Fragen von Lesern
● In Römer 8:30 heißt es, daß Christen „verherrlicht“ werden. Wann findet dieses ‘Verherrlichen’ statt, und in welchem Zusammenhang steht es damit, daß sie „berufen“ und „gerechtgesprochen“ werden?
In Römer, Kapitel 8 beschreibt der Apostel Paulus, wie Gott mit geistgesalbten Christen gehandelt hat. Gott verwirklichte seinen Vorsatz, indem er sie dadurch ehrte oder verherrlichte, daß er ihnen eine Erkenntnis seiner Wahrheiten verlieh, einschließlich seines Vorsatzes, sie zu „Miterben mit Christus“ im Himmel zu machen (Röm. 8:14-17). Paulus schreibt auszugsweise:
Die, die er [Gott] zuerst anerkannt hat, hat er auch vorherbestimmt, nach dem Bilde seines Sohnes gestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei. Überdies sind die, die er vorherbestimmt hat, die, welche er auch berufen hat; und die, die er berufen hat, sind die, welche er auch gerechtgesprochen hat. Schließlich [eigentlich: und] sind die, die er gerechtgesprochen hat, die, welche er auch verherrlicht hat“ (Röm. 8:29, 30).
Einige haben sich über die Reihenfolge gewundert — ‘berufen, gerechtgesprochen, verherrlicht’. Man könnte alles als aufeinanderfolgende Schritte ansehen, die darin gipfeln, daß gesalbte Christen herrliches geistiges Leben im Himmel erlangen. Beachten wir jedoch, in welcher Zeitform Paulus schreibt: „Schließlich sind die, die er gerechtgesprochen hat, die, welche er auch verherrlicht hat.“ Er spricht offensichtlich von etwas, was bereits geschehen war. Das wäre aber nicht der Fall gewesen, wenn Paulus mit dem Verherrlichen der Christen ihre künftige Auferstehung zu himmlischem Leben gemeint hätte.
Es handelt sich natürlich um eine ‘Verherrlichung’, wenn Gott jemand auferweckt und ihn im geistigen Bereich als Herrscher einsetzt, doch können Personen noch auf vielerlei andere Weise „verherrlicht“ werden. (Siehe Römer 8:17, Johannes 7:39.) Jesus wurde auf der Erde durch seine Wunder „verherrlicht“ (Joh. 11:4). Er sprach davon, daß ein demütiger Mensch „geehrt“ oder verherrlicht wird, wenn ihm bei einem Fest ein vornehmer Platz zugewiesen wird (Luk. 14:10). Moses erlangte als Gottes Sprachrohr in Verbindung mit dem Gesetzesbund „Herrlichkeit“ (2. Kor. 3:7). In der Bibel ist sogar davon die Rede, daß das lange Haar einer Frau ihr zur „Herrlichkeit“ gereicht oder sie ‘verherrlicht’ (1. Kor. 11:15). In all diesen Fällen werden im Griechischen Formen desselben Wurzelwortes gebraucht, das in Römer 8:30 mit „verherrlicht“ wiedergegeben wird (Luk. 12:27; Röm. 2:10; 1. Thess. 2:6).
Schon 1904 hieß es in dem Buch Die Neue Schöpfung (Band 6 der Schriftstudien) über Römer 8:28-30 interessanterweise:
„Diese Stelle wird meist mißverstanden, weil sie auf die meisten Leser den Eindruck macht, der Apostel erwähne hier die Erfahrungen des Christen in der üblichen, aufeinanderfolgenden Ordnung ... Aber hier beginnt der Apostel offensichtlich am anderen Ende. ... von hier aus verfolgt er den Werdegang der Entwicklung der Neuen Schöpfung rückwärts, indem er zeigt, daß niemand herrlich gemacht wird, er sei denn zuvor durch Gottes Gnade berufen [angenommen] worden, und daß niemand berufen wird, er sei denn zuvor aus Glauben gerechtfertigt [oder: gerechtgesprochen] ... Und alle diese Gerechtgemachten sind zuvor von Gott dadurch geehrt [verherrlicht, Elberfelder Bibel] ..., daß er es ihnen ermöglichte, ihn und seinen geliebten Sohn ... zu erkennen“ (deutsche Ausgabe von 1926, S. 184, 185).
Es ist nichts Außergewöhnliches, daß Paulus hier eine Reihe zusammenhängender Punkte in umgekehrter Reihenfolge, sozusagen rückwärts, aufzählt. Ähnlich geht er in Römer 10:13-15 vor.
Paulus erklärt in Römer 8:28-30, daß „Gott alle seine Werke zum Guten derer mitwirken läßt, die Gott lieben“, das heißt zum Guten derer, die an der Verwirklichung seines Vorsatzes beteiligt sind. Im Garten Eden sagte Jehova Gott das Kommen eines „Samens“ voraus (1. Mose 3:15). Jesus Christus wurde der primäre Teil dieses „Samens“ und des Samens Abrahams. Aber Gott wählte eine begrenzte Zahl Menschen dazu aus, einen sekundären Teil des „Samens“ zu bilden (Gal. 3:16, 29). So hat Gott von der Zeit im Garten Eden an diejenigen „zuerst anerkannt“, die den „Samen“ ausmachen. Und er hat „vorherbestimmt“, daß diese auserwählten Menschen im Himmel eine Gruppe von Brüdern Christi sein sollen, die nach seinem Bilde gestaltet sind.
Daher zählt der Apostel in Römer 8:30 bestimmte Schritte auf, die ihrer Vereinigung mit Christus Jesus im Himmel vorausgehen. Diese Menschen müssen „berufen“ oder eingeladen werden, an dem himmlischen Königreich teilzuhaben (Röm. 1:7; Phil. 3:14; 1. Thess. 2:12, Hebr. 3:1). Aber wie konnte Gott sie „berufen“, als sie noch Sünder waren, Glieder der unvollkommenen Familie Adams? Bevor Gott sie ‘berief’, mußte er sie ‘gerechtsprechen’, ihnen aufgrund ihres Glaubens an Christus und sein Opfer die Sünden vergeben (Röm. 3:23-26; 4:25; 5:18). Doch wie konnten sie den erforderlichen Glauben erlangen? Bevor ihnen das möglich war, mußte ihnen die Erkenntnis Jesu Christi gewährt werden, die Paulus an anderer Stelle die „herrliche gute Botschaft über den Christus“ nennt (2. Kor. 4:4; vergleiche 1. Timotheus 1:11). Von denen, die diese „herrliche gute Botschaft“ annehmen und auf den Weg gelangen, der sie zu himmlischer Herrlichkeit führen wird, kann gewiß gesagt werden, daß sie durch das Erlangen dieser Erkenntnis „verherrlicht“ oder geehrt werden.