Gibt es eine geeinte Gruppe wahrer Christen?
UNTER einem wahren Christen stellt man sich stets eine Person mit hohen sittlichen Qualitäten und einem makellosen Charakter vor. Und das mit Recht. Doch ein Christ sollte sich nicht nur dadurch auszeichnen.
Selbst unter Menschen, die nicht beanspruchen, Christen zu sein, findet man Personen, die hervorragende sittliche Eigenschaften aufweisen und ein angenehmes Wesen offenbaren. Worin besteht also der Unterschied?
Ein Christ muß darüber hinaus wie Christus den brennenden Wunsch haben, die wahre Anbetung des Gottes der Bibel zu fördern. Er muß in dieser Hinsicht Eifer bekunden und tätig sein.
Aber selbst wenn man diese Tatsache in Betracht zieht, mag man bei dem Versuch, herauszufinden, welche Menschen heute wirklich wahre Christen sind, in Verlegenheit kommen. Man mag sich tatsächlich fragen, ob es überhaupt welche gibt. Denn unter den Religionsanhängern der Christenheit findet man wenig Einheit im Denken und Handeln. Das trifft auf sittliche und soziale Probleme zu, ganz besonders aber auf die Gottesanbetung. Man macht sich kaum die Mühe, über Gott zu sprechen sowie über seine Vorsätze und über die Gelegenheit, ewiges Leben entweder im Himmel oder auf der Erde zu erlangen, indem man die Gott wohlgefällige wahre Anbetung pflegt.
VEREINTES DENKEN UND BEMÜHEN ERFORDERLICH
Sollte es eine GRUPPE von Menschen geben — und gibt es sie auch wirklich —, die Gott so anbeten, wie es in der Bibel gefordert wird, und die sich gemeinsam und ständig bemühen, andere auch dazu zu bewegen?
Gemäß dem Rat, den der Apostel Paulus Christen im ersten Jahrhundert gab, sollte es sie geben. Paulus schrieb viel über einen hohen Sittenmaßstab und über eine christliche Persönlichkeit, aber er sagte auch: „Nur betragt euch auf eine Weise, die der guten Botschaft über den Christus würdig ist, damit ich, ob ich komme und euch sehe oder abwesend bin, von den Dingen, die euch betreffen, höre, daß ihr feststeht in e i n e m Geist, mit e i n e r Seele [als ob sie alle gemeinsam eine Person wären] Seite an Seite für den Glauben der guten Botschaft streitend“ (Phil. 1:27).
EINE VERANSCHAULICHUNG DER VERPFLICHTUNG EINES CHRISTEN
Es wird kaum jemand bestreiten, daß sich Jesus und seine Apostel sehr bemühten, die wahre Anbetung bis an die Enden der Erde auszubreiten. In Lehre und Handeln geeint, verfolgten sie gemeinsam dieses Ziel. Um zu veranschaulichen, wie seine Jünger sein sollten, erzählte Jesus das Gleichnis von den Talenten. (Ein Silber„talent“ entspricht wertmäßig mehreren hundert amerikanischen Dollar.) Mit diesem Gleichnis zeigte er ihnen deutlich und nachdrücklich ihre Verpflichtung, das wahre Christentum so weit wie möglich auszubreiten.
Jesu Jünger hatten ihn gefragt: „Was wird das Zeichen deiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge sein?“ Als er diese Frage beantwortete, erzählte er auch das Gleichnis von den Talenten. Für Christen, die in der Zeit des „Abschlusses des Systems der Dinge“ leben würden, sollte der Inhalt des Gleichnisses somit als Beweis dafür dienen, daß der Herr Jesus Christus in Königsmacht unsichtbar gegenwärtig wäre. Doch die Erfüllung des Gleichnisses begann bereits, als Jesus noch auf Erden war. Die Bedeutung dieses Gleichnisses wird durch einen Vergleich mit einem ähnlichen Gleichnis deutlicher, nämlich dem Gleichnis von den Minen oder „Pfunden“, mit dem Christus seinen Zuhörern im ersten Jahrhundert zeigte, daß sich Gottes Königreich nicht, wie sie dachten, „augenblicklich zeigen“ werde (Matth. 24:3; Luk. 19:11-27).
Beide Gleichnisse handeln vom Königreich der Himmel. Das Gleichnis von den Talenten beginnt folgendermaßen:
„Denn es [das heißt die Umstände in Verbindung mit dem Königreich der Himmel] ist so, wie wenn ein Mensch, der im Begriff stand, außer Landes zu reisen, seine eigenen Sklaven zu sich rief und ihnen seine Habe übergab. Und dem einen gab er fünf Talente, einem anderen zwei, noch einem anderen eines, einem jeden nach seiner eigenen Fähigkeit, und er ging außer Landes“ (Matth. 25:14, 15).
Der „Mensch“ ist Jesus Christus. Er sollte bald eine lange Reise „außer Landes“ machen, zurück zu seinem Vater im Himmel. Dieses sollte nach seinem Tod und seiner Auferstehung geschehen. Dort sollte er sich ‘zur Rechten Gottes setzen, fortan wartend, bis seine Feinde als ein Schemel für seine Füße hingelegt würden’ (Hebr. 10:12, 13). Es würde lange Zeit dauern, bis ihm sein Vater gebieten würde, volle Königsmacht anzutreten, doch zu jener Zeit würde er zuerst seine „Sklaven“ prüfen und belohnen. Er würde erwarten, daß unter ihnen Einheit bestände, daß sie sich seinem „Geschäft“ gewidmet hätten und nicht miteinander uneins wären. Nach vollendeter Prüfung würde er, wie aus Lukas 19:15-27 hervorgeht, seine Feinde von der Erde vertilgen (Ps. 110:1-3).
DIE DEN „SKLAVEN“ ANVERTRAUTE „HABE“
Dieser „Mensch“ besaß eine „Habe“, die er seinen „Sklaven“ so lange zur Obhut anvertraute, bis er mit Königsmacht zurückkäme. Welche wertvollen Güter besaß Jesus Christus? Er hatte weder Geld noch großen Besitz an Land oder Gebäuden. Und er wurde von den Regierungen auch nicht als Machthaber anerkannt. Auf Betreiben der Juden wurde er von Vertretern des Römischen Reiches hingerichtet. Was hatte er also, das er seinen „Sklaven“ anvertrauen konnte?
Die Werte, die Christus besaß, waren von einer anderen Art als die eben erwähnten Güter. Während seines Dienstes im Fleische hatte er zuerst das Königreich seines himmlischen Vaters gesucht. Durch sein Predigen und Lehren hatte er ein Feld bestellt und darauf günstige Bedingungen geschaffen — die Voraussetzungen für das Hervorbringen von Jüngern. Dieses Besitztum war es, das Jesus seinen Jüngern überließ. Bereits mehr als zwei Jahre vor seinem Tod und seiner Auferstehung hatte er zu seinen Aposteln gesagt:
„Seht! Ich sage euch: Hebt eure Augen auf und schaut die Felder an, daß sie weiß sind zur Ernte. Schon empfängt der Schnitter Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, so daß sich der Sämann und der Schnitter zusammen freuen können. Hierin bewahrheitet sich in der Tat der Spruch: Einer sät aus, und ein anderer erntet. Ich habe euch ausgesandt, das zu ernten, wofür ihr keine mühevolle Arbeit geleistet habt. Andere haben hart gearbeitet, und ihr habt den Nutzen ihrer mühevollen Arbeit erlangt“ (Joh. 4:35-38).
Jesus beschränkte sein „Säen“ auf die Juden und Proselyten sowie die verwandten Samariter. Auch Johannes hatte eine Zeitlang „ausgesät“. Nach der Auferstehung Jesu und der Ausgießung des heiligen Geistes auf seine Jünger zu Pfingsten des Jahres 33 u. Z. brachten jene Jünger von diesem „besäten“ Feld eine große Ernte ein. Sie waren „ausgesandt“, verpflichtet, dies zu tun. Die ersten, die „geerntet“ wurden, waren die Früchte, die durch die reine Lehre Jesu hervorgebracht wurden. Als sie sich den geistgezeugten Jüngern anschlossen, hielten sie daher wie e i n Mann an der reinen Lehre fest.
Selbstverständlich hatte Jesus mehr als drei „Sklaven“. Die drei verschiedenen im Gleichnis beschriebenen „Sklaven“ veranschaulichen somit alle voraussichtlichen Miterben Christi, mit denen er einen Bund für das himmlische Königreich geschlossen hat. Es handelt sich um Menschen aus allen Schichten, junge und alte, Männer und Frauen. (Vergleiche Apostelgeschichte 1:14; 8:12.) Doch diese Unterschiede in bezug auf soziale Verhältnisse und Alter sollten der Einheit nicht im Wege stehen — alle verrichten dasselbe Werk.
In der Erfüllung des Gleichnisses achtete der Herr darauf, daß jeder nur so viel empfing, wie er handhaben konnte, ‘ein jeder nach seiner eigenen Fähigkeit’. Zu der Klasse, die im ersten Jahrhundert „fünf Talente“ empfing, zählten offensichtlich die Apostel, denen die größte Verantwortung übertragen wurde (Offb. 21:14; Eph. 2:20-22). Sie leisteten der Klasse, die „zwei Talente“ empfangen hatte, große Hilfe, ihrer Verantwortung nachzukommen.
Alle „Sklaven“ Jesu sollten gleich den Sklaven im Gleichnis von den Minen ‘Geschäfte machen, bis er käme’ (Luk. 19:11-13). Es wäre sein — des Königs — Geschäft, und deshalb müßten die gehorsamen Sklaven in bezug auf Denken und Handeln einig sein. Christus ist nicht gegen sich selbst entzweit (1. Kor. 1:10). Seine „Sklaven“ würden sein Geschäft gewiß nicht dadurch fördern, daß sie gegeneinander arbeiteten, wie es in der Christenheit geschieht, wo die eine Sekte etwas anderes lehrt als die andere.
Im Gleichnis selbst handelt es sich bei der „Fähigkeit“ der Sklaven um ihre körperlichen oder geistigen Fähigkeiten. Trifft dies aber auch in der Erfüllung zu? Körperliche und geistige Fähigkeiten wären zweifellos wertvoll, wenn sie in die rechte Bahn gelenkt und richtig angewandt würden. Doch in der Erfüllung des Gleichnisses stellt die „Fähigkeit“ die Möglichkeiten dar, die ein „Sklave“ Christi, der die Aussicht hat, das himmlische Königreich zu ererben, in religiöser Hinsicht hat. Seine Hingabe, seine Dienstbereitschaft und sein Eifer begünstigen diese Möglichkeiten. Das ist im Einklang mit dem Grundsatz: „Gott [hat] die Glieder am Leibe gesetzt, jedes von ihnen so, wie es ihm gefallen hat“ (1. Kor. 12:18).
Der Herr, Jesus Christus, hat diesen „Sklaven“ etwas übergeben, ganz gleich, ob es sich erweist, daß sie zu der Klasse gehören, die „fünf Talente“ empfangen hat, oder zu einer der anderen in dem Gleichnis erwähnten Klassen. Sie ihrerseits müssen auch etwas haben oder etwas beitragen. Das, was sie beitragen, ergänzt den ihnen anvertrauten Wert und ermöglicht es ihnen, das geistige Besitztum, das ihnen von dem Herrn Jesus Christus überlassene „Feld“, zu bebauen. Es hilft ihnen als einer Klasse oder geeinten Gruppe, weitere Jünger zu ernten.
BEGINN DER ERFÜLLUNG DES GLEICHNISSES
Wann begann Jesus damit, diese „Habe“ seinen Jüngern zu übergeben? Übergab er sie ihnen als voneinander unabhängigen Einzelpersonen oder als einer geeinten Gruppe? Der Bericht in Apostelgeschichte 1:1-5 beginnt mit dem Zeitpunkt, mit dem das Evangelium des Lukas endet, das heißt an „dem Tag, da er [der auferstandene Jesus] hinaufgenommen wurde, nachdem er durch heiligen Geist den von ihm ausgewählten Aposteln Auftrag gegeben hatte. Diesen zeigte er sich auch, nachdem er gelitten hatte, durch viele sichere Beweise als lebend, indem er vierzig Tage hindurch von ihnen gesehen wurde und von den Dingen über das Königreich Gottes redete. Und während er mit ihnen [einer Gruppe treuer Jünger] zusammenkam, gab er ihnen die Weisung: ,Entfernt euch nicht aus Jerusalem, sondern wartet weiterhin auf das, was der Vater verheißen hat, worüber ihr von mir hörtet; denn Johannes taufte zwar mit Wasser, ihr aber werdet nicht viele Tage nach diesem in heiligem Geist getauft werden.‘“
Jesus hatte also nicht nur das „Feld“ vorbereitet und darauf die Möglichkeiten für viele weitere Jünger heranreifen lassen, sondern er hatte auch die ersten der Gruppe seiner „Sklaven“ vorbereitet, die seine „Habe“ empfangen sollten.
Die Erfüllung des Gleichnisses muß in der Zeit zwischen Jesu Auferstehung von den Toten und seiner Auffahrt in die Gegenwart seines himmlischen Vaters begonnen haben. Denn wann rief Jesus seine „Sklaven“ das erstemal zusammen, um ihnen seine „Habe“ zu übergeben? Der Apostel Matthäus berichtet, daß Jesus bei einer Zusammenkunft in Galiläa nach seiner Auferstehung die Worte sprach: „Geht daher hin und macht Jünger aus Menschen aller Nationen, tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch geboten habe“ (Matth. 28:16, 19, 20).
Am Tag seiner Himmelfahrt erklärte ihnen Jesus noch deutlicher, wie sie vorgehen sollten, um seine „Habe“ zu vermehren. Wir lesen: „Als sie nun zusammengekommen waren, gingen sie daran, ihn zu fragen: ,Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Königreich wieder her?‘ Er sprach zu ihnen: ,Es ist nicht eure Sache, über die Zeiten oder Zeitabschnitte Kenntnis zu erlangen, die der Vater in seine eigene Rechtsgewalt gesetzt hat; aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet Zeugen von mir sein sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis zum entferntesten Teil der Erde‘“ (Apg. 1:6-8).
HALTE NACH EINER GEEINTEN GRUPPE AUSSCHAU, DIE DIE BIBLISCHE WAHRHEIT LEHRT
Nach seiner Auferstehung erschien Jesus verschiedenen seiner Jünger, einmal mehr als fünfhundert. Und zu Pfingsten waren es ungefähr 120, die mit heiligem Geist getauft wurden (1. Kor. 15:6; Apg. 1:15; 2:1-4). Da an jenem Tage 3 000 ein Zeugnis über die Vorsätze erhielten, die Jehova Gott in Verbindung mit Christus gefaßt hat, gab es also viel mehr als drei „Sklaven“, die sogleich begannen, ‘mit den Talenten Geschäfte zu machen’. Sie handelten jedoch nicht unabhängig voneinander, noch spalteten sie sich in verschiedene Konfessionen auf. Sie beteiligten sich alle in gleicher Weise daran, die wahre Anbetung tatkräftig und vereint zu fördern (Apg. 2:41-47).
Wenn du daher bei deiner Suche nach wahren Christen heute in Verlegenheit kommst, solltest du daran denken, nach einer geeinten GRUPPE Ausschau zu halten, deren Glieder alle dasselbe über Gottes Vorsätze lehren. Sie müssen ein reines, sittlich einwandfreies und ordentliches Leben führen. Ferner müssen sie eifrig mit anderen über die Bibel sprechen, die wahre Anbetung fördern und weiteren Personen helfen, Jünger Christi zu werden. Auf diese Weise vermehren sie die „Habe“ des Königs. Gibt es solche Menschen in deiner Gemeinde?
Auf welche Weise findet die Erfüllung des Gleichnisses heute ihren Abschluß? Der wohlhabende Mensch sollte die Sklaven prüfen und belohnen. Die Erfüllung dieses Teils wird in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Der Wachtturm besprochen werden.