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Verlernen wir die Kunst des Lernens?Erwachet! 1982 | 22. Dezember
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Verlernen wir die Kunst des Lernens?
Kannst du lesen? Und schreiben? Und rechnen? Wenn ja, dann kannst du etwas, was jeder fünfte NICHT KANN.
WELTWEIT kann jeder dritte Erwachsene nicht einmal die einfachen Wörter auf dieser Seite lesen, ganz gleich in welcher Sprache. Aber das ist nicht das Schlimmste. Vielerorts bilden jüngere Menschen einen wachsenden Prozentsatz der Analphabeten. Im Jahre 1977 schätzte Joe Fobes, Direktor der UNESCO, daß bei einer Fortdauer des derzeitigen Trends bis 1985 die Zahl der Kinder von sechs bis zwölf Jahren, die nicht zur Schule gehen, in der dritten Welt etwa 134 Millionen erreichen wird.
Und in Ländern, wo mehr junge Leute zur Schule gehen, scheinen sie weniger zu lernen. In den Vereinigten Staaten führen einige Eltern Gerichtsprozesse gegen Schulen, an denen Schüler die Abschlußprüfung bestehen, die nicht einmal lesen oder ein einfaches Formular für ein Stellengesuch ausfüllen können.
Was geschieht mit der Bildung?
In dem Versuch, zu erklären, was auf dem Gebiet des Lehrens und Lernens vor sich geht, berichtete die Zeitschrift U.S. News & World Report über zwei Jahrzehnte der Experimente, in denen Milliarden von Dollar dafür ausgegeben wurden, eines der größten Schulsysteme der Welt, nämlich das der Vereinigten Staaten, zu verbessern. Altmodische Methoden des Lese-, Schreib- und Rechenunterrichts wurden größtenteils zugunsten von Unterrichtsmethoden aufgegeben, bei denen durch Bilder gelehrt wird. Durch die „neue Mathematik“ wurden die Multiplikationstabellen ersetzt.
Schüler in Westport (Connecticut, USA) lasen als Unterrichtslektüre die Zeitschrift Mad, hörten sich Beatles-Schallplatten an und sahen fern. Sie stellten ihre Unterrichtskurse selbst zusammen: „Vampires Unlimited“ (eine Studie über Horrorgeschichten zur Einschüchterung), „Whittle Your Way to a Bikini“ (ein Ernährungskurs) und eine Vielzahl abwegiger Fächer, die nur von führungslosen Teenagern ersonnen werden können.
Was haben solch „fortschrittliche“ Unterrichtsmethoden hervorgebracht? In der Generation der Sechsundzwanzig- bis Fünfunddreißigjährigen sind viele so schlecht geschult, daß sie nicht einmal die Preise in einem Lebensmittelgeschäft vergleichen, ein Kochrezept entschlüsseln oder ihr Scheckkonto ausgleichen können.
Angeregt durch Kritik, haben einige Schulen und Colleges begonnen, die „Neuerungen“ abzuschaffen und zu althergebrachten Unterrichtszielen und -methoden zurückzukehren. Die Erzieher befinden sich in einem „Chaos von Forderungen und Trends“ auf einem „strapazierten Schlachtfeld, wo Armeen von Theoretikern aufeinanderprallen“.
Zu den auf diese Weise hervorgebrachten Analphabeten gehören sogar einige Lehrer. Man schätzt, daß in den USA jeder fünfte Lehrer das Lesen, Schreiben und Rechnen nicht gut genug beherrscht, um unterrichten zu können. Gemäß Reader’s Digest war ein Lehrer, der an der Portland State University in Oregon nur die Noten A und B (die beiden besten Noten) erhalten hatte, zu schlecht ausgebildet, um im Kindergarten unterrichten zu können.
Sollte man sich angesichts der 42 Millionen Schüler an öffentlichen Schulen, wo jeder zwanzigste Lehrer von Schülern tätlich angegriffen wird und eine Atmosphäre herrscht, die geprägt ist durch Rassismus, Familienzerrüttung und Gleichgültigkeit von seiten der Eltern, wundern, daß sich so viele Schüler dem Alkohol, den Drogen, der Gewalttätigkeit und der Kriminalität zuwenden?
Befürchtest du als Schüler, daß keine Aussicht mehr besteht, eine gute Bildung zu erhalten? Das muß aber nicht sein. Erwäge folgende Fragen: Bringst du die Schule mit Arbeit oder mit Erholung in Verbindung? Erkennst du, daß die Schule nicht nur Vergnügen bereitet, wenn du wirklich lernen möchtest? Wirst du imstande sein, zumindest e i n e für das Geldverdienen wichtige Fertigkeit zu beherrschen, bevor du die Schule verläßt? Ist dir bewußt, was alles zu den Grundlagen der Bildung gehört — Lesen (durch Buchstabierübungen), Mathematik (ohne völlige Abhängigkeit vom Taschenrechner), Geschichte, Geographie, Rechtschreibung, Schönschreiben, Aufsatz, Charakterbildung, Bürgerrecht, Höflichkeit und gute Manieren? Erkennst du, daß die Schulung, die in der Schule beginnt, als ein lebenslanger Vorgang fortdauern sollte, der über das Klassenzimmer und die Notengebung hinausreicht?
Ob für dich die Aussicht besteht, eine wertvolle Bildung zu erwerben, hängt davon ab, inwieweit du Fragen dieser Art bejahen kannst. Am meisten zählen deine eigene Einstellung, deine Entschlossenheit und deine Zielsetzung.
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Bereite dein Kind schon im Säuglingsalter auf das Lesen vorErwachet! 1982 | 22. Dezember
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Bereite dein Kind schon im Säuglingsalter auf das Lesen vor
Die Hinweise in diesem Artikel sind dem Programm eines Lehrers entnommen, der jahrelange Erfahrung an öffentlichen Schulen und im Privatunterricht hat.
WÄHREND deine Augen diese Wörter erfassen, bedienst du dich einer Fertigkeit, die die Grundlage der Bildung ist: der Fähigkeit zu lesen. Dank der grundlegenden Fertigkeit, die Gedanken einer gedruckten Seite aufzunehmen, bist du in der Lage, etwas über Ereignisse der fernen Vergangenheit, der Gegenwart und — als würdest du eine Blaupause lesen — der Zukunft zu erfahren. Frage dich: „Wie wäre das Leben, wenn ich nie Lesen gelernt hätte?“
Dennoch wird beispielsweise in den USA berichtet, daß eine große Zahl von Schülern der High-School und Studenten im Lesen nicht den Standard erreicht, den ihre Aufgaben erfordern. Daraus folgt, daß man eine Fertigkeit, die so grundlegend für unser Leben ist, schon möglichst früh im Leben erlernen sollte. Ferner folgt daraus, daß es für uns von großer Wichtigkeit sein sollte, unseren kleinen Kindern das Lesen beizubringen.
Viele Eltern haben die irrige Vorstellung, daß die Bildung eines Kindes beginnt, wenn es in den Kindergarten oder in die erste Schulklasse kommt. Tatsache ist indes, daß vom Augenblick der Geburt an das kleine computerähnliche Gehirn auf EIN geschaltet ist und darauf wartet, mit Informationen gefüttert zu werden, die es für den späteren Gebrauch speichern kann. Somit beginnt
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