Das Verhalten religiöser Kreise, als der Meister predigte
1. Was glaubten die Essener, und wie verhielten sie sich?
AUSSER Johannes dem Täufer, der eifrig tätig war, beeinflußte eine Anzahl jüdischer Gruppen das Verhalten religiöser Kreise in Palästina zu der Zeit, als Jesus seinen Dienst antrat. Eine dieser Gruppen waren die Essener, die in den inspirierten Schriften der Apostel und Jünger Jesu nicht erwähnt werden. Diese glaubten, Gottergebenheit verlange von ihnen, daß sie den Leib kasteiten, fasteten und ein Leben der Entsagung führten, und daher erblickten sie in allem, was dem Fleisch Freude bereitete, etwas Verächtliches. Sie sonderten sich in kleinen Gemeinschaften ab. Die Essener waren keine große religiöse Bewegung, mit der Jesus, als er predigte, rechnen mußte, wiewohl sie kürzlich, zufolge der aufgefundenen Manuskripte der biblischen Bücher, der Schriftrollen vom Toten Meer, besser bekanntwurden.
2. Woran waren die Zeloten interessiert, und bei welcher Gelegenheit scheint ihr Einfluß vorhanden gewesen zu sein?
2 Dann gab es die Gruppe der Zeloten oder Nationalisten. Diese wünschten, daß ein Jude als Anführer in einem Aufstand gegen Rom aufstehe und das Joch Roms zerbreche, das ihnen aufgebürdet worden war. Galiläa war eine Brutstätte der Aufwiegelei. Dort war Jesus aufgewachsen. Einer der Jünger Jesu wurde „der Eiferer“ oder „Zelotes“ genannt, und es mag sein, daß er ein Mitglied der Zeloten-Partei gewesen war; doch benutzte er die Gelegenheit, als Jesus fünftausend Männer durch ein Wunder gespeist hatte, nicht etwa dazu, einen nationalistischen Geist, den Geist der Selbstregierung, zu entfachen. „Als nun die Leute das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll. Da nun Jesus erkannte, daß sie kommen und ihn ergreifen wollten, auf daß sie ihn zum König machten, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein.“ Diese nationalistisch eingestellten Leute wollten ihn in Auflehnung gegen die Herrschaft Roms zum König machen. Sie wollten Jesus samt seinen Wunderkräften für ihre eigenen, selbstischen Zwecke anwerben, doch weigerte sich Jesus standhaft, sich von dem Werke wegziehen zu lassen, das zu tun, ihn sein himmlischer Vater gesandt hatte. Vor Pilatus bezeugte er: „Ich bin gerade zu dem Zweck geboren worden und zu dem Zweck in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.“ — Joh. 6:14, 15, Elb; 18:37, NW; Luk. 6:15, Fußn.; Apg. 1:13.
3. Wer waren die Sadduzäer, und wie betrachteten sie Rom, die Hebräischen Schriften und die Tradition?
3 Eine dritte Gruppe waren die Sadduzäer. Zu ihr gehörten Schriftgelehrte und Mitglieder des Sanhedrins [Synedriums] und auch die zwei Oberpriester. (Joh 11:47; Apg. 5:17; 22:30; 23:6, NW) Sie interessierten sich nicht für das Kommen eines Messias, sondern für die Aufrechterhaltung des Status quo. Sie hatten mit Rom ein Zusammenarbeits-Abkommen getroffen. Sie sollten die Angelegenheiten bezüglich des Tempels handhaben, den Priesterdienst erfüllen, die Zehnten einziehen, die Beiträge im Tempel einsammeln, die Opfertiere im Vorhof der Nationen verkaufen und dort das Geldwechselgeschäft betreiben. Die Sadduzäer erkannten weder die ganzen inspirierten Hebräischen Schriften an noch die Überlieferungen der Pharisäer; tatsächlich glaubten sie nur an das Gesetz Moses.
4. Welche Antwort gab Jesus den Sadduzäern über die Auferstehung und weshalb?
4 Folglich waren es die Sadduzäer, die zu Jesus kamen und Einspruch gegen die Auferstehung erhoben, weil sie dachten, das Gesetz Moses biete für eine solche Lehre keine Grundlage. Jesus schlug sie mit Texten, mit denen sie vertraut waren, denn er zitierte aus den Schriften Moses: „Was aber die Toten betrifft, die auferweckt werden, habt ihr nicht im Buche Moses, im Bericht über den Dornbusch, gelesen, wie Gott zu ihm sagte: ‚Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs‘? Er ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Ihr irret sehr.“ (Mark. 12:18-27, NW) Das bedeutete, daß jene Verstorbenen durch eine Auferstehung wieder leben würden. Ebenso wie einige, die ein Gott entfremdetes Leben führten, von Gottes Standpunkt aus als tot bezeichnet wurden, so wurden diese Verstorbenen, die von Gott anerkannt wurden, von seinem Standpunkt aus als lebend angesehen. — Eph. 2:1; 1. Tim. 5:6; Luk. 20:38.
5. Welche Kenntnis hinsichtlich der Sadduzäer läßt sie uns als jene erkennen, die den Ruf erhoben: „Wir haben keinen König, außer dem Cäsar“?
5 Wegen des Zusammenarbeits-Abkommens, das die Sadduzäer mit Rom hatten, wünschten sie nicht, daß irgend jemand Unruhen heraufbeschwöre, so daß römische Legionen über sie herfallen und ihnen Beschränkungen auferlegen könnten. Sie wollten Jesus loswerden. Pilatus selbst wußte das und sagte zu Jesus: „Deine eigene Nation und die Oberpriester [Sadduzäer] haben dich mir überliefert.“ Somit waren sie es, die aus seinem Fall eine Streitfrage bezüglich der Loyalität gegenüber dem Cäsar machten. „Wenn du diesen Mann losgibst, bist du nicht des Cäsars Freund. Jedermann, der sich selbst zum König macht, spricht gegen den Cäsar.“ Und als Pilatus fragte, ob er ihren König an den Pfahl bringen sollte, brachen die Oberpriester oder Sadduzäer in die Worte aus: „Wir haben keinen König, außer dem Cäsar.“ — Joh. 18:35; 19:12-16, NW.
SCHRIFTGELEHRTE UND PHARISÄER
6. Wer waren die Schriftgelehrten?
6 Einige der Schriftgelehrten waren Sadduzäer; die meisten aber waren Pharisäer, und ohne Zweifel nahm Jesus im 23. Kapitel von Matthäus deshalb so oft auf Schriftgelehrte und Pharisäer zusammen Bezug. Die priesterlichen Schriftgelehrten lasen das Gesetz, schrieben es ab, lehrten und deuteten es. Sie zeigten, wie es im täglichen Leben angewandt werden sollte. — Matth. 23:2, 13, 15, 23, 25, 27, 29.
7. Was glaubten die Pharisäer?
7 Die Pharisäer, die Verfechter religiöser Traditionen, dachten, man könne nur dadurch errettet werden, daß man die Überlieferungen oder das sogenannte mündliche Gesetz halte. Sie blickten dem Kommen des Messias auf ihre eigene Weise entgegen. Sie erkannten alle Hebräischen Schriften an, doch fügten sie ihnen mündliche Überlieferungen bei. Sie wollten sich von den Römern getrennt halten, weil sie dachten, sie würden von dem Umgang mit ihnen befleckt. Auch dachten sie, ihr Sinn werde befleckt, wenn sie mit dem gewöhnlichen Volke Umgang pflegten, das die mündlichen Überlieferungen nicht beachtete.
8. Warum beschwerten sich die Pharisäer, daß Jesu Jünger ihre Hände nicht wuschen, bevor sie aßen?
8 Weil die Pharisäer an den Traditionen hingen, überrascht es uns nicht, zu finden, daß sie es waren, die Jesu Jünger bei ihm anklagten: „Sie waschen ihre Hände nicht, wenn sie Brot essen.“ Diese Anklage erfolgte nicht aus sanitären Gründen, sondern zur Verteidigung der Traditionen, von denen Jesus sagte, sie hätten ‚das Wort Gottes ungültig gemacht‘. (Matth. 15:1-6; Mark. 7:1-8) Die Überlieferung des Händewaschens hatte im Laufe der Zeit eine Entwicklung erfahren. Zuerst pflegte man das Ritual, vor Mahlzeiten die Hände zu waschen. Dann wusch man sie vor und nach den Mahlzeiten, und später wuschen sich die strengeren Anbeter die Hände noch zwischen den einzelnen Gängen. Für gewisse Speisen mußte man die Hände vollständig untertauchen, und für andere mußte man sich die Hände mit besonderem Wasser begießen, das über die Handgelenke hinabfloß. Dieses Wasser betrachtete man dann als schmutzig, und wenn davon etwas auf die Hände zurückfloß, mußten diese, um das schmutzige Wasser abzuwaschen, von neuem gewaschen werden. Der Talmud weist auf die Strafe für den hin, der das nicht tut: „Wer das Händewaschen leichtnimmt, wird von der Erde verschwinden.“ Man bemühte sich emsig, die Hände zu waschen, kam aber nie dazu, das Herz zu reinigen!
9. Weshalb beschwerten sich die Pharisäer, daß Jesu Jünger am Sabbat Ähren pflückten, und was waren einige ihrer Sabbatvorschriften?
9 Wer führte Klage gegen das Pflücken von Ähren und das Essen der Körner am Sabbath? In Matthäus 12:2 finden wir die Antwort: „Als aber die Pharisäer es sahen, sprachen sie zu ihm: Siehe, deine Jünger tun, was am Sabbath zu tun nicht erlaubt ist.“ Ihre Überlieferungen bezüglich des Sabbats veranlaßten sie, Einspruch dagegen zu erheben. Der Sabbat war ein heikles Thema, und der Talmud umfaßt zwei große Bände bezüglich Sabbatvorschriften. Zum Beispiel durfte man sich am Sabbat nicht die Fingernägel abreißen. Eine Frau durfte nicht in einen Spiegel blicken, da sie vielleicht ein graues Haar entdeckte und es dann ausriß, und das hätte Arbeit bedeutet. Man durfte keine falschen Zähne benutzen, weil sie hinausfallen konnten, und sie am Sabbat aufzuheben bedeutete, eine Last zu tragen. Ein Pflaster durfte man nur dann auf einer Wunde tragen, wenn es verhinderte, daß sie schlimmer wurde; wenn es die Heilung der Wunde verursachte, bedeutete dies unerlaubte Arbeit. Ein Knochenbruch durfte am Sabbat nicht behandelt werden, es sei denn, das Leben des Betreffenden selbst stand auf dem Spiel. Das Ei, das ein Huhn am Sabbat gelegt hatte, durfte nicht gegessen werden, es sei denn, das Huhn wurde nicht als Leghuhn gehalten, sondern als Masthuhn — dann durfte das von ihm gelegte Ei gegessen werden; denn man betrachtete es lediglich als ein Stück der Henne, das herabgefallen sei!
DAS „VOLK DES LANDES“
10. Wer waren die am ha-arets, und wie wurden sie von religiösen Juden angesehen?
10 Der hebräische Ausdruck am ha-arets bedeutet „Volk des Landes“. (Jer. 1:18) Dieses Volk wurde gleich dem Schutt unter den Füßen der Pharisäer behandelt, und die Sadduzäer hatten natürlich nichts mit ihm zu tun, denn sie schauten auf alle hinab. Die am ha-arets waren arme Arbeiter, die das Gesetz oder die Traditionen weder kannten noch hielten. Sie sagten die formellen Gebete nicht her, noch hatten sie nach religiösem Brauch Fransen an ihren Gewändern, noch trugen sie bei Andachtsübungen Gebetsriemen, noch schulten sie ihre Söhne in den Traditionen, wie es die strenggläubigen Juden taten. Die Rabbis haßten sie und schlossen sie aus der Gemeinschaft aus. Ein gewisser Rabbi bestritt, daß sie überhaupt die Hoffnung auf eine Auferstehung hätten, und Rabbi Hillel sagte: „Kein am ha-arets ist wahrhaft religiös.“ Ein frommer Jude ließ nicht zu, daß seine Tochter einen solchen heiratete. Ihre Ansicht war: „Niemand verbinde sich mit Sündern, selbst dann nicht, um sie der Thora näherzubringen.“ Als die religiösen Leute dagegen Einspruch erhoben, daß Jesus mit Sündern verkehre, meinten sie zweifellos auch diese Klasse.
11. Was empfand Jesus den am ha-arets gegenüber?
11 Jesus berücksichtigte die am ha-arets-Klasse der Sünder. „Ich bin gekommen, nicht um Gerechte zu rufen, sondern Sünder“, sagte Jesus, wenn die selbstgerechten Pharisäer dagegen Einspruch erhoben, daß er sich mit diesen Tiefstehenden einließ. Jesus fühlte sich zu ihnen hingezogen. „Als er die Volksmengen sah, empfand er eine zarte Zuneigung zu ihnen; denn sie waren zerschunden und umhergestoßen worden wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Diese Leute, die lange übersehen worden waren, gingen auf das ein, was Jesus predigte. Sie verhielten sich dem Gesetz Jehovas gegenüber nicht gleichgültig, aber die unmöglichen Überlieferungen der Ältesten waren das, was diese arbeitenden Leute nicht halten konnten. — Matth. 9:13, 36, NW.
12. Wieso erkennen wir durch diesen Aufschluß die Lage besser, die in Lukas 15:1-10 beschrieben worden ist?
12 In Anbetracht der Sachlage können wir den Bericht in Lukas 15:1-10 besser verstehen: „Es nahten … zu ihm … Sünder, ihn zu hören; und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt Sünder auf und isset mit ihnen.“ Als Antwort darauf erzählte Jesus von einem Mann, der hundert Schafe besaß. Als sich ein Schaf verirrt hatte, verließ er die neunundneunzig, um das eine zu suchen, das verlorengegangen war, und als er es gefunden hatte, freute er sich sehr. Darauf sagte Jesus treffend: „Ich sage euch: Also wird Freude im Himmel sein über e i n e n Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, welche der Buße nicht bedürfen.“ Er versetzte sich hier auf den Standpunkt der Pharisäer, die dachten, als Gerechte in der Hürde Gottes in Sicherheit zu sein. Daher suchte er nach den verlorenen Schafen, den Sündern, und er sagte, es werde mehr Freude über die Rückkehr eines Sünders geben als über die neunundneunzig Selbstgerechten, die glaubten, sie brauchten nicht errettet zu werden. Um diesen Punkt doppelt stark hervorzuheben, gab er die Veranschaulichung von der Frau mit zehn Münzen, die eine davon verlor und sie dann eifrig suchte, bis sie sie gefunden hatte, worauf sie sich sehr über diese eine freute, da ihr Satz Münzen dadurch wieder vollständig war. Die verlorene Münze, das verlorene Schaf, die am ha-arets-Klasse inbegriffen, die verloren ist, es weiß und errettet zu werden sucht — diese interessierte Jesus und bereitete Jehova Freude, als sie zurückgeholt worden war. Gott interessierte sich nicht für die selbstgerechten Schriftgelehrten und Pharisäer, die keine Reue über ihre Sünden bekundeten, indem sie sich solcher gar nicht bewußt waren.
13. Welche absurden Ansichten hatten die Pharisäer über ihre Traditionen und Gottes Wort?
13 Warum sollten Jehova und Jesus an den Verfechtern der Tradition Freude haben? Die Traditionen der Schriftgelehrten und Pharisäer machten Gottes Wort ungültig, und doch dachten diese so hoch von diesen Überlieferungen, daß sie lächerlich wirkten. Sie sagten, das geschriebene Gesetz sei wie Wasser, die Traditionen aber wie Wein. Sie erklärten, Gott verbringe den ganzen Tag damit, das geschriebene Wort zu studieren, und die ganze Nacht, um die mündlichen Traditionen zu studieren. Kannst du dir das vorstellen?
BLOSSSTELLUNG DER HEUCHLER
14. Wie bürdeten die Schriftgelehrten und Pharisäer anderen schwere Lasten auf, und auf welche Weise hinderten sie das Volk daran, in das Königreich einzugehen?
14 Ist es da verwunderlich, daß Jesus die scharfen Worte sprach, die wir im 23. Kapitel von Matthäus aufgezeichnet finden? „Sie binden schwere Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen; aber sie selbst wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen.“ Diese Lasten waren die mündlichen Traditionen, die zu halten eine große Last bedeutete, und sie hätten keine einzige kleine Vorschrift aufgehoben, um die Sache leichter zu machen. Sie hatten sich zu Lehrern des Volkes gemacht, doch statt des Volkes Aufmerksamkeit auf das Königreich Gottes zu lenken, entmutigten sie es, indem sie auf lästigen Traditionen bestanden. Als Jesus darauf etwas tat, was sie zu tun verfehlt hatten, gerieten sie in Zorn und suchten das Volk gegen ihn aufzuhetzen. Mit Recht sagte Jesus: „Ihr verschließt das Königreich der Himmel vor den Menschen; denn ihr selbst geht nicht hinein, noch laßt ihr jene hineingehen, die sich auf dem Wege dorthin befinden.“ — Matth. 23:4, 13, NW.
15. Was zeigt, daß die Pharisäer und Schriftgelehrten nur an dem äußeren Schein der Dinge interessiert waren?
15 „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! weil ihr den Zehnten gebt von der Minze, dem Dill und dem Kümmel; aber ihr habt die schwerwiegenderen Dinge des Gesetzes mißachtet, nämlich Recht und Barmherzigkeit und Treue. Diese Dinge hättet ihr tun, die anderen jedoch nicht außer acht lassen sollen. Blinde Leiter, die ihr die Mücke aussiebt, aber das Kamel hinunterschluckt!“ Sie waren derart mit kleinen Dingen beschäftigt, daß sie nie zu der wichtigeren Sache der wahren Anbetung kamen. Obwohl sie äußerlich den Schein wahrten, verfehlten sie doch, entsprechend zu handeln. „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, inwendig aber sind sie angefüllt mit Raub und Unenthaltsamkeit. Du blinder Pharisäer! reinige zuerst das Innere des Bechers und der Schüssel, damit auch ihr Äußeres rein werde.“ Sie schauten auf den äußeren Schein, aber Gott blickte auf das Herz. Während sie äußerlich viel Frömmigkeit an den Tag legten, ermangelten sie bedenklich der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit und Treue. — Matth. 23:23-26, NW.
16. Welche Bilder zeigen den Gegensatz zwischen denen, die äußerlich als gut erscheinen, und denen, die tatsächlich innerlich gut sind?
16 Ein kostbarer Stein mag glanzlos aussehen, doch ist er inwendig gut. Wenn man ihn reibt und schleift, beginnt er zu funkeln. Wenn auch das rauhe, unpolierte Äußere gewöhnlich aussieht, liegt sein Wert doch unter der Oberfläche. Andrerseits mag die Tünche das Aussehen eines alten Holzhauses heben, doch braucht man nur ganz wenig zu scheuern, und die alten Bretter kommen zum Vorschein. Ebenso verhält es sich mit den Menschen. Jehova ist nicht an denen interessiert, die ein frommes Äußeres zur Schau tragen. Wenn man sie „scheuert“, das heißt etwas reizt, und wenn etwas nicht nach ihrem Willen geht oder wenn sie sich ändern müssen, sieht man erst, was sie in ihrem Innern sind. Man erkennt dann, wie leicht sie gereizt sind, und der innere, eigentliche Mensch kommt zum Vorschein. Wenn Jehova die Kostbarkeiten aus allen Nationen heraussammelt, gilt sein Interesse den Menschen, die mit kostbaren Steinen verglichen werden. Je mehr Reibung, Verfolgung, Schmähung und Bedrückung jene Christen, die einen rechten Herzenszustand haben, auf sich nehmen müssen, desto mehr schimmert ihre Lauterkeit durch, desto strahlender widerspiegeln sie die Herrlichkeit Jehovas und desto blendender widerlegen sie die Lüge Satans, daß Menschen in Prüfungen an ihrem Glauben nicht festhalten. — Hag. 2:7, Me.
17. Was läßt uns die Heuchelei der Schriftgelehrten und Pharisäer in bezug auf Jehovas Propheten erkennen?
17 „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! denn ihr baut die Gräber der Propheten und schmückt die Gedächtnisgrüfte der Gerechten, und ihr sprecht: ‚Hätten wir in den Tagen unserer Vorfahren gelebt, so hätten wir uns nicht mit ihnen am Blute der Propheten schuldig gemacht.‘“ Aber gerade diese Heuchler töteten den größten aller Propheten, Jesus Christus! Sie bauten den Propheten gerne Grabmäler und schmückten diese, um die Aufmerksamkeit auf die von ihnen geübte Wohltätigkeit zu lenken, doch wehe dem lebenden Propheten, der es wagte, ihre Heuchelei bloßzustellen! — Matth. 23:29, 30, NW.
DAS VERHALTEN HEUTIGER RELIGIÖSER KREISE
18. Was zeigt, daß dieselben religiösen Typen auch heute vorhanden sind?
18 Die gleiche Art von Leuten wie im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung gibt es auch heute. Einige sondern sich in religiösen Gebäuden ab, fasten und kasteien ihren Leib, in der Annahme, diese Askese sei Gottergebenheit, wie das einst die Essener taten. Andere sind Superpatrioten. Sie blicken zu menschlichen Herrschern und Nationen auf, als seien diese Gottes Werkzeuge, und möchten die Dinge selbst in die Hände nehmen und nach ihrer Art Frieden schaffen, wie es die Zeloten taten. Die Sadduzäer suchten sich nur einen gewissen Teil aus den Hebräischen Schriften heraus und legten das übrige beiseite; die religiösen Modernisten der Neuzeit tun dasselbe. Gleich den Sadduzäern, wünschen sie bei menschlichen Regierungen in Gunst zu stehen. Aber wenn du mit Gott wandelst, kannst du kein Teil der alten Welt sein, wie es die Modernisten sind. Auch gibt es heute Traditionsanhänger gleich den Pharisäern. Einige halten an religiösen Überlieferungen fest, die aus dem alten Heidentum übernommen worden sind, und andere haben — außer dem, was sie aus dem Heidentum entlehnten — ihre eigenen Traditionen aufgebaut. Religiöse Fundamentalisten der Gegenwart gehören zu dieser Kategorie. Ihre Traditionen hinsichtlich der Dreieinigkeit, Unsterblichkeit der Seele, Qual für Sünder, des Gebrauchs von Götzenbildern und viele weiteren machen die einfachen Wahrheiten der Bibel ungültig, gleichwie einst die Überlieferungen der Schriftgelehrten und Pharisäer.
19. (a) Welche Klasse läßt sich mit dem am ha-arets vergleichen, und wie reagieren religiöse Führer? (b) Welche Erfahrungen machen die einst Vernachlässigten, wenn sie sich mit der Neuen-Welt-Gesellschaft verbinden?
19 Ferner gibt es heute Leute gleich den am ha-arets oder dem damaligen „Volk des Landes“. Es sind aufrichtige Menschen, die von den Religionssystemen der Christenheit nicht richtig belehrt worden sind, die aber hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Hauptsächlich solche suchen Jehovas Zeugen aus Liebe auf, und sie finden manche hörende Ohren. Gleich wie die Pharisäer über jene spotteten, die auf Jesus hörten und sagten: „Seid ihr denn auch verführt? Hat wohl jemand von den Obersten an ihn geglaubt, oder von den Pharisäern? Diese Volksmenge aber, die das Gesetz nicht kennt, sie ist verflucht!“, so spotten heute religiöse Führer darüber, daß jemand auf Jehovas Zeugen hört. Sie sagen, daß nur die niedrigen, ungebildeten Volksklassen auf sie hören. Sie haben Unrecht, wie schon die Pharisäer Unrecht hatten, denn einige der Obersten und Pharisäer hörten tatsächlich auf Jesus und folgten ihm. (Joh. 3:1, 2; Apg. 4:36, 37; 6:7) Die Mehrzahl derer, die auf die Botschaft horchen, gehören allerdings zu der vernachlässigten Klasse, doch wenn sie den Fußstapfen Jesu zu folgen beginnen und sich mit der Neuen-Welt-Gesellschaft verbinden, werden sie nicht mehr vernachlässigt. Liebevoll wird ihnen zu einer genauen Erkenntnis des Wortes Gottes verholfen und, wenn notwendig, wird ihnen sogar das Lesen beigebracht, damit sie die Bibel studieren können. Sie erkennen, daß Jehovas Zeugen, so wie damals Jesus, anders predigen als andere. Ganz verschieden von den neuzeitlichen Pharisäern und Sadduzäern mit ihren Traditionen und ihrem Modernismus, verlassen sie sich auf die Autorität der Bibel. — Joh. 7:47-49.
20. (a) Welchen Lauf sollten wir heute klugerweise verfolgen, doch was sollten wir vermeiden? (b) Wie können wir uns an einem Werk geistigen Heilens beteiligen?
20 Als wahre Nachfolger Jesu müssen wir in seinen Fußstapfen wandeln, müssen Heuchelei und Gott entehrende Überlieferungen meiden und treulich die Aufmerksamkeit der Menschen, die sich ihrer geistigen Bedürfnisse bewußt sind, auf Gottes Königreich lenken. Niemals dürfen wir den Anhängern der falschen Religion der Tage Jesu gleich werden, die die Dinge nur auf ihre eigene Weise tun wollten und nicht die Anbetung ausübten, die Jehova Gott annehmbar war. Natürlich sind wir nicht imstande, Jesu Wunderheilungen nachzuahmen und die Toten aufzuerwecken, doch können wir uns an einem Werke geistigen Heilens beteiligen. Wir können die biblische Wahrheit in den Sinn eines empfänglichen Menschen legen und sie seinem Herzen einprägen, und der in seinem Sinn umgewandelte Mensch wird seine Füße zum Dienste Gottes hinlenken, Füße, die einst lahm waren, was den Wandel mit Gott betrifft! Augen, die für seine Wahrheit einst blind waren, werden wahrnehmen, Ohren, die für seine Botschaft einst taub waren, werden hören, Körper, die durch geistige Krankheit einst „aussätzig“ waren, werden rein werden, und Personen, die einst tot waren in Vergebungen und Sünden, können zu geistigem Leben und zur Tätigkeit auferweckt werden, so daß sie zu einem Glauben gelangen, der nicht mehr tot ist, sondern sich durch Tätigkeit und Werke im Dienste Jehovas als lebendig erweist.
21. Auf welche Weise sollten wir uns bemühen, dem von Jesus gegebenen Vorbild genau zu folgen?
21 Jesus hinterließ „euch ein Beispiel … damit ihr seinen Fußstapfen genau nachfolgt“. (1. Pet. 2:21, NW) So wie ein Baumeister seine Pläne in allen ihren Einzelheiten sorgfältig nachprüft, müssen wir Jesu Dienst studieren, um Jesus genau nachahmen zu können. Wir sollten danach streben, die Menschen, denen wir Zeugnis geben, zu verstehen, ihre Bedürfnisse zu erkennen, die Botschaft unter Verwendung passender Bilder kraftvoll und deutlich darzulegen und den Schafen mit inniger Liebe zu begegnen, so wie Jesus es tat. Laßt uns furchtlos bemüht sein, die Wahrheit zu allen zu reden und den Niedrigstehenden mit Geduld beizustehen! Wenn wir beständig auf uns selbst und auf unser Lehren achtgeben, wird sich das zu unserer eigenen Rettung wie auch zur Rettung derer auswirken, die auf uns hören. — 1. Tim. 4:16. NW.