„Sanft“ oder „Kinder“ — Wie muß es heißen?
DER Apostel Paulus schrieb gemäß 1. Thessalonicher 2:7 über sich und seine Gefährten: „Wir wurden in eurer Mitte sanft, wie wenn eine nährende Mutter ihre eigenen Kinder hegt und pflegt.“ Die meisten deutschen Übersetzungen geben diesen Text in diesem Sinne wieder, aber andere bringen anstelle von „sanft“ das Wort „Kinder“ (Loch und Reischl, Arndt). Warum dieser Unterschied?
Den Übersetzern stehen zwei verschiedene Lesarten zur Wahl, die in griechischen Textausgaben und Handschriften zu finden sind. Einige griechische Textausgaben (Textus receptus, Tischendorf, Merk) und Handschriften haben die Lesart ḗpioi, was „sanft“ bedeutet, aber andere griechische Textausgaben (Westcott und Hort, Nestle-Aland) und Handschriften haben die Lesart nḗpioi, was „Kinder“ oder „Unmündige“ bedeutet.
Im Theologischen Begriffslexikon zum Neuen Testament (Bd. II, S. 778) heißt es dazu: „1Thess 2,7 sind zwei Lesarten bezeugt: a) ἤπιοι ... [ḗpioi] (wir waren freundlich, milde in eurer Mitte); b) νήπιοι ... [nḗpioi] (das vorangehende Wort schließt mit ν [n], so daß dieses ν beim Abschreiben irrtümlich doppelt geschrieben wäre). Doch führt die Interpretation bei der Lesart b) zu Schwierigkeiten (V. 7b vergleicht Paulus nicht sich, sondern die Thessalonicher mit ‚Kindern‘).“ Passenderweise steht daher hier in den meisten Übersetzungen nicht „Kinder“ oder „Unmündige“, sondern „sanft“ oder ein synonymes Wort.
Aber warum gebrauchte Paulus hier das Wort „sanft“? Er tat dies aus echter Liebe und aus der Sorge heraus, das geistige Wachstum derer nicht zu behindern, die er und seine Mitmissionare unterrichteten (1. Thessalonicher 2:8). W. E. Vine bemerkt in seinem Expository Dictionary of New Testament Words (Nachdruck von 1962, Bd. II, S. 145), daß ḗpios „häufig von griechischen Schreibern gebraucht wurde, um ein Kindermädchen mit schwierigen Kindern zu charakterisieren oder einen Lehrer mit aufsässigen Schülern oder Eltern mit Kindern. In 1. Thess. 2:7 gebrauchte es der Apostel, um zu beschreiben, wie er und seine Mitmissionare sich gegenüber den Bekehrten in Thessalonich verhielten.“ Mögen wir, wenn wir andere das Wort Gottes lehren, immer die Sanftmut im Sinn behalten, die Paulus und seine Gefährten bekundeten, und mögen wir ihr Beispiel nachahmen!