandt wurde, den Fisch zu fangen, in dem sich die Silbermünze (68 amerik. Cent) für die Tempelsteuer vorfand. — Matth. 17:24-27, NW.
Auch war es Petrus, der das glückliche Vorrecht hatte, durch göttliche Offenbarung Jesus als „den Christus, den Sohn des lebendigen Gottes“ zu bezeichnen. Ihm wurden dann zwei symbolische Schlüssel gegeben, die er später dazu gebrauchte, sowohl den Juden wie den Heiden Erkenntnis hinsichtlich des himmlischen Königreiches zu erschliessen, und sein Gebrauch dieser Schlüssel wurde zuvor im Himmel bestätigt. — Matth. 16:13-20, NW.
So lehrte und schulte Christus denn Petrus während drei Jahren in dem Wege, der zum Leben führt, indem er ihn auch in Zucht nahm und ihn zurechtwies, wenn er gefehlt hatte. Als Petrus auf dem Wasser wandelte und zu sinken begann, tadelte ihn Jesus mit den Worten: „Du Kleingläubiger, warum gäbest du dem Zweifel Raum?“ (Matth. 14:28-31, NW) Ferner, als Jesus sagte, wie er leiden und sterben müsse, protestierte Petrus: „Sei gnädig mit dir selbst, Meister; dieses Geschick wird dir gar nicht widerfahren.“ Es war daher nötig, dass er getadelt wurde, weil er nach der Weise der alten Welt dachte: „Geh hinter mich, Satan! du bist mir ein Stein des Anstosses“, sagte ihm Jesus, „denn du hast nicht Gottes Gedanken, sondern die der Menschen.“ — Matth. 16:21-23; Mark. 8:31-33, NW.
Jesu Predigtdienst war sozusagen zu Ende. Es war der letzte Abend. Nur noch wenige Stunden verblieben. Als somit das Passah zu Ende war, machte sich Jesus daran, die Füsse der Apostel zu waschen, ungeachtet des zuerst von Petrus erhobenen Einwandes. (Joh. 13:3-11) Der Bericht lautet sodann: „Jesus sagte zu ihnen: ‚Ihr alle werdet wegen mir in dieser Nacht zum Straucheln kommen.‘ “ Protestierend aber erklärte Petrus, dass er niemals fallen werde, wenn auch alle andern straucheln würden. Er war seiner ziemlich sicher. Dessenungeachtet erwiderte Jesus: „In dieser Nacht, ehe ein Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ — Matth. 26:31-35, NW.
Nicht lange danach, als die Pöbelrotte kam und Christus ergriff, riss Petrus sein Schwert heraus und hieb einem ein Ohr ab. Petrus dachte, nun müsse er beweisen, dass er bereit sei, für seinen Meister zu sterben, doch handelte er dabei nicht richtig. (Joh. 18:10, 11, NW) Wenn Petrus seine Lauterkeit beweisen wollte, so gab es hierzu binnen kurzem eine dreifache Gelegenheit im Hofe des Hohenpriesters. Dreimal leugnete Petrus, und zwar überaus energisch, dass er Christus überhaupt je gekannt habe; doch als der Hahn krähte, kam er zur Besinnung, und er ging hinaus und weinte in bitterer Reue. — Matth. 26:69-75.
Kurz nach der Auferstehung Christi besuchte Petrus die leere Gruft, bestürzt und ratlos, denn er verstand nicht, was geschehen war. (Luk. 24:1-12; Joh. 20:1-10; 1. Kor. 15:3-8) Erst nachdem Jesus sich verkörpert und den Jüngern die Dinge erklärt hatte, verstanden sie die Auferstehung Christi völlig. Bei einer solchen Gelegenheit fragte Jesus Petrus, ob er ihn liebe. „Ja, Meister, du weisst, dass ich dir herzlich zugeneigt bin“, antwortete Petrus. Dreimal stellte Jesus die Frage, und jedes Mal, als Petrus dem Herrn versicherte, dass er ihn wahrhaft liebe, gebot Jesus, es zu beweisen, indem er des Herrn „junge Lämmer“ und „Schäflein“ weide. — Joh. 21:1-17, NW.
EINE APOSTOLISCHE LAUFBAHN VOLL TÄTIGKEIT
All diese Schulung und Disziplinierung erhielt Petrus nicht ohne bestimmten Zweck. Viel Arbeit lag vor ihm. Er war einer von jenen, zu denen Christus gesagt hatte: „Ihr werdet Zeugen sein von mir, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis zum entferntesten Teil der Erde.“ (Apg. 1:8, NW) Auch die besondere Verantwortlichkeit des Aposteltums ruhte auf den starken Schultern dieses „Menschenfischers“, und in dieser Eigenschaft ordnete Petrus an, dass ein anderer erwählt werde, den Platz des gesetzlosen Judas einzunehmen. — Apg. 1:15-26.
Und dann gab es noch die Schlüssel der Erkenntnis, die Petrus anvertraut wurden. Der erste wurde zu Pfingsten benutzt. Ein grosses Geräusch gleich dem Rauschen des Windes, Zungen von Feuer auf den Häuptern jener Versammelten, dann eine bestürzte und verwirrte Menge Menschen vieler Nationalitäten, die sich versammelten, um das Evangelium in ihren eigenen Sprachen zu hören — welche Bedeutung hatte all dies? Petrus stand auf und schloss mit dem ersten „Schlüssel“ geschickt ihr Verständnis auf, indem er ausrief: „Bereuet, und lasst euch ein jeder taufen“, und „Lasst euch retten aus dieser verdrehten Generation“. Die Türe der Gelegenheit öffnete sich so, und etwa 3000 Juden traten ein und wurden getauft. — Apg. 2:1-41, NW.
Angefeuert durch heiligen Geist, gebrauchte Petrus seine Wundergaben des Heilens und Kräfte der Wahrnehmung, um andere zu überzeugen, dass Jehova Gott ist, und dass dessen Hauptvermittler und Austeiler des Lebens der auferstandene Christus ist. Unerschrocken predigte er und wirkte Wunder an öffentlichen Stätten, indem er jede Art Krankheit heilte, auch Lahme, und selbst Tote auferweckte. (Apg. 3:1-16; 5:12-16; 9:32-42) Drohungen, Verhaftungen, Auspeitschungen und Verfolgung von seiten der neidischen und bösen Klasse der Geistlichkeit brachten ihn nicht zum Stillstand. Als geboten wurde, nicht mehr zu predigen, sagte Petrus zum religiösen Gericht: „Ob es vor Gott gerecht ist, mehr auf euch zu hören als auf Gott, möget ihr entscheiden. Wir aber, wir können nicht aufhören, von den Dingen zu reden, die wir gesehen und gehört haben.“ „Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als Menschen.“ (Apg. 4:19; 5:29, NW) Auch inmitten der Versammlung war Petrus nicht weniger eifrig, seinen Verantwortlichkeiten nachzukommen, wie zum Beispiel im Falle von Ananias und Sapphira. (Apg. 5:1-11) Wiederum, als Petrus und Johannes als Diener zu den Brüdern nach Samaria gesandt wurden, damit diese heiligen Geist empfangen möchten, und ein irregeleiteter Simon durch Bestechung apostolische Kräfte zu erlangen suchte, erklärte Petrus: „Möge dein Silber mit dir zugrundegehen.“ — Apg. 8:14-20, NW.
Es war nun hohe Zeit für Heidennationen, etwas von Jehovas Weg der Rettung zu erfahren; somit wurde der mit den „Schlüsseln“ betraute Apostel berufen, den zweiten zu gebrauchen und den Weg zu öffnen. Dies tat er, und Kornelius, der römische Soldat, und seine Hausgenossen waren die ersten Nichtjuden, welche die hohe Berufung zum himmlischen Königreich annahmen. (Apg. 10:1 bis 11:18) Kurz nachher wurde Petrus von Herodes gefangengenommen, und er wäre zu Tode gebracht worden, hätte ihn nicht Jehovas Engel durch ein Wunder in Freiheit gesetzt. (Apg. 12:1-17) Das Werk des Petrus war noch nicht beendet.
Es scheint, dass Petrus die meiste Zeit seines Lebens in jüdischen Gemeinden a u s s e r h a l b Jerusalems verbrachte, ausser wenn er von seinem Dienste unterwegs wegen einer Frage über die Beschneidung der Nichtjuden hereingerufen wurde. (Apg. 15:1-21; Gal. 2:7-9) Indes gibt es keine Spur eines Beweises, dass er je Rom erreichte, doch wissen wir, dass er in Babylon, kurz bevor er starb, zwei Briefe schrieb. (1. Pet. 5:13) In diesen zeigt er klar, dass Christus, nicht Petrus, der „Grundeckstein“ der Kirche ist. (1. Pet. 2:4-6) Nirgends erhebt er Anspruch auf das Primat oder die Unfehlbarkeit, noch spricht er von einem Nachfolger, dem er seine „Schlüssel“ gegeben hätte. Im Gegenteil, Petrus war theokratisch und gab allen Christen ein gutes Beispiel in Sanftmut, Demut und Reue sowie in Eifer und Hingabe an die Interessen der neuen Welt.