Wie verhält es sich mit den „Beweistexten“ für die Dreieinigkeit?
ES WIRD behauptet, einige Bibeltexte würden die Dreieinigkeitslehre stützen. Beim Lesen solcher Texte sollten wir jedoch daran denken, daß diese Lehre weder durch biblische noch durch geschichtliche Zeugnisse erhärtet wird.
Wenn eine Bibelstelle als Beweis angeführt wird, muß sie im Zusammenhang mit der widerspruchsfreien Lehre der gesamten Bibel verstanden werden. Häufig ist die wahre Bedeutung eines solchen Bibeltextes aus dem Kontext zu ersehen.
Drei in einem
IN DER New Catholic Encyclopedia werden drei solche „Beweistexte“ angeführt, aber man räumt auch folgendes ein: „Die Lehre von der Heiligen Dreifaltigkeit wird im A[lten] T[estament] nicht gelehrt. Im N[euen] T[estament] findet man die ältesten Beweise in den Paulinischen Briefen, besonders in 2. Kor. 13,13 [in vielen Bibeln Vers 14] und in 1. Kor. 12,4-6. In den Evangelien wird ausdrücklich nur in der Taufformel von Mat. 28,19 ein Beweis für die Dreieinigkeit geliefert.“
In diesen Versen werden die drei „Personen“ so aufgeführt, wie wir es hier gemäß der Jerusalemer Bibel zitieren. In 2. Korinther 13:13 (14) heißt es: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ 1. Korinther 12:4-6 lautet: „Es gibt aber Verschiedenheiten in den Gnadengaben, es ist jedoch der nämliche Geist. Und es gibt Verschiedenheiten in den Ämtern, doch es ist derselbe Herr. Und es gibt Verschiedenheiten in den Wunderkräften, doch es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt.“ In Matthäus 28:19 lesen wir: „Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Geht aus diesen Versen hervor, daß Gott, Christus und der heilige Geist eine trinitarische Gottheit bilden und daß alle drei wesensgleich, gleich mächtig und gleich ewig sind? Nein, das geht daraus ebensowenig hervor, wie die Aufzählung von drei Personen wie Thomas, Richard und Harald bedeutet, daß sie drei in einem sind.
Die Texte beweisen gemäß McClintock und Strongs Cyclopedia of Biblical, Theological, and Ecclesiastical Literature „nur, daß die drei Subjekte genannt werden, ... aber das beweist an sich nicht, daß alle drei zu der göttlichen Natur gehören müssen und die gleiche göttliche Ehre besitzen“.
Obwohl in dem eben erwähnten Werk die Dreieinigkeit befürwortet wird, heißt es darin bezüglich 2. Korinther 13:13 (14): „Man kann nicht mit Recht ableiten, daß sie gleiche Autorität oder die gleiche Natur besäßen.“ Und in bezug auf Matthäus 28:18-20 wird gesagt: „Dieser Text an sich wäre jedoch weder ein eindeutiger Beweis für die Personalität der drei erwähnten Subjekte noch für ihre Gleichheit oder Göttlichkeit.“
Im Zusammenhang mit der Taufe Jesu werden ebenfalls Gott, Jesus und der heilige Geist genannt. Jesus „sah Gottes Geist wie eine Taube herabfahren und auf ihn kommen“ (Matthäus 3:16). Das besagt allerdings nicht, daß die drei eins sind. Abraham, Isaak und Jakob werden oftmals gemeinsam erwähnt, doch dadurch werden sie nicht eins. Petrus, Jakobus und Johannes werden ebenfalls zusammen genannt, aber deswegen sind sie auch nicht eins. Überdies fuhr der Geist Gottes auf Jesus herab, nachdem er getauft worden war, was zeigt, daß er vorher nicht mit Gottes Geist gesalbt war. Wie konnte er zu einer Dreieinigkeit gehören, da dies doch erfordert hätte, daß er schon immer mit dem heiligen Geist eins gewesen wäre?
Ein anderer Text, in dem die drei zusammen vorkommen, ist in einigen älteren Bibelübersetzungen zu finden. Dabei handelt es sich um 1. Johannes 5:7. Gelehrte erkennen jedoch an, daß diese Worte ursprünglich nicht in der Bibel gestanden haben, sondern viel später hinzugefügt wurden. In den meisten neueren Übersetzungen wird dieser unechte Vers zu Recht weggelassen.
In anderen „Beweistexten“ geht es nur um das Verhältnis zwischen zwei Personen: dem Vater und Jesus. Betrachten wir einige davon.
„Ich und der Vater sind eins“
DIESER Bibeltext, Johannes 10:30, wird oft als Stütze für die Dreieinigkeit angeführt, obwohl von einer dritten Person gar nicht die Rede ist. Aber Jesus selbst erklärte, was er damit meinte, „eins“ mit dem Vater zu sein. Gemäß Johannes 17:21, 22 betete er zu Gott hinsichtlich seiner Jünger: „... damit sie alle eins seien, so wie du, Vater, in Gemeinschaft bist mit mir und ich in Gemeinschaft bin mit dir, daß auch sie in Gemeinschaft mit uns seien ..., damit sie eins seien, so wie wir eins sind.“ Betete Jesus darum, daß aus allen seinen Jüngern eine einzige Wesenheit werde? Nein, offensichtlich betete er darum, daß sie so wie er und Gott im Willen und in den Absichten vereint würden. (Siehe auch 1. Korinther 1:10.)
Gemäß 1. Korinther 3:6, 8 sagte Paulus: „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen ... Der Pflanzende nun und der Begießende sind eins.“ Paulus meinte nicht, daß er und Apollos eine Person seien; vielmehr meinte er, sie wären im Anstreben desselben Ziels geeint. Das griechische Wort (hen), das Paulus hier für „eins“ gebrauchte, steht im Neutrum (sächliches Geschlecht) und zeigt Einheit in der Zusammenarbeit an. Es handelt sich um das gleiche Wort, das in Johannes 10:30 gebraucht wird, um das Verhältnis Jesu zu seinem Vater zu beschreiben. Und es steht auch in Johannes 17:21, 22. Wenn Jesus also in diesen Fällen das Wort für „eins“ (hen) benutzte, dann sprach er über die Einheit des Willens und der Absichten.
Über Johannes 10:30 schrieb Johannes Calvin (ein Trinitarier) in seinem Kommentar zum Evangelium des Johannes: „Die alten Gelehrten haben diesen Text reichlich mißbraucht, um zu beweisen, daß Jesus Christus wesenseins mit seinem Vater ist. Denn unser Herr Jesus sprach nicht über die Wesenseinheit, sondern über den Einklang oder die Übereinstimmung, die zwischen ihm und seinem Vater besteht“ (Commentaires de Jehan Calvin sur le Nouveau Testament, Bd. II, Paris 1854).
Jesus wies unmittelbar nach seinen Worten — Johannes 10:30 — nachdrücklich darauf hin, daß er damit nicht behauptete, Gott zu sein. Er stellte den Juden, die dies irrigerweise daraus folgerten und ihn deshalb steinigen wollten, die Frage: „Dürft ihr dann von dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat, sagen: Du lästerst Gott — weil ich gesagt habe: Ich bin Gottes Sohn?“ (Johannes 10:31-36, Einheitsübersetzung). Nein, Jesus behauptete nicht, daß er Gott Sohn war, sondern er sagte, daß er der Sohn Gottes war.
Machte er sich Gott gleich?
EIN weiterer Bibeltext, der zur Unterstützung der Dreieinigkeit angeführt wird, ist Johannes 5:18. Es heißt dort (wie in Johannes 10:31-36), daß die Juden Jesus zu töten suchten, weil er „Gott auch seinen eigenen Vater nannte, wodurch er sich Gott gleichmachte“.
Wer aber sagte, daß Jesus sich Gott gleichmachte? Jesus sagte das nicht. Er wehrte sich, wie der nächste Vers (19) zeigt, gegen diese Falschanklage: „Da antwortete Jesus und sagte zu ihnen: ‚... Der Sohn kann von sich aus nichts tun, außer was er den Vater tun sieht‘ “ (JB).
Dadurch zeigte Jesus den Juden, daß er nicht Gott gleich war und somit nicht aus eigener Initiative handeln konnte. Ist es denkbar, daß jemand, der dem allmächtigen Gott gleich ist, sagt, er könne „von sich aus nichts tun“? (Vergleiche Daniel 4:34, 35.) Interessanterweise geht sowohl aus dem Kontext von Johannes 5:18 als auch von 10:30 hervor, daß sich Jesus gegen falsche Beschuldigungen der Juden verteidigte, die wie die Dreieinigkeitsverfechter falsche Schlußfolgerungen zogen.
„Gott gleich“?
IN DER katholischen Allioli-Bibel (Al) von 1971 wird in Philipper 2:6 über Jesus gesagt: „Welcher, da er in Gottes Gestalt war, es für keinen Raub hielt, Gott gleich zu sein.“ Die Lutherbibel sagt sinngemäß das gleiche. Eine Anzahl solcher Übersetzungen werden immer noch von manchen gebraucht, um die Auffassung zu stützen, Jesus sei Gott gleich. Aber man beachte, wie dieser Vers in anderen Übersetzungen lautet:
1869: „Der in der Gestalt Gottes war, hat es nicht als etwas zu Ergreifendes betrachtet, um Gott gleich zu sein“ (G. R. Noyes, The New Testament).
1965: „Er — diese reine Gottesgestalt! — stellte sich niemals selbstbewußt Gott gleich“ (Friedrich Pfäfflin, Das Neue Testament, revidierte Ausgabe).
1968: „... der, obwohl in Gottesgestalt, das Gleichsein mit Gott nicht als etwas erachtete, was man sich gierig aneignet“ (La Bibbia Concordata).
1968: „Er, der in Gottesgestalt war, erachtete das Gottgleichsein nicht als Beutestück“ (Jerusalemer Bibel).
1976: „Er hatte immer die Gottesnatur, aber er dachte nicht, daß er gewaltsam versuchen sollte, Gott gleich zu werden“ (Today’s English Version).
1986: „... der, obwohl er in Gottesgestalt existierte, keine gewaltsame Besitzergreifung in Betracht zog, nämlich um Gott gleich zu sein“ (Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift — mit Studienverweisen).
Manche behaupten allerdings, sogar aus diesen genaueren Wiedergaben ginge hervor, daß Jesus 1. bereits das Gleichsein besaß, aber es nicht behalten wollte, oder daß er es 2. nicht nötig hatte, das Gleichsein zu ergreifen, weil er es bereits besaß.
Diesbezüglich schreibt Ralph Martin in The Epistle of Paul to the Philippians über das ursprüngliche Griechisch: „Es ist jedoch fraglich, ob der Sinn des Verbs von seiner wirklichen Bedeutung ‚an sich reißen‘, ‚gewaltsam wegreißen‘ auf ‚festhalten‘ abweichen kann.“ The Expositor’s Greek Testament sagt: „Es gibt keine Textstelle, wo ἁρπάζω [harpázō] oder irgendeine seiner Ableitungen den Sinn von ‚im Besitz behalten‘, ‚zurückbehalten‘ hat. Es scheint ausnahmslos ‚an sich reißen‘, ‚gewaltsam wegreißen‘ zu bedeuten. Es ist somit nicht zulässig, vom wahren Sinn ‚ergreifen‘ abzuweichen und ihm die völlig andere Bedeutung ‚festhalten‘ zu geben.“
Aus dem bisher Gesagten ist ersichtlich, daß die Übersetzer von Bibeln wie der Allioli-Bibel und der Lutherbibel die Regeln zugunsten der Dreieinigkeitsverfechter abwandeln. Der griechische Text von Philipper 2:6 zeigt bei objektiver Betrachtung, daß Jesus niemals daran dachte, Gott gleich zu sein, sondern daß er das nicht für angebracht hielt.
Die Verse davor und danach (3-5, 7, 8, Al) erklären, wie Vers 6 zu verstehen ist. Die Philipper wurden ermahnt, einer den andern demütig höher zu achten als sich selbst. Anschließend führte Paulus Christus als vortreffliches Beispiel für diese Einstellung an: „So solltet ihr gesinnt sein, wie auch Jesus Christus gesinnt war.“ Wie war er „gesinnt“? Hielt er es für „keinen Raub“, Gott gleich zu sein? Nein, das wäre genau das Gegenteil dessen, was gesagt werden sollte. Vielmehr würde Jesus, der ‘Gott höher achtete als sich’, nie ‘das Gleichsein mit Gott ergreifen’, sondern er ‘erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode’.
Gewiß war hier nicht die Rede von einem Teil des allmächtigen Gottes, sondern hier war die Rede von Jesus Christus, der in vollendeter Weise das Argument des Paulus veranschaulichte — die Wichtigkeit der Demut und des Gehorsams gegenüber dem Höchsten und Schöpfer, Jehova Gott.
„Ich bin“
GEMÄSS einer Reihe von Übersetzungen, z. B. der Jerusalemer Bibel, sagte Jesus: „Ehe Abraham ward, bin ich“ (Johannes 8:58). Zeigte Jesus mit diesen Worten — wie Dreieinigkeitsverfechter behaupten —, daß er unter dem Titel „Ich bin“ bekannt war? Bedeutet es außerdem, wie sie meinen, daß er der Jehova der Hebräischen Schriften war, weil es in 2. Mose 3:14 (JB) heißt: „Da sprach Gott zu Mose: ‚Ich bin der Ich-bin!‘ “?
In 2. Mose 3:14 (JB) wird die Wendung „Ich-bin“ als ein Titel Gottes gebraucht, um anzuzeigen, daß er wirklich existiert und tut, was er verheißen hat. Das Werk Pentateuch und Haftaroth, herausgegeben von Dr. J. H. Hertz, sagt über diese Wendung: „Den Israeliten sollte in ihrer Sklaverei die Ansicht vermittelt werden: ‚Obgleich Er bis jetzt seine Kraft noch nicht für euch entfaltet hat, so wird Er es dennoch tun [er ist ewig und wird euch gewißlich befreien (engl. Ausgabe)].‘ Die meisten modernen Erklärer folgen Raschi [französischer Bibel- und Talmudkommentator] in der Übersetzung [von 2. Mose 3:14]: ‚Ich werde sein, der ich sein werde.‘ “
Der Ausdruck in Johannes 8:58 ist von dem in 2. Mose 3:14 verwendeten sehr verschieden. Jesus gebrauchte ihn nicht als Namen oder Titel, sondern zur Erklärung seines vormenschlichen Daseins. Man beachte daher, wie Johannes 8:58 in einigen anderen Bibelübersetzungen lautet:
1869: „Schon ehe Abraham war, bin ich gewesen“ (G. R. Noyes, The New Testament).
1935: „Ich existierte, bevor Abraham geboren war!“ (J. M. P. Smith und E. J. Goodspeed, The Bible—An American Translation).
1965: „Ehe Abraham geboren wurde, war ich schon der, der ich bin“ (Jörg Zink, Das Neue Testament).
1965: „Ehe es einen Abraham gab, war ich schon da!“ (Friedrich Pfäfflin, Das Neue Testament, revidierte Ausgabe).
1986: „Ehe Abraham ins Dasein kam, bin ich gewesen“ (Neue-Welt-Übersetzung — mit Studienverweisen).
Somit ist der eigentliche Gedanke des hier verwendeten griechischen Ausdrucks, daß der von Gott erschaffene „Erstgeborene“, Jesus, lange vor der Geburt Abrahams existierte (Kolosser 1:15; Sprüche 8:22, 23, 30; Offenbarung 3:14).
Wiederum geht aus dem Kontext das richtige Verständnis hervor. Diesmal wollten die Juden Jesus steinigen, weil er „Abraham gesehen“ haben wollte, obwohl er, wie sie sagten, nicht einmal 50 Jahre alt war (Vers 57). Jesu natürliche Reaktion war, sie über sein wahres Alter aufzuklären. Deshalb entgegnete er ihnen: „Ehe es einen Abraham gab, war ich schon da!“ (Pfä).
„Das Wort war Gott“
IN Johannes 1:1 heißt es gemäß der Einheitsübersetzung: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Trinitarier behaupten, damit sei gemeint, daß „das Wort“ (griechisch: ho lógos), das als Jesus Christus zur Erde kam, der allmächtige Gott selbst war.
Man beachte jedoch, daß hier wiederum der Kontext die Grundlage für ein richtiges Verständnis liefert. Selbst die Einheitsübersetzung sagt: „Das Wort war bei Gott“ (Kursivschrift von uns). Jemand, der „bei“ einer anderen Person ist, kann nicht derselbe sein wie die andere Person. In Übereinstimmung damit heißt es im Journal of Biblical Literature, herausgegeben von dem Jesuiten Joseph A. Fitzmyer, es „widerspräche dem vorangehenden Satzteil“, in dem gesagt wird, daß das Wort bei Gott war, wenn der letzte Teil von Johannes 1:1 so ausgelegt würde, daß es „der“ Gott heißen müsse.
Man beachte auch, wie andere Übersetzungen diesen Versteil wiedergeben:
1808: „und das Wort war ein Gott“ (The New Testament in an Improved Version, Upon the Basis of Archbishop Newcome’s New Translation: With a Corrected Text).
1896: „und das W o r t war selbst göttlichen Wesens“ (Curt Stage, Das Neue Testament).
1924: „und göttlichen Wesens war das Wort“ (Heinrich Wiese, Das Neue Testament).
1935: „und das Wort war göttlich“ (J. M. P. Smith und E. J. Goodspeed, The Bible—An American Translation).
1949: „und Gott von Art war das Wort“ (Ludwig Thimme, Das Neue Testament).
1958: „und das Wort war ein Gott“ (James L. Tomanek, The New Testament).
1963: „und das WORT war ein Gott“ (Neue-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften).
1975: „und ein Gott (oder: Gott von Art) war das Wort“ (Siegfried Schulz, Das Evangelium nach Johannes).
1978: „und göttlicher Art war der Logos“ (Johannes Schneider, Das Evangelium nach Johannes, „Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament“).
1979: „und ein Gott war der Logos“ (Jürgen Becker, Das Evangelium nach Johannes).
1980: „und Gott (von Art) war der Logos“ (Ernst Haenchen, Das Johannesevangelium).
In Johannes 1:1 kommt das griechische Substantiv theós (Gott) zweimal vor. Das erste bezieht sich auf den allmächtigen Gott, bei dem das Wort war („und das WORT [lógos] war bei GOTT [eine Form von theós]“). Dem ersten theós geht das Wort ton (den) voraus, eine Form des griechischen bestimmten Artikels, der auf eine bestimmte Identität hinweist, in diesem Fall auf den allmächtigen Gott („und das WORT war bei [dem (wörtlich: den)] GOTT“).
Vor dem zweiten theós in Johannes 1:1 steht dagegen kein Artikel. Daher würde eine wörtliche Übersetzung „und Gott war das Wort“ lauten. Wie jedoch gezeigt wurde, geben viele Übersetzungen dieses zweite theós (ein Prädikatsnomen [Nomen in der Satzaussage]) mit „göttlich“, „göttlicher Art“ oder „ein Gott“ wieder. Inwiefern ist das berechtigt?
Das Koine-Griechisch hatte den bestimmten Artikel (der, die, das), aber es hatte keinen unbestimmten Artikel (einer, eine, ein). Wenn deshalb einem Prädikatsnomen kein bestimmter Artikel vorausgeht, kann es unbestimmt sein. Dies hängt vom Kontext ab.
Im Journal of Biblical Literature wird erklärt, daß Ausdrücke „mit einem artikellosen Prädikat vor dem Verb in erster Linie eine Eigenschaftsbezeichnung darstellen“. Dies deutet gemäß dem Journal darauf hin, daß der lógos mit einem Gott vergleichbar ist. Mit Bezug auf Johannes 1:1 heißt es ferner, daß „die qualitative Aussagekraft des Prädikats so hervorragend ist, daß das Substantiv [theós] nicht als bestimmt aufgefaßt werden kann“.
Daher wird in Johannes 1:1 die Eigenschaft des WORTES hervorgehoben, daß er „göttlich,“ „göttlicher Art“ oder „ein Gott“ war, aber nicht der allmächtige Gott. Das stimmt mit der gesamten Bibel überein, aus der hervorgeht, daß Jesus, der hier „das WORT“ genannt wird, in seiner Rolle als Gottes Wortführer ein gehorsamer Untergebener war, der von dem über ihm Stehenden, dem allmächtigen Gott, zur Erde gesandt worden war.
In vielen anderen Bibelversen fügen fast alle Übersetzer, wenn sie griechische Sätze mit der gleichen Satzkonstruktion in andere Sprachen übersetzen, durchweg den Artikel „ein“ ein. In dem Bericht darüber, daß die Jünger Jesus auf dem Wasser gehen sahen, heißt es z. B. in Markus 6:49 gemäß der Einheitsübersetzung: „Als sie ihn über den See gehen sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst.“ In der Koine fehlt das Wort „ein“ vor „Gespenst“. Aber fast alle Übersetzungen fügen „ein“ hinzu, um die Wiedergabe verständlich zu machen. So ist es auch mit Johannes 1:1. Da dieser Text zeigt, daß das WORT bei Gott war, konnte er nicht Gott sein, sondern er war „ein Gott“ oder „göttlich“.
Joseph Henry Thayer, ein Theologe und Gelehrter, der an der American Standard Version mitwirkte, sagte einfach: „Der Logos war göttlich, nicht das göttliche Wesen selbst.“ Und der Jesuit John L. McKenzie schrieb in seinem Dictionary of the Bible: „Jn [Johannes] 1:1 müßte genaugenommen lauten: ,... das Wort war ein göttliches Wesen.‘ “ (Siehe auch Jürgen Becker, Das Evangelium nach Johannes, „Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament“, 1979.)
Verstoß gegen eine Regel?
ES WIRD jedoch behauptet, solche Wiedergaben verstießen gegen eine von dem Gräzisten E. C. Colwell 1933 veröffentlichte Regel der Grammatik der Koine. Colwell erklärte, daß im Griechischen bei einem Prädikatsnomen, „wenn es dem Verb folgt, der [bestimmte] Artikel steht; geht es dem Verb voraus, so steht der [bestimmte] Artikel nicht“. Damit meinte er, ein Prädikatsnomen vor dem Verb sei so aufzufassen, als ginge ihm der bestimmte Artikel (der, die oder das) voraus. In Johannes 1:1 steht das zweite „Gott“ (theós), das Prädikat, vor dem Verb — „und ... [theós] war das Wort“. Daher behauptete Colwell, in Johannes 1:1 müsse es „und [der] Gott war das Wort“ heißen.
Man betrachte aber nur zwei Beispiele, die in Johannes 8:44 zu finden sind. Dort sagt Jesus über den Teufel: „Jener war ein Totschläger“, und „er ist ein Lügner“. Genauso wie in Johannes 1:1 gehen hier im Griechischen die Prädikatsnomina („Totschläger“ und „Lügner“) den Verben („war“ und „ist“) voraus. Vor keinem dieser Substantive steht ein unbestimmter Artikel, denn in der Koine gab es keinen unbestimmten Artikel. Dennoch wird in den meisten Übersetzungen das Wort „ein“ eingefügt, weil die griechische Grammatik und der Kontext es erfordern. (Siehe auch Markus 11:32; Johannes 4:19; 6:70; 9:17; 10:1; 12:6.)
Colwell mußte das hinsichtlich des Prädikatsnomens anerkennen, denn er sagte: „Es ist in dieser Stellung nur unbestimmt [„ein“], wenn der Zusammenhang es verlangt.“ Somit gibt sogar er zu, daß der Übersetzer in einer Satzkonstruktion wie dieser einen unbestimmten Artikel vor dem Substantiv einfügen kann, wenn der Kontext es erfordert.
Ist in Johannes 1:1 gemäß dem Kontext ein unbestimmter Artikel erforderlich? Ja, denn nach der Gesamtaussage der Bibel ist Jesus nicht der allmächtige Gott. Daher sollte sich der Übersetzer in solchen Fällen nach dem Kontext und nicht nach Colwells fragwürdiger Grammatikregel richten. Aus zahlreichen Übersetzungen, in denen in Johannes 1:1 und an anderen Stellen der unbestimmte Artikel „ein“ eingefügt worden ist, geht hervor, daß viele Gelehrte einer solchen unnatürlichen Regel nicht zustimmen, und das Wort Gottes stimmt ebenfalls nicht damit überein.
Kein Widerspruch
WIDERSPRICHT es der Lehre der Bibel, gemäß der es nur e i n e n Gott gibt, wenn man sagt, daß Jesus Christus „ein Gott“ ist? Nein, denn diese Bezeichnung wird in der Bibel oft auf mächtige Geschöpfe angewandt. So heißt es in Psalm 8:5: „Auch gingst du daran, ihn [den Menschen] ein wenig geringer zu machen als Gottähnliche [hebräisch: ʼelohím]“, das heißt als Engel. Als sich Jesus gegen den Vorwurf der Juden verteidigte, er habe behauptet, Gott zu sein, entgegnete er, daß „es [das Gesetz] die, an welche das Wort Gottes ergangen ist, Götter genannt hat“, das heißt menschliche Richter (Johannes 10:34, 35, JB; Psalm 82:1-6). Sogar Satan wird in 2. Korinther 4:4 „der Gott dieses Systems der Dinge“ genannt.
Jesus steht weit über den Engeln, den unvollkommenen Menschen und auch über Satan. Da all jene als „Götter“ oder Mächtige bezeichnet werden, kann Jesus gewiß „ein Gott“ sein, und er ist es auch. Aufgrund seiner einzigartigen Stellung im Verhältnis zu Jehova ist Jesus ein „Mächtiger Gott“ (Johannes 1:1; Jesaja 9:5, Neues Göttinger Bibelwerk [Das Alte Testament Deutsch]).
Deutet die Schreibweise von „Mächtiger Gott“ indes nicht an, daß Jesus irgendwie Jehova Gott gleich ist? Keineswegs. Jesaja führte diesen Namen nur prophetisch als einen von vier Namen an, mit denen Jesus genannt würde, und in der deutschen Sprache werden Namen groß geschrieben. Obschon Jesus „Mächtiger“ genannt wurde, kann es doch nur einen „Allmächtigen“ geben. Es würde sich erübrigen, Jehova Gott als den Allmächtigen zu bezeichnen, wenn nicht noch andere existierten, die als Götter bezeichnet werden, aber eine geringere oder untergeordnete Stellung einnähmen.
In dem Bulletin of the John Rylands Library (England) heißt es, gemäß dem katholischen Theologen Karl Rahner werde theós zwar in Bibelstellen wie Johannes 1:1 mit Bezug auf Christus gebraucht, aber „in keinem dieser Fälle wird ‚theos‘ in einer Weise gebraucht, daß Jesus dem gleichgesetzt würde, der anderswo im Neuen Testament als ‚ho Theos‘ vorkommt, d. h. als der höchste Gott“. In dem Bulletin heißt es weiter: „Wenn es für die Schreiber des Neuen Testaments unerläßlich gewesen sein soll, daß die Gläubigen Jesus als ‚Gott‘ bekennen, wie ist es dann zu erklären, daß gerade diese Bekenntnisform im Neuen Testament fast völlig fehlt?“
Wie verhält es sich mit den Worten „Mein Herr und mein Gott!“ aus Johannes 20:28, die Thomas an Jesus richtete? Für Thomas war Jesus wie „ein Gott“, vor allem unter den wundersamen Umständen, die ihn zu diesem Ausruf veranlaßten. Einige Gelehrte meinen, dies seien lediglich gefühlsbetonte Worte des Erstaunens, die Thomas zwar zu Jesus gesprochen, aber an Gott gerichtet habe. Wie dem auch sei, Thomas dachte nicht, Jesus sei der allmächtige Gott, denn er und all die anderen Apostel wußten, daß Jesus nie behauptet hatte, Gott zu sein, sondern lehrte, daß nur Jehova „der allein wahre Gott“ ist (Johannes 17:3).
Erneut trägt der Zusammenhang zum Verständnis bei. Wenige Tage zuvor hatte der auferstandene Jesus Maria Magdalene beauftragt, den Jüngern zu sagen: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und zu meinem Gott und eurem Gott“ (Johannes 20:17). Jehova war also immer noch der Gott Jesu, auch nach dessen Auferstehung als mächtiges Geistwesen. Und Jesus bezeichnete ihn sogar im letzten Buch der Bibel — nach seiner Verherrlichung — als seinen Gott (Offenbarung 1:5, 6; 3:2, 12).
Nur drei Verse nach dem Bericht über Thomas’ Ausruf wird die Angelegenheit in der Bibel weiter erklärt, indem gesagt wird: „Diese aber sind niedergeschrieben worden, damit ihr glaubt, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes“, nicht der allmächtige Gott (Johannes 20:31). Der Ausdruck „Sohn“ war hier buchstäblich gemeint wie bei einem natürlichen Vater und Sohn und bezeichnete keinen geheimnisvollen Teil einer trinitarischen Gottheit.
Übereinstimmung mit der Bibel erforderlich
ES WIRD behauptet, verschiedene andere Bibeltexte würden die Dreieinigkeit stützen. Aber diese ähneln den zuvor besprochenen und bieten bei näherer Betrachtung in Wirklichkeit keine Stütze. Solche Bibeltexte veranschaulichen nur, daß man sich bei der Betrachtung irgendeiner angeblichen Stütze für die Dreieinigkeit fragen sollte: Stimmt die Auslegung mit der widerspruchsfreien Lehre der gesamten Bibel überein, daß Jehova Gott allein der Höchste ist? Wenn nicht, dann muß die Auslegung fehlerhaft sein.
Außerdem gilt es zu beachten, daß es in keinem einzigen „Beweistext“ heißt, daß Gott, Jesus und der heilige Geist in einer geheimnisvollen Gottheit eins sind. Nirgendwo in der Bibel wird gesagt, daß alle drei wesensgleich, gleich mächtig und gleich ewig sind. Die Bibel läßt erkennen, daß Jehova Gott, der Allmächtige, allein der Höchste ist, daß Jesus der von ihm geschaffene Sohn und der heilige Geist Gottes wirksame Kraft ist.
[Herausgestellter Text auf Seite 24]
„Die alten Gelehrten haben ... [Johannes 10:30] reichlich mißbraucht, um zu beweisen, daß Jesus Christus wesenseins mit seinem Vater ist“ (Commentaires de Jehan Calvin sur le Nouveau Testament)
[Herausgestellter Text auf Seite 27]
Jemand, der „bei“ einer anderen Person ist, kann nicht gleichzeitig diese Person sein
[Herausgestellter Text auf Seite 28]
„Der Logos war göttlich, nicht das göttliche Wesen selbst“ (Joseph Henry Thayer, Bibelgelehrter)
[Bilder auf Seite 24, 25]
Jesus betete zu Gott, daß seine Jünger „alle eins“ seien, so wie er und sein Vater „eins sind“
[Bild auf Seite 26]
Jesus zeigte den Juden, daß er nicht Gott gleich war, indem er sagte, er könne „von sich aus nichts tun, außer was er den Vater tun sieht“
[Bilder auf Seite 29]
Da in der Bibel Menschen und Engel — sogar Satan — als „Götter“ oder Mächtige bezeichnet werden, kann Jesus, der im Himmel eine hohe Stellung bekleidet, richtigerweise als „ein Gott“ bezeichnet werden