„Ich liebe Jehova nicht!“
BOB war noch ein Kind, als seine Mutter eine Zeugin Jehovas wurde. Einige Jahre begleitete er sie in den Königreichssaal und auch in den Predigtdienst, ließ sich aber nicht taufen. Noch bevor er zwanzig wurde, hörte er auf, mit den Zeugen Gemeinschaft zu pflegen. Er stolperte von einem Unglück ins andere und ruinierte sein Leben. Obwohl er noch immer behauptet, vieles von dem zu glauben, was er aus der Bibel gelernt hat, reicht dies nicht aus, in ihm den Wunsch zu wecken, in die Organisation Jehovas zurückzukehren. Warum nicht?
Nehmen wir ein anderes Beispiel. David stand jahrelang im Vollzeitdienst. Gelegentlich kamen ihm Fragen zu bestimmten biblischen Lehren. Er löste das Problem jedoch stets durch die Überlegung, daß jemand beim Zusammensetzen eines Puzzles auch nicht gleich aufgibt, nur weil ein oder zwei Teile zunächst nicht zu passen scheinen. Er wollte warten, bis Jehova für eine Klarstellung sorgte. Doch eines Tages behauptete David, er könne sich damit nicht mehr zufriedengeben. Er gab seine Dienstvorrechte auf und verließ nach einiger Zeit die Wahrheit. Was veranlaßte ihn, sein Denken so zu ändern?
Es ist bestimmt herzzerreißend, zusehen zu müssen, wie jemand, den wir lieben, den Wettlauf um das Leben aufgibt. Wir möchten zweifellos alles in unserer Macht Stehende tun, um dem Betreffenden zu helfen (2. Korinther 12:15; Galater 5:7). Aber was veranlaßt einen Menschen eigentlich, der Wahrheit den Rücken zu kehren? Was kann man tun, um ihm zu helfen, den Wettlauf wiederaufzunehmen? Und was sollte jemand tun, bei dem sich eine solche Neigung bemerkbar macht?
Herz, Gewissen und Glaube
Bei denjenigen, die die Wahrheit verlassen, fällt eines immer wieder auf: Die meisten von ihnen tun es nicht, weil sie die Wahrheit verwerfen würden. Ganz im Gegenteil! Viele von ihnen sagen: „Ich weiß, daß es die Wahrheit ist, aber ...“ Oder: „Wenn es eine Wahrheit gibt, dann nur diese.“ Tief in ihrem Herzen sind viele von ihnen weiterhin überzeugt davon, daß das, was sie aus der Bibel gelernt haben, die Wahrheit ist. Aber irgendwie sind ihre Hände erschlafft, und sie haben ihren Eifer verloren. Jakobus sagte: „Der Glaube ohne Werke [ist] tot“ (Jakobus 2:26).
Der wahre Glaube umfaßt nämlich mehr, als lediglich Erkenntnis zu besitzen oder zu glauben, daß etwas wahr ist. Er ist kein Vorgang, der lediglich im Sinn abläuft, sondern er schließt auch das sinnbildliche Herz ein, denn es heißt in der Bibel: „Mit dem Herzen übt man Glauben zur Gerechtigkeit“ (Römer 10:10). Aus gutem Grund weist die Bibel daher darauf hin, daß das Herz die Ursache des Problems ist, wenn jemand abzugleiten beginnt. So sagte Paulus warnend: „Nehmt euch in acht, Brüder, daß sich nicht in einem von euch jemals ein böses Herz des Unglaubens entwickle, indem er sich von dem lebendigen Gott zurückzieht“ (Hebräer 3:12).
Daß das Herz eine große Rolle spielt, zeigen die Worte Dianes, die der Wahrheit den Rücken gekehrt hatte. Als Mitchristen ihr helfen wollten, sagte sie ganz offen: „Ich kann nicht zu Jehova zurückkehren. Ich liebe Jehova nicht!“ Sie wußte, daß nur die Liebe zu Jehova als Person und als dem einzig Anbetungswürdigen ihr helfen konnte, sich eng an ihn zu halten. Vor allem diese Art Liebe hatte sie einmal veranlaßt, sich Jehova hinzugeben. Aber irgendwie empfand sie diese Liebe nicht mehr. Sie wußte, daß sie ohne diese Liebe nur so tun könnte, als würde sie zurückkehren. Wie kann jedoch jemand eine so tief empfundene Liebe verlieren?
Nun, Paulus erwähnte ein „böses Herz des Unglaubens“. In einigen Fällen ist ein solcher Unglaube darauf zurückzuführen, daß jemand dem Herzen gestattet, etwas zu begehren, was Jehova Gott verbietet, oder sich gegen etwas aufzulehnen, was er gebietet. Das Herz wird dadurch geteilt und schlägt nicht mehr nur für Jehova. Wenn diese Person dann merkt, daß ihre Handlungsweise von Gott nicht gebilligt wird, ist es das einfachste, sich ‘von dem lebendigen Gott zurückzuziehen’, um weiteren Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. (Vergleiche 1. Mose 3:8-10.) Statt zu bereuen, veranlaßt das „böse Herz“ die ungläubige Person, Jehova und seinen Vorsatz aus dem Leben zu verbannen. Sie gibt so die Wahrheit auf.
In anderen Fällen läßt sich jemand — um die Gewissensbisse wegen seiner Handlungsweise nicht mehr verspüren zu müssen — von seinem verräterischen Herzen dazu verleiten, einen verstandesmäßigen Ausweg zu suchen, indem er Zweifel hegt, Kritik übt oder sogar abtrünnig wird. Wenn sich bei ihm die Überzeugung durchsetzt, daß sein Glaube als Ganzes verkehrt ist, fühlt er sich auch nicht mehr verpflichtet, innerhalb der von diesem Glauben festgesetzten Grenzen zu leben. Der Betreffende wirft ein gutes Gewissen von sich und ‘erleidet an seinem Glauben Schiffbruch’ (1. Timotheus 1:19).
Natürlich kann jemand die Wahrheit auch aus ganz anderen Gründen aufgeben. Aber fast ausnahmslos spielt dabei das Herz eine Rolle. Daher ist folgender Rat wirklich angebracht: „Mehr als alles sonst, was zu behüten ist, behüte dein Herz, denn aus ihm sind die Quellen des Lebens“ (Sprüche 4:23).
Eine Umkehr ist möglich
Es erfordert Mut, zuzugeben, daß unsere eigenen falschen Neigungen die Ursache für den Verlust unseres Glaubens waren. Doch das zu tun ist der erste Schritt auf dem Weg zurück zu einem engen Verhältnis zu Jehova. Das, was Steve, ein Pionier aus England, durchmachte, veranschaulicht diesen Gedanken sehr gut.
Steve fiel zwar nie von der Wahrheit ab, aber er begann von einem gewissen Zeitpunkt an, eine gewisse Leere und einen Mangel an Überzeugung bei sich festzustellen. Wenn er mit anderen über die gute Botschaft sprach, klang das, was er sagte, in den eigenen Ohren hohl. Unter seinen geistigen Brüdern und Schwestern fühlte sich Steve deplaziert, als gehörte er gar nicht zu ihnen.
Glücklicherweise erkannte Steve, daß das Problem bei ihm selbst lag. „Ich machte nicht den Fehler, mich abzukapseln, um über die Dinge nachzugrübeln, als könnte man vom unvollkommenen Fleisch zu der richtigen Antwort inspiriert werden“, erzählte Steve. (Vergleiche Römer 7:18.) Ihm wurde statt dessen bewußt, daß er sein Herz erforschen und die trügerischen Begierden ausrotten mußte, die ihn von der Wahrheit wegführten. Er begann, seine Liebe zu Gott und seinen Glauben an sein Wort von Grund auf zu erneuern. Heute hat Steve die Freude, als Missionar zu dienen.
Wie andere helfen können
Nicht jeder, der sich nicht mehr mit festem Griff an die Wahrheit hält oder der sich ganz davon gelöst hat, sieht die Dinge so deutlich wie Steve. Oft ist es auch gerade der Verlust dieser klaren geistigen Sehkraft, der letztlich zum Abfall führt. Mitchristen können in solchen Fällen eine helfende Hand reichen (Römer 15:1; Galater 6:1). Doch wie geht man dabei am besten vor?
Es genügt offensichtlich nicht, eine solche Person nur zur Rückkehr aufzufordern oder zu ermuntern. Hindernisse müssen als solche erkannt und beseitigt werden. Man muß sich bemühen, das Herz des Schwachen oder Untätigen zu erreichen. Durch aufrichtige, aber freundliche, offene Gespräche kann dem Betreffenden möglicherweise geholfen werden. Schriftstellen wie 1. Timotheus 1:19, Hebräer 3:12 und Jeremia 17:9, 10 könnten ihn dazu bewegen, sein Herz zu erforschen, um festzustellen, was ihn veranlaßt hat, ‘sich von dem lebendigen Gott zurückzuziehen’.
Sobald man die Gründe kennt, müssen die Bemühungen darauf gerichtet werden, sich damit auseinanderzusetzen. Ist ein buchstäbliches Herz krank, benötigt es Pflege, und möglicherweise ist sogar eine schmerzhafte Operation erforderlich, damit der Patient überlebt. Ähnlich verhält es sich mit einem kranken sinnbildlichen Herzen. Falsche Begierden, die Neigung zur Unabhängigkeit oder andere Faktoren, die das Herz veranlassen abzuirren, müssen daraus entfernt werden, damit es wieder aufnahmefähig wird. Eifrige Christen könnten auch mit der untätigen Person beten, sogar mit ihr die Bibel studieren, wenn die Ältesten dies für ratsam halten. Nur auf diese Weise kann das Herz wiederbelebt und der Betreffende veranlaßt werden, Jehova wieder zu lieben (Sprüche 2:1-5).
So war es auch bei Diane. Durch Gespräche mit reifen Christen erkannte sie, was sie benötigte, um ihre Liebe zu Jehova zu erneuern. Als ihr bewußt wurde, daß sie Jehova aufs neue genau kennenlernen mußte, nahm sie die angebotene Hilfe an. Nach etwa einjährigem Bibelstudium wurden sie und ihr Mann wieder aktive Lobpreiser Jehovas.
Da sich Liebe auch durch Taten äußert, ist es oft am wirkungsvollsten, das zu tun, was Jehova sagt, um seine liebevolle Hilfe zu erleben. Ja, aktiv zu werden hilft einer Person, wieder die Liebe zu erlangen, die ihr Herz einmal antrieb (Psalm 34:8). Das kann damit beginnen, daß man tatkräftige Schritte zur Bekämpfung falscher Begierden unternimmt oder falsche Neigungen seines Herzens bekämpft. Jeder Sieg in diesem Kampf bringt das Herz wieder einen Schritt Jehova näher (Sprüche 23:26; 1. Petrus 2:1-3). Wenn das Herz gewonnen ist, wächst das Verlangen, das, was darin ist, mit anderen zu teilen. Sobald früher untätige Verkündiger die Voraussetzungen erfüllen, sollte ihnen daher geholfen werden, sich wieder am Predigtdienst zu beteiligen, denn „mit dem Herzen übt man Glauben zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber legt man eine öffentliche Erklärung ab zur Rettung“ (Römer 10:10).
Für jemand, der das Empfinden hat, Jehova nicht mehr zu lieben, mag der Weg zurück zu einem gottgefälligen Leben lang und beschwerlich sein. Doch die geistige Umkehr von Steve und Diane zeigt, daß sich das Herz ändern kann. Eine Wiederherstellung ist möglich — durch die Tätigkeit des Geistes Jehovas, durch die Anwendung seines Wortes und durch die erneute Zusammenarbeit mit seiner Organisation. Wir hoffen aufrichtig und wir beten darum, daß solchen Personen geholfen werden kann, sich wieder als solche zu erweisen, die Jehova ganzherzig lieben und einen Anteil an seiner Anbetung und am heiligen Dienst haben (Markus 12:30; 1. Korinther 13:8; 3. Johannes 1-4).