„Dein Wille geschehe auf Erden“ (22. Teil)
Kurze Zeit, bevor die einst mächtige Weltmacht vor den Medern und Persern, ihren Eroberern, fiel, hatte der gefangene jüdische Verbannte Daniel, der Prophet, eine Vision darüber gehabt, wie das kommende medo-persische Reich seinerseits von Alexander dem Großen gestürzt würde, ferner, daß dem medo-persischen Reich das mazedonische oder griechische Reich und weitere Weltmächte folgen würden, die mit Jehovas Volk, zu dem Daniel gehörte, in Berührung kämen. Im achten Kapitel der Prophezeiung Daniels wurde Alexander der Große durch ein auffallendes Horn dargestellt, das zwischen den Augen eines Ziegenbocks saß. Alexanders Tod wurde dadurch veranschaulicht, daß das große Horn zerbrach. Aber aus ihm wuchsen vier Hörner hervor, welche die vier hellenistischen Reiche darstellten, die aus Alexanders Herrschaftsgebieten hervorgingen. Aus einem dieser vier Hörner ging ein „kleines Horn“ hervor, das auf Erden sehr mächtig wurde. Die geschichtliche Erfüllung der biblischen Prophezeiung hat bewiesen, daß dieses symbolische „kleine Horn“ nicht das Römische Reich darstellte, das die vier hellenistischen Reiche verschlang, sondern das später aufkommende Reichssystem, das aus dem herauswuchs, was einst ein Teil des Römischen Reiches gewesen war, nämlich die anglo-amerikanische Doppel-Weltmacht. Diese nahm in Britannien ihren Anfang, wo sich Rom bis zum Jahre 436 n. Chr. gehalten hatte.
18. Wie ging nun das „kleine Horn“ aus einem der vier Hörner hervor und wurde groß gegen Süden und gegen Osten und gegen das „Land der Zierde“?
18 Im siebzehnten Jahrhundert, zur Zeit der Königin Elisabeth I., begann sich Britannien zum Weltreich aufzuschwingen, und seine Flotte leistete ihm bei der Verfolgung seiner Kolonialpolitik und der Ausdehnung seines Reiches gute Dienste. Ungefähr im Jahre 1815 waren seine Flottenrivalen — die Niederlande, Spanien und Frankreich — praktisch erledigt; und bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges, im Jahre 1914, war die britische Flotte sozusagen die „Wasserpolizei der Welt … hauptsächlich mit der Hilfe dieser Flotte wurde das größte Reich, das die Welt je gesehen hat, geschaffen und zusammengehalten“.a Aus dem zweiten Weltkrieg gingen Englands Verbündete, die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich aus den ursprünglichen dreizehn britischen Kolonien entwickelt hatten, als Reich mit der größten Flotte der Welt hervor. Alle diese Ausführungen zeigen, daß die siebente oder die anglo-amerikanische Doppel-Weltmacht gleich dem „kleinen Horn“ aus einem jener vier Hörner hervorging, in die das symbolische „große Horn“ — das Reich Alexanders des Großen — zerfallen war. Die Geschichte liefert Beweise genug, die bestätigen, daß diese Doppel-Weltmacht, England und Amerika, durch starke Bande eng miteinander verknüpft, ausnehmend groß geworden ist, und zwar gegen Süden und gegen Osten und gegen das „Land der Zierde“.
19. Was ist hier in der Prophezeiung mit dem „Land der Zierde“ gemeint?
19 Das „Land der Zierde“ ist ein biblischer Ausdruck, mit dem das Land des Propheten Daniel gemeint ist. (Dan. 11:16, 41) Jehova spricht von ihm als dem „Land, das ich ihnen ausersehen hatte, das von Milch und Honig fließt und eine Zierde vor allen Ländern ist“. (Hes. 20:6, 15, SB) Im Laufe des ersten Weltkrieges führten die britischen Truppen in Palästina zwar eine militärische Expedition gegen die Türken durch und nahmen am 9. Dezember 1917 unter dem britischen General Allenby Jerusalem ein. Nach dem Krieg verlieh der damals ins Leben gerufene Völkerbund England das Mandat über Palästina, das am 14. Mai 1948 ablief. Da es sich hier aber um eine Prophezeiung und um Sinnbildersprache handelt, veranschaulicht das „Land der Zierde“ eher den irdischen Zustand, in dem sich Jehovas Volk, seine treuen Zeugen auf Erden, die er in seinen neuen Bund aufgenommen hat, zur Zeit des Bestehens der siebenten Weltmacht befindet. Sie sind Jehovas „Heilige“ auf Erden; zu ihnen sagt der Apostel Paulus: „Er hat uns mitauferweckt und uns mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Einheit mit Christus Jesus.“ — Eph. 2:6, NW.
20. Wieso konnte, von diesem Standpunkt aus betrachtet, das anglo-amerikanische „kleine Horn“ von dem Heere und von den Sternen einige zur Erde niederwerfen?
20 Von diesem Standpunkt aus betrachtet, können wir verstehen, inwiefern das anglo-amerikanische „kleine Horn“ groß wurde, ‚bis zum Heere des Himmels und von dem Heere und von den Sternen zur Erde niederwarf und sie zertrat‘. Der Engel Gabriel erklärte ferner: „Und er wird Starke und das Volk der Heiligen verderben.“ (Dan. 8:10, 24) Die siebente Weltmacht konnte nur deshalb bis „zum Heere des Himmels“ und zu den „Sternen“ gelangen, weil diese Jehovas Heilige sind, die sich auf der Erde befinden, aber eine himmlische Berufung und die Aussicht auf eine himmlische Auferstehung haben, um mit Jehovas gesalbtem König auf seinem himmlischen Thron zu sitzen und mit ihm zu herrschen. Über die Versammlung derer, die sich Jehova hingegeben haben und die den Fußstapfen Jesu Christi nachfolgen, sind Aufseher gesetzt, die mit „Sternen“ verglichen werden, welche der verherrlichte Jesus in seiner Rechten hält. (Off. 1:16, 20) Dieses symbolische „Heer des Himmels“ und die „Sterne“ strahlen das himmlische Licht der guten Botschaft von Gottes Königreich aus, um das mit den Worten gebetet wird: „Dein Königreich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde.“ — Matth. 6:10, NW.
21. Wann warf die siebente Weltmacht sie zur Erde nieder und trat sie zu Boden, und in welchem Ausmaß gereichte es zu ihrer Vernichtung?
21 Die siebente Weltmacht suchte dieses „Volk der Heiligen“ zu vernichten, was ihr während des ersten Weltkrieges auch zum Teil gelungen ist, indem sie es in Amerika und in verschiedenen britischen Besitzungen zu Boden warf und es „eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit“ niedertrat. (Dan. 7:25, SB)b Damals brannte das himmlische Licht nur noch schwach auf Erden.
DIE STÄTTE DES HEILIGTUMS JEHOVAS NIEDERGEWORFEN
22. Wie gelang es dem symbolischen „kleinen Horn“, groß zu tun, „selbst bis zu dem Fürsten des Heeres“?
22 Zu jenen, die vor langer Zeit Jehovas Heiligtum, in Jerusalem wiederaufbauten, nachdem das Land Juda siebzig Jahre verödet dagelegen hatte, sagte der Prophet Sacharja: „Denn so spricht Jehova der Heerscharen … wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an.“ (Sach. 2:8) Als daher die siebente Weltmacht Jehovas „Heer“ der ihm Ergebenen, seine Heiligtumsklasse auf Erden, angriff, griff sie in Wirklichkeit Jehova der Heerscharen selbst an. Das symbolische „kleine Horn“ tat wirklich groß, „selbst bis zu dem Fürsten des Heeres … und es nahm ihm des beständige Opfer weg, und die Stätte seines Heiligtums wurde niedergeworfen“. (Dan. 8:11) Jehova Gott ist der „Fürst“ oder das theokratische Haupt seines Heeres der Heiligen, und diese bilden „sein Heiligtum“, in dem er durch seinen heiligen Geist wohnt. (Eph. 2:21, 22) Das symbolische „kleine Horn“ oder die siebente Weltmacht stellte sich durch ihr Großtun über Gottes Königreich. Sie weigerte sich, die Vormachtstellung, die sie in der Welt genoß, an Gottes Königreich abzutreten, das im Jahre 1914, am Ende der „bestimmten Zeiten der Nationen“, in den Himmeln aufgerichtet worden war. Sie behandelte die gute Botschaft von Gottes Königreich verächtlich, die seine Heiligtumsklasse, das heißt, die ihm hingegebenen Heiligen, im ganzen Herrschaftsgebiet der siebenten Weltmacht, nämlich im Britischen Reich und in Amerika, zu verkündigen bemüht waren.
23. Wie und wann nahm ihm das symbolische „kleine Horn“ das „beständige Opfer“ weg?
23 Der Schall der Königreichsbotschaft stieg täglich zur Ehre Gottes, Jehovas, zum Himmel empor, dem Geruch eines Opfers gleich, das dem „Fürsten des Heeres“ durch seine Heiligen, die die Botschaft erdenweit zu verkündigen suchten, täglich, das heißt ununterbrochen, beständig, dargebracht wurde. Diese Heiligen bemühten sich gewissenhaft, dem Gebot nachzukommen, welches den Nachfolgern Jesu in folgenden Worten gegeben wurde: „Durch ihn laßt uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die eine öffentliche Erklärung über seinen Namen abgeben. Überdies, vergeßt nicht, Gutes zu tun und [die Dinge] mit anderen zu teilen; denn an solchen Schlachtopfern hat Gott Wohlgefallen.“ (Heb. 13:15, 16, NW) Die Personen, die solche Opfer des Lobes darbrachten, suchten ihr Lebensziel mit den Worten des Apostels Petrus in Übereinstimmung zu bringen, der sagte: „Auch ihr selbst [werdet] als lebendige Steine aufgebaut, ein geistiges Haus für den Zweck einer heiligen Priesterschaft, um geistliche Schlachtopfer darzubringen, Gott annehmbar durch Jesus Christus.“ (1. Pet. 2:5, NW) Das symbolische „kleine Horn“, der „König … frechen Angesichts und der Ränke kundig“, wollte nicht durch Gottes Königreich in den Schatten gestellt werden, noch wünschte er, daß schafähnliche Menschen von diesem Königreich Rettung erwarten sollten. Er ärgerte sich daher über dieses „Opfer des Lobes“, diese ‚Gott annehmbaren, geistlichen Schlachtopfer‘, deren Geruch täglich, ja beständig zu Gott emporstieg. Angeblich aus patriotischen Gründen „nahm ihm“ die siebente Weltmacht, angestachelt von der Geistlichkeit der Christenheit, „das beständige Opfer“ für „eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit“ weg.
24. Wie wurde demnach die „Stätte seines Heiligtums“ niedergeworfen, doch warum wurde die Heiligtumsklasse damals nicht vernichtet?
24 Dadurch wurde die Opferstätte oder die Grundlage ‚weggenommen‘, auf der „sein Heiligtum“ als ein geistiges Haus zur Darbringung von Opfern des Lobes und der Anbetung ruhte. Das Niederwerfen der Grundlage oder der „Stätte seines Heiligtums“ bedeutet indes nicht, daß das symbolische „Heiligtum“ selbst zerstört wurde, doch hätte es zur Vernichtung des Überrests der Heiligtumsklasse führen können. In Jesaja 12:1 wird prophetisch davon gesprochen, wie Gott über sein ihm ergebenes Volk — seine Nation geistlicher Israeliten — erzürnt war, weil es der Furcht vor der siebenten Weltmacht erlegen war und sozusagen aufgehört hatte, Opfer des Lobes und der öffentlichen Erklärung für seinen Namen darzubringen. In seiner Barmherzigkeit verkürzte er die Drangsal, die er über die Organisation Satans, des Teufels, zu bringen begonnen hatte. Weshalb? Damit die auserwählte Heiligtumsklasse, die zu Boden getreten wurde, nicht mit der siebenten Weltmacht vernichtet, sondern, während sie noch im Fleische war, errettet werde. — Matth. 24:21, 22.
25. Worin bestand der „Frevel“ oder die Übertretung der Heiligtumsklasse, um derentwillen sie preisgegeben wurde, und weshalb gelang es dem „kleinen Horn“ nicht „durch seine eigene Macht“, sie gefangenzunehmen?
25 Weil die Heiligtumsklasse Gott eine Zeitlang nicht gehorchte und versäumte, in geistigem Sinne das „beständige Opfer“ darzubringen, machte sie sich einer Übertretung oder eines Frevels schuldig. Um sie seinen Zorn spüren zu lassen, ließ Jehova deshalb zu, daß sie der Macht des bedrückenden symbolischen „kleinen Horns“ ausgeliefert wurde. Obgleich die militärische und die kommerzielle Macht des „kleinen Horns“ sehr groß war, gelang es diesem „König, frechen Angesichts“, aber „nicht durch seine eigene Macht“, das Heer der Heiligen Jehovas niederzutreten. „Und das Heer wurde dahingegeben samt dem beständigen Opfer, um des Frevels [der Übertretung] willen. Und es [das kleine Horn] warf die Wahrheit zu Boden und handelte und hatte Gelingen.“ (Dan. 8:12, 24c) Während der Zeit, in der die Heiligtumsklasse geistig versagte, geriet sie in die Gefangenschaft der weltlichen Mächte, so wie damals Daniel und der Überrest des Volkes Jehovas in die Gefangenschaft nach Babylon kamen, während ihre Heimat und ihr Heiligtum siebzig Jahre lang verödet lagen.
26. Wie warf das „kleine Horn“ die Wahrheit und die Glaubenstreue zu Boden und hatte trotzdem Gelingen?
26 Die siebente Weltmacht, die anglo-amerikanische Doppel-Weltmacht, hatte weder für die Wahrheit der Botschaft von Gottes Königreich noch für die Glaubenstreue und die Lauterkeit des Volkes Gottes etwas übrig. Sie „warf“ die Wahrheit und die Glaubenstreue „zu Boden“. Jehova vollzog aber das Strafurteil dafür an der siebenten Weltmacht nicht sogleich. Warum nicht? Um nicht gleichzeitig sein ihm ergebenes „Volk der Heiligen“ zu vernichten. So kam es, daß die siebente Weltmacht handelte und Gelingen hatte und aus dem ersten Weltkrieg als Siegerin hervorging, in dem sie ihren mächtigen Feind, das deutsche Kaiserreich, vernichtend geschlagen hatte.
27. Inwiefern handelte das „kleine Horn“ in der Friedenszeit nach dem 11. November 1918 durch die Errichtung eines Götzenbildes noch vermessener gegen den „Fürsten des Heeres“?
27 Während des nachfolgenden Waffenstillstandes, der am 11. November 1918 unterzeichnet wurde, trat die anglo-amerikanische Doppel-Weltmacht noch vermessener gegen Jehova, „den Fürsten des Heeres“, hervor. Sie verwarf nicht nur die Botschaft, die die Heiligtumsklasse allen Nationen zu verkündigen bemüht war, sondern förderte auch die Errichtung eines neuzeitlichen Weltgötzen, nämlich des Völkerbundes. Lloyd George, der zur Zeit des Krieges britischer Premierminister war, beschäftigte sich mit Gedanken an eine solche internationale Liga der Nationen,d und T. Woodrow Wilson, Präsident Amerikas zur Zeit des Krieges, nahm diese in seine Vierzehn Punkte auf, die er zur Wiederherstellung des Friedens unterbreitete. Obwohl er damals als Präsident amtete, wagte er es, der Pariser Friedenskonferenz beizuwohnen, um seine Punkte, zu denen auch der internationale Pakt, der Völkerbund gehörte, durchzusetzen.
28. Welche Prophezeiung aus der Offenbarung erfüllte die anglo-amerikanische Doppel-Weltmacht dadurch, und was war dieses politische Götzenbild in Gottes Augen?
28 Die anglo-amerikanische Doppel-Weltmacht erfüllte dadurch die Prophezeiung über das „Tier“, das „zwei Hörner gleich einem Lamme“ hatte, aber „zu reden begann wie ein Drache“ indem es die auf Erden Wohnenden hieß, ‚dem wilden Tier ein Bild zu machen‘. Die anglo-amerikanische Doppel-Weltmacht gab „dem Bilde Odem“, so daß es mit einer gewissen Autorität redete und bewirkte, daß es von den Gegnern des aufgerichteten Königreiches Gottes und den Unterstützern des „wilden Tieres“, des sichtbaren Weltregierungssystems Satans, angebetet wurde. (Off. 13:11-15, NW) Das symbolische „Bild des wilden Tieres“, der Völkerbund, war in den Augen Gottes, Jehovas, ebenso ein Greuel oder etwas Abscheuliches wie das sechzig Ellen hohe und sechs Ellen breite goldene Bild, das Nebukadnezar, der König von Babylon, errichten ließ und das die Bewohner aller Provinzen seines Reiches — auch Daniels Gefährten Sadrach, Mesach und Abednego — anbeten sollten. (Dan. 3:1-15) Jehovas Zeugen erkannten, daß der Völkerbund für Jehova ebenso verabscheuungswürdig war wie ein Götzenbild.
„DER VERWÜSTENDE GREUEL“
29. Wann trat die Satzung des Völkerbundes in Kraft, wann nahm der Völkerbund seine Tätigkeit auf, doch was hatte die Christenheit bereits begonnen?
29 Die Friedenskonferenz wurde am 18. Januar 1919 im Beisein Wilsons, des Präsidenten von Amerika, eröffnet. Der daraus hervorgehende Friedensvertrag, der die Satzung des Völkerbundes einschloß, wurde am 28. Juni 1919 in Versailles, Frankreich, unterzeichnet. Am 13. Oktober desselben Jahres wurde er von drei alliierten Großmächten ratifiziert und trat danach einschließlich seiner Satzung des Völkerbundes in Kraft. Der Senat der Vereinigten Staaten lehnte es ab, Präsident Wilson zu unterstützen und diesen Vertrag zu ratifizieren. Der Senat vertrat die Ansicht, daß der nationalen Souveränität Amerikas durch die Satzung des Völkerbundes keine genügende Sicherheit zugebilligt werde. Deshalb schloß Amerika später mit Deutschland einen separaten Frieden. Der Völkerbund, das symbolische „Bild des wilden Tieres“, nahm seine Tätigkeit in Wirklichkeit am 10. Januar 1920 in London, England, auf. Doch schon einige Zeit vorher hatte die religiöse Christenheit damit begonnen, das symbolische „Bild“ zu einem Götzen zu machen.
30. Was zu tun erklärte sich der Generalrat der Kirchen Christi in Amerika bereit, und inwiefern schrieb er dem beantragten Bund eine messianische Rolle zu?
30 Der Generalrat der Kirchen Christi in Amerika erklärte sich sogleich bereit, gleichsam als Priester vor diesem „Bild“ zu „ministrieren“. Schon vor der Friedenskonferenz, als Präsident Wilson erstmals für den Völkerbund eintrat, befürwortete ihn der Generalrat der Kirchen Christi in Amerika und schrieb ihm die Rolle Christi, des Messias, zu. Am 12. Dezember 1918 trat das Exekutivkomitee dieses Generalrates in Atlantic City, New Jersey, zusammen und gab dem Völkerbundsplan des Präsidenten Wilson seine Zustimmung. Es nahm folgende (nur teilweise wiedergegebene) Erklärung an:
Die Krise des Weltkrieges ist vorüber, aber eine Weltkrise ist hereingebrochen.
… „Sollten wir wieder zu den alten nationalen Konflikten und Feindseligkeiten sowie zu dem Wettrüsten zurückkehren“, fragte Lloyd George, „oder sollen wir die Regierung des Friedefürsten auf Erden nachahmen“?
Die Zeit ist gekommen, in der die Welt für Wahrheit und Recht, Gerechtigkeit und Menschlichkeit organisiert werden muß. Deshalb dringen wir als Christen anläßlich der kommenden Friedenskonferenz auf die Regierung des Friedefürsten auf die Errichtung eines Bundes freier Völker. Ein solcher Bund ist nicht bloß ein politischer Friedensbehelf; er ist vielmehr der politische Ausdruck des Königreiches auf Erden.
… Die Helden werden umsonst gestorben sein, wenn aus dem Siege nicht eine neue Erde hervorgeht, auf der Gerechtigkeit wohnt.
Die Kirche hat viel zu geben und viel zu gewinnen. Sie kann der neuen internationalen Ordnung eine wirksame Weihe geben, indem sie ihr etwas von der prophezeiten Herrlichkeit des Reiches Gottes verleiht. Was ist das Königreich Gottes, wenn nicht der Triumph des Willens Gottes in den Angelegenheiten der Menschen, „Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geiste“? Und was ist diese Vision von einem Weltbund der Menschheit, organisiert auf der Grundlage der Gerechtigkeit und der Redlichkeit zur wirkungsvollen und unparteiischen Aufrechterhaltung des Friedens, wenn nicht eine Vision von Gottes Königreich?
Die Kirche kann einen Geist guten Willens geben, ohne den kein Völkerbund bestehen kann …
Der Völkerbund ist im Evangelium verwurzelt. Wie das Evangelium, so verfolgt auch er das Ziel: „Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen.“ Wie das Evangelium richtet er sich an alle.
Laßt uns unseren himmlischen Vater, Gott, den Allmächtigen, flehentlich darum bitten, daß sich die Friedensabgeordneten der Nationen von Gottes Geist leiten und durch seine Weisheit erleuchten lassen möchten, so daß sie dem neuen Gebilde des Lebens der Welt Satans Seinen gerechten, liebevollen und heiligen Willen einverleiben …
31. Was unternahm das Exekutivkomitee des Rates, um die erwähnten Dokumente zu unterbreiten, und was sandte es an Präsident Wilson?
31 Das Exekutivkomitee des Generalrates der Kirchen nahm zur Unterstützung des Planes auch verschiedene Resolutionen an. Eine davon diente der Ernennung einer „geeigneten Sonderkommission, die, soweit es zweckdienlich ist, als Abordnung der protestantischen Kirchen von Amerika der Friedenskonferenz der alliierten und assoziierten Nationen die oben erwähnten Dokumente überreichen soll“. Nach der Annahme der Erklärung und der Resolutionen verfaßte das Exekutivkomitee eine Empfehlung und sandte Präsident Wilson ein Telegramm nach Paris, um ihn von den unternommenen Schritten zu unterrichten. Später ging an Präsident Wilson ein Brief, datiert vom 18. Dezember 1918, mit einer Abschrift des Telegramms, der die Erklärung mit der sie stützenden Resolution enthielt. Darin wurde auch mitgeteilt, daß eine Sonderkommission dazu bestellt worden sei, die Erklärung der Friedenskonferenz offiziell vorzulegen, die bald darauf tagen sollte.e
(Fortsetzung folgt)
Fußnoten
a The Encyclopedia Americana, Band 13, Seite 325b.
b Siehe Der Wachtturm vom 15. Oktober 1959, S. 628/29, § 25—27.
c Die Worte „aber nicht durch seine eigene Macht“ (Daniel 8:24) sind in den Papyrus-Fragmenten aus Ägypten (der Sammlung der Chester-Beatty-Papyri), die den Originaltext der griechischen Septuaginta-Übersetzung enthalten, nicht zu finden. Sie enthalten Daniel 3:27 bis 6:18 und 7:1 bis 8:27. Auch sind die Worte nicht in der aus dem zweiten Jahrhundert stammenden griechischen Übersetzung Theodotions zu finden. Im hebräischen Text stehen sie jedoch.
d In einer Rede, die Lloyd George um den Beginn des Jahres 1931 hielt, sagte er: „Ich stellte anläßlich der Tagung der führenden Staatsmänner der Alliierten, die im Jahre 1919 in Paris stattfand, den ersten Antrag, auf den sich später die Satzung des Völkerbundes stützte. Das Kabinett, dem ich vorstand, war die einzige Regierung in der Welt, die, noch ehe die [Friedens-]Konferenz zusammentrat und noch bevor der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, sorgfältig erwogene Pläne vorbereitete, um jenen Antrag im Prinzip zur Durchführung zu bringen. Selbst in den kritischsten Momenten des Krieges traten Ausschüsse jenes Kabinetts zusammen, um den Plan zur Gründung eines Verbandes der Nationen zur Sicherung des Friedens auf Erden auszuarbeiten.“ — Siehe The Watch Tower vom 15. Januar 1931, Seite 31, Spalte 1, unter dem Titel „A Large Portion“, Abschnitt 5.
e Siehe „Federal Council Bulletin“, Band II, Nr. 1, vom Januar 1919, Seite 12—14.