Deine Seele, dein Geist und das Jenseits
DU KENNST vielleicht das Gefühl innerer Leere, das einen nach dem Verlust eines geliebten Menschen beschleicht. Wie tieftraurig und völlig hilflos sind die meisten Menschen, wenn ihnen so etwas widerfährt. Es ist ganz natürlich, daß man sich dann fragt: Was geschieht mit dem Menschen nach dem Tod? Besteht wirklich die Hoffnung, daß die Toten wieder leben werden? Die Bibel enthält eine trostreiche Antwort auf diese Fragen.
Einfach ausgedrückt: Tod ist das Gegenteil von Leben. Als Gott den ersten Menschen, Adam, wegen seines vorsätzlichen Ungehorsams verurteilte, sagte er: ‘Du wirst zur Erde zurückkehren, denn davon bist du genommen. Denn Staub bist du und zum Staube wirst du zurückkehren!’ (1. Mose 3:19) Man überlege jetzt einmal: Wo war Adam, bevor Gott ihn aus dem Staub der Erde bildete und ihm Leben gab? Er existierte vorher einfach nicht. Bei seinem Tod kehrte er wieder zu diesem Zustand der Nichtexistenz zurück. Er kam weder in eine Feuerhölle, noch wurde ihm himmlische Seligkeit zuteil, sondern er starb, so wie Gott es gesagt hatte. — 1. Mose 2:17.
Die Bibel lehrt deutlich, daß sich die Toten im Grab befinden, daß sie ohne Bewußtsein und ohne Leben sind. Man beachte, was in Prediger 9:5, 10 (Lu) über den Zustand der Toten gesagt wird: „Denn die Lebenden wissen, daß sie sterben werden, die Toten aber wissen nichts; sie haben auch keinen Lohn mehr, denn ihr Andenken ist vergessen. Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu; denn bei den Toten, zu denen du fährst, gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit.“ Das bedeutet, daß die Toten nichts mehr tun und nichts mehr empfinden können. Ihr Denken hat aufgehört, wie folgender Bibeltext zeigt: „Vertrauet nicht auf Fürsten, auf Menschenkinder, die nicht helfen können! Es fährt aus ihr Geist, und sie kehren zurück zu ihrer Erde; am selben Tage vergehen alle ihre Gedanken.“ — Ps. 145:2-4, Al.
HAT DER MENSCH EINE UNSTERBLICHE SEELE?
Aber wie steht es mit der Seele? Ist sie nicht eine selbständige Substanz im Menschen, die im Tod den Leib abstreift und weiterlebt? Um diese Frage richtig beantworten zu können, müssen wir ermitteln, was die Seele ist.
Du magst überrascht sein, zu erfahren, daß in den inspirierten Schriften Tiere und Menschen als „Seelen“ bezeichnet werden. In 4. Mose 31:28 wird von einer „Seele [hebräisch nephesch] von fünfhundert, von den Menschen und von den Rindern und von den Eseln und vom Kleinvieh“, gesprochen. Man beachte, daß hier Menschen und Tiere als Seelen bezeichnet werden. Wenn du eine Bibel mit Fußnoten oder Randbemerkungen hast, wirst du, wenn du 1. Mose 1:20 aufschlägst, feststellen, daß Fische, Vögel und Landtiere zu den „lebendigen Seelen“ gerechnet werden, denn in der Fußnote oder Randbemerkung zu diesem Text steht statt „Wesen“ „Seele“. — Siehe auch Offenbarung 16:3, wo das griechische Wort psyché mit Seele wiedergegeben ist.
Was ist denn die Seele? Wir wollen einmal sehen, was das geschriebene Wort des Schöpfers darüber sagt. In 1. Mose 2:7 lesen wir: „Und Jehova Gott bildete den Menschen, Staub von dem Erdboden, und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens; und der Mensch wurde eine lebendige Seele.“
Man beachte bitte, daß es vom Menschen heißt, nachdem Gott bewirkt hatte, daß er zu atmen begann, „und der Mensch wurde eine lebendige Seele“. Der Mensch war somit eine Seele, genauso wie jemand, der Arzt wird, danach Arzt ist. (1. Kor. 15:45) Da die menschliche Seele der Mensch selbst ist, kann sie keine geistige Substanz im Menschen sein, die getrennt vom Körper leben kann.
In Übereinstimmung mit dieser Tatsache zeigt die Bibel deutlich, daß die Menschenseele physische Eigenschaften besitzt. Die Bibel spricht zum Beispiel davon, daß die Seele ein Verlangen nach physischer Nahrung habe. Sie sagt: „... weil deine Seele Fleisch zu essen begehrt.“ (5. Mose 12:20; siehe auch 3. Mose 17:12, Fußnote) Ferner läßt sie erkennen, daß die Seelen Blut haben, das durch ihre Adern kreist, denn sie spricht vom „Blut von Seelen unschuldiger Armer“. (Jer. 2:34, Fußnote) Ja, deine Seele, das bist in Wirklichkeit du, mit allen deinen körperlichen und geistigen Eigenschaften. — Spr. 2:10.
Wie steht es jedoch mit Texten, in denen Ausdrücke verwandt werden wie „meine Seele“ oder die von der Seele einer Person sprechen, als würde die Seele dieser Person innewohnen? Diese Texte müssen natürlich in Übereinstimmung sein mit den bereits besprochenen Bibeltexten, denn in Gottes Wort sind Widersprüche unmöglich. Sie zeigen jedoch, daß das Wort „Seele“ in verschiedenem Sinne gebraucht werden kann. Manchmal bezieht es sich auf uns selbst als Seele. Anstatt zu sagen „ich“, kann man sagen „meine Seele“, beides bedeutet im Grunde genommen dasselbe. So schrieb der Psalmist: „Vor Traurigkeit zerfließt in Tränen meine Seele.“ — Ps. 119:28.
„Seele“ kann sich auch auf das Leben, das man als lebende Seele oder Person hat, beziehen. Wir können von jemand sagen, er sei am Leben; damit meinen wir, er sei eine lebende Person. Man kann aber auch sagen, er habe Leben, und damit meinen, er, als Person, habe Leben. Ähnlich verhält es sich mit „Seele“. Gemäß der Bibel ist der Mensch eine Seele; aber solange er lebt, kann man sagen, er „habe Seele“.
Genauso, wie wir sagen können, jemand verliere sein Leben, so können wir sagen, er verliere seine Seele. Jesus erklärte: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber dabei seine Seele verliert?“ (Matth. 16:26, Perk) Als Rahel Benjamin zur Welt brachte, mußte sie bei der Geburt schwer leiden, und schließlich entfloh ihr die Seele (Seele im Sinne von Leben), denn sie mußte sterben. (1. Mose 35:16-19, Me) Sie hörte auf, eine lebende Person zu sein, und wurde ein Leichnam. Als der Prophet Elia ein Wunder wirkte und ein totes Kind wieder ins Leben zurückrief, kehrte die Seele des Kindes (Seele im Sinne von Leben) wieder in das Kind zurück, und „es wurde wieder lebendig“. Es war wieder eine lebende Seele. — 1. Kö. 17:17-23.
Was geschieht mit einer Seele, wenn der Tod eintritt, da die Seele doch die Person selbst ist? Die Bibel sagt sehr deutlich, die Seele sei dem Tod unterworfen. Wir lesen: „Die Seele, welche sündigt, die soll sterben.“ (Hes. 18:4, 20) Der Apostel Petrus zitierte aus Mose Schriften folgende Worte über Jesus, den Propheten, der kommen sollte: „In der Tat, jede Seele, die auf diesen Propheten nicht hört, wird aus der Mitte des Volkes ausgerottet werden.“ (Apg. 3:23) Die Bibel stimmt durchweg mit dieser grundlegenden Wahrheit überein, indem sie in keinem einzigen ihrer Verse sagt, daß Menschen- oder Tierseelen unsterblich oder unvergänglich seien oder daß man sie nicht vernichten könne oder daß sie nicht zugrunde gehen könnten. Es gibt jedoch Dutzende von Bibeltexten, die zeigen, daß die Seele sterben oder getötet werden kann. (3. Mose 23:30; Jak. 5:20) Sogar über Jesus Christus sagt die Bibel: „Er [hat] seine Seele ausgeschüttet ... in den Tod.“ (Jes. 53:12) Wir sehen somit, daß die Menschenseele die Person selbst ist, und wenn die Person stirbt, so stirbt die Menschenseele.
Viele Menschen verstehen nicht richtig, was beim Eintritt des Todes geschieht, weil sie die Bedeutung der Wörter „Seele“ und „Geist“ nicht richtig verstehen. Wie wir sehen werden, geht aus der Bibel hervor, daß Seele und Geist nicht ein und dasselbe ist.
WAS IST DER GEIST IN LEBENDEN GESCHÖPFEN?
Aus Hiob 34:14, 15 erfahren wir, daß der Mensch (oder auch jedes andere irdische Geschöpf mit Empfindungsleben) zweierlei benötigt, um zu leben und um am Leben bleiben zu können: Geist und Odem oder Atem. Wir lesen dort: „Wenn er [Gott] sein Herz nur auf sich selbst richtete, seinen Geist [hebräisch ruach] und seinen Odem [hebräisch neschamáh] an sich zurückzöge, so würde alles Fleisch insgesamt verscheiden, und der Mensch zum Staube zurückkehren.“ Auch wird in der Bibel von Jehova Gott gesagt: „... der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen.“ — Jes. 42:5, Lu.
Wir wissen, daß Gott den ersten Menschen aus „Staub von dem Erdboden“ bildete, das heißt aus den vom Erdboden stammenden Elementen. Als Gott Adam schuf, bewirkte er, daß die Milliarden Zellen seines Körpers lebten, daß Lebenskraft in ihnen war. Mit dem Wort „Geist“ (ruach) ist diese wirksame Lebenskraft gemeint. Aber damit die Lebenskraft in den Milliarden Zellen des Körpers Adams erhalten blieb, benötigten sie Sauerstoff, und dieser sollte ihnen durch die Atmung geliefert werden. Deshalb hauchte Gott als nächstes ‘Odem [neschamáh] des Lebens in seine Nase’. Darauf begann Adams Lunge zu arbeiten, und durch die Atmung blieb die Lebenskraft in seinen Körperzellen erhalten. — 1. Mose 2:7.
Das war ein ähnlicher Vorgang wie bei gewissen Neugeborenen. Manchmal kommt es vor, daß ein Neugeborenes zwar lebt, aber nach der Geburt nicht zu atmen beginnt. Der Arzt muß dem Kind dann einige Klapse geben, damit es anfängt zu atmen, denn würde es nicht atmen, so würde es bald sterben. Auch das Leben in Adams Körperzellen mußte durch den Vorgang der Atmung erhalten werden, sollte sich Adam seines Daseins als lebende Person erfreuen können.
Die Menschenseele ist nichts anderes als die lebende Person selbst, und der Geist ist die Lebenskraft, die dieser Person ermöglicht zu leben. Der Geist ist kein persönliches Wesen, er kann auch nicht tun, was eine Person tun kann: Er kann nicht denken, nicht reden, nicht hören, nicht sehen und nicht fühlen. In dieser Hinsicht könnte man ihn mit dem elektrischen Strom einer Autobatterie vergleichen. Der Strom kann bewirken, daß sich der Treibstoff entzündet, so daß der Motor Kraft erzeugt, daß die Scheinwerfer aufleuchten, daß die Hupe ertönt und daß das Autoradio spielt. Könnte der von der Batterie gelieferte Strom diese Wirkungen ohne Motor, Scheinwerfer, Hupe und Radio erzeugen? Nein, denn er ist nur die Kraft, die es ermöglicht, daß der Motor und diese elektrischen Ausrüstungen funktionieren können.
Dieser Geist oder diese Lebenskraft ist in allen lebenden Geschöpfen vorhanden und wird bei der Zeugung von den Eltern auf die Nachkommen übertragen. Gott sagte zu Noah, er werde eine Wasserflut kommen lassen, „um alles Fleisch“ — der Tiere und der Menschen —, „in dem die wirksame Kraft [ruach, Geist] des Lebens ist“, zu verderben. — 1. Mose 6:17, NW, Fußnote, Ausgabe 1953; siehe auch 7:15, 22, Kautzsch, Fußnote.
Da Mensch und Tier diese Lebenskraft oder diesen Geist besitzen, stirbt der Mensch ebenso wie das Tier. Deshalb heißt es in Prediger 3:19, 20, Rießler, Storr: „Denn Menschenlos und Los der Tiere: Ein und dasselbe Los besitzen beide. Wie diese sterben, sterben jene; sie haben alle einen und denselben Geist [ruach]. ... Sie alle beide gehen an e i n e n Ort; sie alle beide sind aus Staub, und alle beide werden wieder Staub.“
Gott ist der Lebengeber; deshalb sagt sein Wort, daß beim Tod des Menschen „der Staub zur Erde zurückkehrt, so wie er gewesen, und der Geist zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat“. (Pred. 12:7) Wenn der Mensch stirbt, verläßt die Lebenskraft nach und nach alle Körperzellen, und dann geht der Körper in Verwesung über. Alles Denken und Handeln hat aufgehört. (Ps. 104:29) Wie ‘kehrt der Geist zu Gott zurück, der ihn gegeben hat’? Verläßt die Lebenskraft buchstäblich die Erde und durcheilt den Weltraum, um in die Gegenwart Gottes zu gelangen? Nein, sondern die Worte ‘er kehrt zu Gott zurück’ bedeuten, daß es ganz von Gott abhängt, ob diese Person wieder leben wird oder nicht. Nur Gott kann den Geist wieder geben, der bewirkt, daß diese Person wieder lebt.
Es gibt Menschen, die sich vor den Toten fürchten und den verstorbenen Ahnen opfern, um sie zu besänftigen. Es ist indessen trostreich zu wissen, daß die Toten den Lebenden keinen Schaden zufügen können, weil sie ja ohne Bewußtsein sind. Wie Gottes Wort zeigt, kann man einem Verstorbenen, man mag ihn noch so liebgehabt haben, durch rituelle Handlungen oder Zeremonien nicht helfen, sie mögen die Überlebenden noch soviel kosten. (2. Sam. 12:21-23) Wenn wir wissen, wie es wirklich um die Toten steht, werden wir auch nicht versuchen, mit den Toten zu reden. Die Bibel sagt warnend, daß die Menschen, die behaupten, mit den Toten zu reden, in Wirklichkeit Verbindung mit Dämonen aufnehmen, mit bösen Geistern, die vortäuschen, ein Verstorbener zu sein. — 5. Mose 18:10-12.
WAS IST DIE HÖLLE?
Viele Religionsgemeinschaften lehren, daß die Bösen in einem Höllenfeuer endlos gepeinigt werden. Auf dem ökumenischen Konzil, das vor wenigen Jahren stattfand, bestätigte die römisch-katholische Kirche die Tatsächlichkeit der Hölle als Ort ewiger Strafe. Lehrt Gottes Wort so etwas? Du magst wissen, was die Kirche, der du angehörst, unter dem Ausdruck „Hölle“ versteht. Hast du aber je nachgeprüft, in welchem Sinne dieses Wort in der Heiligen Schrift gebraucht wird? Was ist die Hölle gemäß der Bibel?
Im hebräischen Teil der Bibel ist das Wort „Hölle“ eine Übersetzung des hebräischen Wortes scheol. Dieses Wort erscheint im hebräischen Text insgesamt 65mal. Die revidierte Luther-Bibel übersetzt das Wort scheol 29mal mit „Tote“, 17mal mit „Totenreich“, 14mal mit „Tod“, 2mal mit „Unterwelt“ und je einmal mit „Hölle“, „unter der Erde“ und „unterste Tiefe“. Die katholische Bibelübersetzung von Allioli gibt das Wort scheol 51mal mit „Hölle“ wieder, 4mal mit „Unterwelt“, 3mal mit „unter die Erde“, 2mal mit „Grube“, 2mal mit „Totenreich“ und je einmal mit „Grab“, „Tod“ und „unterster Abgrund“. In den Christlichen Griechischen Schriften wird das griechische Wort hades manchmal mit dem Wort „Hölle“ übersetzt. Die revidierte Luther-Bibel und die Allioli-Bibel geben das Wort hades, das in diesem Teil der Bibel 10mal vorkommt, 5mal mit „Hölle“ wieder.
Ist es in der Hölle heiß? Beziehen sich die Wörter scheol und hades auf einen Ort, an dem die Bösen nach ihrem Tod leiden? Selbstverständlich leiden sie nicht, denn wir haben bereits gesehen, daß die Toten ohne Bewußtsein sind und daß sie daher nicht leiden können. Die Bibel widerspricht sich nicht in dem, was sie über den Zustand der Verstorbenen sagt, die sich in der Hölle befinden. Das beweist die Tatsache, daß sie sagt, Jesus sei im Hades gewesen. (Apg. 2:31, Elberfelder Bibel) Als der Apostel Petrus diese Worte an jenem Pfingsttage äußerte, meinte er nichts anderes, als daß Jesus im Grab und nicht an einem Ort der Feuerpein gewesen sei. (1. Kor. 15:3, 4) Der Apostel zitierte aus Psalm 16:10 (15:10, Al). In diesem Text steht im Hebräischen das Wort scheol (in der Allioli-Bibel ist es mit Hölle wiedergegeben), und in Apostelgeschichte 2:31 ist es mit dem griechischen Wort hades wiedergegeben. Das zeigt, daß sich scheol und hades auf ein und dasselbe beziehen. Die „Hölle“, von der die Bibel spricht, ist in Wirklichkeit das Grab der Menschheit.
Das wird auch durch das bestätigt, was geschah, nachdem der Prophet Jona von dem großen Fisch verschlungen worden war. Die Bibel sagt: „Und Jona betete zu dem HErrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches. Und sprach: Ich rief zu dem HErrn in meiner Angst, und er antwortete mir; ich schrie aus dem Bauche der Hölle, und du hörtest meine Stimme.“ (Jona 2:2, 3, Lu, 1912) Wo war Jona? An einem Ort, wo ein Feuer brannte? Nein. Jona befand sich im Bauche des Fisches, wo er den Tod gefunden hätte, wenn Gott ihn nicht daraus befreit hätte. Darum heißt es in dem 1964 genehmigten revidierten Text der Luther-Bibel „Tod“ statt „Hölle“.
Ein weiterer Fall war der gerechte Jakob. Als er um seinen Sohn Joseph trauerte, sagte er: „Ich werde wehklagend zu meinem Sohn hinabgehen in die Hölle [scheol; zu den Toten, Lu].“ (1. Mose 37:35, Douay) Man überlege nun: Dachte Jakob tatsächlich, sein guter Sohn befinde sich an einem feurig heißen Ort, und wollte er selbst auch dorthin gehen? Nein, er dachte bestimmt nur, sein Sohn sei tot, im Grabe, und in seiner Trauer wollte Jakob auch sterben.
Hiob, ein gerechter Diener Gottes, der viel litt, betete zu Gott: „Wer gibt es mir, daß du mich schirmest in der Hölle [scheol; Totenreich, Lu], und mich bergest, bis dein Zorn vorübergeht, und du mir eine Zeit setzest, da du meiner gedenkest?“ (Job [Hiob] 14:13, Al) Wie unvernünftig ist es, zu glauben, Hiob habe den Wunsch gehabt, in der Hölle verborgen zu werden, wenn sie ein feurig heißer Ort wäre! Ganz offensichtlich ist diese „Hölle“ nichts anderes als das Grab, und Hiob wünschte, dorthin zu gelangen, damit seine Leiden ein Ende hätten. Gute und böse Menschen kommen in die „Hölle“, von der die Bibel spricht, das heißt in das allgemeine Grab der ganzen Menschheit.
DER REICHE MANN UND LAZARUS
Ein Text, in dem das Wort hades erscheint, hat jedoch gewisse Personen veranlaßt, zu glauben, die Hölle, von der die Bibel spricht, sei ein Ort, an dem man körperliche Pein leide. Es handelt sich dabei um das, was Jesus über den reichen Mann und über Lazarus sagte. Nach Jesu Worten starb der reiche Mann und litt im hades Qualen. (Luk. 16:22-31) Wodurch unterscheidet sich der Gebrauch des Wortes hades von dem Gebrauch dieses Wortes in anderen Texten? Der Unterschied liegt darin, daß Jesus ein Gleichnis äußerte und nicht vom buchstäblichen hades oder Grab sprach. — Matth. 13:34
Man überlege folgendes: Ist es vernünftig oder biblisch, zu glauben, ein Mensch müsse Qualen leiden, nur weil er reich ist, schöne Kleider trägt und genug zu essen hat? Ist es biblisch, zu glauben, daß ein Mensch mit himmlischem Leben gesegnet wird, nur weil er ein Bettler ist? Man überlege ferner: Ist die Hölle buchstäblich nur so weit vom Himmel entfernt, daß jemand, der in der Hölle ist, mit jemandem, der im Himmel ist, sprechen könnte? Hätte sich der Reiche in einem buchstäblichen Feuersee befunden, wie hätte dann Abraham Lazarus hinsenden können, um mit nur einem Tropfen Wasser an seiner Fingerspitze die Zunge des Reichen zu kühlen? Was hat denn Jesus mit diesem Gleichnis veranschaulicht?
In diesem Gleichnis versinnbildete der Reiche die Klasse der religiösen Führer, die Jesus verwarfen und später dafür sorgten, daß er getötet wurde. Lazarus veranschaulichte das einfache Volk, das den Sohn Gottes annahm. Die Bibel zeigt, daß mit dem Tod eine große Veränderung im Leben oder in der Handlungsweise eines Menschen versinnbildet werden kann. (Vergleiche Römer 6:2, 11-13; 7:4-6.) Ein Tod trat ein oder die bisherigen Verhältnisse änderten sich, als Jesus die Lazarus-Klasse geistig ernährte und diese schließlich zu Pfingsten in die Gunst des größeren Abraham, Jehovas Gottes, gelangte. Gleichzeitig „starben“ die Führer der falschen Religion im Hinblick auf Gottes Gunst. Da sie verstoßen waren, litten sie Pein, als die Nachfolger Christi nach Pfingsten kraftvoll ihre bösen Werke bloßstellten. (Apg. 7:51-57) Dieses Gleichnis lehrt somit nicht, daß es Tote gibt, die in einer buchstäblichen Feuerhölle gepeinigt werden.
GEHENNA UND FEGFEUER
Vielleicht mag jemand einwenden, die Bibel spreche aber doch von einem „höllischen Feuer“. (Matth. 5:22, Lu; Al) Es stimmt, daß dieser Ausdruck in einigen Bibelübersetzungen zu finden ist, aber der Ausdruck „höllisches Feuer“ ist in diesen Fällen eine Übersetzung des griechischen Wortes Géenna und nicht des Wortes hades. In den Christlichen Griechischen Schriften kommt das Wort Gehenna 12mal vor; es bezieht sich auf das Tal Hinnom außerhalb der Mauern Jerusalems. Als Jesus auf Erden war, diente dieses Tal als riesiger Müllabladeplatz; der Müll wurde in den Feuern, die man mit Hilfe von Schwefel brennend erhielt, verbrannt. In dem Werk Smith’s Dictionary of the Bible, Band 1, lesen wir: „Es wurde der allgemeine Müllabladeplatz der Stadt, ein Ort, wohin man die Leichen von Verbrechern und Tieren sowie jederlei Unrat warf.“
Was meinte Jesus somit, als er sagte, daß Personen wegen ihrer bösen Taten in die Gehenna geworfen würden? Er meinte nicht, daß sie dort für immer gepeinigt würden. Jesus benutzte jenes Tal (Gehenna) des Feuers und Schwefels als passendes Sinnbild der ewigen Vernichtung. So verstanden es auch damals, im ersten Jahrhundert, seine Zuhörer. Der in Offenbarung erwähnte „Feuersee“ hat eine ähnliche Bedeutung; die Bösen, die hineingeworfen werden, erleiden darin keine Pein, sondern den „zweiten Tod“, den ewigen Tod oder Vernichtung. Es ist offensichtlich, daß dieser „See“ ein Sinnbild ist, weil auch der Tod und die Hölle (hades) in diesen See geworfen werden. Tod und Hölle können nicht buchstäblich verbrannt werden, aber sie können beseitigt oder zunichte gemacht werden. — Offb. 20:14; 21:8.
Wie steht es aber mit dem Fegfeuer? Das Fegfeuer soll ein Ort sein, wo die Seelen der Menschen nach dem Tod bei Bewußtsein durch ein Feuer gereinigt (gefegt) werden. Wie könnte Gott jemand an einem solchen Ort peinigen, da die Bibel doch deutlich zeigt, daß die Toten ohne Bewußtsein sind? (Ps. 146:4 [145:4, Al]) In der Bibel findet man weder das Wort „Fegfeuer“ noch irgendwelche Hinweise auf ein „Fegfeuer“.
WERDEN DIE TOTEN WIEDER LEBEN?
Die Lehre der Bibel über den wahren Zustand der Toten bewirkt, daß man sich vor den Toten nicht mehr fürchtet und sich ihretwegen auch keine Sorgen mehr macht. Zu wissen, daß sie nicht leiden, trägt dazu bei, daß man Gottes Liebe und Gottes Gerechtigkeit noch viel mehr wertschätzt. Doch mag man sich immer noch fragen: Welche Hoffnung besteht für die Toten, wenn der Mensch stirbt und lediglich ins Grab kommt? Die Bibel offenbart eine wunderbare Hoffnung, die Hoffnung, daß die Toten wieder leben werden.
Als Jesus Christus auf Erden war, bewies er, daß er die Macht über den Tod besaß, indem er Tote wieder ins Leben zurückrief. (Luk. 7:11-16; Joh. 11:39-44) Auf diese Weise gab er den Menschen einen Vorgeschmack von dem, was er in großem Maße in Gottes neuem System der Dinge tun wird. Die Menschen haben die beglückende Aussicht, daß dann die Hölle oder das allgemeine Grab der Menschheit von den Toten, die bis dahin darin geschlafen haben, geleert werden wird. (Offb. 20:13) Einige Tote werden wie Jesus Christus als Geistgeschöpfe zu himmlischer Herrlichkeit auferweckt werden. (Röm. 6:5) Die meisten Toten werden jedoch auferweckt werden, um in einem wiederhergestellten irdischen Paradies zu leben. — Apg. 24:15; Luk. 23:43.
In Gottes neuem System werden die Auferstandenen nie mehr sterben müssen, sofern sie die gerechten Gesetze Gottes halten. (Jes. 25:8) Diese großartige Vorkehrung zum Segen der Menschheit ist bestimmt für uns Grund genug, noch mehr über Jehova und über seinen Sohn Jesus Christus kennenlernen zu wollen. Das mag zu ewigem Leben und zu ewigen Segnungen führen.