Einst wertvoller als Gold
ES WURDE in griechischen Theatern als Duftstoff verstreut. Als Nero seinen triumphalen Einzug in Rom hielt, waren die Straßen damit gesprenkelt. Salomo pries es (Hoheslied 4:14). Eine Zeitlang war es wertvoller als Gold. Sogar heute noch ist es das teuerste Gewürz der Welt. Es handelt sich um Safran.
Dieses außergewöhnliche rotgoldene Gewürz wird aus den Narben des Safrans gewonnen. Er ist mit dem Krokus verwandt, der im Frühling viele Gärten schmückt, und gedeiht auf trockenem Kalksteinboden, weshalb sich Spaniens Region La Mancha ideal für seinen Anbau eignet.
Im Mittelmeerraum beheimatet, wurde Safran in alter Zeit in Kleinasien kultiviert. Jahrhunderte später brachten Mauren ihn nach Spanien und förderten seinen Anbau. Sie schätzten ihn als Gewürz in Speisen und benutzten ihn sogar zur Behandlung von Krankheiten wie Zahnschmerzen, Menstruationsbeschwerden und der Pest. Heute wird Safran immer noch in der Küche geschätzt, da er so berühmten Gerichten wie Paella und Bouillabaisse sowohl Würze als auch Farbe verleiht.
Flink sich abmühen und ernten
In La Manchas dürren Ebenen hat sich seit Jahrhunderten wenig geändert. Der Anbau von Safran beginnt im Frühsommer, wenn die Krokuszwiebeln in die rote Erde von La Mancha eingepflanzt werden. Im Herbst erfolgt die Ernte, die ungefähr drei Wochen dauert. Die ganze Arbeit wird mit der Hand gemacht, da moderne mechanisierte Methoden noch nicht verwendet worden sind.
Zuerst kommt die zermürbende Plackerei, Tausende von Blumen einzeln zu pflücken. Dies geschieht gegen Ende Oktober, wenn die erste Kühle des Herbstes da ist. Dann strömen die Dorfbewohner zu Hunderten zu ihren mit Krokussen bepflanzten Parzellen. Sie beugen sich über die frisch erblühten Blumen, und erstaunlich schnell pflücken ihre geschickten Hände die zarten Krokusse.
Schon bald sind die Körbe übervoll mit der Ernte vom Morgen, die sogleich nach Hause getragen wird. Dort werden die eben gepflückten Blüten auf Tabletts ausgebreitet, damit sie an der Luft trocknen. Nun beginnt die noch mühseligere Arbeit, nämlich die Safrannarben — die weiblichen Teile der Blüte — vom Rest der Blume zu trennen.
Die Narben abtrennen
In La Mancha sind gemäß dem Brauch ganze Familien daran beteiligt, die Ernte zu verarbeiten. Drei Wochen lang mühen sie sich ab, oftmals 19 Stunden am Tag.
Die Blumen werden aufgerissen und die Narben sorgfältig herausgepflückt. Die feuchten, tiefroten Narben — jede Blume hat drei Narben — werden auf Tellern gesammelt. Und jetzt kommen wir hinter das Geheimnis des Wertes von Safran. Gemäß der New Encyclopædia Britannica können bis zu 75 000 Blüten nötig sein, um nur ein Pfund Safran zu erhalten!
Geschwindigkeit und Sachkenntnis sind in diesem Stadium wichtig, da die Narben am selben Tag, an dem der Safran geerntet wird, herausgezupft werden müssen. Die Blüten verwelken sehr schnell und werden klebrig, wodurch es unmöglich wird, die Narben zu entfernen. Und die Narben müssen genau an der richtigen Stelle abgezupft werden; sonst entsprechen sie nicht der Mancha-Selecta-Qualität, dem erlesensten Safran.
Die Narbe rösten
Nachdem diese mühsame Arbeit schließlich beendet worden ist, werden die Narben sorgfältig zum Trocknen auf Tabletts oder auf Sieben aus Musselingaze ausgebreitet. In der Zwischenzeit ist ein Holzkohlenfeuer entfacht worden, und die Tabletts oder Siebe werden mit ihrem wertvollen Inhalt über dieses Feuer gehängt. Jede nur mögliche Vorsichtsmaßnahme wird ergriffen, um ein Räuchern der zarten Narben zu vermeiden. Sie müssen geröstet werden — nicht geräuchert.
Nach nur 15 Minuten über dem niedrigen Feuer hat der Safran bis zu 80 Prozent seines Gewichts verloren. Die Ernte von ungefähr 1 Hektar — die Narben wiegen etwa 50 Kilogramm — ergibt magere 10 Kilogramm getrockneten Safran.
Sobald das Rösten beendet ist, kann der Safran — nun ein Gewirr tiefroter Fasern — eingelagert werden. In dunklen Plastiktüten dicht versiegelt und vor Licht geschützt, wartet La Manchas „rotes Gold“ darauf, an einen Safranhändler verkauft zu werden.
Ein köstliches Gewürz von einer schönen Blume
Obwohl Safran auch in Frankreich, Italien, Griechenland, im Iran und in Indien angebaut wird, versorgt Spanien den Weltmarkt zu 70 Prozent. Sein etwas bitteres Aroma wird in der ganzen Welt verwendet, um den Geschmack von Geflügel, Reis und Meeresfrüchten zu verbessern. In Skandinavien schätzt man Brot mit Safrangeschmack, und in Japan wird er immer noch zum Färben von Luxusartikeln verwendet.
Der Lohn für das Anpflanzen von Safran ist nicht nur materieller Art. An manchen Tagen scheint es, daß auf einem Feld von durchschnittlich 460 m2 Größe alle Blumen gleichzeitig blühen. Einen solchen Tag nennt man dia del manto — Tag des Mantels. Es sieht aus, als trage das ganze Feld einen purpurnen Mantel. An einem Tag wie diesem erinnern die staubigen Felder von La Mancha an die Worte des Propheten: „Die Wüstenebene wird voller Freude sein und blühen wie der Safran“ (Jesaja 35:1).