„Es ist allein seine Schuld!“ — Frieden trotz Meinungsverschiedenheiten
„GUT, wenn du dich änderst und tust, was du tun sollst“, fuhr Sherry ihren Mann an, „dann werde ich das tun, was ich tun soll.“ Allen, ihr Mann, fing den Zornausbruch auf. Aber er dachte, der Fall liege genau anders herum. Beide wußten, was die Bibel sagt, doch jeder war der Meinung, der andere würde sich nicht daran halten.
Ehepaare erreichen nicht selten einen solchen toten Punkt und meinen, an ihren Problemen sei hauptsächlich der andere schuld. Überzeugt davon, daß Allen schuld war und sich nie ändern würde, zog Sherry aus. „Ich hielt es für sinnlos, es noch weiter zu versuchen“, sagte sie. „Die Lage schien hoffnungslos zu sein.“ Hast auch du schon einmal so gedacht? Glücklicherweise fand dieses Ehepaar einen Weg, die Ehe zu retten.
Ist nur einer schuld?
Bei einer Zusammenkunft der Zeugen Jehovas hörte Sherry etwas, was ihr Herz berührte. Ein Redner sagte, daß Demut wichtig sei, wenn man den Gedankenaustausch in der Ehe fördern wolle. Demütig begann Sherry, ihre eigene Situation zu analysieren, um zu sehen, ob sie selbst zu den Problemen beigetragen hatte.
Gewöhnlich ist jeder darauf bedacht, sich von Schuld freizusprechen. „Recht bekommt in seinem Streitfall der erste, aber dann kommt der andere und geht der Sache nach“ (Sprüche 18:17, Einheitsübersetzung). Den Partner für etwas verantwortlich zu machen ist nur eine fade Entschuldigung und erspart es einem lediglich, bei sich selbst nach den möglichen Ursachen der mißlichen Lage zu suchen. In der Bibel heißt es, man könne seine Ehe entweder ‘aufbauen’ oder ‘mit seinen eigenen Händen niederreißen’ (Sprüche 14:1). Geht man aber „der Sache nach“, und zwar bei sich selbst, stellt man meist fest, daß Verbesserungen möglich sind.
Dieses Insichgehen war für Sherry der erste Schritt zur Lösung ihres Problems. Sie hatte erkannt, daß sie ihren etwas rechthaberischen Mann wahrscheinlich nicht auf die Art und Weise ändern konnte, wie sie es versucht hatte. Was sie aber ändern konnte, war ihre Art, auf ihn einzugehen und mit ihm zu sprechen. Vielleicht würde ihn das zum Guten beeinflussen. Entschlossen, von nun an auf ihr Reden zu achten, kehrte sie zu ihm zurück. Die Ergebnisse waren positiv.
Die Macht der Zunge
„Ein versöhnliches Wort hilft anderen zum Leben; wer unversöhnlich redet, zerstört jede Gemeinschaft“ (Sprüche 15:4, Die Bibel in heutigem Deutsch). Gedankenloses, „unversöhnliches“ Reden ruft zumeist Zorn und Unwillen hervor. „Ich hatte ihm wiederholt vorgeworfen, daß er mich nur geheiratet habe, um jemand zu haben, der das Haus sauberhalte und die Kinder beaufsichtige“, gab Sherry zu. „Das brachte ihn jedesmal in Rage, so daß er laut wurde. Deshalb vermied ich nun, so etwas zu sagen. Ich stichelte nicht mehr so oft und war auch weniger kritisch. Statt ihn im Beisein der Kinder herabzuwürdigen, wartete ich einen geeigneten Zeitpunkt ab, um mit ihm zu besprechen, was mir mißfiel. Ich bemühte mich, ihm aufmerksamer zuzuhören und ihn zu loben, wann immer ich konnte.“
Das blieb bei Allen nicht ohne Widerhall, und die Atmosphäre in ihrer Ehe gewann an Herzlichkeit. Ist dein Reden eine Bereicherung für eure Ehe, oder verursacht es Schmerz und ‘zerstört die Gemeinschaft’ mit deinem Partner? Beachtest du das Gebot der Bibel, indem du „Mitgefühl“ bekundest und „zartes Erbarmen“ hast? (1. Petrus 3:8).
Larry und Michele, ein anderes Ehepaar, unterhielten sich einmal darüber, welche Nachspeise sie für eine Party vorbereiten sollten. „Mach nicht viele Umstände. Kauf einen Kuchen“, drängte Larry. Michele ließ sich nicht davon abbringen, mit viel Aufwand einen Kuchen zu backen. Und tatsächlich, kurz bevor die Gäste eintreffen sollten, hörte Larry aus der Küche ein großes Wehgeschrei. Der Kuchen war nach dem Herausnehmen aus der Form zusammengefallen. „Habe ich dir nicht gesagt, daß es blanker Unsinn ist, einen solchen Kuchen selbst backen zu wollen!“ sagte Larry, ohne auch nur die geringste Rücksicht auf ihren Kummer zu nehmen. „Und was willst du jetzt als Nachtisch servieren?“
„Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte ihm den verunglückten Kuchen an den Kopf geworfen“, bekannte Michele. Nur das Eintreffen der Gäste verhinderte, daß sie sich in die Haare gerieten. Noch Tage danach sprachen sie kaum ein Wort miteinander. Konnte Larry aber behaupten, alles sei ihre Schuld? Ganz im Gegenteil, seine ‘gedankenlosen’ Bemerkungen glichen „Schwertstichen“ und lösten eine heftige Gegenreaktion aus (Sprüche 12:18). Wieviel sinnvoller wäre es doch gewesen, wenn er Mitgefühl bekundet und etwas anderes als Dessert vorgeschlagen hätte!
Was sollte also geschehen, wenn dein Ehepartner angesichts einer bitteren persönlichen Enttäuschung oder wegen eines Mißgeschicks aus der Fassung gerät? Du magst dir zwar bewußt sein, daß du in keiner Weise daran schuld bist, aber wie verhältst du dich, wenn er sich aus lauter Verzweiflung dir gegenüber im Ton vergreift?
Selbstaufopfernde Liebe
In der Bibel wird nicht empfohlen, sich zurückzuziehen, sondern: „Fahrt fort, einander die Bürden zu tragen, und so erfüllt das Gesetz des Christus“ (Galater 6:2). Seinem Ehegefährten Hilfe anzubieten, wenn er verärgert ist, ist zwar nicht einfach, das „Gesetz des Christus“ anzuwenden ist aber entscheidend.
Jesus gab das Gebot, selbstaufopfernde Liebe zu üben (Johannes 13:34, 35). Diese Art Liebe „blickt nicht nach ihren eigenen Interessen aus“ (1. Korinther 13:5). Sie wird dich dazu bewegen, selbst dann zu vergeben und die Sache zu übersehen, wenn du berechtigte „Ursache zu einer Klage“ hast (Kolosser 3:13). Selbstaufopferung erfordert es, ‘in Ehrerbietung dem anderen zuvorzukommen’ und auf Böses mit Gutem zu reagieren (Römer 12:10, 17-21).
Selbstaufopferung erfordert jedoch nicht, vorbehaltlos alles zu tun, um einem Streit mit dem Ehepartner aus dem Weg zu gehen. Die Bibel berichtet, daß Sara unterwürfig und opferbereit war. Dennoch zögerte sie nicht, freiheraus ein Problem zur Sprache zu bringen, wenn es die Situation erforderte. Sie schätzte den langfristigen Nutzen für die Familie höher ein als eine kurzfristige Gefährdung des Friedens (1. Mose 16:1-6; 21:8-11).
Sollte dein Partner also jemals einen gefährlichen Lauf einschlagen, dann ist „offene Zurechtweisung [besser] als verborgene Liebe“ (Sprüche 27:5). Wähle aber den richtigen Zeitpunkt, und sprich nicht in Hörweite der Kinder und anderer. Wende dich bittend an deinen Ehepartner, und hilf ihm zu erkennen, daß eine Änderung ratsam ist.
Der wesentliche Gesichtspunkt
Dennoch scheint sich manchmal der Ehepartner nicht ändern zu wollen. Man könnte erwägen, einen qualifizierten Berater zu Rate zu ziehen. In den Versammlungen der Zeugen Jehovas gibt es geistig befähigte Aufseher, die bereit sind, Hilfe zu leisten (Jakobus 5:14, 15). Dadurch kann dem Ehegefährten vielleicht geholfen werden, biblische Grundsätze anzuwenden, und das um so mehr, wenn er oder sie ein gutes Verhältnis zu Gott schätzt.
Was aber, wenn dein Ehepartner das nicht tut? Dann muß die Liebe zu Gottes Gesetzen bei dir den Vorrang haben. Der Psalmist, der zeitweise selbst außerordentlich starkem seelischen Druck ausgesetzt war, schrieb: „Den Weg der Treue habe ich gewählt. ... Den Weg deiner Gebote werde ich laufen, denn du schaffst meinem Herzen Raum“ (Psalm 119:11, 30, 32). Der Schreiber dieses Psalms, der Gottes Gesetze gebührend beachtete, vermehrte in seinem Herzen nicht nur die Erkenntnis Gottes, sondern entwickelte auch ein festeres Vertrauen in seine Fähigkeit, ihn zu erhalten. Gott schaffte seinem Herzen „Raum“, damit er seine schmerzlichen Gefühle ertragen konnte.
Jehova kann somit auch dir helfen, in deinem Herzen Raum für deinen uneinsichtigen Ehegefährten zu schaffen. Das Bewußtsein, das Wohlgefallen Gottes zu behalten, indem du seine Gebote beachtest, verleiht dir inneren Frieden.
Es führt wirklich zum Erfolg!
Seit zehn Jahren sind Sherry und Allen wieder glücklich vereint. Wenn auch beide ihre Fehler haben, so bemühen sie sich doch, den Rat der Bibel zu beherzigen. „Manchmal verfalle ich noch in einige meiner alten Gewohnheiten“, räumte Allen ein. „Aber ich gebe den Versuch, mich zu ändern, nicht auf.“
Sherry achtet darauf, nicht gleich „aus der Haut zu fahren“. „Man muß es lernen, sich mit gewissen Eigenarten eines Menschen abzufinden“, sagte sie. „So ist er nun mal. Man kann nicht alles an ihm ändern, ebensowenig wie ich nicht alle meine Unvollkommenheiten ablegen kann.“ Freimütig äußerte Sherry folgende wichtige Schlußfolgerung: Man kommt nicht umhin, geringfügige Fehler zu vergeben (Matthäus 18:21, 22). „Nachdem ich beobachtet hatte, wie Allen auf meine veränderte Einstellung reagierte“, sagte Sherry und dachte dabei an die von Streit gekennzeichneten sieben Ehejahre vor der Trennung, „fragte ich mich: ‚Warum hast du es nicht gleich so gemacht?‘ In diesen Jahren hätten wir es viel leichter gehabt.“
Erwarte von deinem Mann oder von deiner Frau also nicht, daß sie nahezu vollkommen ist. Selbst wenn man den besten aller Ehegefährten hätte, gäbe es in der Ehe immer noch „Drangsal im Fleisch“ (1. Korinther 7:28). Gehe die Probleme beherzt an, statt dich leichtsinnig in eine Trennung oder Scheidung zu flüchten.a Stärke deine persönliche Entschlossenheit, Gottes Gesetze zu halten, dann wird sich Psalm 119:165 an dir bewahrheiten, wo es heißt: „Überströmender Frieden gehört denen, die dein [Gottes] Gesetz lieben, und für sie gibt es keine Ursache des Strauchelns.“
[Fußnote]
a Gemäß der Bibel ist eine Scheidung aufgrund sexueller Unmoral gestattet. Danach steht es dem unschuldigen Ehepartner frei, wieder zu heiraten (Matthäus 19:9). Gewisse ernste Gründe, die zu einer Trennung führen könnten, behandelt der Artikel „Wenn das Band der Ehe zu zerreißen droht“ in der Ausgabe vom 15. November 1963 der Begleitzeitschrift Der Wachtturm.
[Kasten auf Seite 12]
„Die Hauptschuld an einer unglücklichen Ehe kann nur sehr selten einem Ehepartner gegeben werden und nicht beiden, zum Beispiel dann, wenn einem der Partner zur Zeit der Eheschließung unbekannt war, daß der andere alkoholabhängig oder geisteskrank ist.“ Zu diesem Ergebnis kam Gary Birchler von der medizinischen Fakultät der Staatsuniversität von Kalifornien nach umfassenden Forschungen auf dem Gebiet ehelichen Zusammenlebens.
[Bild auf Seite 11]
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