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Zu alt, zu jung, zu schwach, zu stark?Der Wachtturm 1965 | 15. Mai
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Zu alt, zu jung, zu schwach, zu stark?
DAS Sprichwort: „Zum Lernen ist man nie zu alt“, erhält in den über 20 000 Versammlungen der Zeugen Jehovas in der ganzen Welt eine besonders tiefe Bedeutung. In diesen Versammlungen lernen jedes Jahr Tausende von Angehörigen jeder Altersklasse, vom Podium aus zu einer größeren Zuhörerschaft zu sprechen und Außenstehenden in ihrer Wohnung anhand der Bibel kurze Predigten zu halten. Die meisten von ihnen würden, wenn du sie fragtest, sagen, sie hätten das nie für möglich gehalten, und alle werden bestätigen, daß die theokratische Predigtdienstschule sehr viel dazu beigetragen hat.
„Was, ich in meinem Alter soll nochmals in die Schule gehen?“ fragst du vielleicht. Besuchen wir doch zusammen einmal kurz einen der vielen Königreichssäle, um zu sehen, wieso es möglich ist, daß so viele aus dieser Schule Nutzen ziehen können. Wir treten ein und werden sogleich dem Verantwortlichen für die theokratische Predigtdienstschule, die erste der beiden an diesem Abend eines Wochentags stattfindenden Zusammenkünfte, vorgestellt. Er wird Schuldiener genannt, und man sagt uns, die Bezeichnung „Diener“ werde auf alle angewandt, die zur Unterstützung der übrigen Prediger, aus denen die Versammlung besteht, einem bestimmten Aufgabengebiet vorständen.
„Ist diese Art Schulung der Gesamtheit einer Glaubensgemeinschaft nicht etwas ungewöhnlich?“ fragen wir.
„Allerdings“, erwidert der Schuldiener. „Wir sind jedoch eine Gesellschaft von Predigern, und wir werden in allen fünf Zusammenkünften, die wir in unserem Königreichssaal abhalten, geschult, um den Menschen in ihren Wohnungen predigen zu können. Darum wirken alle Glieder der Versammlung in den Zusammenkünften aktiv mit. Die meisten lassen sich zum Beispiel auch in die theokratische Predigtdienstschule eintragen, und alle, die eingetragen sind, bereiten sich abwechslungsweise auf kurze Predigten vor, die sie vor der Versammlung halten.“
KEINE SCHULENTLASSUNG
„Warum nennen Sie es eine ‚Schule‘, und wie lange dauert der ganze Kurs?“
„Wir nennen es eine Schule, weil die Teilnehmer im öffentlichen Sprechen über biblische Themen systematisch und fortschreitend geschult werden. Der Kurs ist jedoch fortlaufend. Er hat im Jahre 1943, als die Schule eingeführt wurde, begonnen. Einige in unserer Versammlung machen den Kurs schon seit Beginn der Schule mit. Der grauhaarige Herr dort ist einer von ihnen. Ich möchte Sie ihm gern vorstellen, denn er ist beauftragt, heute abend unsere erste Ansprache zu halten.“
Der erwähnte Herr scheint Anfang Fünfzig zu sein. Er steht gerade am Eingang zu einem kleinen Vorraum im hinteren Teil des Königreichssaales und blättert in einem Buch, das, wie wir beim Nähertreten feststellen, ein Band des Wachtturm-Jahrgangs 1960 ist. Ein halbwüchsiger Junge und eine Frau mittleren Alters sitzen an einem Tisch. Sie haben mehrere Bücher und die Bibel vor sich. Wir werden dem älteren Herrn vorgestellt und erfahren, daß dieser kleine Raum die Schulbibliothek ist, in der verschiedene Bibelausgaben, Bibellexika und andere biblische Nachschlagewerke vorhanden sind, die jedermann in der Versammlung bei der Vorbereitung von Ansprachen benutzen kann.
„Ist es nicht etwas entmutigend“, fragen wir unseren neuen Bekannten, „an einem Lehrgang teilzunehmen, der nach über zwanzig Jahren noch nicht abgeschlossen ist? Der Schuldiener sagte uns eben, Sie seien heute abend der erste Sprecher. Denken Sie nicht, Sie hätten schon ziemlich ausgelernt?“
„Nun, solange ich in die Schule gehe, höre ich nicht auf zu lernen“, erwidert er. „Natürlich sind wir nach einer gewissen Zeit mit den Grundregeln des Sprechens gründlich vertraut, aber wir können uns in der Anwendung dieser Regeln immer noch verbessern. Darüber hinaus erhalten wir immer wieder etwas Neues als Lehrstoff.“ Er stellt den gebundenen Jahrgang des Wachtturms in das Bücherregal zurück und nimmt ein anderes Buch herunter, das dunkelblau gebunden ist und etwa die gleiche Größe hat, nur etwas dünner ist.
„Das ist das Lehrbuch, das wir in englischsprachigen Gebieten zur Zeit außer der Bibel benutzen, und ich möchte das Studium dieses Buches in der Schule um keinen Preis missen. Es trägt den Titel ‚All Scripture Is Inspired of God and Beneficial‘ [‚Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich‘], und wenn wir es in ungefähr zwei Jahren durchstudiert haben, werden wir die Bibel vollständig gelesen und jedes Bibelbuch von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet haben. Jede Woche, wenn ich aus dem Königreichssaal nach Hause komme, habe ich etwas Neues gelernt.“
„Das hört sich so an, als hätten Sie wirklich allen Grund, diese Schule weiter zu besuchen. Worüber sprechen Sie denn heute abend?“
„Meiner Ansprache liegt das Bibelbuch Josua zugrunde. Die ganze Versammlung hatte die Aufgabe, die ersten zwölf Kapitel dieses Buches zu lesen, um sich für heute abend vorzubereiten. Ich habe das Thema gewählt ‚Jehovas Segen setzt unerschütterlichen Glauben und Gehorsam voraus‘. Da wir diese Woche mit der Betrachtung des Buches Josua beginnen, befasse ich mich in meiner Ansprache mit dem äußeren Rahmen des Buches: mit seinem Schreiber, der Zeit seiner Niederschrift, dem Zeitraum, den es umfaßt, usw. Ich habe auch vor, seinen Inhalt und einige seiner Grundsätze auf die Gegenwart anzuwenden und zu zeigen, daß dieses Buch selbst uns, die wir im 20. Jahrhundert leben, und unser Leben berührt. Es handelt sich dabei um eine viertelstündige Ansprache, ‚Unterrichtsrede‘ genannt, weil sie in der Regel vom Schuldiener oder einem der älteren Studierenden gehalten wird. Nächste Woche werde ich die übliche mündliche Wiederholung über diesen Stoff leiten, die fünf Minuten dauert und den Anwesenden Gelegenheit gibt, sich über das Gelernte zu äußern. Heute abend werden in der mündlichen Wiederholung einige Fragen behandelt, die letzte Woche in unserer schriftlichen Wiederholung gestellt wurden.“
FREUDE UND FORTSCHRITT
„Schriftliche Wiederholung? Wollen Sie damit sagen, daß Sie in dieser Schule auch schriftliche Examen haben?“
„Es sind eigentlich keine richtigen Examen, wir nennen sie schriftliche Wiederholungen, weil jeder seine Arbeit selbst bewerten kann und darüber keine Aufzeichnungen geführt werden. Es hilft uns lediglich, unseren eigenen Fortschritt besser zu beobachten. Eine unserer Missionarinnen auf Amerikanisch-Samoa berichtete zum Beispiel, einige Personen, mit denen sie die Bibel studiert, hätten aus Neugier versucht, mehrere schriftliche Wiederholungen mitzumachen, sie hätten aber bald erkannt, daß sie mit dem, was sie zu Hause lernten, nicht auskämen, sondern auch den Schulstunden im Königreichssaal beiwohnen müßten. Von da an seien die Wiederholungen für sie ‚eine Quelle der Freude und des Fortschritts‘ gewesen. Wir müssen nun aber unsere Plätze einnehmen, denn, wie ich sehe, möchte der Schuldiener die Zusammenkunft eröffnen.“
Nachdem die Versammlung ein Lied gesungen und einer der Anwesenden ein Gebet gesprochen hat, beginnt der Schuldiener mit einem kurzen Rückblick auf die schriftliche Wiederholung, und wir müssen uns unwillkürlich fragen, wie viele dieser Fragen wir wohl hätten beantworten können. „Nenne mindestens vier der vielen rechtlichen Vorbilder, von denen in 5. Mose berichtet wird und die Gesetzen der heutigen Gesellschaft zugrunde liegen. Warum durften die Israeliten in den Städten des Verheißenen Landes, die sie einnehmen sollten, ‚nichts leben lassen, was Odem‘ hatte? Welche Verantwortung haben Eltern gemäß 5. Mose 11:19? Das ganze 5. Buch Mose betont, daß Jehova von seinem Volk ausschließliche Ergebenheit verlangt — falsch oder richtig?“ usw. Die Anwesenden beantworten die Fragen Schlag auf Schlag, wobei die meisten nicht einmal auf die Antworten schauen, die sie in der Woche zuvor auf ihre Bogen geschrieben haben
UNTERWEISUNG UND RATSCHLÄGE
Nun folgt die Unterrichtsrede, und dann wird der erste Redner der Studierenden, ein junger Mann von nicht ganz zwanzig Jahren, eingeführt. Er scheint am Anfang etwas nervös zu sein, aber bald merken wir nichts mehr davon, denn seine Einleitung erweckt Interesse an seiner Erzählung über Josua 3:1 bis 5:12. Während er immer tiefer in sein Thema „Josua führt das Volk Israel in das Verheißene Land“ eindringt, erinnern wir uns an einige Gedanken, auf die schon in der Unterrichtsrede über unerschütterlichen Glauben und Gehorsam hingewiesen worden war, und das Buch Josua wird für uns lebendig, denn wir sehen vor unserem geistigen Auge, wie Gottes Volk vertrauensvoll und zuversichtlich trockenen Fußes über den Jordan, dessen Wasser durch ein Wunder geteilt worden sind, zieht und sich dann innerhalb der Grenzen seiner neuen Heimat durch die Beschneidung heiligt. In Verbindung mit seinen Ratschlägen lobt der Schuldiener den Studierenden wegen des belehrenden Stoffes und der richtigen Lautstärke. Er erwähnt auch, daß der Studierende bereits auf dem besten Wege sei, die nächsten Merkmale des guten Sprechens zu beachten, an denen er künftig arbeiten werde, nämlich: „Klar und verständlich“ und „Verwendung von Pausen“.
Die beiden nächsten Ansprachen werden von Frauen gehalten. Sie sprechen aber nicht direkt zur Zuhörerschaft, sondern zu einer anderen Kursteilnehmerin auf dem Podium. Die erste Sprecherin behandelt das Thema „Die ‚große Volksmenge‘ durch ihren Glauben an Jehova gerettet“, und die zweite hebt das Thema „Unrechte Begierden führen zum Tod“ hervor. Die erste, sie ist schon in ziemlich vorgerücktem Alter, nimmt an, sie spreche mit ihrer verheirateten Tochter, um sie zu ermuntern. Sie gebraucht dabei als Beispiel Rahab, eine Frau, die in Jericho wohnte und die am Leben blieb, weil sie Glauben an Jehova, den Gott der Israeliten, bewies und das Leben zweier israelitischer Kundschafter, die zu ihr gekommen waren, schützte. Die zweite Sprecherin ist eine jüngere Frau. Sie löst ihre Aufgabe so, als ob sie sich mit einer Frau unterhielte, die sich Gott hinzugeben und taufen zu lassen beabsichtigt. Sie stützt sich auf den Bericht über Achan in Josua 7:1-26, um ihre Zuhörerin auf freundliche Weise in bezug auf bestimmte Dinge, die diese nach ihren eigenen Aussagen im Berufsleben schon getan hat, zur Vorsicht zu mahnen. Der Schuldiener erteilt den beiden Sprecherinnen nach ihrer Ansprache Rat und lobt sie für die gute Lösung ihrer Aufgaben; der ersten spendet er ein Lob, weil sie den Gegenstand des Themas so gut hervorhob, und der zweiten, weil ihre Darlegungen eine überzeugende Beweisführung waren und Wärme und Gefühl verrieten.
Nun wird der vierte und letzte Studierende eingeführt. Der Schuldiener sagt, der Redner sei beauftragt worden, über das Thema „Seid mutig, denn Jehova verleiht den Sieg“ zu sprechen, und stelle sich vor, er richte das Wort an einige Mitglieder einer jüdischen Jugendgruppe, die das Bühnenstück „Der Stellvertreter“ gesehen und ihn gefragt hätten, ob er ihnen als Zeuge Jehovas näheren Aufschluß über Jehovas Zeugen geben könne, die in dem Stück als eine Widerstandsbewegung gegen Hitler erwähnt würden. Der Redner beantwortet die Frage, indem er die neutrale Haltung der Zeugen Jehovas in politischen Angelegenheiten näher erklärt und kurz ihren geistigen Kampf zur Unterstützung der gerechten göttlichen Regierung beleuchtet, wobei er den vorbildlichen Glauben und Mut Josuas, eines unerschrockenen Vorfahren seiner fiktiven Zuhörerschaft, besonders hervorhebt. Josuas Handlungsweise und der Sieg, den ihm Jehova Gott deswegen verliehen habe, seien für uns ein denkwürdiges Beispiel, sagt der Redner zum Schluß.
Der Schuldiener erteilt dem Studierenden Rat und schließt die Schulstunde ab. Wir aber lassen die vergangene Stunde und die Minuten kurz davor nochmals an unserem geistigen Auge vorüberziehen, damit sich uns die Bedeutung dieses Erlebnisses richtig einprägt. Diese Männer und Frauen, die wir soeben hörten, von denen die einen jünger, die anderen älter sind, sehen nicht anders aus als unsere Nachbarn. Sie haben aber eine besondere Art zu sprechen, und das macht sie anders. Ihr Vertrauen und Gleichgewicht auf dem Podium, die Überzeugung, mit der sie sprechen, und ihre unverkennbare Freude, ihren Zuhörern etwas sagen zu können, was für sie wirklich von Bedeutung und Nutzen ist, lassen uns erkennen, daß wir es hier mit Menschen zu tun haben, die sich vor dem Lernen nicht scheuen, die aber dennoch nicht so sehr auf ihre Fähigkeiten oder Fortschritte bedacht sind, daß sie die Notwendigkeit, andere ‚diese gute Botschaft vom Königreich‘ Gottes hören zu lassen, vergessen würden.
Wir bedanken uns beim Schuldiener für die Unterstützung, die er uns in Verbindung mit unserem Besuch geleistet hat, und seine Abschiedsworte scheinen das, was wir an diesem Abend hier gehört haben, kurz zusammenzufassen: „Diese Leute nehmen den Rat des Apostels Paulus ernst: ‚Gib beständig acht auf dich selbst und auf dein Lehren. Bleibe bei diesen Dingen, denn dadurch, daß du dieses tust, wirst du sowohl dich selbst als auch jene retten, die auf dich hören.‘ Könnte jemand wirklich sagen, er sei zu alt, zu jung, zu schwach oder zu stark, um an einem solchen Schulungsprogramm teilzunehmen?“
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Uneheliche KinderDer Wachtturm 1965 | 15. Mai
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Uneheliche Kinder
◆ Nach dem Entscheid eines amerikanischen Gerichts wird im Staat New York ein Kind, das zufolge einer künstlichen Befruchtung mit fremdem Samen geboren wurde, selbst dann als unehelich betrachtet, wenn der Mann seine Zustimmung zu einer künstlichen Befruchtung seiner Frau gegeben hat. In dem Bericht, der in der Zeitschrift The United States Law Week vom, 13. August 1963 erschien, hieß es unter anderem wie folgt: „Die althergebrachte Auffassung, ein Kind, das von einem Vater gezeugt wurde, der nicht der Ehemann der Mutter ist, als unehelich zu betrachten, ist im Gesetz tief verankert. ‚Es ist anzunehmen, daß diese althergebrachte Auffassung über die Illegitimität eines solchen Kindes weiterhin aufrechterhalten wird‘, es sei denn, sie werde durch eine Gesetzesvorschrift geändert. Es gibt aber keine solche Gesetzesvorschrift.“ Das Urteil des New Yorker Obergerichts, Kings County (Gursky gegen Gursky, 2. August 1963), lautete: „In Fällen, in denen es darum geht, die Frage der Legitimität zu klären, ist eine heterologe künstliche Befruchtung mit fremdem Samen — ob mit oder ohne Zustimmung des Ehemannes — als Ehebruch seitens des Vaters zu betrachten, und das auf diese Weise gezeugte Kind wird daher unehelich geboren.“
Eine Frau, die einer künstlichen Befruchtung mit fremdem Samen zustimmt, begeht nach der Bibel eigentlich Ehebruch. Würde ihr Mann dazu seine Zustimmung geben, so hieße er ihre ehebrecherische Handlung ebenfalls gut. Eine künstliche Befruchtung widerspricht dem Gesetz Gottes. — Matth. 7:17-20; 1. Kor. 6:9-11.
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