Mikronesien
Paradies! Bei diesem Wort denkt man vielleicht an eine tropische Insel mit üppiger Vegetation, einen strahlend blauen Himmel, an Palmen, die sich leicht im Wind wiegen, weiße Sandstrände, an klares Meerwasser mit buntschillernden Fischen und an das Schauspiel eines Sonnenuntergangs. Dieses Bild von einem Paradies paßt zu Mikronesien. Die Schönheit der Natur ist atemberaubend.
Es gibt hier aber auch einiges, was man niemals mit einem Paradies in Verbindung bringen würde. Mörderische Schlachten während des Zweiten Weltkrieges hinterließen auf den Inseln tiefe Spuren, und heute haben die Mikronesier mit wirtschaftlichen Problemen, Kriminalität und Krankheiten zu kämpfen. Immer mehr Menschen wird bewußt, daß zuerst die tiefgreifenden Probleme der Menschheit gelöst werden müssen, bevor Mikronesien ein wirkliches Paradies sein kann.
Abwechslung — die Würze des Lebens auf Mikronesien
Mikronesien besteht aus verschiedenen Inselgruppen, von denen jede ihren eigenen Reiz und ihre eigene Kultur hat. Erstaunlicherweise hat auch jede Inselgruppe ihre ganz eigene Sprache, die selbst die Bewohner benachbarter Inselgruppen nicht verstehen können.
Eine für Mikronesien typische Insel gibt es nicht. Einige sind reich, andere arm. Zerklüftete Vulkaninseln wie Pohnpei ragen 900 Meter aus dem Wasser empor, doch einige langgestreckte Atolle sind so flach, daß sie gerade einen Meter über dem Meeresspiegel liegen. Das trifft zum Beispiel auf Majuro zu, ein Atoll der Marshallinseln. Bei stürmischem Wetter werden manchmal ganze Teile des Atolls von Wellen überspült.
Die Mikronesier sind freundliche und sympathische Menschen. Viele von ihnen leben vom Landbau und vom Fischfang. Sie ernähren sich hauptsächlich von Feldfrüchten, die sie auf dem familieneigenen Acker anbauen, halten sich vielleicht ein paar Hühner und Schweine und fischen im Meer.
Es wird allgemein angenommen, daß diese abgelegenen Inseln ursprünglich von Seefahrern aus Asien und von Melanesien besiedelt wurden, die sich auf ihrer Reise nach Osten beziehungsweise Westen befanden, doch spanische Entdeckungsreisende im 16. Jahrhundert waren die ersten Vertreter aus der westlichen Hemisphäre, die Mikronesien erreichten. Sie brachten ihre Religion mit. Außer einigen Gruppen, die dem protestantischen Glauben zugeordnet werden und die durch die Missionare der Christenheit Ende des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurden, ist heutzutage die römisch-katholische Kirche auf den meisten Inseln fest etabliert.
GUAM: Drehscheibe der Tätigkeit auf den Inseln
Mikronesien (der Name bedeutet soviel wie „kleine Inseln“) besteht aus ungefähr 2 000 verstreut liegenden Inseln, von denen etwa 125 bewohnt sind. Sie sind über ein Gebiet verteilt, das fast so groß ist wie die Vereinigten Staaten (ohne Alaska und Hawaii). Die Inseln selbst sind jedoch so klein, daß ihre gesamte Landfläche nur etwa 3 100 Quadratkilometer ausmacht — zusammengenommen sind sie also nicht viel größer als Rhode Island, der kleinste Staat der Vereinigten Staaten, oder etwa so groß wie das Großherzogtum Luxemburg.
Das Tor zu Mikronesien ist Guam, von wo aus es Flugverbindungen zu vielen der anderen Inseln gibt. Von den 470 000 Einwohnern Mikronesiens leben 150 000 auf Guam. Mit einer Länge von 51 Kilometern ist Guam die größte Insel Mikronesiens. Sie ist auch die am besten erschlossene Insel. Guam unterscheidet sich von den anderen Inseln, wo es noch gemütlicher zugeht, durch seine verstopften Autobahnen und einen hektischen Lebensstil.
Guam wird schon lange von Militärmächten wegen seiner strategisch günstigen Lage im Pazifik äußerst geschätzt, und momentan befindet sich hier ein amerikanischer Militärstützpunkt. Die Militäranlagen der Amerikaner nehmen mehr als ein Drittel des Landes ein. Guam hat jedoch auch strategische Bedeutung für die Verbreitung der guten Botschaft von Gottes Königreich. Im Zweigbüro der Watch Tower Society wird für das biblische Schulungswerk in 11 Sprachen Literatur gedruckt, die in ganz Mikronesien verbreitet wird.
Die Königreichswahrheit erreicht eines der letzten unberührten Gebiete
Während seiner Ansprache zur Bestimmungsübergabe des Zweigbüros auf Guam im April 1980 bezeichnete Milton Henschel von der leitenden Körperschaft Mikronesien als „eines der letzten unberührten Gebiete“, was das Königreichspredigtwerk anbelangt. Da Mikronesien aus so vielen abgelegenen Inseln besteht und es dort eine Vielzahl von Eingeborenensprachen gibt, erwies sich dieses letzte unberührte Gebiet in den Tropen als eine beachtliche Herausforderung.
Treue Missionare sind dieser Herausforderung 40 Jahre lang begegnet, indem sie unermüdlich arbeiteten und dabei Einfallsreichtum bekundeten. Während dieser Jahre dienten wenigstens 175 Missionare in Mikronesien, was auf den Inseln zur Gründung von 26 Versammlungen beitrug, mit denen 1 300 aktive Zeugen verbunden sind.
Von den 63 Missionaren, die momentan in Mikronesien dienen, besuchten nur eine Handvoll die Wachtturm-Bibelschule Gilead. Die meisten sind ehemalige Pioniere von den Philippinen und von Hawaii, die eingeladen wurden, als Missionare zu dienen. Das bedeutete für viele, die Annehmlichkeiten in der Heimat gegen einen einfacheren Lebensstil einzutauschen. Auf einigen Inseln gibt es nur wenige ausgebaute Straßen, keine Elektrizität und kein fließendes Wasser. Die Missionare sind allen möglichen Krankheiten ausgesetzt; sie müssen der Hitze, der hohen Luftfeuchtigkeit und manchmal den Unbilden des Wetters trotzen. Fast das ganze Jahr über besteht Gefahr durch Taifune, die große Schäden anrichten können. Aber die Missionare blicken auch mit Befriedigung auf die Früchte ihrer Arbeit.
Auf den größeren Inseln hat die biblische Wahrheit überall festen Fuß gefaßt. Unter denen, die als erste positiv auf die Königreichsbotschaft reagierten, befanden sich einige einflußreiche Inselbewohner. Carl Dannis auf Pohnpei gehörte zum Beispiel der gesetzgebenden Körperschaft Pohnpeis an. Auf Kosrae war Fredy Edwin einer der ersten Zeugen. Er sprach sieben Sprachen und war mit dem König verwandt. Augustine Castro, der früher einmal an einem Priesterseminar studierte, hatte bei der Gründung der Versammlung auf Saipan einen Anteil. Und Exboxer Tony Salcedo kam auf Guam seine Popularität zugute, als er den Menschen eine Botschaft überbrachte, die ihnen zu einem Frieden verhelfen konnte, den sie selbst in der wunderschönen Insellandschaft nie verspürt hatten.
Wie die gute Botschaft nach Guam gelangte
Tony Salcedo war nicht der erste Zeuge, der nach Mikronesien kam. Eigentlich war er bei seiner Ankunft noch gar kein Zeuge. Er kam 1948 von den Philippinen nach Guam und hatte einen Arbeitsvertrag mit einer Firma, die sich nach dem Krieg am Wiederaufbau beteiligte. Verschiedene seiner Arbeitskollegen waren Zeugen Jehovas, und sie fingen an, Tony etwas aus der Bibel beizubringen.
Im Dezember 1951 organisierten diese eifrigen Brüder die erste Versammlung in Mikronesien, aber bis auf Tony mußten 1954 alle Guam verlassen, weil die Firma bankrott ging. Tony, der das Boxen an den Nagel gehängt hatte, durfte bleiben, da er ein Mädchen von Guam geheiratet hatte.
Mitte der 50er Jahre wurden Zusammenkünfte in der Wohnung der Salcedos abgehalten, und zu der Versammlung gehörten bald 12 Personen. Ihr Predigtgebiet war die ganze Insel. Tony erzählte: „Wir verbrachten immer den ganzen Samstag im Predigtdienst, und so dauerte es nicht lange, bis wir bei den Leuten in allen Dörfern bekannt waren.“
Mit Härten konfrontiert
Das Guam jener Tage läßt sich nicht im entferntesten mit der Urlaubsinsel von heute und deren geschäftigem Treiben vergleichen. Sam und Virginia Wiger, die als die ersten Missionare nach Guam geschickt wurden, erinnern sich noch gut an ihre Ankunft im Jahr 1954.
„Zu jener Zeit war Guam genaugenommen nur ein Militärstützpunkt“, sagte Sam. „Die Insel war durch den Krieg verwüstet worden; überall lagen Bomben, die nicht entschärft waren, und Munition herum. Kriegsausrüstungen rosteten vor sich hin, und immer wieder entdeckte man japanische Heckenschützen und verhaftete sie. Meine Frau und ich mieteten eine Nissenhütte, in der es keinen Kühlschrank, keine Klimaanlage, kein Bett und auch keine anderen Möbelstücke gab. Wir schliefen auf Feldbetten unter Moskitonetzen.“
Die Wigers waren beim Predigen so erfolgreich, daß bald eine größere Versammlungsstätte benötigt wurde. Also mietete die Versammlung einen leerstehenden Speisesaal des Militärs, der gründlich gesäubert wurde. Das Gebäude lag gegenüber der katholischen Kirche. Als die Brüder ein Schild mit der Aufschrift „Königreichssaal“ anbrachten, meldete der katholische Priester Protest an.
Dann schlug der Blitz ein. Während eines Gewitters, was sehr selten ist, brachte ein Blitzschlag den Kirchturm zum Einsturz, und einige Götzenbilder zerbrachen in Stücke. Bruder Wiger sagte: „Der Priester erklärte seinen Gemeindemitgliedern, daß Gott es eigentlich auf den Königreichssaal abgesehen hatte, aber nicht getroffen habe. Als die Leute dem Priester diese Erklärung nicht abnahmen, erfand er eine andere Geschichte. Er meinte dann, Gott habe die Kirche zerstört, weil die Gemeinde eine größere und bessere brauche.“
Zutritt zu den Treuhandgebieten
Als die Wigers als Missionare nach Japan gesandt wurden, mußte Merle Lowmaster mehr Verantwortung übernehmen. Merle war ein Bruder von stattlicher Gestalt, auf dessen Gesicht sich oft ein Lächeln zeigte, der die Wahrheit jedoch stets ernst nahm. 1960 wurde er von der Watch Tower Society mit einer Erkundungsreise durch Mikronesien beauftragt. Da die Inseln UN-Treuhandgebiet waren, benötigte er eine Reiseerlaubnis vom Hochkommissar, einem mürrischen Mann, der nicht mit sich reden ließ und zu Bruder Lowmaster sagte: „In das Treuhandgebiet kommen Sie nur über meine Leiche.“
So weit mußte es jedoch gar nicht erst kommen. Nur drei Monate später wurde ein neuer Hochkommissar ins Amt eingesetzt, und Merle erhielt seine Reiseerlaubnis. Damit eröffnete sich ihm als erstem die Gelegenheit, die Königreichsbotschaft auf den Inseln Saipan, Chuuk, Pohnpei, Palau und Yap zu verkündigen.
Persönliche Hilfe vom Präsidenten der Gesellschaft
Im November 1962 wurde Guam vom Unglück getroffen, als Taifun Karen mit Windgeschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometern über die Insel hinwegfegte, dabei Schäden in Millionenhöhe anrichtete und neun Menschenleben hinwegraffte. Glücklicherweise verlor keiner der Brüder das Leben, doch ihr Königreichssaal wurde zerstört. Als die Aussichten auf einen neuen Königreichssaal gleich Null waren, kam den Brüdern eine neugetaufte Schwester zu Hilfe, die ihnen ein recht großes Grundstück vermachte. Darauf wurde ein größerer Königreichssaal errichtet, der 1964 noch rechtzeitig vor dem Besuch des Zonenaufsehers, Bruder N. H. Knorr, dem damaligen Präsidenten der Watch Tower Society, fertiggestellt wurde.
Mit dem Gedanken im Sinn, auch in diesem Teil der Erde ein gründliches Zeugnis zu geben, teilte Bruder Knorr den sechs neu angereisten Missionaren die Aufgabe zu, in verschiedenen Teilen Mikronesiens zu predigen. Er sagte ihnen: „Wenn ihr euch in diesem Gebiet auch sehr fremd fühlen mögt, denkt daran, daß ihr immer noch auf dem Planeten Erde zu Hause seid. Der einzige wirklich ‚fremde‘ Missionar war Christus, denn er verließ den Himmel, um hier auf der Erde zu dienen. Bleibt treu in eurer Zuteilung, bis die Arbeit getan ist!“
In den vergangenen Jahren kamen reisende Aufseher einmal im Jahr mit dem Frachtschiff auf die Inseln. Dann besuchten sie dort die einzelnen Zeugen, gaben jeweils an den Anlegestellen Zeugnis und ermunterten diejenigen, die schon zuvor Interesse gezeigt hatten. Bruder Knorr schlug nun vor, daß der Kreisaufseher zweimal im Jahr mit dem Flugzeug kommen und seine Besuche machen sollte.
Reisende Aufseher tragen zur Mehrung bei
Von 1968 an übernahm Nathaniel Miller, ein reisender Aufseher von Hawaii, diese Flugroute durch Mikronesien. Da viele der älteren Bewohner Mikronesiens japanisch sprachen und Bruder Miller als Missionar in Japan gedient hatte, lag es nahe, ihn für diese anstrengende Aufgabe auszuwählen. Wieso anstrengend? „Die ganze Flugreise von Honolulu bis hin zu den verschiedenen Inseln und wieder zurück erstreckte sich auf mehr als 14 000 Kilometer“, erinnert sich Bruder Miller.
Als er auf Guam eintraf, fand er eine entmutigte Versammlung vor. Es gab kaum Zuwachs, und das Gebiet wurde nicht regelmäßig bearbeitet. Bruder Miller machte den Vorschlag, noch vier weitere Missionare nach Guam zu schicken und ein zweites Missionarheim im Süden der Insel einzurichten.
Im Jahr 1969 kamen Guam und die Gebiete Mikronesiens unter die Aufsicht des Zweigbüros auf Hawaii. Beginnend mit 1970, wurde Mikronesien auch einmal im Jahr vom Koordinator des Zweigkomitees, Robert K. Kawasaki, besucht, der den Brüdern anläßlich von Kreis- und Bezirkskongressen diente und den Missionarheimen einen Besuch abstattete.
Diese Betreuung durch geistige Hirten machte sich bald bemerkbar. Auf dem Bezirkskongreß „Menschen guten Willens“, der 1970 auf Guam stattfand, war mit 291 Personen eine neue Besucherhöchstzahl zu verzeichnen, und Zeitungen, Radio und Fernsehen gaben täglich Berichte. Aber bestimmt konnten in diesem Teil des Gebiets noch mehr Helfer benötigt werden. Woher würden sie kommen?
Die beiden allgemeinen Pioniere Robert und Mildred Fujiwara führten auf Hawaii ein Lebensmittelgeschäft, wollten aber gern in einem Gebiet dienen, wo mehr Verkündiger benötigt wurden. Als sie 1970 mit ihren drei Kindern im Alter von 8 bis 16 Jahren nach Guam zogen, ging ihr Traum in Erfüllung. Hat sich dieser Umzug für sie und ihre Kinder als vorteilhaft erwiesen? Alle drei Kinder sind jetzt erwachsen und verheiratet, und sie alle sind eifrige Diener Jehovas. Zwei von ihnen dienen im Zweigbüro auf Guam, und eines steht im Pionierdienst. Als die Fujiwaras auf Guam ankamen, gab es nur eine Versammlung. Mittlerweile gibt es neun Versammlungen und eine Gruppe; und die Fujiwaras hatten die Freude, einen Anteil an dieser Mehrung zu haben. Diese Versammlungen betreuen Menschen aus sechs verschiedenen Sprachgruppen. In den 70er und 80er Jahren kam dann noch eine ganze Reihe anderer Familien nach Guam, um zu helfen.
Adresse des Zweigbüros — leicht zu merken
Im Jahr 1976 zerstörte der Taifun Pamela auf Guam den Königreichssaal, der 1964 gebaut und 1969 vergrößert worden war. „Guam sah aus, als hätte eine Dampfwalze die Insel überrollt“, sagte ein Bruder.
Statt die relativ kleine Zusammenkunftsstätte wieder aufzubauen, wurde ein neues L-förmiges Zweiggebäude errichtet, bestehend aus Büroräumen, einer Druckerei, sechs Wohnräumen und einem geräumigen Königreichssaal mit 400 Sitzplätzen, der auch für Kongresse geeignet war. Damit das Gebäude den Taifunen standhalten könnte, baute man es mit 20 Zentimeter dicken Stahlbetonwänden. Ein Bruder, der von Hawaii zugezogen war, meinte dazu: „Der Königreichssaal war so groß, daß wir dachten: ‚Den kriegen wir nie voll!‘ Damals gab es auf der ganzen Insel nur 120 Zeugen. Im Saal war so viel Platz, wir hätten drin tanzen können.“ Doch ein paar Jahre später paßten die Kongreßbesucher nur noch mit Ach und Krach in diesen riesigen Königreichssaal hinein.
Bruder Miller, der für seinen kräftigen Händedruck und sein charakteristisches Lachen bekannt war, wurde der erste Koordinator des Zweigkomitees auf Guam. Mit ihm dienten noch zwei weitere erfahrene Brüder im Komitee, nämlich Robert Savage, der Zweigaufseher in Vietnam gewesen war, und Hideo Sumida, der zuvor als Mitglied des Zweigkomitees auf Hawaii gedient hatte.
Anfangs wurde die Post fürs Zweigbüro immer vom Postfach abgeholt. Eines Tages kam jedoch ein Arbeiter der Gemeindeverwaltung vorbei, der erklärte, daß es seine Aufgabe sei, Hausnummern zuzuordnen, damit die Post künftig zugestellt werden könne. Während er die Nummer „143“ an das Gebäude sprühte, fragte ihn Bruder Miller, welchen Namen man denn der Straße gegeben habe. Der Mann antwortete: „Weiß ich nicht. Schauen wir uns doch mal den Stadtplan an.“ Zur Überraschung von Bruder Miller hatte die Gemeinde die Straße „Jehovastraße“ genannt.
In Selbsthilfe bauen
Weitere Bauprojekte standen noch aus. Anfang der 80er Jahre kam Jim Persinger in den Vereinigten Staaten zu dem Schluß, daß seine Zementfabrik zu viel von seiner Zeit beanspruchte, und so beschlossen er und seine Frau Jene, künftig ein einfacheres Leben zu führen. Sie bauten sich ein 15 Meter langes Segelschiff, dessen Rumpf aus Beton war, nannten es Petra und segelten damit nach Guam. Dieses Schiff von den Persingers war beim Realisieren der Bauprojekte von unschätzbarem Wert.
Zwischen 1982 und 1991 wurden auf sechs der mikronesischen Inseln Missionarheime und Königreichssäle gebaut. Da es nicht genug Baumaterial gab, war das Bauen eine Herausforderung. Bei einigen Bauprojekten mußten die Brüder von Hand ihre eigenen Zementbausteine anfertigen. Dazu gossen sie Zement in eine kleine Form und warteten, bis er abgebunden hatte. Auch stellten sie ihren eigenen Kies her, indem sie Korallen zertrümmerten, und sie mußten Sand beschaffen. Oft leistete die Petra gute Dienste, wenn es darum ging, Baumaterial und Arbeiter von einer Insel zur anderen zu bringen. „Als wir auf Chuuk den Königreichssaal bauten, war auf der Insel kein Sand aufzutreiben“, erzählt Jim Persinger, „also segelten wir zu einer kleinen unbewohnten Insel und schaufelten am Strand Sand in Säcke. Dann luden wir alles ins Schiff ein und segelten zurück zur Baustelle.“
Ray Scholze, der schon beim Militär Erfahrungen mit Bauarbeiten gesammelt hatte, übernahm die Leitung der meisten Bauprojekte in Mikronesien. Zum festen Stamm seiner Baumannschaft gehörten Calvin Arii, Avery Teeple und Miles Inouye, die von Hawaii gekommen waren, um beim Bau des neuen Zweiggebäudes mitzuhelfen, und die später Guam zu ihrer zweiten Heimat machten. Sie alle mußten so manches Mal improvisieren, um gewisse Arbeiten zu bewältigen.
Weiteres Wachstum unter neuer Aufsicht
Als Bruder Miller 1987 von der unheilbaren Krankheit seiner Frau erfuhr, verließen die beiden Guam. Die Aufgabe, als Koordinator zu dienen, wurde nun Arthur White übertragen, einem hochgewachsenen, energischen Mann, der bereits im Zweigkomitee auf Hawaii und Guam gedient hatte und seit 1981 auch als Bezirksaufseher Mikronesien bereiste. Unter seiner Aufsicht gab es im Zweigbüro auf Guam viele Veränderungen. Dem Zweiggebäude wurden noch zwei Königreichssäle angegliedert, und nach Abschluß weiterer Bauarbeiten im Jahr 1995 gab es endlich noch mehr Büros, mehr Platz für die Druckerei und auch zusätzliche Wohnräume.
Die beiden anderen Zweigkomiteemitglieder sind Julian Aki und Salvador Soriano, beide langjährige Missionare. Hideo Sumida, der mit als erster im Zweigkomitee diente, starb leider, nachdem er einige Jahre beim Aufbau des Werkes auf Guam mitgewirkt hatte.
In fremden Zungen reden
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Insel Guam nahm die Zahl der Ausländer dort zu. Zusätzliche Missionare wurden gesandt, um weitere Sprachgruppen zu betreuen, wie Tagalog, Iloko, Koreanisch und Chinesisch.
Ernesto und Gloria Gabriel predigen schon 14 Jahre lang unter der philippinischen Bevölkerung, die ein Viertel der Einwohner Guams ausmacht. Zusammengenommen sind die beiden tagalog- und ilokosprachigen Versammlungen größer als jede der fünf englischsprachigen Versammlungen, die es auf der Insel gibt.
Jung-Sung Chung, ein Missionar aus Korea, kam 1985 nach Guam. Er erinnert sich: „Wegen des heißen und feuchten Klimas haben meine Frau und ich so stark geschwitzt, daß wir mehrmals am Tag duschen mußten.“ Trotz der Hitze predigten sie stundenlang, und ihre beispielhafte Entschlossenheit trug dazu bei, daß eine kleine, aber starke Versammlung gegründet wurde.
Die Einwohner Guams erhalten wirklich ein gründliches Zeugnis. Im Durchschnitt ist das Verkündigerverhältnis zur Einwohnerzahl 1 zu 262.
KIRIBATI: Jehovas Zeugen als Te Koaua bekannt
Wenngleich Filipinos als erste die Königreichswahrheit nach Guam brachten, so hörte man auf Kiribati (damals als die Gilbertinseln bekannt) die Wahrheit erstmals von Neuseeländern. Die Inseln waren eine britische Kolonie, und die Predigttätigkeit war eingeschränkt, doch Huia Paxton erhielt 1959 als Apotheker eine Einreisegenehmigung und blieb bis 1967 dort. Entlang dem Äquator fand er eine Gruppe wunderschöner, meist recht schmaler Atolle vor, wo es immer heiß und feucht war.
Huia kam durch seine Arbeit auf allen Gilbertinseln herum, und überall hielten er, seine Frau Beryl und ihre beiden kleinen Söhne nach Gelegenheiten Ausschau, um über die Bibel zu sprechen. Bei einem Picknick fragte eine Frau den 5jährigen Stephen, ob sein Gott einen Namen habe. „Ja, sein Name ist Jehova“, antwortete Stephen. Seine Antwort veranlaßte auch noch andere Leute, Fragen zu stellen. Es dauerte nicht lange, und die Paxtons führten jeden Sonntag mit einer großen Gruppe ein Bibelstudium durch.
Vor ihrer Rückkehr nach Neuseeland trafen die Paxtons Vorbereitungen für eine besondere Zusammenkunft auf einem unbewohnten Atoll. An diesem Tag wurde eine Taufansprache gehalten, und fünf Gilbertesen symbolisierten ihre Hingabe an Jehova durch die Wassertaufe in der Lagune. Leider ließ der anfängliche Eifer dieser Inselbewohner bald nach.
Später ging ein Gilbertese namens Nariki Kautu nach Australien, um dort an einer Schule Buchhaltung zu erlernen. Während seines dortigen Aufenthalts studierte er auch mit Zeugen Jehovas die Bibel und ließ sich taufen. Bruder Kautu erzählte: „Als ich 1978 mit meiner Familie nach Kiribati zurückkehrte, erkundigten wir uns, ob es noch irgendwelche anderen Zeugen Jehovas auf der Insel gebe.“ Er stellte bald fest, daß Jehovas Zeugen auf seiner Heimatinsel quasi unbekannt waren. „Wir machten ein älteres Ehepaar und noch einen Mann mit seinen Kindern ausfindig, aber niemand hatte Zusammenkünfte arrangiert, und von der Literatur der Gesellschaft gab es nichts in Gilbertesisch“, sagte er. „Nun, dann fingen wir an, jeden Sonntag Zusammenkünfte abzuhalten. Wir beteten, lasen aus der Bibel vor, und da ich der einzige war, der Englisch lesen konnte, gab ich an Hand der Literatur der Gesellschaft einige Erklärungen dazu.“
Der Königreichssaal — nicht nur ein Gebäude
Im Jahr 1982 erhielt die kleine Gruppe auf Kiribati mit dem Eintreffen der Missionare Paul und Marina Tabunigao Verstärkung. Die Zusammenkünfte wurden zuerst im Missionarheim und später in einem Klassenraum abgehalten; aber als „richtige Religion“ betrachtete man Jehovas Zeugen erst seit dem Bau des Königreichssaals im Jahr 1991. Die meiste Arbeit erledigten die International Volunteers, und die Einheimischen waren ganz erstaunt darüber, daß „Fremde“ ihre Zeit und ihr Geld einsetzten, um beim Bau mitzuhelfen. Somit wurde der Königreichssaal zu einem sichtbaren Beweis für die Liebe und Einheit unter Jehovas Volk.
Als Ergebnis fühlten sich viele von der Wahrheit angezogen. Eine Schwester, die kurz nach der Bauphase getauft wurde, sagte: „Ich war tief beeindruckt davon, wie dieser kleinen Versammlung durch Besucher aus Übersee geholfen wurde.“ Diese „kleine“ Versammlung von 28 Verkündigern hat sich seit 1990 ganz schön gemausert. Sie zählt jetzt 70 Verkündiger und gehört damit zu den am schnellsten wachsenden Versammlungen Mikronesiens.
Bücher der Gesellschaft in hohem Ansehen
Als 1994 das Buch Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben erschien, war das für die Einheimischen das erste Buch der Gesellschaft in ihrer Muttersprache, denn bis dahin gab es nur einige Traktate und Broschüren. „Es gibt allgemein nur wenig Literatur in Gilbertesisch“, sagt Edi Possamai, der zusammen mit seiner Frau treu als Missionar dient, „und schon gar nichts, was auch nur annähernd an die Qualität dieses Buches herankommt.“
Das Paradies-Buch ist inzwischen in sechs Sprachen Mikronesiens herausgegeben worden, und die gilbertesische Ausgabe hat sehr gut eingeschlagen. Das Buch hat viele Inselbewohner veranlaßt, die Bibel zu studieren. Man hat sogar beobachtet, daß einige ihr Paradies-Buch mit in die Kirche genommen haben.
Die Leute auf Kiribati haben sich Spitznamen für die Religionsgemeinschaften auf ihren Inseln ausgedacht. Da die Protestanten beim Beten die Augen schließen, sind sie als Kamatu bekannt, was „einschläfern“ bedeutet. Die Siebenten-Tags-Adventisten werden Itibongs oder „Sieben Tage“ genannt. Und welchen Namen haben Jehovas Zeugen erhalten? Te Koaua, was ganz einfach „Die Wahrheit“ bedeutet.
DIE MARSHALLINSELN: Eine Tür zum Dienst
Ein gutes Jahrzehnt lang hatte es auf Guam bereits Zeugen gegeben, bevor die gute Botschaft durch ein abenteuerlustiges Ehepaar aus Amerika auf die etwa 3 200 Kilometer südöstlich von Guam gelegenen Marshallinseln gebracht wurde. Powell Mikkelsen und seine Frau Nyoma wollten eigentlich auf die Bahamas ziehen, um in einem Gebiet zu dienen, wo mehr Verkündiger benötigt wurden. Mit diesem Ziel vor Augen kauften sie eine 10 Meter lange Jolle, die sie Integrity nannten. Noch bevor sie in See stechen konnten, wurde Bruder Mikkelsen angeboten, den Bau eines großen Elektrizitätswerks auf den Marshallinseln zu leiten. Die Watch Tower Society ermunterte ihn eindringlich, die Stellung anzunehmen. Zu jener Zeit gab es nämlich auf den Marshallinseln keine Zeugen, weil die Einreise von Ausländern gesetzlichen Einschränkungen unterlag.
Neben den Verantwortlichkeiten in Verbindung mit dem Bau des Kraftwerks, denen Bruder Mikkelsen nachkam, nutzte er zusammen mit seiner Frau die Gelegenheit, den Inselbewohnern in geistiger Hinsicht zu helfen. Sie kamen 1960 auf dem Kwajalein-Atoll an und ließen sich später auf dem Majuro-Atoll nieder, wo sie sich selbst Marshallisch beibrachten. Da die liebenswerten Inselbewohner fast immer zuhörten, wenn man ihnen Zeugnis gab, konnten Powell und Nyoma 1964 bereits 12 Bibelstudien durchführen, eines davon mit dem Iroij Lap Lap (Regierungschef) von Majuro.
Im Jahr 1965 schlossen sich den Mikkelsens zwei Missionare an, nämlich Julian Aki und Melvin Ah You, und innerhalb weniger Monate hatten diese beiden enthusiastischen Brüder genügend Marshallisch gelernt, um eine einfache Predigt zu halten; außerdem bauten sie ein Missionarheim mit einem lang heruntergezogenen Spitzdach.
Da man eine Versammlungsstätte benötigte, wurde ein provisorischer Königreichssaal errichtet, indem man mehrere Stämme von Schraubenpalmen in die Erde rammte und dann das Hauptsegel der Integrity darüberspannte. „Als dann mehr Besucher kamen, fügten wir einfach andere Segel hinzu“, sagte Bruder Mikkelsen. „Als nächstes mußte der Besan [Segel am hintersten Mast] herhalten, und etwas später nutzten wir den Klüver [dreieckiges Vorsegel]. Als uns die Segel ausgingen, war es an der Zeit, einen ‚richtigen‘ Königreichssaal zu bauen.“
Neue Missionare beeindrucken die Inselbewohner
Zu Beginn des Dienstjahres 1966 entschieden Bruder Aki und Bruder Ah You, daß es an der Zeit sei, mit ihrem Gebiet besser vertraut zu werden; also buchten sie eine Reise auf einem Frachtschiff mit eisernem Rumpf, das bei den äußeren Atollen der Marshallinseln anlegte. Mit an Bord bei dieser 24tägigen Exkursion war auch ein frisch verheirateter protestantischer Pfarrer, der seit drei Jahren auf den Inseln lebte. Die Bewohner jedes Atolls wurden durch Radioansage auf den Besuch des „Herrn Pfarrers“ und seiner Braut aufmerksam gemacht. Doch wie enttäuscht waren die Inselbewohner, als er mit Hilfe eines Dolmetschers zu ihnen sprach! Er hatte sich nie bemüht, Marshallisch zu lernen.
Als dieser Geistliche seine Zuhörer dann davor warnte, mit den „beiden falschen Hirten“, die an Bord waren, Kontakt aufzunehmen, war den Bewohnern nur noch mehr daran gelegen, die Missionare der Zeugen Jehovas zu Gesicht zu bekommen, die ihre Sprache sprachen und Interessantes aus der Bibel zu erzählen wußten. Immer wieder baten sie: „Bleibt doch hier, und lehrt uns die Bibel. Wir werden für euch sorgen. Bleibt doch bei uns, bis das nächste Schiff kommt.“
Kulturschock für den Kreisaufseher
Als Nathaniel Miller 1968 von Hawaii aus als Kreisaufseher zu seiner ersten Mikronesienreise aufbrach, war sein erstes Ziel Majuro. Er erzählt: „Ich erinnere mich noch, wie ich zum ersten Mal die winzigen Atolle der Marshallinseln erblickte. Die DC-9 setzte gerade zur Landung an, doch dann stieg sie wieder auf und kreiste über dem Flughafen. Als ich nach unten schaute, sah ich, wie Männer einige Schweine von der Landebahn jagten, damit die Maschine landen konnte. Außerdem stand auch noch ein Auto im Weg, das auf der Rollbahn parkte. Einige Männer faßten mit an und schafften es zur Seite.“
Für jemand aus Honolulu war das ein Kulturschock. Der Flughafen auf Majuro hatte eine recht „luftige Wartehalle“ aus Kokospalmwedeln und eine Rollbahn aus Korallen. Bruder Miller sagt: „Ich war es einfach nicht gewohnt, daß bei der Landung Korallensplitter gegen den Flugzeugrumpf hochgeschleudert werden.“ Nachdem er wieder Boden unter den Füßen hatte, „verlud“ man ihn und sein Gepäck in einen Pritschenwagen, und ab ging’s über eine holprige, unbefestigte Straße zum Missionarheim.
Der Königreichssaal hatte zu jener Zeit ein Blechdach, einen Lehmfußboden und keine Wände. Bruder Miller erzählt: „Bei meinem ersten Besuch habe ich mit Hilfe eines Übersetzers zu einer kleinen Gruppe von 20 Personen gesprochen. Der Vortrag wurde unterbrochen, als ein großes Schwein in den Königreichssaal spaziert kam!“
Wo sind die Toten denn wirklich?
Die Kirchen auf den Marshallinseln verbreiten einige sehr ungewöhnliche Lehren. Eines Tages wollte William Maddison, ein protestantischer Geistlicher, Julian Aki auf die Probe stellen, als er sagte: „Paulus schrieb an die Philipper, daß ‚sich im Namen Jesu jedes Knie beuge, derer, die im Himmel, und derer, die auf der Erde, und derer, die unter dem Erdboden sind‘. Meine Frage ist: ‚Wer sind die, die unter dem Erdboden sind?‘ “ (Phil. 2:10). Als Bruder Aki erklärte, daß dies die Toten sind, die auferstehen werden, war William restlos begeistert. Es hatte ihn schon lange gestört, daß seine Kirche lehrte, die „unter dem Erdboden“ seien die ri menanui, nämlich die „kleinen Leute“, die nach der marshallischen Legende nur mitten in der Nacht aus der Erde kommen.
William bat Bruder Aki sofort um ein Bibelstudium für seine Familie, und 1966 ließ er sich zusammen mit seiner Frau Almina taufen. Seit 1983 dient er als Ältester, und seine Frau steht seit 28 Jahren im allgemeinen Pionierdienst — damit ist sie die dienstälteste Pionierin in ganz Mikronesien.
Die Kirchen auf den Marshallinseln lehren auch, daß die Hölle ein großer Eisenkessel im Himmel sei, wo Sünder mit kochendheißem Wasser verbrüht werden. So wie viele andere, glaubte auch Sailass Andrike an diese Lehre vom „Tod im Himmel“. Als ihm jedoch in der Bibel gezeigt wurde, daß die Toten zum Staub zurückkehren, nahm er die Wahrheit an und ließ sich 1969 taufen (1. Mo. 3:19). Mit seiner Hilfe konnten die Brüder einen Bauplatz für einen neuen Königreichssaal bekommen, und er war auch der erste, der ins Marshallische übersetzte. 1967 wurde eine Versammlung auf Majuro gegründet. Da jetzt die beiden einheimischen Brüder William und Sailass die Verantwortung übernahmen, konnten Julian Aki und Donald Burgess, ein neu angekommener Missionar, nach Ebeye ziehen, einem winzigen Atoll im Westen der Marshallinseln.
Ebeye hat etwa die Größe von vier Häuserblocks; früher lebten hier nur einige hundert Marshaller, bis dann auf dem benachbarten Kwajalein-Atoll gutbezahlte Jobs beim amerikanischen Militär die Einwohnerzahl auf mehr als 8 000 ansteigen ließ. Jeden Tag pendeln die Inselbewohner mit der Fähre zwischen Ebeye und ihrem Arbeitsplatz, dem großen Militärstützpunkt auf Kwajalein.
Rundfunksendungen für die Marshaller
Das Radio hat sich in ganz Mikronesien als ein sehr hilfreiches Mittel zum Predigen erwiesen; am erfolgreichsten war man damit jedoch auf den Marshallinseln. Der Rundfunksender WSZO, der als „Die goldene Stimme der Marshallinseln“ bekannt ist, bietet seinen Zuhörern sogar noch etwas Wertvolleres als Gold an. Seit 1970 wird von Ältesten der Versammlung Majuro wöchentlich eine 15minütige Radiosendung in Marshallisch vorbereitet, um vor allem die Menschen auf den äußeren Atollen zu erreichen. Die Missionare müssen immer schmunzeln, wenn Angehörige anderer Religionsgemeinschaften das Lied „Wir sind Jehovas Zeugen!“ vor sich hin pfeifen, das jeweils als musikalische Einleitung dieser Rundfunksendung gespielt wird.
Aus den wenigen wurden viele
Die Brüder auf den Marshallinseln sind in ihrer Liebe und ihrem Eifer vorbildlich. Robert Savage, der als reisender Aufseher die Marshallinseln Ende der 70er Jahre besuchte, erinnert sich daran, wie er und seine Frau im Königreichssaal begrüßt wurden. Er sagt: „Mehr als hundert Brüder und Schwestern stellten sich im Kreis auf, um uns die Hand zu schütteln und uns willkommen zu heißen. Und wie sie die Königreichslieder sangen — einfach einmalig! Die Brüder und Schwestern sangen mehrstimmig ohne jegliche Instrumentalbegleitung; es war ein Ohrenschmaus, ihnen zuzuhören.“
Clemente und Eunice Areniego, die schon 28 Jahre als Missionare dienen, sind seit 1977 auf den Marshallinseln und konnten seitdem eine erstaunliche Mehrung miterleben. Als Julian und Lorraine Kanamu 1982 als Missionare auf Majuro eintrafen, wurden die Zusammenkünfte für die Öffentlichkeit im Durchschnitt von 85 Personen besucht. Jetzt gibt es zwei Versammlungen mit durchschnittlich 320 Besuchern. Warum dieses gute Wachstum? „Die Inseln sind alles andere als ein Paradies“, erklärt Bruder Kanamu. „Überall hört man von Herzproblemen, Syphilis und Diabetes, und die Kindersterblichkeit ist erschreckend hoch. Außerdem leiden einige bereits an Aids. Die Menschen sind unzufrieden und suchen in der Wahrheit Zuflucht.“
SAIPAN: Der Herausforderung begegnen
Auch auf Saipan nehmen immer mehr Menschen die Wahrheit an, doch das war nicht immer so. Die ersten Missionare mußten sich tagsüber vorsehen, um nicht mit Steinen beworfen zu werden, und in dem Haus, in dem sie wohnten, spukte es nachts. Zu guter Letzt war es ein Taifun, der der Königreichsbotschaft in diesem harten Gebiet Tür und Tor öffnete.
Als Ernest und Kay Manion 1962 nach Saipan kamen, war die Insel ganz in katholischer Hand. Für die Einheimischen war das ohnehin die einzige Religion, die sie kannten, und um es dabei zu belassen, soll der führende Geistliche auch noch die wenigen Bibeln, die Kirchenmitglieder besaßen, vernichtet haben. Folglich schenkte man der Bibel im allgemeinen keinen Glauben, und bedauerlicherweise hatte kaum jemand je eine Bibel gesehen.
Als sich die Manions 1966 veranlaßt sahen, Saipan zu verlassen, gab es nur eine Person, die Interesse bekundet hatte, was zeigt, wie schwierig das Gebiet war. Aber Robert und Sharon Livingstone setzten die Arbeit da fort, wo die Manions aufgehört hatten.
Bruder Livingstone erzählt: „Sobald wir uns einer Straße näherten, gingen oftmals alle Türen und Fensterläden zu; so waren wir manchmal einen ganzen Vormittag unterwegs, ohne daß jemand uns aufmachte. Aus einiger Entfernung wurden wir von Jungs mit Steinen beworfen, und Sharon war oft die Zielscheibe ihrer unanständigen Bemerkungen und Gebärden. Manche Leute hetzten ihren Hund auf uns, und ältere Frauen machten das Kreuzzeichen, wenn wir vorbeikamen, offensichtlich, um vor Bösem bewahrt zu bleiben.“
Sollten die Missionare die Insel verlassen?
In ganz Mikronesien ist Spiritismus weit verbreitet, und im abgelegenen Missionarheim auf Saipan, das man gemietet hatte, geschahen nachts unerklärliche Dinge. Die Missionare zogen um, und das jetzige Missionarheim liegt ganz ideal in der Nähe vom Meer, nicht weit von einer Hauptstraße entfernt.
Nachdem die gute Botschaft auf Saipan fünf Jahre lang gepredigt worden war, lud man zur Vorführung eines Films der Gesellschaft ein. Nur eine Person kam — eine Frau, die in einem Zeitraum von vier Jahren gelegentlich studiert hatte, sich aber auch hin und wieder vor den Missionaren versteckte. Zwei Jahre waren sie in ihrer Zuteilung gewesen, und in dieser Zeit hatten sie kaum Gelegenheit gehabt, mit irgend jemandem ins Gespräch zu kommen. Sollten sie ‘den Staub von ihren Füßen schütteln’ und Saipan verlassen? (Mat. 10:14).
Taifun läßt die Inselbewohner aufhorchen
Gerade als es den Missionaren so vorkam, als würde ihnen nie jemand zuhören, veranlaßte 1968 ein Taifun, der große Verheerungen anrichtete, die Bewohner dazu, den Zeugen Jehovas doch einmal Gehör zu schenken. Der Wirbelsturm Jean fegte mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 Stundenkilometern über Saipan und zerstörte auf der Insel 90 Prozent der Gebäude. Die Frau, die gelegentlich die Bibel studiert hatte, sagte: „Ich dachte, Harmagedon sei da.“
„Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie wir uns unter den Küchentisch kauerten“, sagte Bruder Livingstone. „Wir beobachteten voller Erstaunen, wie sich die Zimmerdecke und die Wände unter dem starken Druck des Windes ein- und ausbeulten. Es hörte sich an, als würde ein Düsenflugzeug starten und gleichzeitig ein Güterzug vorbeirattern. Ich betete, Jehova möge sein schützendes Zelt über uns ausbreiten. Damit Sharon mein Gebet jedoch überhaupt hören konnte, mußte ich ihr aus vollem Hals ins Ohr schreien.“
Wurde das Gebet erhört? Das alte hölzerne Missionarheim blieb erhalten; die nahe gelegene katholische Schule jedoch und das Kloster wurden vollständig zerstört. Morgens fegte der Taifun über die Insel, und abends fand die jährliche Gedächtnismahlfeier statt, das Abendmahl des Herrn. Die ganze Insel war in Aufruhr, aber im Missionarheim waren vier Personen im Schein einer Petroleumlampe friedlich beisammen. Viele Leute auf Saipan fragten sich, ob Gott wohl den Wirbelsturm geschickt habe, um sie zu bestrafen.
Ausdauer wird belohnt
Die Frau, die während der vergangenen vier Jahre die Bibel studiert hatte, bezog schließlich für die Wahrheit Stellung und ließ sich am 4. Juli 1970 taufen. Am gleichen Tag wurden auch noch Augustine (Gus) und Taeko Castro getauft. Gus hatte früher an einem Priesterseminar studiert, doch Taeko war auf der Suche nach der Wahrheit. Nachdem sie diese gefunden hatte, besuchte sie sofort die Zusammenkünfte.
Gus, ein ruhiger und vornehm aussehender Chamorro, ließ sich nicht so schnell überzeugen. Er sagte: „Sie haben mich jeden Sonntag zur Zusammenkunft eingeladen, aber aus Menschenfurcht nahm ich die Einladung nicht an. Ich wollte dort nicht gesehen werden. Ich stand den Priestern sehr nahe, und meine Eltern waren überzeugte Katholiken. Sie hätten bestimmt gedacht, ich sei verrückt geworden.“
Als Gus für sechs Monate zu einem Fortbildungskurs nach Hawaii geschickt wurde, betrachtete er das als den Ausweg aus seinem Dilemma. Eines Tages fand er jedoch unter seiner Tür eine Notiz mit der Bitte, einen einheimischen Pionier anzurufen. Die Missionare auf Saipan hatten ihre Freunde auf Hawaii gebeten, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Gus lehnte das Angebot, die Bibel zu studieren, mehrmals ab, aber der Pionier gab nicht auf. Er schlug vor, wöchentlich 30 Minuten zu studieren, wenn eine Stunde zuviel wäre.
„Schließlich willigte ich ein, einmal die Woche 15 Minuten zu studieren“, erzählte Gus. „Ich wollte aber eigentlich nichts über die Bibel lernen. Ich wollte nur einen Fehler finden und dann mit dem Studium aufhören.“ Doch der Schuß ging nach hinten los. Gus fand das Studium so interessant, daß es nicht lange dauerte, bis er zweimal die Woche mehrere Stunden studieren wollte.
Viele Jahre lang hat Bruder Castro in der Versammlung auf Saipan als Ältester gedient. Sein ältester Sohn war drei Jahre in Brooklyn im Bethel, und seine älteste Tochter absolvierte 1990 die Gileadschule, um Missionarin zu werden. Ein weiterer Sohn ist heute Ältester, und eine andere Tochter steht im Pionierdienst.
Wegen Heuchelei der Kirche die Wahrheit angenommen
Verschiedenes trug dazu bei, das Gebiet auf Saipan etwas aufzulockern. Unter anderem war es die Beharrlichkeit der Zeugen Jehovas, die bewundert wurde. Vor Jahren meinte ein Beamter der Treuhandgebietsverwaltung, das Predigtwerk der Zeugen versetze die Leute ganz schön in Aufruhr, und so fragte er einen Bruder, wie viele Zeugen es denn in der Versammlung gebe. Als der Bruder von 12 Personen sprach, entgegnete der Beamte: „Was, zwölf? Wenn man die Leute auf Saipan so reden hört, könnte man denken, es seien hundert!“
Die Heuchelei in der katholischen Kirche hat auch manch einen dazu veranlaßt, der Königreichsbotschaft Aufmerksamkeit zu schenken. Es gab Zeiten, da sagten die Priester den Leuten: „Protestanten sind so schlecht wie der Teufel.“ Später erzählten die Priester ihren Gemeindemitgliedern, Jehovas Zeugen seien schlimmer als die Protestanten, worauf aufrichtige Personen sich natürlich fragten: „Kann denn etwas noch schlimmer sein als der Teufel?“
Auf Saipan hat sich die Einstellung der Menschen zur Wahrheit so drastisch verändert, daß dort heute ein Verkündiger auf 276 Einwohner kommt — das beste Verkündigerverhältnis von ganz Mikronesien. Im Jahr 1991 wurde ein Königreichssaal aus Beton mit 350 Sitzplätzen fertiggestellt, der jetzt von zwei großen Versammlungen für Zusammenkünfte in Englisch und Tagalog benutzt wird.
Die gute Botschaft breitet sich explosionsartig auf Tinian aus
Von Saipan kam die gute Botschaft nach Tinian, einer kleinen Insel, die nicht einmal 8 Kilometer von dort entfernt liegt. Wer die Geschichte des Zweiten Weltkriegs kennt, weiß, daß der amerikanische B-29-Bomber Enola Gay von Tinian aus startete, um über Hiroschima (Japan) eine Atombombe abzuwerfen. Beginnend mit dem Jahr 1970, verbrachten Zeugen aus Saipan ihre Wochenenden regelmäßig auf Tinian, um die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! zu verbreiten. Darin war zu lesen, daß gemäß dem Beschluß Jehovas die Zeit gekommen war, in der gerechtigkeitsliebende Menschen aus allen Nationen ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und den Krieg nicht mehr lernen würden (Jes. 2:4).
Bis April 1992 gab es keine Zeugen auf Tinian, aber dann kamen Robert und Lee Moreaux, die zuvor in Irland gedient hatten. Der Samen war allerdings schon ausgesät worden.
Joseph Manglona, der Sohn des Bürgermeisters, in dessen Familie es mehrere politisch einflußreiche Personen gab, die der gesetzgebenden Körperschaft Tinians angehörten, schätzte das, was er in den Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! las, und kam zu dem Schluß, die Wahrheit gefunden zu haben; somit erzählte er anderen davon. Um ihn von der Taufe abzuhalten, boten ihm seine Verwandten einen hochbezahlten politischen Posten an, der seiner Frau und seinen beiden Kindern ein gutes Auskommen gesichert hätte. Joseph gab jedoch zur Antwort: „Eure Regierung wird bald von Jehova Gott vernichtet. Warum sollte ich daran einen Anteil haben wollen?“ Weil er so mutig Stellung bezog, haben sich ihm einige seiner Verwandten in der Anbetung Jehovas angeschlossen.
Da den Interessierten ständig persönliche Hilfe geleistet wurde, dauerte es nur zwei Jahre, bis eine blühende Versammlung mit 24 Verkündigern gegründet werden konnte. Heute gibt es auf Tinian ein Missionarheim und einen Königreichssaal.
CHUUK: In einer Nissenhütte fing es an
Nach Saipan sollte nun als nächstes der Inselstaat Chuuk (früher Truk) von der ständigen Betreuung der Wachtturm-Missionare profitieren. 1961 hatte Merle Lowmaster den Inseln nur einen kurzen Besuch abgestattet, während Paul und Lillian Williams 1965 auf Chuuk ihren Wohnsitz nahmen — die ersten von 30 Missionaren, die sich hier den einfachen Verhältnissen angepaßt haben.
Als sie 1965 auf der Hauptinsel Moen ankamen, war es wegen der religiösen Intoleranz schwierig, eine feste Bleibe für die Missionare zu finden. Ein Geschäftsmann war schließlich bereit, ihnen die Hälfte seiner Nissenhütte zu vermieten. Die katholischen Geistlichen waren darüber so verärgert, daß sie gleich zum Dorfhäuptling gingen und verlangten, Jehovas Zeugen von den Inseln zu verweisen. Der Häuptling meinte nur: „Als Sie vor Jahren hierhergekommen sind, haben Sie uns gesagt, wir sollen einander lieben. Warum lehren Sie uns jetzt zu hassen?“ Die Geistlichen wußten darauf keine Antwort. Also blieben die Missionare.
Im Nu fand die Botschaft Anklang, und es dauerte nicht lange, bis auf Chuuk 30 Bibelstudien durchgeführt wurden. Im Zweiten Weltkrieg dienten die Inseln Japan als bedeutender Marinestützpunkt. Die Bomber der Amerikaner zerstörten jedoch einen Großteil der japanischen Flotte, und heute reisen Schnorchler und Sporttaucher aus allen Teilen der Welt zur Chuuk-Lagune, um einen „Friedhof“ von versenkten Schiffen und Flugzeugen zu erkunden. Wer sich Zeit nimmt, die Menschen kennenzulernen, erlebt eine Faszination ganz anderer Art. Man mag sich dann über die bedeutungsvollen Namen amüsieren. Eventuell begegnet man jemandem, der Beer (Bier), Whisper (Geflüster), Padlock (Vorhängeschloß) oder Snow White (Schneewittchen) heißt. Ein Mann nannte seine drei Söhne Sardine, Tuna (Thunfisch) und Spam (Dosenfleisch).
Die erste Einheimische auf Chuuk, mit der das Ehepaar Williams studierte, war Kiyomi Shirai, die Frau des zuvor erwähnten Geschäftsmannes, eine fromme Protestantin, die bei der YWCA (Young Women’s Christian Association) im Vorstand war. Ihr Mann war mit ihrem Religionswechsel nicht einverstanden, und so trennte er sich von ihr, nachdem sie sich als Zeugin Jehovas hatte taufen lassen. Kiyomis Taufe war Inselgespräch, teilweise deshalb, weil jeder sehen konnte, wie sie im Meer getauft wurde. Bis auf den heutigen Tag finden auf einigen der Inseln Mikronesiens Taufen immer noch im Meer statt.
Da Kiyomis Mann sie verlassen hatte, zog sie auf die nahe gelegene Insel Dublon (Chuuk). Sie gab dort eifrig Zeugnis und predigte innerhalb kurzer Zeit überall auf der Insel —, nur zu einem Haus, das hoch oben auf einem Berg lag, ging sie nicht. Sie wollte es auslassen, weil dort eine alte Frau wohnte, die als Geistermedium bekannt war. Eines Tages fühlte sich Kiyomi jedoch gedrängt, den steilen Hang zu erklimmen. Zu ihrer Überraschung freute sich die alte Frau namens Amiko Kata über die Botschaft der Bibel, und nach einiger Zeit wurde auch sie eine eifrige Pionierin.
Eine Menge Schwestern, aber kaum Brüder
Auf Chuuk stehen die Zeugen einer besonderen Herausforderung gegenüber. Brüder sind extrem rar, besonders ledige. Es gibt nur zwei getaufte einheimische Brüder, und die sind verheiratet. Auf den Inseln findet man eine matriarchalische Gesellschaftsordnung. Den meisten Männern sagt man nach, daß sie gern trinken, miteinander raufen und unmoralisch leben. Das erklärt, warum momentan auf den drei separaten Inseln, Moen, Dublon und Tol, fünf Missionare die einzigen Ältesten sind, die in den kleinen Versammlungen dienen. Ja, vor der Ankunft der Missionare bestand die Versammlung Moen vorübergehend aus 23 Frauen.
„Das kann für unsere Schwestern eine wirkliche Prüfung sein“, sagt David Pfister, einer der Missionare. „Die Mädchen wachsen mit der Vorstellung heran, viele Kinder zu haben, doch dann gibt es in der Versammlung keine jungen Brüder zum Heiraten. Einige der Schwestern haben eine tiefe Liebe zu Jehova und halten sich an den Rat der Bibel, ‘nur im Herrn zu heiraten’ (1. Kor. 7:39). Für andere ist dies ein Hinderungsgrund, Jehova zu dienen.“
Salvador Soriano, der jetzt ein Mitglied des Zweigkomitees auf Guam ist, war 14 Jahre lang der einzige Bruder auf Dublon, wo er als Missionar diente. Er sagt: „Mir kam dabei Psalm 68:11 in den Sinn, wo es heißt, daß die Verkündigerinnen der guten Botschaft ein großes Heer sind.“
Eine ungewöhnliche Fahrt zum Königreichssaal
Für Missionare in ganz Mikronesien ist es üblich, Leute mit dem Auto oder dem Pritschenwagen zu den Zusammenkünften abzuholen, doch es gibt ein Transportmittel, das wahrscheinlich nur Barak Bowman ausprobiert hat. Als eine 70jährige, etwas korpulente Schwester wegen ihrer nachlassenden Gesundheit die 3 Kilometer zum Königreichssaal nicht mehr zu Fuß gehen konnte, überlegte sich Barak, wie er ihr helfen könne. „Ich würde dich gern zur Versammlung abholen“, sagte er, „aber ich habe nur einen Schubkarren zur Verfügung.“ Zu seiner Überraschung antwortete sie: „Okay, warum nicht!“
Man stelle sich das Bild vor, wie sie im Schubkarren auf dem Weg zum Saal angerollt kam und wie sich Barak dabei tüchtig ins Zeug legen mußte. Um 7 Uhr morgens fuhr er mit seinem leeren Schubkarren von zu Hause weg, und pünktlich zum Programm um 9.30 Uhr kam er mit unserer Schwester „an Bord“ beim Königreichssaal an.
Der Eifer der Zeugen für den Predigtdienst und ihre Wertschätzung für die Zusammenkünfte haben zu guten Ergebnissen geführt. Ja, im Jahr 1995 war auf Chuuk die Zahl der Besucher beim Gedächtnismahl zehnmal so hoch wie die Zahl der Verkündiger.
POHNPEI: Eine reiche geistige Ernte
William und Adela Yap waren nicht die ersten Zeugen, die ihren Fuß auf Ponape (jetzt Pohnpei) setzten, eine der größten Inseln mitten im Pazifik. Schon 1961 hatte Merle Lowmaster hier für kurze Zeit gepredigt, und Anfang 1965 war er lange genug auf der Insel, um ein leerstehendes Geschäft zu mieten, das sich als Missionarheim eignete. Als die Yaps eintrafen, wurde ihnen jedoch bewußt, daß sie ohne Macheten nicht in das Gebäude hineinkommen konnten. William sagt: „In den vergangenen sechs Jahren war das Gebäude so zugewachsen, daß es uns einige Tage kostete, bis wir alles zurückgeschnitten hatten. Niemand hatte sich um das Haus gekümmert, so daß alle Arten von Ungeziefer und alle auch nur erdenklichen Kriechtiere dort ihren Schlupfwinkel hatten.“
Das Ehepaar Yap war voller Tatendrang; die beiden erwarben sich schnell den Ruf, freimütige und unermüdliche Prediger zu sein. Unter anderem gaben sie auch dem Gouverneur der Insel Zeugnis. Sie hinterließen bei ihm eine Ausgabe der Neuen-Welt-Übersetzung. Ihm gefiel die klare Sprache der Übersetzung, allerdings beurteilte er das „gute Buch“ mehr oder weniger nach seinem Einband. Der grüne Einband, so meinte er, sehe nach allem, nur nicht nach einer Bibel aus; also tauschten die Yaps seine grüne Bibel gegen eine De-Luxe-Ausgabe mit schwarzem Einband und Goldschnitt um. Darüber war der Gouverneur so sehr erfreut, daß er seine neue Bibel bei Eheschließungen benutzte oder wenn jemand einen Eid ablegte.
Von der „Küchenkirche“ zum Königreichssaal
Carl Dannis, der früher der gesetzgebenden Körperschaft von Pohnpei angehörte, überließ den Brüdern 1966 die Hälfte seines Grundstücks als Bauplatz für den ersten Königreichssaal auf Pohnpei. Carl war von kleiner Statur, hatte einen hellbraunen Teint und freundliche, tiefblaue Augen — ein intelligenter und sehr geschätzter Mann in leitender Position. Seine Frau Rihka war die Tochter des letzten Königs der Insel Mokil. Dieses Ehepaar von Pohnpei studierte mehrmals die Woche abends im Lichtschein von Petroleumlampen die Bibel, machte rasch Fortschritte und ließ sich taufen.
Bis zum Bau des Königreichssaals wurden alle fünf Versammlungszusammenkünfte, die in Englisch durchgeführt wurden, im separaten Küchengebäude der Familie Dannis abgehalten, was einige Einwohner dazu veranlaßte, die kleine Gruppe von Zeugen „Küchenkirche“ zu nennen. Knapp zehn Personen kamen zu den Zusammenkünften. Wann immer sie das Lied „Von Haus zu Haus“ sangen, das sie ins Ponape übersetzt hatten, hörte man die Nachbarn spöttisch sagen: „Das hört sich an, als würden ein paar Ameisen singen, stimmt’s?“
Als der Bürgermeister den Missionaren erlaubte, auf dem Baseballplatz des Dorfes einen Film über den internationalen Kongreß 1958 in New York zu zeigen, wurde ihnen bewußt, was in ihrem Gebiet noch zu erreichen war. Einige Wochen lang wurde der Film über Rundfunk angekündigt, und als es dann soweit war, drängten sich die Leute auf die kleine Tribüne. Ein gestärktes Bettlaken, das man von einem Pfosten zum anderen gespannt hatte, diente als Leinwand; dadurch war der Film auf beiden Seiten der „Leinwand“ zu sehen. Wie viele kamen zur Vorführung? Es waren ungefähr 2 000 — ein Sechstel aller Inselbewohner!
Seitdem hat der „Gesang der Ameisen“ Verstärkung bekommen, so daß jetzt sonntags mehr als 130 Personen im komfortablen Königreichssaal anwesend sind.
PALAU: Inseln über Inseln
Eine weitere Inselgruppe, die Merle Lowmaster 1961 auf seiner Erkundungsreise besuchte, war Palau. 1967 wurden die beiden Absolventen der Gileadschule, Amos und Jeri Daniels, als Missionare dorthin geschickt. Ihnen kam es so vor, als wären sie zum entferntesten Teil der Erde gesandt worden. „Nachdem das Flugzeug auf Palau gelandet war“, erinnert sich Amos, „mußte es von dort aus wieder nach Guam zurückfliegen. Weiter entfernte Bestimmungsorte wurden nicht angeflogen.“
Die Missionare stellten bald fest, daß Palau aus 300 malerischen Inseln besteht, wobei die Inselgruppe der Rock Islands als beliebte Touristenattraktion hervorsticht. Beladen mit dem üppigen Blätterwerk tropischer Pflanzen, ragen diese Eilande wie grüne Pilze aus dem Wasser.
Dorfbewohner gehen von Haus zu Haus
Bruder und Schwester Daniels begannen zwar mit dem Dienst von Haus zu Haus, mußten sich aber noch damit abmühen, Palau zu lernen. Zu ihrer Überraschung folgten ihnen einige neugierige Dorfbewohner, weil sie wissen wollten, was diese Missionare ihren Nachbarn zu erzählen hatten.
Eines ihrer ersten Studien führten sie mit dem Sohn eines Häuptlings durch, der in Ngiwal lebte, einem Dorf auf einer der entfernteren äußeren Inseln. Wann immer er konnte, kam er auf die Insel Koror, wo die Missionare wohnten. Immer und immer wieder drängte er sie, sein Dorf zu besuchen, um mit den Leuten dort zu reden. Bruder und Schwester Daniels waren nicht davon begeistert, dorthin zu reisen. „Der einzige Weg nach dort führte durch Gewässer, in denen es nur so von Krokodilen wimmelte“, erzählt Amos. „Aber als der Kreisaufseher zu Besuch kam, konnten wir schließlich doch die Reise machen, da eine andere Person, mit der wir studierten, einwilligte, das Boot zu steuern.“ Um den Dorfbewohnern Zeugnis zu geben, gingen sie von Haus zu Haus, und der Einladung zu einem öffentlichen Vortrag folgten 114 Personen.
Diakonin verkündigt Jehovas Namen mit Freimut
Im Jahr 1968 kamen die Missionare der Zeugen Jehovas mit Obasang Mad in Kontakt, einer frommen Diakonin der Siebenten-Tags-Adventisten auf Palau. Trotz des Widerstandes ihres Mannes und führender Geistlicher begriff Obasang schnell die Wahrheit über Gottes Namen, die Dreieinigkeit und die Auferstehung.
„Eines Tages hat man mich in der Kirche gebeten, vor der Gemeinde ein Gebet zu sprechen“, sagte Obasang. „Ich habe einfach zu Jehova gebetet, obwohl ich wußte, daß mich die anderen Adventisten scharf kritisieren würden. Kurz darauf bin ich aus der Kirche ausgetreten und habe mich den Missionaren bei ihrer Predigttätigkeit angeschlossen.“
Jetzt ist Obasang beinahe 70 Jahre alt, und obwohl sie gesundheitlich nicht mehr so auf der Höhe ist und mit dem Verlust ihres Mannes und zweier ihrer Kinder fertig werden mußte, steht sie schon 21 Jahre im Pionierdienst. Freundlich und stets zu einem Lächeln aufgelegt, ist sie anderen eine Stütze und eine Quelle geistiger Kraft.
Das Predigen mit dem Boot kann abenteuerlich sein
Amos und Jeri Daniels wollten auf der nahe gelegenen Insel Babelthuap (von den Einheimischen Babeldaob genannt) Zeugnis geben, doch da die Dörfer alle am Meer liegen und nicht durch Straßen miteinander verbunden sind, waren sie nur mit dem Boot zu erreichen. Ein einheimischer Bruder kam den Missionaren zu Hilfe und baute für sie ein Boot, doch sie hatten keinen Motor. Etwa zur gleichen Zeit besuchten Amos und Jeri einen Kongreß auf Guam. Dort trafen sie einen Bruder aus den Vereinigten Staaten, der den Vorstandsvorsitzenden eines Herstellers von Bootsmotoren kannte. Bald darauf hatten sie einen nagelneuen Außenbordmotor. Amos meinte dazu: „Jehova gibt uns immer, was wir brauchen.“
Ganz gleich, wo man in Mikronesien auf den äußeren Inseln Zeugnis geben möchte, ist man mit dem Boot immer einen ganzen Tag unterwegs. Das erfordert gute Vorbereitung. Man muß die Gezeiten berücksichtigen. Dazu sagt ein Missionar: „Wir fahren immer zwei Stunden vor dem höchsten Flutwasserstand los und kehren dann zwei Stunden nach der nächsten Flut (etwa 14 Stunden später) zurück, damit wir nicht die Schiffsschraube beschädigen oder irgendwo auflaufen.“ Schon im voraus werden Lebensmittel sowie genügend Literatur und Kleidung zum Wechseln in Plastiktüten gepackt, damit nichts naß wird. Haben Inseln keine Anlegestellen, müssen die Missionare durchs Wasser waten, um ihr Boot zu besteigen. Wenn sie bis dahin nicht schon naß sind, bekommen sie wahrscheinlich während der Fahrt etwas von der Gischt ab oder werden von einer Welle vollgespritzt. Bevor sie aufbrechen, sprechen sie jeweils ein Gebet, und wenn das Meer stürmisch ist, wird auf dem Boot oft im stillen gebetet.
In all den Jahren haben die Missionare in Mikronesien gelernt, unter den verschiedensten Wetterverhältnissen in den Lagunengewässern zu navigieren, und sie sind richtige Experten im Bootsbau und im Reparieren von Außenbordmotoren geworden.
Lange Fußmärsche und herzliche Gastfreundschaft
Da man einige Dörfer weder mit dem Auto noch mit dem Boot erreichen kann, sind die Missionare oft viele Stunden auf den schönen, von Kokospalmen gesäumten Dschungelpfaden unterwegs, um die demütigen Menschen zu erreichen. Wegen der Hitze und der Luftfeuchtigkeit gehen die Brüder hier ohne Krawatte in den Predigtdienst, und ihr Schuhwerk sind oftmals Gummislipper (Zori genannt).
Harry Denny, der seit 21 Jahren als Missionar auf Palau dient, sagte: „Wir finden immer jemand, der ein offenes Ohr für die Wahrheit hat. Diese abgeschieden lebenden Menschen sind zumeist so gastfreundlich, daß sie auf eine Kokospalme klettern, eine frische Kokosnuß herunterholen, mit einem Buschmesser die Spitze abschlagen und einem dann ein Getränk in der ‚Originalverpackung‘ anbieten.“
Harry und seine Frau Rene teilen sich das Missionarheim mit Janet Senas und Roger Konno, zwei unverheirateten Missionaren, die beide schon 24 Jahre in ihrer Zuteilung sind. Diese vier Missionare haben gemeinsam zum Wachstum der Versammlung auf Palau beigetragen, zu der jetzt 60 Verkündiger gehören; die Versammlungsbuchstudien werden gegenwärtig in drei Sprachen durchgeführt — Palau, Tagalog und Englisch.
YAP: Jehovas Augen sind auf die Inseln gerichtet
Ein Jahr nachdem die in Gilead geschulten Missionare ihren Dienst auf Palau aufgenommen hatten, trafen Jack und Aurelia Watson auf Yap ein. Im Jahr darauf kamen zwei weitere Missionare. Obwohl der Inselstaat Yap klein ist — die meisten werden nie davon gehört haben —, kennt Jehova diese Inseln, und er zeigt liebevolles Interesse für ihre Bewohner. Yap besteht aus vier Inseln, die nicht nur durch Brücken eng miteinander verbunden sind, sondern sicherlich auch durch alte Traditionen. Die Sprache der Yapesen wird sonst nirgends in der Welt gesprochen, ihr Geld ist aus Stein gehauen, und die Menschen lassen sich im großen ganzen von der westlichen Kultur nicht beeinflussen. Selbst heute kann man unter den 10 500 Yapesen noch Männer in bunten Lendenschurzen sehen sowie Frauen, deren Bekleidung gelegentlich nur aus einem Bastrock besteht.
Merle Lowmaster hatte hier bereits 1964 gepredigt, doch Jack und Aurelia Watson hofften, auf den Inseln bleiben zu können. Es war jedoch für sie nicht leicht, die Sprache der Einheimischen zu erlernen. Einige Broschüren mit Regierungsverordnungen und ein katholischer Katechismus waren das einzige schriftliche Material, das sie auftreiben konnten. Also hörten die Watsons den Leuten gut zu und bemühten sich, das Gehörte nachzusagen. Im folgenden Jahr war dann ein junger Yapese, der Interesse an der Wahrheit zeigte, auch gern bereit, Sprachunterricht zu geben. Im ersten Monat versuchten die Missionare, ihn an ihr Englisch zu gewöhnen, so daß er ihnen dann Yap beibringen konnte.
Zusammenkünfte bei der „Bank“
Der zuständige katholische Priester und ein Geistlicher der lutherischen Kirche, die ehemals verfeindet waren, taten sich zusammen, um eine Broschüre zu verteilen, in der die Zeugen scharf angegriffen wurden. Der Priester machte seinen Einfluß auch dahin gehend geltend, daß man den Missionaren die Wohnung kündigte, worauf es für sie so aussah, als würden sie keine neue Bleibe mehr finden. Alle Grundstücksbesitzer waren vom Priester davor gewarnt worden, an die Missionare zu vermieten; also brachten die Brüder ihre Frauen vorübergehend in einem Hotel unter, während sie selbst in einer nur 14 Quadratmeter großen Hütte mit morschem Fußboden unterkamen.
Yap ist vor allem durch sein jahrhundertealtes, mühlsteinförmiges Steingeld aus Kalkstein, rai genannt, bekannt geworden, das einen Durchmesser von 60 Zentimetern bis 3 1⁄2 Metern haben kann. Wenn auch das Steingeld nicht mehr zum Kauf eines Grundstücks oder zum Begleichen von Schulden verwendet wird, so steht es doch wegen seiner historischen Bedeutung hoch im Kurs. Die Brüder fanden es auch noch in anderer Hinsicht nützlich. Nachdem sie nun kein Missionarheim mehr hatten, wurden die Zusammenkünfte vorübergehend unter einem großen Baum abgehalten, unter dem Steingeld lagerte. Da die verschiedenen „Steinmünzen“ bei dieser „Bank“ im Dorf aufrecht hingestellt worden waren, dienten sie den Anwesenden als bequeme Rückenlehnen, während sich ein 190-Liter-Faß, das in der Nähe stand, als Pult eignete.
Doch die Missionare hatten noch immer keine Bleibe gefunden. Bruder Watson bemerkt: „Es sah so aus, als wären die Tage unseres Aufenthalts gezählt. Doch dann kam Jehova uns zu Hilfe.“ Am Abend vor ihrer Abreise zum Kongreß nach Guam fragte ein Mann die Missionare, ob sie ein Haus mieten wollten. Wahrscheinlich war es auf Yap das idealste Gebäude überhaupt — ein taifunsicheres Betongebäude, in dem es genügend Wohnräume und Platz für eine Zusammenkunftsstätte gab.
Ihren Glauben unter Beweis gestellt
Im Jahr 1970 trafen zwei weitere Missionare von Hawaii ein, Placido und Marsha Ballesteros. Doch der Fortschritt ließ auf sich warten. Placido erinnert sich: „Oftmals waren nur wir vier Missionare bei den Zusammenkünften anwesend, die bei uns im Wohnzimmer stattfanden.“
Doch als die einheimischen Brüder in geistiger Hinsicht Fortschritte machten, gab es Wachstum. Einer von ihnen, John Ralad, war in einer schwierigen Situation. Als John mit seinem Bibelstudium begann, war die Baufirma, bei der er beschäftigt war, gerade dabei, eine Kirche zu errichten. Obwohl auf ihn von allen Seiten Druck ausgeübt wurde, folgte er entschieden seinem Gewissen, das ihm nicht erlaubte, bei den abschließenden Bauarbeiten mitzumachen. Heute dient er der Versammlung als Ältester.
Auch Yow Nifmed stand vor einer schwierigen Entscheidung. Als er 1970 das erste Mal mit den Zeugen in Berührung kam, hatte er zwei Frauen. Um den Anforderungen Jehovas gerecht zu werden, mußte er sein ganzes Leben neu ordnen. Heute hat Bruder Nifmed nur eine Frau, und zusammen mit ihr dient er freudig Jehova. Er ist Ältester in seiner Versammlung. Zu den Zusammenkünften fährt er mit seinem Pritschenwagen und nimmt noch 15 Verwandte mit.
Jehovas Zeugen sind wirklich überall
Placido Ballesteros hat einmal gesagt: „Vom menschlichen Standpunkt aus gesehen, ist Yap nur ein Fleckchen Erde auf dem Globus, und die paar tausend Leute, die hier leben, sind im Vergleich zu den Milliarden von anderen Menschen unbedeutend. Trotzdem liegen sie Jehova am Herzen. Als ich auf die Insel kam, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, daß Der Wachtturm einmal als monatliche Ausgabe in Yap erscheinen würde oder daß wir Bücher in Yap von Tür zu Tür verbreiten würden.“
Daß Jehovas Name wirklich überall bekanntgemacht wird, zeigt folgende amüsante Erfahrung: Eines Tages traf Placido einen Touristen, der an einem Fluß saß, kilometerweit vom nächsten Urlaubsort und ein gutes Stück zu Fuß von der befestigten Straße entfernt. Auf die Frage, ob er sich verirrt habe, gab der Mann zur Antwort: „Eigentlich nicht, ich wollte nur so weit wie möglich von allem weg sein, um in aller Ruhe nachdenken zu können.“ Als der Tourist Placido fragte, warum er denn hier sei, erklärte dieser ihm, er sei ein Missionar der Zeugen Jehovas. Da rief der Tourist aus: „Das darf doch nicht wahr sein! Ich bin in Brooklyn zu Hause, unweit Ihrer Zentrale. Man kann Ihnen aber auch gar nicht entkommen!“
KOSRAE: Auch hier kennt man den Namen Jehova
Nachdem eine eifrige Familie aus Pohnpei 1969 den internationalen Kongreß „Friede auf Erden“ auf Hawaii besucht hatte, wurde ihr bewußt, daß sie als erste den Bewohnern der wunderschönen Insel Kosrae von dem Frieden erzählen könnte, den nur Gottes Königreich bringen kann. Durch den Kongreß beflügelt, zog Fredy Edwin mit seiner Familie zu diesem 580 Kilometer entfernten abgeschiedenen Fleckchen Erde mitten im Ozean, das im vergangenen Jahrhundert als Walfischhafen weithin bekannt war. Eigentlich war es für die Edwins ganz natürlich, dort hinzuziehen, weil Fredys Frau Lillian die Tochter des Königs von Kosrae war und weil die Sprache der Einheimischen eine der sieben Sprachen war, die Fredy beherrschte.
Bevor Fredy Edwin ein Zeuge Jehovas wurde, war er ein Mitglied des Übersetzungskomitees der protestantischen Kirche gewesen, das die Bibel ins Ponape übersetzt hatte. Nach seinem Umzug nach Kosrae trugen seine Fähigkeiten als Übersetzer zur Herausgabe von Wachtturm-Publikationen in der Sprache Kosrae bei. Auch die anderen Familienmitglieder haben eifrig die Botschaft vom Königreich verkündigt. Seine Tochter Desina lehnte ein Stipendium für das Studium an einer Hochschule ab, weil sie Sonderpionierin werden wollte — die erste in ganz Mikronesien. Mildred, eine andere Tochter, diente als allgemeiner Pionier, und Fredys Frau hat oft im Hilfspionierdienst gestanden.
Hilfe beim Bau eines Königreichssaals erhalten
Der erste Mikronesier, der Missionar wurde, war Zecharias Polly von Chuuk. Er war am Aufbau der Versammlung auf Kosrae beteiligt, und 1977 half er auch beim Bau des dortigen Königreichssaals und Missionarheims.
Der Königreichssaal wurde nicht an einem Wochenende gebaut. Auf dieser vom Protestantismus geprägten Insel herrscht nämlich jeden Sonntag Totenstille, denn ein „Sabbat“-Gesetz verbietet zu kaufen, zu verkaufen, zu trinken, zu angeln, zu arbeiten und sogar zu spielen. Trotzdem ging es mit dem Bau des Königreichssaals so schnell voran, daß die Einheimischen nur so staunten. Um so viele Teile wie möglich vorzufertigen, machten die Brüder von allen am Ort erhältlichen Dingen Gebrauch. Andere Materialien wurden auf Pohnpei gekauft und verschifft. Als auf Kosrae die letzten Lieferungen und auch freiwillige Helfer aus Pohnpei ankamen, nahm das Gebäude rasch Formen an. Bis zum heutigen Tag wird dieser Königreichssaal genutzt, nicht nur für die wöchentlichen Zusammenkünfte, sondern auch für Kongresse.
Abgelegene Versammlung preist Jehova
Die Entfernung von Kosrae zum Zweigbüro ist so groß, daß die monatlichen Predigtdienstberichte der 1976 auf Kosrae gegründeten Versammlung zunächst durch einen Amateurfunker nach Pohnpei übermittelt wurden. Regelmäßige Flugverbindungen nach Kosrae gab es erst von 1979 an. Als die Post noch mit Schiffen von Insel zu Insel befördert wurde, dauerte es manchmal bis zu sechs Monaten, ehe die Post ankam.
Heutzutage sind alle Flughäfen in Mikronesien mit einer asphaltierten Rollbahn ausgestattet, die den An- und Abflug von Düsenverkehrsflugzeugen ermöglicht, aber wollte man zu Beginn der 80er Jahre nach Kosrae fliegen, mußte man mit einem abenteuerlichen Flug in einem Siebensitzer vorliebnehmen. Arthur White erinnert sich: „Auf einem unserer Flüge nach Kosrae gerieten wir in einen heftigen Sturm, und es schien so, als wären wir verloren. Der Pilot flog etwa 30 Meter über dem Ozean und suchte die Insel. Die Frau in dem Sitz hinter uns begann, laut zu beten. Uns war klar: Würde der Pilot Kosrae nicht finden, würden wir höchstwahrscheinlich auf offener See umkommen. Doch schließlich kam die Insel in Sicht, und wir konnten landen — auf einer schmalen Schotterstraße, die man als Rollbahn benutzte.“
James Tamura verbrachte 17 Jahre als Missionar auf Pohnpei und Kosrae. Er kleidete die Empfindungen vieler in Worte, als er sagte: „Es bereitet mir Freude, zu sehen, wie das Werk Fortschritte macht und wie Jehovas Name auf diesen abgelegenen Inseln des Pazifiks bekanntgemacht wird.“
ROTA: Beispiele des Ausharrens
Auf der kleinen Insel Rota, die von Guam gerade noch auszumachen ist, sind manchmal Durchsagen über Lautsprecher zu hören. Im Jahr 1970 wandte sich eines Tages der Bürgermeister über Lautsprecher an die Bewohner von Rota, um sie davon zu unterrichten, daß Zeugen Jehovas auf der Insel sind und bei ihnen vorsprechen werden. Der Bürgermeister sagte: „Bitte laßt die Zeugen herein, und heißt sie willkommen.“
Einer der drei Brüder, die an jenem Tag auf Rota predigten, war Augustine Castro. Er kannte den Bürgermeister von Rota durch seine Arbeit im öffentlichen Dienst auf Saipan und konnte ihm einige Bücher zurücklassen. Das veranlaßte den Bürgermeister zu der öffentlichen Ankündigung. Nach zwei Stunden hatten die Brüder, die die Insel besuchten, keine Literatur mehr in ihren Taschen. Doch gleichzeitig nahm der Widerstand der Geistlichkeit feste Formen an.
Geistlichkeit behindert Predigttätigkeit
„Jemand muß uns beim katholischen Priester angeschwärzt haben“, erzählt Gus. „Wir waren an einer Tankstelle. Ein junger Mann wollte gerade das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt entgegennehmen, als er aufblickte und den Priester kommen sah. Er wurde unsicher und meinte etwas nervös: ‚Ich würde das Buch gern erst dem Priester zeigen, um zu wissen, ob es in Ordnung ist.‘ Während der Priester im Buch blätterte, beobachteten wir ihn. Er kannte mich nur zu gut, da ich früher auch studiert hatte, um Priester zu werden. Schließlich sagte er zu dem jungen Mann: ‚Du kannst das Buch ruhig annehmen ..., wenn du nur deine Religion nicht wechselst.‘ “
Nachdem Juan und Mary Taitano 1981 als Sonderpioniere auf diese vom Katholizismus beherrschte Insel geschickt worden waren, nahm die Gegnerschaft zu. „Der ortsansässige Priester ist uns von Tür zu Tür gefolgt und hat den Leuten erzählt, ‚Jehova‘ sei ein anderer Name für Satan“, erinnert sich Juan. „Er hat an fast allen Türen ein Schild mit folgender Aufschrift anbringen lassen: ‚Hier wohnen Katholiken. Bitte respektieren Sie unsere Religion.‘ Er schickte auch einige Jungs hinter uns her, damit sie die Literatur, die wir bei Leuten zurückgelassen hatten, einsammelten und verbrannten.“
Haß und Angst ergreift die Bewohner
Das Ehepaar Taitano gehörte dem Stamm der Chamorros an so wie die Bewohner von Rota, und es beherrschte auch deren Sprache; trotzdem war es bitterem Haß ausgesetzt.
„Einmal hat mir ein Wohnungsinhaber gedroht, mir mit einem Baseballschläger jeden einzelnen Knochen zu brechen“, sagte Juan. „Am nächsten Tag hat sich der Mann bei einem Autounfall beide Beine und einen Arm gebrochen. Die Dorfbewohner meinten, daß Gott den Mann für das, was er gesagt hatte, bestrafen wollte, und so fürchteten sie sich von da an vor den Zeugen Jehovas.“
Positive Einstellung trotz negativer Ergebnisse
Während der letzten 25 Jahre haben die Missionare unzählige Stunden damit verbracht, den Menschen auf Rota Zeugnis zu geben. Nach all den Anstrengungen gibt es dort unter den 2 500 Einwohnern nur acht Königreichsverkündiger, ein Sonderpionierehepaar eingeschlossen. Trotzdem lassen sich diese treuen Zeugen nicht entmutigen, sondern sie geben durch ihr Ausharren weiterhin ein vortreffliches Beispiel.
„Daß Rota ein schwieriges Gebiet ist, steht außer Frage“, sagte der Missionar Gary Anderson. „Aber selbst die schlimmste Situation bleibt nicht ewig bestehen. Auch auf Rota wird sich einiges ändern. Mit Jehovas Hilfe ist nichts unmöglich.“
NAURU: Wahren Reichtum gefunden
Die Republik Nauru mit einer Einwohnerzahl von 7 000 galt einst als eines der reichsten Länder der Welt, und dennoch benötigen die Menschen auch dort die Königreichsbotschaft. Ihren Reichtum verdankte die Insel zum größten Teil dem Phosphatabbau, der dazu geführt hat, daß ein großer Teil der kleinen Insel jetzt verwüstet ist. Von einem Paradies kann da nicht mehr die Rede sein. Außerdem hat Nauru inzwischen ernsthafte wirtschaftliche Probleme.
Dennoch blieben die ersten Bemühungen, die Königreichsbotschaft nach Nauru zu bringen, erfolglos. Als 1979 ein Missionar von den Marshallinseln Nauru einen Besuch abstattete und den Samen der Wahrheit ausstreute, wurde er des Landes verwiesen und von drei Polizeibeamten bis zum Flugzeug eskortiert.
Bevor er jedoch ausgewiesen wurde, hatte er mit Humphrey Tatum die Bibel studiert. Humphrey studierte dann allein weiter, und als Nat Miller als reisender Aufseher auf Nauru haltmachte, wollte Humphrey getauft werden. „Da unser Werk als illegal galt, haben wir gewartet, bis es dunkel war“, erinnert sich Bruder Miller. „Dann sind wir zusammen ungefähr 30 Meter weit in den Pazifischen Ozean gegangen, und dort wurde er untergetaucht, ohne daß Einheimische es sehen konnten.“
Vor dem Jahr 1995 war die Tätigkeit von Haus zu Haus auf Nauru verboten. Obgleich es Fremden immer noch nicht gestattet ist, sich am Haus-zu-Haus-Dienst zu beteiligen, gewährt die Regierung jetzt Einheimischen die Freiheit zu predigen, so daß nun die kleine Gruppe getaufter Zeugen ohne Einschränkungen über die Bibel sprechen kann.
Bis zu seinem Tod im Jahr 1995 diente Bruder Tatum als Ältester in der winzigen Versammlung auf Nauru. Er übersetzte auch ins Nauruische, so daß den anderen Zeugen Traktate und Gedächtnismahleinladungen zur Verfügung standen. Auch wenn es nur wenige Zeugen Jehovas auf Nauru gibt, sind sie doch bestrebt, die Aufmerksamkeit ihrer Nachbarn auf geistige Werte zu lenken, solche nämlich, die ewiges Leben einbringen (Spr. 3:1, 2, 13-18).
Die Inseln des Pazifiks genießen zwar den Ruf, ein Paradies auf Erden zu sein, aber hinter dieser romantischen Vorstellung verbirgt sich die harte Wirklichkeit — viele Mikronesier führen einen Überlebenskampf. Ihr einst einfacher Lebensstil wurde durch die negativen Begleiterscheinungen der Zivilisation verdorben — Fernsehen, Kriminalität, Drogen und ansteckende Krankheiten, um nur einiges zu nennen. Immer mehr Menschen kommen zu dem Schluß, daß die Königreichsbotschaft, die Jehovas Zeugen predigen, die einzige Lösung für ihre wachsenden Probleme ist.
Das Zweigbüro auf Guam, das die Predigttätigkeit in ganz Mikronesien beaufsichtigt, betreut weniger Verkündiger als die meisten der anderen 103 Zweigbüros der Gesellschaft, doch das Gebiet des Zweiges ist eines der ausgedehntesten der Welt. Wenngleich die Brüder und Schwestern auf diesen abgelegenen Inseln durch die unendliche Weite des Ozeans voneinander getrennt sind, fühlen sie sich dennoch eng mit Jehovas Organisation verbunden. Sie erhalten regelmäßig biblische Literatur in ihren Sprachen, haben regelmäßig Kongresse und werden regelmäßig von reisenden Aufsehern ermuntert, was ihnen stets vor Augen führt, daß sie Teil einer internationalen Bruderschaft sind.
Auch die Missionare, die in solch abgelegenen Zuteilungen dienen, werden an die Liebe erinnert, die unter Jehovas Volk herrscht. Jeden Sommer werden Vorbereitungen für sie getroffen, nach Guam zu reisen, um dort einen Bezirkskongreß zu besuchen, der oftmals in Verbindung mit dem Besuch des Zonenaufsehers stattfindet. Rodney Ajimine, der schon mehr als 20 Jahre als Missionar und reisender Aufseher in Mikronesien dient, erklärte einmal, wie wichtig diese jährliche Reise nach Guam ist. Er sagte: „Durch den Kongreß fühlen sich alle Missionare auf den verschiedenen Inseln miteinander verbunden. Das hilft uns allen auszuharren.“
Den Brüdern auf diesen weit entfernt liegenden Inseln wird aber noch auf andere Weise geholfen. Unter der Aufsicht der leitenden Körperschaft wurde 1993 im Zweigbüro auf Guam ein Krankenhausinformationsdienst eingerichtet, mit dessen Hilfe seitdem auf jeder der Inselgruppen Mikronesiens Krankenhaus-Verbindungskomitees organisiert worden sind. Jedes Jahr wird für Vollzeitdiener eine Pionierdienstschule durchgeführt, und um Versammlungsaufseher zu schulen, werden in regelmäßigen Abständen Kurse der Königreichsdienstschule abgehalten. Auch richtete man 1994 im Zweigbüro auf Guam eine Bauabteilung ein, um die Planung und den Bau von Königreichssälen und Missionarheimen in Mikronesien zu koordinieren.
Durch die unermüdlichen Anstrengungen der Missionare und der Verkündiger während der letzten vier Jahrzehnte wurde vielen Inselbewohnern geholfen, Jehova kennen- und liebenzulernen. Einige dieser Inselbewohner gehen jetzt in den Ortsversammlungen führend voran und strengen sich an, den Vorsatz Gottes bekanntzumachen, daß die ganze Erde in ein Paradies umgestaltet werden wird.
Es gibt in Mikronesien noch immer viel zu tun, doch dank des liebevollen Schutzes und der Führung der Organisation Jehovas erfüllt sich die Prophezeiung aus Jesaja 51:5: „Auf mich [Jehova] werden selbst die Inseln hoffen, und auf meinen Arm werden sie warten.“
[Karte auf Seite 210]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
JAPAN
MIKRONESIEN
SAIPAN
ROTA
GUAM
YAP
PALAU
POHNPEI
CHUUK
KOSRAE
NAURU
MARSHALLINSELN
KIRIBATI
HAWAII
[Ganzseitiges Bild auf Seite 208]
[Bild auf Seite 213]
Sam und Virginia Wiger vor dem ersten Königreichssaal auf Guam
[Bilder auf Seite 215]
Oben: Die Missionare Merle und Fern Lowmaster
Nathaniel Miller (mit seiner inzwischen verstorbenen Frau Allene), der erste Koordinator des Zweigkomitees auf Guam
[Bilder auf Seite 216]
Zweigbüro auf Guam mit Zweigkomitee (von links nach rechts: Julian Aki, Salvador Soriano, Arthur White)
[Bild auf Seite 218]
Missionare, die 1994 beim Besuch des Zonenaufsehers zusammenkamen
[Bilder auf Seite 223]
(1), (2) Königreichssaal und Missionarheim auf Kiribati — mit internationaler Hilfe gebaut
(3) Nariki Kautu und seine Frau Teniti
(4) Beim Bibelstudium auf Kiribati
[Bild auf Seite 227]
Verkündiger vor dem Königreichssaal auf Ebeye
[Bild auf Seite 228]
Augustine Castro, ein eifriger einheimischer Ältester
[Bild auf Seite 229]
Robert und Sharon Livingstone
[Bild auf Seite 234]
Neue Missionare werden herzlich willkommen geheißen
[Bild auf Seite 236]
Wer mit dem Boot unterwegs ist, um Zeugnis zu geben, muß darauf gefaßt sein, naß zu werden
[Bild auf Seite 237]
Zusammenkünfte im Königreichssaal anstatt im Küchengebäude
[Bild auf Seite 237]
Carl und Rihka Dannis, die ersten einheimischen Zeugen auf Pohnpei
[Bild auf Seite 238]
Der Missionar Neal Maki ist auch Übersetzer
[Bilder auf Seite 241]
Obasang Mad, eine langjährige Pionierin, für den Predigtdienst gerüstet
Links: Im Pritschenwagen unterwegs zum gruppenweisen Zeugnisgeben
[Bilder auf Seite 243]
Zeugnisgeben auf Yap
Rechts: Merle Lowmaster neben den Steinmünzen bei einer „Bank“ auf Yap
[Bild auf Seite 246]
Beim Überqueren von Brücken auf Kosrae muß man trittsicher sein
[Bild auf Seite 246]
Fredy Edwin (links) mit seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern
[Bild auf Seite 251]
Zeugen, die auf Rota Herausforderungen annehmen