Junge Leute fragen sich:
Wie kann man sich vor der Ehe gut kennenlernen?
„MEIN größter Fehler war, daß ich mich in Andi verliebte, bevor ich seine Persönlichkeit kennenlernte“, erzählt Lisa, deren Ehe in die Brüche ging. „Vor der Ehe waren wir fast nur allein zusammen. Ich beobachtete nie seine Reaktionen außerhalb dieser ‚idealen‘ Umstände.“
Lisas Ehe dauerte sieben qualvolle Jahre, doch schon Wochen nach der Hochzeit traten ernste Probleme auf. Wie kann man solche Fehler vermeiden und die Zeit des Kennenlernens als Vorbereitung für eine glückliche Ehe nutzen?
Bevor man miteinander geht
„Der Kluge überlegt sich seine Schritte“, sagt die Bibel (Sprüche 14:15, Pattloch-Bibel). Sich in jemanden zu verlieben, den man kaum kennt, kann zu einer Ehe führen, bei der die Gefühlswelt und die Lebensziele beider Partner meilenweit voneinander entfernt sind. Es ist daher vernünftig, den Betreffenden zunächst in einer Gruppe zu beobachten, vielleicht bei einer Freizeitbeschäftigung.
„Mir war klar, daß meine Gefühle meine Urteilskraft trüben würden, wenn wir uns gleich sehr nahekämen“, erzählt David, der seit zehn Jahren glücklich verheiratet ist. „Deshalb beobachtete ich Rosi aus einiger Entfernung, ohne daß sie wußte, daß ich an ihr interessiert war. Ich konnte sehen, wie sie mit anderen umging und ob sie zum Beispiel mit anderen flirtete. Durch ungezwungene Gespräche erfuhr ich etwas über ihre Lebensumstände und ihre Ziele.“ Es ist außerdem vernünftig, mit jemandem zu sprechen, der die betreffende Person gut kennt, um zu erfahren, was für einen Ruf sie hat. (Vergleiche Sprüche 31:31.)
Die ersten Verabredungen
Zunächst solltest du dir Gedanken machen, ob ihr, du und dein voraussichtlicher Partner, im heiratsfähigen Alter seid und den Verpflichtungen einer Ehe nachkommen könntet. Wenn du zu dem Schluß gekommen bist, daß jemand für dich als Ehepartner in Frage käme, könntest du auf die Person zugehen und den Wunsch äußern, sie besser kennenzulernen.a Falls die Reaktion positiv ist, könnt ihr gemeinsam etwas planen. Die erste Verabredung muß keine komplizierte Angelegenheit sein. Ein gemeinsames Essen oder auch ein Treffen in einer Gruppe wird es euch ermöglichen, euch besser kennenzulernen, so daß ihr entscheiden könnt, ob ihr Freundschaft schließen wollt. Ein ungezwungenes Treffen wirkt der Nervosität entgegen, die beide anfänglich verspüren mögen. Und wenn man es mit Liebeserklärungen nicht zu eilig hat, fühlt man sich nicht so zurückgesetzt oder peinlich berührt, falls einer von beiden das Interesse verliert.
Wie auch immer ihr eure Verabredung geplant habt, ihr solltet pünktlich sein und euch ordentlich und passend kleiden. Versucht, angeregte Gespräche zu führen. Hört einander aufmerksam zu.b Ein junger Mann sollte sich an die landesüblichen Regeln für gutes Benehmen halten. Das kann einschließen, daß er dem Mädchen die Tür öffnet oder ihr den Stuhl zurechtrückt. Das Mädchen wird nicht erwarten, wie eine Prinzessin behandelt zu werden, aber sie sollte den Bemühungen ihres Partners auf schickliche Weise entgegenkommen. Für solche Gelegenheiten gibt es zwar keine festen Vorschriften, doch der junge Mann kann den Weg für respektvolles Verhalten in der Zukunft ebnen, denn Ehemännern wird geboten, ihrer Frau ‘als einem schwächeren Gefäß Ehre zuzuerkennen’ (1. Petrus 3:7).
Ist es angebracht, Händchen zu halten, sich zu küssen oder sich zu umarmen, und wenn ja, wann? Zärtlichkeiten können, wenn sie wirklich ein Ausdruck der Zuneigung und nicht selbstsüchtiger Leidenschaft sind, in Gottes Augen rein sein. Das von Gott inspirierte Hohelied zeigt, daß die Sulamith und der Hirte, den sie liebte und bald heiraten würde, angebrachte Zärtlichkeiten austauschten (Hoheslied 1:2; 2:6; 8:5). Doch wie jenes sittlich reine Paar sollten junge Menschen stets darauf achten, daß Zärtlichkeiten nicht zu weit gehen oder zu Unsittlichkeit führen (Galater 5:19, 21). Zärtlichkeiten sollten selbstverständlich nur ausgetauscht werden, wenn eine enge Bindung entstanden ist und beide ans Heiraten denken. Hält man sich an diesen Rat, dann wird man nicht von dem Hauptzweck einer festen Bekanntschaft abgelenkt, nämlich den anderen gut kennenzulernen.
„Die verborgene Person des Herzens“
Ein Forscherteam, das untersuchte, was bei 231 fest befreundeten Paaren zu einer starken Bindung geführt hatte, berichtete im Journal of Marriage and the Family (Mai 1980): „Eine Ehe hat festeren Bestand und ist glücklicher, wenn beide sie mit einer gründlichen Kenntnis der Persönlichkeit des Partners eingehen.“ Ja, es ist entscheidend, „die verborgene Person des Herzens“ kennenzulernen (1. Petrus 3:4).
Die Absichten des Herzens bei einem anderen ‘herauszuschöpfen’ erfordert Mühe und Unterscheidungsvermögen (Sprüche 20:5). Plant daher Unternehmungen, die euch helfen, die Persönlichkeit des anderen kennenzulernen. Am Anfang genügt sicher ein gemeinsamer Kino- oder Theaterbesuch, aber Unternehmungen, die eher zu Gesprächen führen (wie zum Beispiel Rollschuhlaufen, Bowling und Besuche im Zoo oder im Museum), ermöglichen es, sich näher kennenzulernen.
Um einen Einblick in die Gefühle deines Partners zu erhalten, kannst du unverfängliche Fragen stellen, zum Beispiel: „Wie verbringst du deine Freizeit?“ „Was würdest du gern tun, wenn Geld keine Rolle spielte?“ „Was gefällt dir an deinem Glauben am besten? Warum?“ Durch solche tiefgehenden Fragen kannst du erfahren, worauf dein Partner Wert legt.
Während eure Beziehung enger wird und ihr ernstlicher an eine Heirat denkt, solltet ihr eingehend über wichtige Angelegenheiten sprechen — über eure künftige Wohnung und ihre Einrichtung, über finanzielle Fragen, darüber, ob ihr beide berufstätig sein werdet, über die Rollenverteilung in der Ehe, Kinder, Empfängnisverhütung, kurzfristige und langfristige Ziele sowie darüber, wie ihr sie erreichen könnt. Es ist auch an der Zeit, Dinge aus der Vergangenheit zu erzählen, die sich auf die Ehe auswirken könnten. Dazu gehören irgendwelche größeren Schulden oder Verpflichtungen. Auch gesundheitliche Angelegenheiten, wie eine ernste Erkrankung, sollten besprochen werden.
Folgt bei solchen Gesprächen dem Beispiel Elihus, der sagte: „Meine Reden kommen aus aufrichtigem Herzen, und meine Lippen sprechen lautere Wahrheit aus“ (Hiob 33:3, Schlachter-Bibel). Esther erklärt, wie sie und ihr Partner beim Kennenlernen den Weg für eine glückliche Ehe ebneten, die nun zehn Jahre besteht: „Ich habe nie versucht, Jaye etwas vorzuspielen oder ihm zuzustimmen, wenn ich in Wirklichkeit anderer Meinung war. Das tue ich auch heute nicht. Ich versuche, immer ehrlich zu sein.“
Gehe heiklen Themen nicht aus dem Weg aus Angst, du könntest deinen Partner in Verlegenheit bringen. Elisabeth machte diesen Fehler, als sie mit John ging. Sie sagte ihm, daß sie es richtig finde, für die Zukunft zu sparen und nicht verschwenderisch mit Geld umzugehen. John erwiderte, er teile ihren Standpunkt. Elisabeth fragte nicht weiter, weil sie dachte, sie seien sich einig. Doch wie sich herausstellte, bestand Johns Vorstellung vom Sparen für die Zukunft darin, für einen neuen Sportwagen zu sparen. In der Ehe stritten sie ständig über Geld.
Solchen Mißverständnissen kann man vorbeugen. Lisa, die vorher schon erwähnt wurde, gibt zu: „Ich hätte viel mehr Fragen stellen sollen, wie zum Beispiel: ‚Was würdest du tun, wenn ich schwanger würde und du das Baby nicht wolltest? Wie würdest du entscheiden, wenn wir Schulden hätten und ich zu Hause bleiben und für das Kind sorgen wollte?‘ Dann hätte ich aufmerksam auf seine Reaktion achten sollen.“ Solche Gespräche können Charaktermerkmale zum Vorschein bringen, die man am besten vor der Ehe erkennen sollte.
Beobachte das Verhalten deines Partners
„Ein Mensch kann sehr nett sein, wenn man mit ihm allein ist“, erklärt Esther. „Aber im Beisein anderer kann er leicht in eine unerwartete Situation geraten. Jemand sagt vielleicht etwas, was ihm nicht gefällt. Dann kann man beobachten, wie er sich in einer solch unangenehmen Lage verhält. Wird er gereizt oder sarkastisch reagieren?“ Sie ist zu dem Schluß gekommen: „Vor der Ehe mit Freunden und Angehörigen zusammenzusein hat uns außerordentlich geholfen.“
Verbringt aber nicht nur eure Freizeit gemeinsam, sondern arbeitet auch zusammen. Verrichtet gemeinsam christliche Tätigkeiten, wozu das Studium des Wortes Gottes und der Predigtdienst gehören. Erledigt auch zusammen Arbeiten, die zum späteren Eheleben gehören: Lebensmitteleinkäufe, Kochen, Abwaschen und Putzen. Dadurch, daß ihr in Situationen zusammen seid, die zum Alltag gehören — wenn sich der Partner von seiner Schattenseite zeigt —, könnt ihr die wahre Persönlichkeit des anderen kennenlernen.
Der Hirte aus dem Hohenlied beobachtete, wie sich seine Gefährtin verhielt, wenn sie enttäuscht war oder während sie in der glühenden Sonne arbeitete — verschwitzt und müde (Hoheslied 1:5, 6; 2:15). Nachdem er noch dazu gesehen hatte, wie entschieden sie den Verlockungen des reichen Königs Salomo widerstand, sagte er: „Du bist ganz und gar schön, o meine Gefährtin, und es ist kein Makel an dir“ (Hoheslied 4:7). Damit meinte er sicherlich nicht, daß sie vollkommen war, sondern daß ihre äußere Schönheit durch ihre sittliche Stärke unterstrichen wurde. Sie hatte keinen wesentlichen sittlichen Makel. In seinen Augen wogen ihre Stärken irgendwelche Schwächen auf.
Wenn beide Partner die Zeit des Kennenlernens auf bestmögliche Weise nutzen, können sie sich ebenfalls gegenseitig richtig beurteilen. Dadurch, daß sie die Augen offenhalten, gehen sie eine Ehe mit der Zuversicht ein, daß sie irgendwelche auftretenden Meinungsverschiedenheiten klären können. Sie haben sich gut kennengelernt und haben somit die besten Voraussetzungen für eine glückliche Ehe.
[Fußnoten]
a Dies trifft auf Länder zu, wo Verabredungen mit jemandem vom anderen Geschlecht als passendes Verhalten für Christen gelten. Gewöhnlich ergreift der Mann die Initiative, doch es gibt keinen biblischen Grundsatz, der ein junges Mädchen daran hindern würde, seine Gefühle auf anständige Weise zum Ausdruck zu bringen, falls ein junger Mann schüchtern oder zurückhaltend ist. (Vergleiche Hoheslied 8:6.)
b Siehe „‚Was soll ich denn sagen?‘ — Die Kunst der Unterhaltung meistern lernen“ in der Ausgabe vom 22. April 1982.
[Bild auf Seite 21]
Wenn man den voraussichtlichen Ehepartner in Situationen beobachtet, die zum Alltag gehören, lernt man ihn richtig kennen