Jehova, unser Vater, ist voll zarten Mitleids
„Jehova [ist] voll inniger Zuneigung und mitleidig“ (JAKOBUS 5:11, Fußnote).
1. Warum fühlen sich demütige Menschen zu Jehova Gott hingezogen?
DAS Universum ist so unermeßlich, daß Astronomen außerstande sind, sämtliche Galaxien zu zählen. Und selbst unsere Galaxis, die Milchstraße, ist so riesig, daß sich die Zahl aller dazugehörenden Sterne nicht feststellen läßt. Einige Sterne wie zum Beispiel der Antares sind Tausende von Malen größer und heller als unsere Sonne. Wie machtvoll der große Schöpfer aller Sterne des Universums doch sein muß! Ja, er ist es, „der ihr Heer selbst der Zahl nach herausführt, der sie alle sogar mit Namen ruft“ (Jesaja 40:26). Aber dieser Ehrfurcht einflößende Gott ist außerdem „voll inniger Zuneigung und mitleidig“. Wie erfrischend doch eine solche Erkenntnis für demütige Diener Jehovas ist, vor allem für diejenigen, die unter Verfolgung, an Krankheit, Depressionen oder unter anderen Schwierigkeiten zu leiden haben!
2. Als was betrachten viele Menschen in der Welt heute zarte Empfindungen?
2 Viele betrachten zarte Empfindungen, beispielsweise „Gefühle inniger Zuneigung und des Erbarmens“, wie sie Christus offenbarte, als Schwäche (Philipper 2:1). Unter dem Einfluß evolutionistischer Philosophie werden die Menschen ermuntert, nur an sich zu denken, selbst wenn das bedeutet, auf den Gefühlen anderer herumzutrampeln. Die Idole aus der Unterhaltungsbranche und dem Sport sind oft harte Typen, die weder Tränen vergießen noch Mitleid zeigen. Zahlreiche Politiker handeln ähnlich. Der stoische Philosoph Seneca, der Lehrer des grausamen Kaisers Nero, betonte, daß „Mitleid eine Schwäche ist“. In der Cyclopædia von M’Clintock und Strong heißt es: „Der Stoizismus ... beeinflußt das Denken der Menschen bis auf den heutigen Tag.“
3. Welche Beschreibung von sich gab Jehova Moses?
3 Die Persönlichkeit des Schöpfers der Menschheit ist dagegen herzerfrischend. Er gab Moses folgende Beschreibung von sich: „Jehova, Jehova, ein Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und überströmend an liebender Güte und Wahrheit, ... der Vergehung und Übertretung und Sünde verzeiht, doch keinesfalls wird er Straffreiheit gewähren“ (2. Mose 34:6, 7). Jehova legte am Ende dieser Beschreibung zwar Nachdruck auf seine Gerechtigkeit. Er wird willentliche Sünder nicht von der verdienten Strafe verschonen. Aber er bezeichnete sich selbst vor allem als einen Gott, der barmherzig ist, wörtlich „voller Barmherzigkeit“.
4. Welche zu Herzen gehende Bedeutung hat das hebräische Wort, das oft mit „Barmherzigkeit“ übersetzt wird?
4 Bei dem Wort „Barmherzigkeit“ denkt man manchmal nur an die rein rechtliche Bedeutung, von Strafe abzusehen. Ein Vergleich verschiedener Bibelübersetzungen verdeutlicht allerdings die Bedeutungsvielfalt des hebräischen Adjektivs, das von dem Verb rachám abgeleitet ist. Nach Ansicht einiger Gelehrter ist dessen Grundbedeutung „sanft sein“. In einem Buch wird erklärt: „racham drückt tiefes, inniges Mitleid aus, wie es beispielsweise durch den Anblick der Schwäche oder des Leids derjenigen ausgelöst wird, die uns lieb und teuer sind und unserer Hilfe bedürfen“ (Synonyms of the Old Testament). Andere zu Herzen gehende Definitionen dieser wünschenswerten Eigenschaft sind in dem Werk Einsichten über die Heilige Schrift, Band 1, Seite 299—303 zu finden.
5. Wie kommt im mosaischen Gesetz Barmherzigkeit zum Ausdruck?
5 Gottes inniges Mitleid kommt in dem Gesetz, das er der Nation Israel gab, deutlich zum Ausdruck. Benachteiligte, wie zum Beispiel Witwen, Waisen und Arme, mußten mitfühlend behandelt werden (2. Mose 22:22-27; 3. Mose 19:9, 10; 5. Mose 15:7-11). Aus der wöchentlichen Sabbatruhe sollten alle, auch Sklaven und Tiere, Nutzen ziehen (2. Mose 20:10). Gott achtete außerdem auf Personen, die Geringe liebevoll behandelten. Es heißt in Sprüche 19:17: „Wer dem Geringen Gunst erweist, leiht Jehova, und ER wird ihm sein Tun vergelten.“
Grenzen des göttlichen Mitleids
6. Warum sandte Jehova Propheten und Boten zu seinem Volk?
6 Die Israeliten trugen Gottes Namen und verrichteten ihre Anbetung im Tempel in Jerusalem, der „ein Haus für den Namen Jehovas“ war (2. Chronika 2:4; 6:33). Sie begannen im Laufe der Zeit jedoch, Unsittlichkeit, Götzendienst und Mord zu tolerieren, wodurch sie große Schmach auf den Namen Jehovas brachten. Im Einklang mit seiner mitleidigen Persönlichkeit versuchte Gott geduldig, diese schlimme Situation zu berichtigen, ohne Unglück über die gesamte Nation zu bringen. Er „sandte durch seine Boten fortgesetzt Warnungen an sie, immer und immer wieder hinsendend, denn er hatte Mitleid mit seinem Volk und mit seiner Wohnung. Aber sie trieben unablässig Mutwillen mit den Boten des wahren Gottes und verachteten seine Worte und verspotteten seine Propheten, bis der Grimm Jehovas gegen sein Volk stieg, bis es keine Heilung gab“ (2. Chronika 36:15, 16).
7. Was widerfuhr dem Königreich Juda, als die Grenzen des Mitleids Jehovas erreicht waren?
7 Jehova ist zwar mitleidig und langsam zum Zorn, doch falls erforderlich, bringt er gerechten Zorn zum Ausdruck. Damals waren die Grenzen des göttlichen Mitleids erreicht. Wir lesen über die Folgen: „Da führte er [Jehova] den König der Chaldäer gegen sie herauf, der daranging, ihre jungen Männer mit dem Schwert im Haus ihres Heiligtums zu töten, auch hatte er kein Mitleid mit dem jungen Mann oder der Jungfrau, dem Alten oder Altersschwachen. Alles gab ER in seine Hand“ (2. Chronika 36:17). So kam es, daß Jerusalem zusammen mit dem Tempel zerstört und die Nation in die Gefangenschaft nach Babylon geführt wurde.
Es tut ihm leid um seinen Namen
8, 9. (a) Warum erklärte Jehova, daß es ihm leid tun wird um seinen Namen? (b) Wodurch wurden die Feinde Jehovas zum Schweigen gebracht?
8 Das Unglück ließ die umliegenden Nationen frohlocken. Spöttisch sagten sie: „Diese sind das Volk Jehovas, und aus seinem Land sind sie ausgegangen.“ Jehova reagierte empfindlich auf diese Schmähung und erklärte: „Es wird mir leid tun um meinen heiligen Namen ... Und ich werde meinen großen Namen gewiß heiligen, ... und die Nationen werden erkennen müssen, daß ich Jehova bin“ (Hesekiel 36:20-23).
9 Nach 70 Jahren befreite Jehova, der mitleidige Gott, seine Nation aus der Gefangenschaft und gestattete ihr, zurückzukehren und den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Das brachte die umliegenden Nationen zum Schweigen, die es staunend beobachteten (Hesekiel 36:35, 36). Leider ließ sich die Nation Israel wieder zu schlechten Gewohnheiten hinreißen. Nehemia, ein treuer Jude, trug dazu bei, die Situation zu berichtigen. In einem öffentlichen Gebet hielt er Rückblick auf Gottes mitleidiges Handeln mit der Nation und sagte:
10. Wie hob Nehemia das Mitleid Jehovas hervor?
10 „In der Zeit ihrer Bedrängnis schrien sie stets zu dir, und du, du pflegtest gar von den Himmeln her zu hören; und gemäß deiner überströmenden Barmherzigkeit gabst du ihnen jeweils Retter, die sie stets aus der Hand ihrer Widersacher retteten. Aber sobald sie Ruhe hatten, taten sie gewöhnlich wieder, was vor dir böse ist, und du überließest sie jeweils der Hand ihrer Feinde, die sie stets niedertraten. Dann kehrten sie jeweils um und riefen zu dir um Hilfe, und du, du pflegtest gar von den Himmeln her zu hören und sie nach deiner überströmenden Barmherzigkeit immer wieder zu befreien. ... [Du] warst nachsichtig mit ihnen viele Jahre lang“ (Nehemia 9:26-30; siehe auch Jesaja 63:9, 10).
11. Welcher Gegensatz besteht zwischen Jehova und den von Menschen erdachten Göttern?
11 Nachdem die jüdische Nation Gottes geliebten Sohn auf grausame Weise verworfen hatte, verlor sie ihre bevorrechtigte Stellung für immer. Mehr als 1 500 Jahre lang hatte Jehova loyale Liebe ihr gegenüber bekundet. Dadurch gab er ein ewiges Zeugnis dafür, daß er wirklich ein Gott der Barmherzigkeit ist. Welch ein scharfer Gegensatz zu den grausamen Göttern und den gefühllosen Gottheiten, die von sündigen Menschen erdacht wurden! (Siehe Seite 8.)
Der größte Ausdruck des Mitleids
12. Was war der größte Ausdruck des Mitleids Gottes?
12 Der größte Ausdruck des Mitleids Gottes bestand darin, daß er seinen geliebten Sohn auf die Erde sandte. Jesu Leben der Lauterkeit bereitete Jehova gewiß große Freude, weil dadurch eine unzweideutige Antwort auf die Falschanklagen des Teufels gegeben wurde (Sprüche 27:11). Mit ansehen zu müssen, wie sein geliebter Sohn eines grausamen, entwürdigenden Todes starb, bereitete Jehova andererseits zweifellos größeren Schmerz, als ihn menschliche Eltern jemals erleiden mußten. Es war ein äußerst liebevolles Opfer, das der Menschheit den Weg der Rettung öffnete (Johannes 3:16). Wie Sacharja, der Vater Johannes’ des Täufers, vorausgesagt hatte, wurde auf diese Weise ‘das innige Erbarmen unseres Gottes’ verherrlicht (Lukas 1:77, 78).
13. In welcher wichtigen Hinsicht spiegelte Jesus die Persönlichkeit seines Vaters wider?
13 Dadurch, daß Gott seinen Sohn auf die Erde sandte, wurde der Menschheit auch eine deutlichere Vorstellung von Jehovas Persönlichkeit vermittelt. Inwiefern? Insofern, als Jesus die Persönlichkeit seines Vaters vollkommen widerspiegelte, vor allem durch die wirklich mitleidige Art und Weise, wie er Geringere behandelte (Johannes 1:14; 14:9). In ihren Berichten darüber verwendeten die drei Evangelienschreiber Matthäus, Markus und Lukas ein griechisches Verb, splagchnízomai, das von dem griechischen Wort für „Eingeweide“ abgeleitet ist. Der Bibelgelehrte William Barclay erklärt: „An seiner Abstammung können wir erkennen, daß es kein oberflächliches Bedauern bezeichnet, sondern ein Gefühl, das den Menschen bis ins tiefste Innere erschüttert. Es ist das stärkste griechische Wort für Mitgefühl.“ Verschiedentlich wird es mit „von Mitleid ergriffen werden“ oder „Mitleid haben“ übersetzt (Markus 6:34; 8:2).
Jesus empfand Mitleid
14, 15. Wie wurde Jesus in einer Stadt Galiläas von Mitleid bewegt, und was wurde dadurch gezeigt?
14 Es geschah in einer Stadt Galiläas. Ein Mann „voll von Aussatz“ näherte sich Jesus, ohne die sonst übliche Warnung zu geben (Lukas 5:12). Wies Jesus ihn barsch zurecht, weil er nicht „Unrein, unrein!“ gerufen hatte, wie es Gottes Gesetz forderte? (3. Mose 13:45). Nein. Statt dessen hörte sich Jesus die verzweifelte Bitte des Mannes an: „Wenn du nur willst, kannst du mich rein machen.“ Jesus streckte, „von Mitleid bewegt“, seine Hand aus, rührte den Aussätzigen an und sagte zu ihm: „Ich will es. Werde rein!“ Der Mann war auf der Stelle wieder gesund. Dadurch zeigte Jesus nicht nur seine von Gott verliehenen Kräfte, Wunder zu wirken, sondern auch sein zartes Mitgefühl, das ihn veranlaßte, diese Kräfte zu gebrauchen (Markus 1:40-42).
15 Mußte man sich erst an Jesus wenden, damit er Mitgefühl zeigte? Nein. Einige Zeit später traf er auf einen Leichenzug, der aus der Stadt Nain kam. Jesus war zweifellos schon vorher Zeuge vieler Begräbnisse gewesen, aber hier handelte es sich um einen besonders tragischen Fall. Der Verstorbene war der einzige Sohn einer Witwe. „Von Mitleid ... bewegt“, ging Jesus zu ihr und sagte: „Hör auf zu weinen.“ Dann wirkte er ein herausragendes Wunder, indem er ihren Sohn wieder zum Leben brachte (Lukas 7:11-15).
16. Warum empfand Jesus Mitleid mit den großen Volksmengen, die ihm folgten?
16 Aus den oben behandelten Ereignissen können wir die eindrucksvolle Lektion lernen, daß Jesus zugunsten anderer tätig wurde, wenn er „von Mitleid ... bewegt“ war. Bei einer späteren Gelegenheit sah sich Jesus die großen Volksmengen, die ihm folgten, genau an. Wie Matthäus berichtet, „empfand er Mitleid mit ihnen, weil sie zerschunden waren und umhergestoßen wurden wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Matthäus 9:36). Die Pharisäer taten kaum etwas, um den geistigen Hunger des Volkes zu stillen. Sie bürdeten den einfachen Leuten statt dessen viele unnötige Regeln auf (Matthäus 12:1, 2; 15:1-9; 23:4, 23). Ihre Ansicht über das Volk wurde deutlich, als sie mit Bezug auf diejenigen, die Jesus zuhörten, sagten: „Diese Volksmenge aber, die das GESETZ nicht kennt, verfluchte Leute sind sie“ (Johannes 7:49).
17. Was tat Jesus, weil er Mitleid mit den Volksmengen hatte, und welche weitreichenden Richtlinien gab er seinerzeit?
17 Im Gegensatz dazu berührte Jesus die geistige Notlage der Volksmengen tief. Aber es gab einfach zu viele Menschen, die sich für die Königreichsbotschaft interessierten, als daß er sich um jeden einzelnen hätte kümmern können. Daher forderte er seine Jünger auf, um mehr Arbeiter zu beten (Matthäus 9:35-38). Im Einklang mit diesen Gebeten sandte Jesus seine Apostel mit der Botschaft aus: „Das Königreich der Himmel hat sich genaht.“ Die Anweisungen, die er seinerzeit gab, dienen Christen bis auf den heutigen Tag als wertvolle Richtlinien. Jesus wird ohne Zweifel durch sein Mitgefühl veranlaßt, den geistigen Hunger der Menschen zu stillen (Matthäus 10:5-7).
18. Wie reagierte Jesus darauf, daß die Volksmengen in seine Privatsphäre eindrangen, und welche Lehre ziehen wir daraus?
18 Jesus kümmerte sich auch noch bei einer anderen Gelegenheit um die geistigen Bedürfnisse ganzer Volksmengen. Dieses Mal kamen er und seine Apostel müde von einer Predigtreise zurück, und sie suchten nach einem Ort, wo sie sich ausruhen konnten. Doch bald wurden sie von den Leuten entdeckt. Wie Markus berichtet, war Jesus nicht erzürnt darüber, daß man in ihre Privatsphäre eindrang, sondern es „ergriff ihn Mitleid“. Und was war der Grund für sein tiefes Mitgefühl? „Sie waren wie Schafe ohne einen Hirten.“ Wiederum handelte Jesus seinen Empfindungen entsprechend und begann die Volksmengen „über das Königreich Gottes“ zu belehren. Ja, ihr geistiger Hunger bewegte ihn so tief, daß er auf die benötigte Ruhepause verzichtete, um sie zu lehren (Markus 6:34; Lukas 9:11).
19. Inwiefern ging Jesu Sorge um die Volksmengen sogar über ihre geistigen Bedürfnisse hinaus?
19 Jesus war zwar in erster Linie um die geistigen Bedürfnisse der Menschen besorgt, aber er ignorierte deshalb nicht ihre physischen Bedürfnisse. Bei derselben Gelegenheit „machte [er] die gesund, die der Heilung bedurften“ (Lukas 9:11). Bei einer späteren Begebenheit waren die Volksmengen längere Zeit bei ihm geblieben, und sie waren weit von zu Hause entfernt. Da Jesus wußte, was sie in körperlicher Hinsicht benötigten, sagte er zu seinen Jüngern: „Ich habe Mitleid mit der Volksmenge, denn schon drei Tage haben sie sich bei mir aufgehalten, und sie haben nichts zu essen; und ich will sie nicht hungrig wegschicken. Es könnte sein, daß sie auf dem Weg ermatten“ (Matthäus 15:32). Daraufhin tat Jesus etwas, um die Gefahr einer Notlage abzuwenden. Durch ein Wunder versorgte er Tausende von Männern, Frauen und Kindern mit einer Mahlzeit, die er aus sieben Broten und einigen kleinen Fischen hervorbrachte.
20. Was lernen wir aus dem letzten überlieferten Bericht darüber, daß Jesus von Mitleid bewegt wurde?
20 In Verbindung mit Jesu letzter Reise nach Jerusalem wird zum letztenmal davon berichtet, daß er von Mitleid bewegt wurde. Wegen der bevorstehenden Passahfeier waren mit ihm große Menschenmengen unterwegs. Auf der Straße bei Jericho schrien zwei blinde Bettler unentwegt: „Herr, hab Erbarmen mit uns.“ Die Volksmenge gebot ihnen zu schweigen, aber Jesus rief sie und fragte, was er für sie tun solle. „Herr, laß unsere Augen geöffnet werden“, baten sie. „Von Mitleid bewegt“, rührte er ihre Augen an, und sie erhielten das Augenlicht (Matthäus 20:29-34). Welch eine eindrucksvolle Lehre für uns! Vor Jesus lag die letzte Woche seines irdischen Dienstes. Er hatte noch viel zu tun, bevor er eines grausamen Todes durch die Handlanger Satans sterben sollte. Doch er ließ sich durch den Druck dieses höchst bedeutsamen Zeitabschnitts nicht davon abhalten, seine innigen Gefühle des Mitleids für weniger wichtige menschliche Bedürfnisse zu zeigen.
Gleichnisse, die Mitleid betonen
21. Was wird dadurch veranschaulicht, daß der Herr dem Sklaven seine großen Schulden erließ?
21 Das in diesen Berichten über das Leben Jesu verwendete griechische Verb splagchnízomai kommt auch in drei Gleichnissen Jesu vor. In einer Geschichte bat ein Sklave, der große Schulden hatte, um Aufschub bei der Rückzahlung. „Von Mitleid bewegt“, erließ ihm sein Herr die Schulden. Das veranschaulicht, daß Jehova Gott großes Mitleid zeigt, wenn er jedem einzelnen Christen, der Glauben an das Loskaufsopfer Jesu ausübt, eine große Sündenschuld erläßt (Matthäus 18:27; 20:28).
22. Was wird durch das Gleichnis vom verlorenen Sohn veranschaulicht?
22 Die nächste Geschichte handelt vom verlorenen Sohn. Rufen wir uns ins Gedächtnis zurück, was bei der Heimkehr des eigensinnigen Sohns geschah. „Als er noch weit weg war, erblickte ihn sein Vater und wurde von Mitleid bewegt, und er lief und fiel ihm um den Hals und küßte ihn zärtlich“ (Lukas 15:20). Hieraus ist zu ersehen, daß Jehova Mitleid hat, wenn ein Christ, der eigensinnig gehandelt hat, echte Reue zeigt, und daß er diesen wieder liebevoll aufnehmen wird. Jesus machte somit anhand der beiden Veranschaulichungen deutlich, daß unser Vater, Jehova, „voll inniger Zuneigung und mitleidig ist“ (Jakobus 5:11, Fußnote).
23. Welche Lehre ziehen wir aus Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter?
23 Das dritte Gleichnis, in dem splagchnízomai gebraucht wird, handelt von dem barmherzigen Samariter, der zufolge der Notlage eines Juden, der ausgeraubt und halb tot liegengelassen worden war, „von Mitleid bewegt“ wurde (Lukas 10:33). Diesem Gefühl entsprechend, tat der Samariter alles ihm Mögliche, um dem Fremden zu helfen. Wie dadurch gezeigt wird, erwarten Jehova und Jesus von wahren Christen, daß sie ihr Beispiel der Innigkeit und des Mitleids nachahmen. Einige Möglichkeiten, wie wir das tun können, werden im nächsten Artikel behandelt.
Wiederholungsfragen
◻ Was bedeutet es, barmherzig zu sein?
◻ Wie bewies Jehova, daß es ihm leid tat um seinen Namen?
◻ Was war der größte Ausdruck des Mitleids?
◻ In welcher wichtigen Hinsicht spiegelte Jesus die Persönlichkeit seines Vaters wider?
◻ Was lernen wir daraus, daß Jesus aus Mitleid heraus etwas tat, und was lehren uns seine Gleichnisse?
[Kasten auf Seite 12, 13]
EIN ANSCHAULICHER AUSDRUCK FÜR „INNIGE LIEBENDE FÜRSORGE“
„O MEINE Eingeweide, meine Eingeweide!“ rief der Prophet Jeremia aus. Klagte er über Bauchschmerzen, weil er etwas Schlechtes gegessen hatte? Nein. Jeremia gebrauchte eine hebräische Metapher, um seine tiefe Besorgnis über das Unglück zu zeigen, das über das Königreich Juda kommen sollte (Jeremia 4:19).
Da Jehova Gott tiefe Empfindungen hat, wird das hebräische Wort für „Eingeweide“ (meʽím) auch gebraucht, um seine innigen Gefühle zu beschreiben. Jahrzehnte vor den Tagen Jeremias wurde beispielsweise das Zehnstämmereich Israel vom König von Assyrien in die Gefangenschaft geführt. Jehova ließ diese Bestrafung wegen der Untreue der Israeliten zu. Doch vergaß Gott sie im Exil? Nein. Er war Israel als Teil seines Bundesvolkes immer noch sehr zugetan. Jehova fragte, wobei er Israel mit dem Namen des führenden Stammes Ephraim ansprach: „Ist mir Ephraim ein teurer Sohn oder ein lieb behandeltes Kind? Denn in dem Maße, wie ich gegen ihn rede, werde ich ganz bestimmt weiter an ihn denken. Darum sind meine Eingeweide seinetwegen ungestüm geworden. Auf jeden Fall werde ich mich seiner erbarmen“ (Jeremia 31:20).
Bei seiner Aussage „Meine Eingeweide [sind] seinetwegen ungestüm geworden“ bediente sich Jehova eines Wortbilds, um sein tiefes Gefühl der Zuneigung zu seinem im Exil befindlichen Volk zu beschreiben. Der Bibelgelehrte E. Henderson sagte im 19. Jahrhundert: „Nichts kann die rührende Äußerung inniger elterlicher Gefühle gegenüber einem zurückkehrenden reuigen Sünder übertreffen, die hier von Jehova zum Ausdruck gebracht werden. ... Obwohl er so gegen ... [die götzendienerischen Ephraimiter] gesprochen und sie bestraft hatte ..., vergaß er sie nie, sondern freute sich im Gegenteil in der Erwartung ihrer schließlichen Wiederherstellung.“
Das griechische Wort für „Eingeweide“ wird in den Christlichen Griechischen Schriften auf ähnliche Weise verwendet. Sofern es nicht wörtlich gebraucht wird, wie zum Beispiel in Apostelgeschichte 1:18, bezieht es sich auf tiefempfundene Zuneigung oder tiefempfundenes Mitleid (Philemon 12). Im Griechischen ist es manchmal mit dem Wort für „gut“ verbunden. Die Apostel Paulus und Petrus gebrauchten diesen kombinierten Ausdruck, wenn sie Christen ermunterten, „voll zarten Erbarmens“ zu sein, wörtlich „dem Mitleid gut gesinnt“ (Epheser 4:32; 1. Petrus 3:8). Das griechische Wort für „Eingeweide“ kann auch mit dem griechischen Wort polý verbunden sein. Dieser Ausdruck bedeutet wörtlich „viel Eingeweide habend“. Es handelt sich um einen sehr seltenen griechischen Ausdruck, der nur einmal in der Bibel vorkommt und sich auf Jehova Gott bezieht. In der Neuen-Welt-Übersetzung wird er wie folgt wiedergegeben: „Jehova [ist] voll inniger Zuneigung“ (Jakobus 5:11).
Wie dankbar sollten wir doch sein, daß der Mächtigste im Universum, Jehova Gott, so völlig anders ist als die grausamen Götter, die von unbarmherzigen Menschen erdacht wurden! Treue Christen fühlen sich dadurch, daß sie ihren Gott nachahmen, der „voll zarten Erbarmens ist“, veranlaßt, im Umgang miteinander genauso zu handeln (Epheser 5:1).
[Bild auf Seite 10]
Als die Grenzen des göttlichen Mitleids erreicht waren, gestattete Jehova den Babyloniern, sein widerspenstiges Volk zu unterwerfen
[Bild auf Seite 11]
Seinen geliebten Sohn sterben zu sehen muß Jehova Gott den größten Schmerz bereitet haben, der jemals verspürt wurde
[Bild auf Seite 15]
Jesus spiegelte vollkommen die mitleidige Persönlichkeit seines Vaters wider