Lehrte die Urkirche, daß Gott eine Dreieinigkeit ist?
3. Teil — Lehrten die Apologeten die Dreieinigkeit?
In den Wachtturm-Ausgaben vom 1. November 1991 und 1. Februar 1992 wurde gezeigt, daß weder Jesus noch seine Jünger, noch die apostolischen Väter des späten ersten und des frühen zweiten Jahrhunderts u. Z. die Dreieinigkeit oder Trinität lehrten. Wurde sie von Kirchenmännern später im zweiten Jahrhundert gelehrt?
VON der Mitte des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung an bis zu dessen Ende traten Kirchenmänner auf, die Apologeten genannt werden. In ihren Schriften verteidigten sie das ihnen bekannte Christentum gegenüber feindlichen Philosophien, die in der damaligen römischen Welt vorherrschten. Ihre Tätigkeit fiel in die Zeit kurz vor dem Ende der Epoche der Schriften der apostolischen Väter und danach.
Zu den griechisch schreibenden Apologeten gehörten Justin der Märtyrer, Tatian, Athenagoras, Theophilos und Klemens von Alexandria. Tertullian war ein Apologet, der lateinisch schrieb. Lehrten sie die Dreieinigkeit der heutigen Christenheit — drei wesensgleiche Personen (Vater, Sohn und Heiliger Geist) in e i n e r Gottheit, von denen jede wahrer Gott ist, die aber dennoch nicht drei Götter sind, sondern e i n Gott?
„Der Sohn ist untergeordnet“
Dr. H. R. Boer schreibt in seinem Buch A Short History of the Early Church über die Lehre der Apologeten:
„Justin [der Märtyrer] lehrte, daß Gott vor der Erschaffung der Welt allein war und daß kein Sohn da war. ... Als Gott die Welt erschaffen wollte, ... zeugte er ein anderes göttliches Wesen, das für ihn die Welt erschaffen sollte. Dieses göttliche Wesen wurde ... Sohn genannt, weil es geboren worden war; es wurde Logos genannt, weil es von der Vernunft oder dem Verstand Gottes genommen worden war. ...
Justin und die anderen Apologeten lehrten demnach, daß der Sohn ein Geschöpf ist. Er ist ein hohes Geschöpf, ein Geschöpf, mächtig genug, die Welt zu erschaffen, und dennoch nur ein Geschöpf. In der Theologie wird dieses Verhältnis des Sohnes zum Vater Subordinatianismus genannt. Der Sohn ist untergeordnet, im Verhältnis zum Vater zweitrangig, von ihm abhängig und wurde von ihm hervorgebracht. Die Apologeten waren Subordinatianer.“1
In dem Buch The Formation of Christian Dogma schreibt Dr. Martin Werner über das früheste Verständnis des Verhältnisses zwischen dem Sohn und Gott:
„Unter diesem Verhältnis verstand man eindeutig ein solches der ‚Subordination‘, d. h. im Sinne der Subordination Christi im Verhältnis zu Gott. Wo auch immer im Neuen Testament das Verhältnis zwischen Jesus und Gott, dem Vater, in Betracht gezogen wird, ... wird es eindeutig als Subordination aufgefaßt und dargestellt. Und der entschiedenste Subordinatianer des Neuen Testaments war gemäß den Synoptikern Jesus selbst ... Dieser ursprüngliche Standpunkt konnte sich, so offenkundig und unverrückbar er war, lange halten. ‚Alle großen vornizäischen Theologen vertraten die Subordination des Logos im Verhältnis zu Gott.‘“2
R. P. C. Hanson stimmt mit dieser Darlegung überein, wenn er in dem Werk The Search for the Christian Doctrine of God erklärt:
„Kein Theologe vor der Entstehung des Arianischen Streits [im vierten Jahrhundert] — weder in der Ost- noch in der Westkirche — betrachtete den Sohn nicht irgendwie als dem Vater untergeordnet.“3
Dr. Alvan Lamson fügt in dem Buch The Church of the First Three Centuries folgendes Zeugnis über die Lehren kirchlicher Autoritäten vor dem Konzil von Nizäa (325 u. Z.) hinzu:
„Die Inferiorität des Sohnes wurde von den vornizäischen Vätern allgemein, wenn auch nicht übereinstimmend, vertreten ... Daß sie den Sohn für einen anderen als den Vater hielten, zeigt sich darin, daß sie klar und deutlich für seine Inferiorität eintraten. ... Sie hielten ihn für einen anderen und für untergeordnet.“4
In dem Buch Gods and the One God schreibt Robert M. Grant über die Apologeten folgendes:
„Die Christologie der Apologien ist wie die des Neuen Testaments im wesentlichen subordinatianisch. Der Sohn ist dem Vater, dem einen Gott des Alten Testaments, stets untergeordnet. ... Wir finden bei diesen frühen Schriftstellern also keine Lehre von der Dreieinigkeit ... Vor Nizäa war die christliche Theologie im großen ganzen subordinatianisch.“5
Nach der Trinitätslehre der Christenheit ist der Sohn gleich ewig wie Gott, der Vater, ihm gleich an Macht, Rang und Weisheit. Die Apologeten sagten aber, der Sohn sei Gott, dem Vater, nicht gleich. Sie betrachteten den Sohn als untergeordnet. Das entspricht der Lehre von der Dreieinigkeit nicht.
Mit der Lehre des ersten Jahrhunderts in Übereinstimmung
Die Apologeten und andere frühchristliche Kirchenväter stimmten weitgehend mit dem überein, was die Christen des ersten Jahrhunderts über das Verhältnis zwischen dem Vater und dem Sohn lehrten. Man beachte, wie das aus dem Buch The Formation of Christian Dogma hervorgeht:
„Im urchristlichen Zeitalter war von einem trinitarischen Problem oder Dogmenstreit, der später zu so gewaltigen Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche führte, überhaupt nichts zu bemerken. Daß jeglicher Grund oder Anlaß hierzu fehlte, liegt an der Tatsache, daß Christus nach der urchristlichen Grundauffassung ... ein hohes Engelwesen war, das von Gott erschaffen und dazu auserwählt wurde, am Ende der Zeitalter ... das Reich Gottes herbeizuführen.“6
Über die Lehre der früheren Kirchenväter heißt es in der International Standard Bible Encyclopedia:
„Im frühesten Denken der Kirche bestand die Neigung, wenn von Gott, dem Vater, die Rede war, in ihm in erster Linie nicht den Vater Jesu Christi zu sehen, sondern den Quell alles Lebendigen. Gott, der Vater, ist daher sozusagen Gott par excellence. Ihm stehen Bezeichnungen zu wie unerzeugt, unsterblich, unveränderlich, unbeschreiblich, unsichtbar und unerschaffen. Er ist es, der alles, auch den Urstoff der Schöpfung, aus dem Nichts erschaffen hat. ...
Das läßt vermuten, daß der Vater allein wirklich Gott ist, wohingegen der Sohn und der Geist nur zweitrangige Götter sind. Viele frühe Äußerungen scheinen diese Vermutung zu bestätigen.“7
In dieser Enzyklopädie werden die erwähnten Wahrheiten im weiteren zwar heruntergespielt, und es wird behauptet, die Trinitätslehre sei in jener frühen Epoche anerkannt gewesen, doch die Tatsachen widersprechen dieser Behauptung. Betrachten wir folgende Worte des berühmten katholischen Theologen John Henry Kardinal Newman:
„Wir wollen einmal zugestehen, daß der ganze Kreis von Lehren, die sich auf unseren Herrn beziehen, von der frühen Kirche konsequent und einheitlich bekannt ... worden ist. Anders aber steht es sicherlich mit der katholischen Lehre von der Dreifaltigkeit. Ich sehe wirklich nicht, in welchem Sinne man sagen könnte, es bestehe ein Konsens der frühen Theologen zugunsten dieser Lehre ...
Zunächst erwähnen die Glaubensbekenntnisse dieser frühen Zeit die katholische Lehre [von der Dreieinigkeit] in buchstäblicher Weise überhaupt nicht. Sie sprechen freilich von einer Dreiheit; aber daß es da irgendein Geheimnis in der Lehre gibt, daß die Drei Einer sind, daß sie einander gleich sind, gleich ewig, alle ungeschaffen, alle allmächtig, alle unbegreiflich, wird nicht ausgesagt und könnte aus ihnen niemals entnommen werden.“8
Was Justin der Märtyrer lehrte
Einer der frühesten Apologeten war Justin der Märtyrer, der von ca. 110 bis 165 u. Z. lebte. Keine seiner noch vorhandenen Schriften enthält etwas über drei wesensgleiche Personen in e i n e m Gott.
Nach der Jerusalemer Bibel (katholisch) heißt es zum Beispiel in Sprüche 8:22-30 über den vormenschlichen Jesus: „Mich hat Jahwe geschaffen als Erstling seines Waltens, als frühestes seiner Werke von urher. Ich ward ... hervorgebracht, als die Urfluten noch nicht waren, ... vor den Hügeln ward ich hervorgebracht ... Da war ich der Liebling [„Werkmeister“, englische Ausgabe] an seiner [Gottes] Seite.“ Über diese Verse sagt Justin in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon:
„Es wird doch ein jeder, wer er sei, zugeben: nach der Offenbarung des Logos ist dieser Erzeugte vor gar allen Geschöpfen vom Vater erzeugt worden, und es ist der Erzeugte persönlich ein anderer als der Erzeuger.“9
Da der Sohn von Gott hervorgebracht wurde, gebraucht Justin den Ausdruck „Gott“ in Verbindung mit dem Sohn. In seiner Ersten Apologie erklärt er: „Der Vater des Alls [hat] einen Sohn ..., der als Gottes Logos und Erstgeborener auch Gott ist.“10 Auch die Bibel gebraucht für den Sohn Gottes den Titel „Gott“. In Jesaja 9:6 (Fußnote, NW, Stud.) wird er „Starker (Mächtiger) Göttlicher“ genannt. Sie bezeichnet aber Engel, Menschen, falsche Götter und Satan ebenfalls als „Götter“ bzw. „Gott“ (Engel: Psalm 8:5; vergleiche Hebräer 2:6, 7; Menschen: Psalm 82:6; falsche Götter: 2. Mose 12:12; 1. Korinther 8:5; Satan: 2. Korinther 4:4). In den Hebräischen Schriften bedeutet ʼEl, das Wort für „Gott“, lediglich „Mächtiger“ oder „Starker“. Das Äquivalent in den Griechischen Schriften ist theós.
Außerdem läßt der hebräische Ausdruck in Jesaja 9:6 einen deutlichen Unterschied zwischen dem Sohn und Gott erkennen, denn in diesem Fall wird der Sohn „Starker [Mächtiger] Gott“, ʼEl Gibbṓr, genannt, nicht „allmächtiger Gott“. Dieser Ausdruck lautet im Hebräischen ʼEl Schaddáj und wird ausschließlich auf Jehova Gott angewandt.
Beachtenswert ist, daß Justin den Sohn zwar „Gott“ nennt, aber nie davon spricht, daß der Sohn eine von drei wesensgleichen Personen sei, von denen jede Gott sei, die drei aber nur e i n Gott seien. In seinem Dialog mit dem Juden Tryphon sagt er vielmehr:
„... es stehe unter dem Weltschöpfer [Gott, dem Allmächtigen] noch ein anderer Gott und Herr [der vormenschliche Jesus] ... und er werde Engel genannt, weil er den Menschen verkünde, was der Weltschöpfer, über dem kein anderer Gott steht, denselben verkünden will. ...
[Der Sohn ist] ein anderer Gott ... als der Gott, welcher die Welt erschaffen hat, ich meine: ein anderer der Zahl nach, nicht im Denken.“11
Eine interessante Stelle findet sich in Justins Erster Apologie, Kapitel 6, wo er sich gegen die heidnische Anklage, Christen seien Atheisten, verteidigt. Er schreibt:
„Ihn [Gott] und seinen Sohn, der von ihm gekommen ist und uns diese Dinge gelehrt hat, auch das Heer der anderen guten Engel, die ihm anhangen und ganz ähnlich sind, und den prophetischen Geist verehren und beten wir an.“12
Ein Übersetzer dieses Textes, Bernhard Lohse, bemerkt dazu folgendes: „Nicht genug, daß bei dieser Aufzählung überhaupt die Engel als von den Christen verehrte, angebetete Wesen begegnen: Justin nimmt keinen Anstand, die Engel vor dem Heiligen Geist zu erwähnen.“13 (Siehe auch Über die Entwicklung der Glaubenslehre.14)
Während Justin der Märtyrer in der Frage, wen ein Christ anbeten sollte, von der biblischen Lehre also anscheinend abwich, betrachtete er den Sohn offensichtlich ebensowenig als dem Vater gleich, wie man die Engel als dem Vater gleich ansah. Was Justin betrifft, möchten wir nochmals Lamsons Werk The Church of the First Three Centuries anführen:
„Justin betrachtete den Sohn als einen anderen als Gott und als diesem untergeordnet: nicht im heutigen Sinne als einen anderen, so, als wäre er eine von drei Hypostasen oder Personen ..., sondern als ungleich in Wesen und Natur; mit realer, substantieller, eigener Subsistenz, getrennt von Gott, von dem er alle seine Kräfte und Titel herleitete; unter ihm stehend und in jeder Hinsicht seinem Willen unterworfen. Der Vater ist der Höchste; der Sohn ist untergeordnet: der Vater ist die Quelle der Kraft; der Sohn ist der Empfänger: der Vater verursacht; der Sohn als sein Diener oder Werkzeug führt aus. Sie sind zwei an Zahl, stimmen aber miteinander überein oder sind eins, was den Willen betrifft; der Wille des Vaters ist für den Sohn immer ausschlaggebend.“15
Außerdem spricht Justin nirgends davon, daß der heilige Geist eine Person ist, die dem Vater und dem Sohn gleich ist. Somit kann in keiner Hinsicht ehrlich gesagt werden, Justin habe die Dreieinigkeit der heutigen Christenheit gelehrt.
Was Klemens lehrte
Klemens von Alexandria (ca. 150 bis 215 u. Z.) nennt den Sohn ebenfalls „Gott“. Er nennt ihn sogar „Schöpfer“ — ein Ausdruck, der in der Bibel nie auf Jesus angewandt wird. Meinte er damit, daß der Sohn in jeder Beziehung dem allmächtigen Schöpfer gleich sei? Nein. Klemens bezog sich offensichtlich auf Johannes 1:3, wo vom Sohn gesagt wird: „Alle Dinge kamen durch ihn ins Dasein.“16 Gott gebrauchte den Sohn als Mittel bei seiner schöpferischen Tätigkeit (Kolosser 1:15-17).
Klemens nennt den höchsten Gott „den Gott und Vater unseres Herrn Jesus“17 und sagt: „Der Herr [ist] auch der Sohn des Schöpfers.“18 Des weiteren sagt er, „daß der Gott aller Dinge nur einer ist, gut, gerecht, Schöpfer, Sohn im Vater“.19 Nach seinen Worten hat der Sohn also einen Gott über sich.
Klemens spricht von Gott als dem „ersten und einzigen Verwalter des ewigen Lebens ..., das der Sohn von ihm [Gott] empfangen hat und uns gibt“.20 Der ursprüngliche Geber des ewigen Lebens steht ohne Zweifel über dem, der es gewissermaßen weitergibt. Deshalb sagt Klemens, Gott sei „der erste und höchste“.21 Darüber hinaus sagt er, der Sohn „steht dem, der allein der Allmächtige ist, am nächsten“ und der Sohn „befiehlt alles in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters“.22 Immer wieder weist Klemens darauf hin, daß der allmächtige Gott über dem Sohn steht.
Über Klemens von Alexandria heißt es in dem Werk The Church of the First Three Centuries:
„Wir könnten zahlreiche Stellen aus den Schriften des Klemens anführen, in denen die Inferiorität des Sohnes deutlich betont wird. ...
Es ist erstaunlich, daß jemand, der Klemens einigermaßen aufmerksam liest, überhaupt auf den Gedanken kommen kann, daß er [Klemens] den Sohn als numerisch identisch — als eins — mit dem Vater betrachtete. Seine abhängige und untergeordnete Natur wird, wie uns scheint, durchweg anerkannt. Klemens war der Ansicht, daß Gott und der Sohn numerisch verschieden sind, mit anderen Worten: zwei Wesen — das eine übergeordnet und das andere untergeordnet.“23
Wiederum kann gesagt werden: Wenn es manchmal auch den Anschein hat, als ob Klemens über das, was die Bibel von Jesus sagt, hinausgehe, so spricht er doch nirgends von einer Dreieinigkeit, bestehend aus drei gleich großen Personen in e i n e m Gott. Apologeten, wie Tatian, Theophilos und Athenagoras, die alle Zeitgenossen Justins und des Klemens waren, hatten ähnliche Vorstellungen. Nach Lamson waren sie „genausowenig Trinitarier wie Justin selbst; das heißt, sie glaubten nicht an eine ungeteilte, wesensgleiche Drei, sondern vertraten eine Lehre, die mit dieser Anschauung völlig unvereinbar war“.24
Tertullians Theologie
Tertullian (ca. 160 bis 230 u. Z.) war der erste, der das lateinische Wort trinitas gebrauchte. Wie Henry Chadwick bemerkt, brachte Tertullian den Gedanken auf, daß Gott ein Wesen sei, bestehend aus drei Personen.25 Das heißt jedoch nicht, daß Tertullian an drei gleich große und gleich ewige Personen dachte. Doch auf seinen Ansichten bauten spätere Schriftsteller, die auf die Dreieinigkeitslehre hinarbeiteten, diese Lehre auf.
Tertullians Vorstellung von Vater, Sohn und heiligem Geist unterschied sich weitgehend von der Dreieinigkeit der Christenheit, denn er war ein Subordinatianer. Für ihn war der Sohn dem Vater untergeordnet. In seiner Schrift Gegen Hermogenes schrieb er:
„Wir [halten] nichts für ungeboren und ungeschaffen ... als Gott allein. ... Wie wäre es da noch möglich, dass irgend etwas neben dem Vater existiert, was älter wäre als der Sohn Gottes, das eingeborene und erstgeborene Wort ...? Denn was, um ins Dasein zu treten keines Urhebers bedurfte [Gott], das wird erhabener sein als das [der Sohn], was eines solchen bedurfte.“26
Auch in dem Werk Gegen Praxeas wies er darauf hin, daß der Sohn von dem allmächtigen Gott verschieden und diesem untergeordnet ist. Er schrieb:
„Der Vater ist die ganze Substanz, der Sohn ein Seitenrinnsal und ein Teil vom Ganzen, wie er selber gesagt hat: ‚Der Vater ist grösser als ich.‘ ... So ist der Vater ein anderer als der Sohn, weil grösser als der Sohn, indem der, welcher zeugt, ein anderer ist, als der, der erzeugt wird, wer sendet, ein anderer, als wer gesendet wird, wer macht, ein anderer, als der, durch welchen gemacht wird.“27
In dem Werk Gegen Hermogenes erklärte Tertullian außerdem, daß es eine Zeit gegeben habe, in der der Sohn als Person nicht existiert habe, was zeigt, daß er den Sohn nicht im gleichen Sinn als ein ewiges Wesen betrachtete, wie Gott ewig ist.28 Kardinal Newman schrieb: „Tertullian ist heterodox [von der herrschenden (Kirchen)lehre abweichend] in der Lehre von der Göttlichkeit unseres Herrn.“29 Lamson äußert sich über Tertullian wie folgt:
„Diese Vernunft oder ‚Logos‘, wie die Griechen sie nannten, wurde später, wie Tertullian dachte, in das WORT oder den Sohn, das heißt in ein wirkliches Wesen, verwandelt, das nur als Attribut des Vaters von Ewigkeit her existierte. Tertullian schrieb ihm jedoch eine dem Vater untergeordnete Stellung zu ...
Gemessen an irgendeiner gegenwärtig anerkannten Erklärung der Dreieinigkeit wäre der Versuch, Tertullian von einer Verurteilung [als Ketzer] zu retten, hoffnungslos. Er könnte der Prüfung keinen Augenblick standhalten.“30
Keine Dreieinigkeit
Würde man sämtliche Schriften der Apologeten lesen, so würde man feststellen, daß sie zwar in gewissen Fällen von den Lehren der Bibel abwichen, daß aber keiner von ihnen lehrte, der Vater, der Sohn und der heilige Geist seien gleich ewig, gleich an Macht, Rang und Weisheit.
Das trifft auch auf andere Schriftsteller des zweiten und dritten Jahrhunderts zu wie Irenäus, Hippolyt, Origenes, Cyprianus und Novatian. Während einige den Vater und den Sohn in gewisser Hinsicht auf die gleiche Stufe stellten, betrachteten sie doch den Sohn irgendwie als Gott, dem Vater, untergeordnet. Und keiner von ihnen dachte nur im leisesten daran, daß der heilige Geist dem Vater und dem Sohn gleich wäre. Origenes (ca. 185 bis 254 u. Z.) erklärte zum Beispiel, der Sohn Gottes sei „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ und die Schrift würde ihn „als das älteste aller Schöpfungswerke“ kennen.31
Jeder objektive Leser der Werke dieser Autoritäten der Urkirche wird feststellen, daß die Trinitätslehre der Christenheit zur damaligen Zeit nicht existierte. In dem Werk The Church of the First Three Centuries heißt es:
„Die heute populäre Lehre von der Dreieinigkeit ... findet in den Schriften Justins keine Stütze; und das kann von allen vornizäischen Vätern gesagt werden; das heißt von allen christlichen Schriftstellern der drei Jahrhunderte nach der Geburt Christi. Zugegeben, sie sprechen von dem Vater, dem Sohn und dem prophetischen oder heiligen Geist, sagen aber nicht, daß sie in irgendeinem Sinn gleich groß, numerisch e i n Wesen oder drei in Einem seien, wie das von Trinitariern heute verstanden wird. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Lehre von der Dreieinigkeit, wie diese Väter sie darstellten, war grundlegend verschieden von der heutigen Lehre. Das erklären wir für eine unwiderlegbare Tatsache wie jede andere Tatsache in der Entwicklung menschlicher Anschauungen.“32
Vor Tertullian war die Dreieinigkeit überhaupt noch nie erwähnt worden. Und Tertullians „heterodoxe“ Dreieinigkeit unterschied sich wesentlich von der, an die man heute glaubt. Wo entstand denn die heute geltende Dreieinigkeitslehre? Auf dem Konzil von Nizäa im Jahr 325 u. Z.? Diese Fragen werden im 4. Teil der Serie in einer künftigen Ausgabe des Wachtturms behandelt werden.
Quellenverzeichnis
1. Harry R. Boer, A Short History of the Early Church, 1976, Seite 110.
2. Martin Werner, The Formation of Christian Dogma, 1957, Seite 125.
3. R. P. C. Hanson, The Search for the Christian Doctrine of God, 1988, Seite 64.
4. Alvan Lamson, The Church of the First Three Centuries, 1869, Seite 70, 71.
5. Robert M. Grant, Gods and the One God, 1986, Seite 109, 156, 160.
6. The Formation of Christian Dogma, Seite 122, 125.
7. The International Standard Bible Encyclopedia, 1982, Band 2, Seite 513.
8. John Henry Kardinal Newman, Über die Entwicklung der Glaubenslehre, 1878?, Seite 16, 18.
9. Justinus, Dialog mit dem Juden Tryphon (Bibliothek der Kirchenväter, Band 33, Seite 212).
10. Frühchristliche Apologeten (Bibliothek der Kirchenväter, Band 12, Seite 134).
11. Justinus, Dialog mit dem Juden Tryphon (Bibliothek der Kirchenväter, Band 33, Seite 85, 87).
12. Frühchristliche Apologeten (Bibliothek der Kirchenväter, Band 12, Seite 70).
13. Bernhard Lohse, Epochen der Dogmengeschichte, 1963, Seite 51.
14. Über die Entwicklung der Glaubenslehre, Seite 21.
15. The Church of the First Three Centuries, Seite 73, 74, 76.
16. Clemens von Alexandria (Bibliothek der Kirchenväter, Band 7, Seite 282).
17. Ebd., Seite 268.
18. Ebd., Seite 269.
19. Ebd., Seite 270.
20. Ebd., Band 8, Seite 235.
21. Ebd.
22. Ebd., Band 20, Seite 12.
23. The Church of the First Three Centuries, Seite 124, 125.
24. Ebd., Seite 95.
25. Henry Chadwick, The Early Church, 1980 gedruckt, Seite 89.
26. Tertullians sämtliche Schriften, übersetzt von Dr. Karl Ad. Heinrich Kellner, 1882, Seite 78.
27. Ebd., Seite 520.
28. Ebd., Seite 69.
29. Über die Entwicklung der Glaubenslehre, Seite 19, 20.
30. The Church of the First Three Centuries, Seite 108, 109.
31. The Ante-Nicene Fathers, Band IV, Seite 560.
32. The Church of the First Three Centuries, Seite 75, 76.
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Klemens
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Tertullian
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