Gastfreundschaft — wohltuend und wichtiger denn je
„Seid gastfreundlich untereinander, ohne euch zu beschweren“ (1. PET. 4:9, NW, 2013)
1. In welcher Lage befanden sich die Christen im 1. Jahrhundert?
DER Apostel Petrus schrieb irgendwann zwischen 62 und 64 u. Z. an „die zeitweilig Ansässigen, die zerstreut sind in Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien“ (1. Pet. 1:1). Diese multikulturellen Versammlungen in Kleinasien brauchten Zuspruch und Anleitung. Gegner machten ihnen zu schaffen und man lästerte über sie. Die Christen waren schweren Prüfungen ausgesetzt. „Das Ende aller Dinge . . . hat sich genaht“, schrieb Petrus. Das jüdische System würde in weniger als 10 Jahren vernichtet werden. Wie könnten die Christen mit diesen schwierigen Zeiten fertigwerden? (1. Pet. 4:4, 7, 12).
2, 3. Warum ermunterte Petrus dazu, gastfreundlich zu sein? (Siehe Anfangsbild.)
2 Unter anderem forderte Petrus seine Brüder auf: „Seid gastfreundlich untereinander“ (1. Pet. 4:9, NW, 2013). Das griechische Wort für „Gastfreundschaft“ bedeutet wörtlich „Zuneigung zu, Güte gegenüber Fremden“. Interessanterweise ermunterte Petrus seine christlichen Brüder und Schwestern aber, „untereinander“ gastfreundlich zu sein — also Menschen gegenüber, die ihnen nicht fremd waren. Wie würde Gastfreundschaft ihnen nützen?
3 Sie würde sie zusammenschweißen. Hast du das auch schon erlebt? Erinnerst du dich an eine Einladung bei lieben Menschen und die schöne Zeit, die du hattest? Oder du hast selbst Brüder eingeladen. Das hat bestimmt eure Freundschaft vertieft. Im privaten Rahmen lernen wir einander von einer ganz persönlichen Seite kennen. Zur Zeit von Petrus mussten die Christen noch näher zusammenrücken, weil sich die Lage zuspitzte. Und das müssen auch wir in den heutigen „letzten Tagen“ (2. Tim. 3:1).
4. Was werden wir im vorliegenden Artikel besprechen?
4 Bei welchen Gelegenheiten können wir gastfreundlich sein? Welche Bedenken könnte es geben, und wie lassen sie sich ausräumen? Wie können wir gute Gäste sein?
GELEGENHEITEN FÜR GASTFREUNDSCHAFT
5. Welche Gelegenheiten bieten sich bei Zusammenkünften, gastfreundlich zu sein?
5 Bei Zusammenkünften: Wir heißen jeden willkommen, der die Zusammenkünfte besucht. Wir alle sind Gäste bei einem geistigen Essen. Gastgeber sind Jehova und seine Organisation (Röm. 15:7). Wenn Neue kommen, werden wir sozusagen auch zu Gastgebern. Ergreifen wir doch die Initiative und heißen sie willkommen, ganz gleich, wie ihr Äußeres auf uns wirkt (Jak. 2:1-4). Wir könnten einem Besucher anbieten, bei uns zu sitzen. Er schätzt es bestimmt, wenn wir ihm den Ablauf des Programms erklären und ihm helfen, Bibeltexte zu finden. So folgen wir „dem Weg der Gastfreundschaft“ (Röm. 12:13).
6. Wen sollten wir vor allem einladen?
6 Essenseinladungen: In biblischer Zeit war es ein Ausdruck von Gastfreundschaft, jemand zu sich zum Essen einzuladen (1. Mo. 18:1-8; Ri. 13:15; Luk. 24:28-30). So zeigte man dem Gast, dass man seine Freundschaft suchte und Frieden mit ihm wünschte. Wir wollen vor allem die Brüder und Schwestern aus unserer Versammlung einladen. Sie sind Teil unseres Lebens. In den kommenden schweren Zeiten brauchen wir loyale Freunde. Interessanterweise änderte die leitende Körperschaft 2011 die Anfangszeit des Wachtturm-Studiums der Bethelfamilie in den USA von 18.45 Uhr auf 18.15 Uhr. Warum? So haben Brüder und Schwestern aus dem Bethel mehr Zeit, sich gegenseitig einzuladen. Andere Zweigbüros handhabten es ähnlich. Diese Regelung hat weltweit Bethelfamilien enger zusammengeschweißt.
7, 8. Wie können wir Rednern gegenüber gastfreundlich sein?
7 Die Besuche von Vortragsrednern, Kreisaufsehern und Vertretern des Zweigbüros sind schöne Gelegenheiten, gastfreundlich zu sein. (Lies 3. Johannes 5-8.) Wir können ihnen zum Beispiel eine Erfrischung oder eine Mahlzeit anbieten. Hast du das schon ausprobiert?
8 Eine Schwester in den Vereinigten Staaten erinnert sich: „Im Lauf der Jahre konnten mein Mann und ich viele Redner und ihre Frauen zu uns einladen. Jede dieser Einladungen war ein Vergnügen — es hat Spaß gemacht. Und vor allem hat es uns geistig viel gegeben. Wir haben es nie bereut.“
9, 10. (a) Wem könnten wir eine Unterkunft anbieten? (b) Warum kann auch jemand helfen, der nur ein bescheidenes Zuhause hat?
9 Übernachtungsgäste: In alter Zeit bot man vertrauenswürdigen Besuchern als Zeichen der Gastfreundschaft oft eine Unterkunft an (Hiob 31:32; Philem. 22). Das wird auch heute noch geschätzt. Kreisaufseher, Schüler theokratischer Schulen und Bauhelfer benötigen oft eine Übernachtungsmöglichkeit. Manchmal verlieren Brüder durch Naturkatastrophen ihr Zuhause und müssen irgendwo unterkommen. Denken wir nicht, dass nur helfen kann, wer ein komfortables Haus hat. Solche Brüder haben vielleicht schon oft geholfen. Könntest du Gäste aufnehmen, auch wenn du nur ein einfaches Zuhause hast?
10 Ein Bruder in Südkorea erinnert sich gern an die Zeit zurück, als er Schüler theokratischer Schulen zu Gast hatte. Er schreibt: „Am Anfang habe ich noch gezögert. Wir waren frisch verheiratet und hatten nur ein kleines Haus. Letztlich war es aber ein tolles Erlebnis. Als frischgebackenes Ehepaar konnten wir beobachten, wie glücklich man sein kann, wenn man gemeinsam Jehova dient und geistige Ziele verfolgt.“
11. Warum tut Gastfreundschaft Brüdern gut, die zugezogen sind?
11 Zugezogene: Vielleicht ziehen Einzelne oder Familien in unsere Gegend. Der Grund könnte sein, dass unsere Versammlung Unterstützung braucht. So ein Umzug bringt große Veränderungen mit sich: eine neue Umgebung, eine neue Versammlung, vielleicht sogar eine neue Sprache und Kultur. Erleichtern wir es solchen Brüdern und Schwestern anzukommen und Freundschaften zu schließen. Laden wir sie zu einem Snack ein oder nehmen wir sie zu einem Ausflug mit.
12. Welche Erfahrung zeigt, dass Gastfreundschaft nicht aufwendig sein muss?
12 Gastfreundschaft muss nicht aufwendig sein. (Lies Lukas 10:41, 42.) Ein Bruder erinnert sich an seine erste Zeit als Missionar: „Wir waren jung und unerfahren — und wir hatten Heimweh. Eines Abends war es bei meiner Frau besonders schlimm. Ich wusste nicht mehr, wie ich sie noch aufmuntern sollte. Dann, gegen halb acht, klopfte es an der Tür. Eine Frau, die die Bibel studierte, brachte drei Orangen vorbei. Sie wollte die neuen Missionare willkommen heißen. Wir baten sie herein und boten ihr ein Glas Wasser an. Dann machten wir Tee und heiße Schokolade. Sie sprach kein Englisch und wir noch kein Swahili. Aber dieser Abend war der Anfang vieler schöner Freundschaften mit den Brüdern vor Ort.“
BEDENKEN AUSRÄUMEN
13. Welche Vorteile hat es, gastfreundlich zu sein?
13 Hält dich etwas davon ab, gastfreundlich zu sein? Dann entgehen dir vielleicht schöne Gelegenheiten, mit anderen zusammen zu sein und tiefe Freundschaften zu schließen. Gastfreundschaft ist eines der wirksamsten Mittel gegen Einsamkeit. Warum zögern manche, andere einzuladen?
14. Was können wir tun, wenn wir zu wenig Zeit und Kraft für Gastfreundschaft haben?
14 Zeit und Kraft: Als Diener Jehovas sind wir sehr beschäftigt und haben viele Verpflichtungen. Einige haben das Gefühl, sie hätten einfach nicht die Zeit oder Kraft, jemand einzuladen oder eine Einladung anzunehmen. Geht es dir auch so? Dann lohnt es sich vielleicht, etwas an deinem Zeitplan zu ändern. In der Bibel werden Christen aufgefordert, gastfreundlich zu sein (Heb. 13:2). Es ist nicht verkehrt, sich dafür Zeit zu nehmen. Im Gegenteil: Es ist genau das Richtige. Aber man muss natürlich bereit sein, bei weniger wichtigen Dingen Abstriche zu machen.
15. Welche Bedenken haben manche?
15 Wie wir uns selbst sehen: Wolltest du schon einmal jemand einladen, hattest aber das Gefühl, seinen Erwartungen nicht gerecht zu werden? Wer schüchtern ist, befürchtet vielleicht, dass ihm die Gesprächsthemen ausgehen oder dass sich die Gäste langweilen könnten. Einige haben nicht viele Mittel und denken, sie hätten nicht so viel zu bieten wie andere Brüder. Doch das Wichtigste an unserem Zuhause ist nicht, wie schick es ist, sondern dass es ordentlich und sauber ist, ein Ort zum Wohlfühlen.
16, 17. Was kann bei Bedenken, Gäste einzuladen, helfen?
16 Falls du Bedenken hast jemand einzuladen, bist du nicht allein. Ein Ältester in Großbritannien räumt ein: „Wenn Gäste kommen, kann schon eine gewisse Nervosität mitschwingen. Aber es ist wie bei allem, was wir für Jehova tun: Die Vorteile und die Zufriedenheit wiegen alle Ängste bei Weitem auf. Ich genieße es oft, mich einfach bei einer Tasse Kaffee mit meinen Gästen zu unterhalten.“ Persönliches Interesse kommt immer gut an. Wohl jedem gefällt es, etwas aus seinem Leben zu erzählen. Einladungen bieten eine gute Gelegenheit dafür (Phil. 2:4). Ein anderer Ältester schreibt: „Ich lade gern Brüder aus der Versammlung zu mir ein. Da habe ich die Zeit, sie besser kennenzulernen, zum Beispiel zu erfahren, wie sie in die Wahrheit gekommen sind. Dadurch kann ich sie besser verstehen.“ Echtes Interesse ist die wichtigste Zutat zu einem gelungenen Abend.
17 Eine Pionierin, die Schüler verschiedener theokratischer Schulen aufnahm, erzählt: „Am Anfang habe ich mir Gedanken gemacht, weil mein Zuhause ziemlich einfach ist — die Möbel habe ich gebraucht bekommen. Die Frau eines Unterweisers hat meine Bedenken dann aber zerstreut. Sie sagte mir, dass ihr Mann und sie im Reisedienst dort die schönsten Wochen haben, wo sie bei einem Geistesmenschen untergebracht sind, bei jemandem, der vielleicht nicht viel besitzt, dafür aber die gleichen Ziele hat wie sie: Jehova zu dienen und das Leben einfach zu halten. Das erinnerte mich an etwas, was meine Mutter uns Kindern immer sagte: ,Besser ist ein Gericht Gemüse, wo Liebe ist‘ “ (Spr. 15:17). Wenn wir aus Liebe Gastfreundschaft erweisen, dann gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
18, 19. Wie hilft uns Gastfreundschaft dabei, mit anderen ins Reine zu kommen?
18 Wie wir andere sehen: Gibt es in deiner Versammlung jemand, mit dem du nicht so gut zurechtkommst? Oder hat dich jemand verletzt und du kannst die Sache nicht vergessen? Wenn du nichts dagegen tust, dann wird sich dieses Gefühl eher noch verfestigen. Persönlichkeitsunterschiede können dem Wunsch, andere einzuladen, im Weg stehen.
19 Die Bibel rät uns zu Gastfreundschaft, um das Verhältnis zu anderen zu verbessern — das schließt sogar Feinde ein. (Lies Sprüche 25:21, 22.) Jemand einzuladen kann Spannungen verringern. Man lernt die wertvollen Eigenschaften des anderen kennen — Eigenschaften, die Jehova gesehen hat, als er die Person zu sich zog (Joh. 6:44). Eine Einladung, die unerwartet kommt und aus Liebe ausgesprochen wird, kann der Beginn einer Freundschaft sein. Wie können wir unsere Liebe vertiefen? Philipper 2:3 ermuntert uns: „[Achtet] in Demut die anderen höher . . . als euch selbst.“ Wenn wir herausfinden, worin uns unsere Brüder überlegen sind — im Glauben, im Ausharren, im Mut oder in anderen Eigenschaften — vertieft das unsere Liebe zu ihnen. Aus dieser Liebe heraus können wir Gastfreundschaft erweisen, die aufrichtig ist und eine heilende Wirkung hat.
EIN GUTER GAST SEIN
20. Warum sollten wir zu unserem Wort stehen?
20 Der Psalmist David fragte: „O Jehova, wer wird Gast sein in deinem Zelt?“ (Ps. 15:1). Dann führte er Eigenschaften an, auf die Gott bei seinen Gästen achtet. Dazu gehört, Wort zu halten: „Er hat zu dem, was für ihn selbst schlecht ist, geschworen, und doch ändert er es nicht“ (Ps. 15:4). Haben wir eine Einladung angenommen, sagen wir sie nicht leichtfertig wieder ab. Der Gastgeber hat vielleicht schon Vorbereitungen getroffen (Mat. 5:37). Manchmal hat jemand eine Einladung abgesagt, weil er eine anscheinend bessere erhalten hat. Das zeugt nicht von Liebe und Respekt. Schätzen wir Gastfreundschaft, ganz gleich, was der Gastgeber uns anbietet (Luk. 10:7). Und falls wir wirklich einmal absagen müssen, lassen wir es den Gastgeber so früh wie möglich wissen.
21. Wie können wir gute Gäste sein?
21 Auch die Kultur spielt eine Rolle. In einigen Gegenden freut man sich über unangemeldete Gäste. In anderen schätzt man es, wenn Besuche vorher angekündigt werden. Mancherorts ehrt man die Eingeladenen mit dem Allerbesten, während sich die Gastgeber bescheiden zurückhalten. Andernorts gibt es solche Unterscheidungen nicht. In bestimmten Gegenden steuern die Gäste etwas bei. Woanders möchte man nicht, dass sie sich dazu verpflichtet fühlen. Und in manchen Kulturkreisen wird von den Gästen erwartet, eine Einladung erst ein- oder zweimal freundlich auszuschlagen, wohingegen das anderswo als undankbar gilt. Verhalten wir uns so, dass sich unser Gastgeber freut, uns eingeladen zu haben.
22. Warum ist es so wichtig, dass wir „gastfreundlich untereinander“ sind?
22 „Das Ende aller Dinge . . . hat sich genaht“, und es ist näher als je zuvor (1. Pet. 4:7). Belastungen nehmen immer mehr zu. Die schwierigste Zeit der Menschheit steht bevor. Daher muss uns eine tiefe Liebe mit unseren Brüdern und Schwestern verbinden. Der Rat von Petrus ist aktueller denn je: „Seid gastfreundlich untereinander“ (1. Pet. 4:9, NW, 2013). Gastfreundschaft ist ein schöner und wichtiger Teil unseres Lebens und wird es immer bleiben.