Kapitel 7
Verkündet den König und das Königreich! (1919—1941)
„Glaubt ihr, daß der König der Herrlichkeit seine Herrschaft begonnen hat? Dann zurück in das Feld, o ihr Söhne des höchsten Gottes! Umgürtet euch mit eurer Waffenrüstung! Seid besonnen, seid wachsam, seid tätig, seid tapfer! Seid treue und glaubensstarke Zeugen für den Herrn! Geht vorwärts in dem Kampfe, bis jede Spur Babylons wüst und öde gemacht ist! Verkündet die Botschaft weit und breit! Die Welt muß wissen, daß Jehova Gott ist und daß Jesus Christus König der Könige und Herr der Herren ist! Dies ist der Tag aller Tage. Seht, der König regiert! Ihr seid seine öffentlichen Verkündiger. Deshalb verkündet, verkündet, verkündet den König und sein Königreich.“
DIESER dramatische Aufruf zur Tätigkeit, den J. F. Rutherford 1922 auf dem internationalen Kongreß in Cedar Point (Ohio) ergehen ließ, hatte einen nachhaltigen Einfluß auf die Anwesenden. Die Bibelforscher gingen von diesem Kongreß mit dem brennenden Wunsch nach Hause, das Königreich zu verkünden. Doch nur wenige Jahre zuvor waren die Aussichten, öffentlich als Verkündiger des Königreiches zu dienen, düster gewesen. J. F. Rutherford und sieben seiner Gefährten waren im Gefängnis, und ihre künftige Rolle in der Organisation war ungewiß. Wie wurden diese Schwierigkeiten überwunden?
„Ich [weiß] etwas vom Gesetz der Loyalität“
Während Bruder Rutherford und seine Gefährten hinter Gittern saßen, war für die Zeit vom 2. bis 5. Januar 1919 in Pittsburgh (Pennsylvanien) ein Kongreß geplant. Aber es war kein Kongreß wie alle anderen — er wurde mit der Jahresversammlung der Watch Tower Society verbunden, die am Samstag, den 4. Januar 1919 stattfinden sollte. Bruder Rutherford war sich über die Wichtigkeit dieser Sitzung völlig im klaren. Am Samstagnachmittag suchte er Bruder Macmillan und fand ihn auf dem Tennisplatz des Gefängnisses. Nach Aussagen Macmillans spielte sich folgendes ab:
„Rutherford sagte: ‚Mac, ich möchte mit dir reden.‘
‚Worüber willst du mit mir reden?‘
‚Ich möchte mich mit dir darüber unterhalten, was in Pittsburgh los ist.‘
‚Ich möchte lieber erst dieses Turnier hier zu Ende spielen.‘
‚Interessierst du dich denn gar nicht für das, was dort los ist? Weißt du nicht, daß heute die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder gewählt werden? Man könnte dich übergehen und fallenlassen, und dann bleiben wir hier für immer.‘
‚Bruder Rutherford‘, erwiderte ich, ‚ich will dir etwas sagen, woran du vielleicht nicht gedacht hast. Dies ist das erste Mal, seitdem die Gesellschaft gesetzlich eingetragen ist, daß deutlich werden kann, wen Jehova Gott als Präsidenten haben möchte.‘
‚Was meinst du damit?‘
‚Damit meine ich, daß Bruder Russell die Stimmenmehrheit hatte und die verschiedenen geschäftsführenden Vorstandsmitglieder ernannte. Jetzt, da wir scheinbar nichts mehr ausrichten können, ist die Sache anders. Wenn wir jedoch früh genug herauskämen, um bei dem Kongreß an der Sitzung teilzunehmen, würden wir dort ankommen und Bruder Russells Platz mit derselben Ehre, die er empfing, einnehmen. Dann könnte es so aussehen, als wäre es nicht das Werk Gottes, sondern das eines Menschen.‘
Rutherford schaute nur nachdenklich und ging weg.“
An jenem Tag war in Pittsburgh eine aufregende Sitzung im Gange. „Eine Zeitlang herrschten Verwirrung und Uneinigkeit, und es wurde lebhaft debattiert“, erinnerte sich Sara C. Kaelin, die in der Pittsburgher Gegend aufgewachsen war. „Einige wollten die Sitzung um sechs Monate verschieben; andere meinten, es sei nicht legal, Männer zu wählen, die im Gefängnis säßen; wieder andere schlugen ganz neue geschäftsführende Vorstandsmitglieder vor.“
Nachdem man lange debattiert hatte, las W. F. Hudgings, der zum Vorstand der Peoples Pulpit Association (Volkskanzel-Vereinigung)a gehörte, der Zuhörerschaft einen Brief von Bruder Rutherford vor. Darin sandte er herzliche Grüße an die Anwesenden. „Satans hauptsächliche Waffen sind STOLZ, EHRGEIZ und FURCHT“, schrieb er warnend. Als Ausdruck seines Wunsches, sich dem Willen Jehovas zu fügen, schlug er sogar demütig geeignete Männer vor für den Fall, daß die Anteilseigner beschließen sollten, neue geschäftsführende Vorstandsmitglieder für die Gesellschaft zu wählen.
Die Debatte setzte sich noch eine Weile fort, und dann ergriff E. D. Sexton, der als Vorsitzender eines Ernennungskomitees berufen worden war, das Wort:
„Ich bin gerade angekommen. Mein Zug hatte wegen der schweren Schneefälle achtundvierzig Stunden Verspätung. Ich habe etwas zu sagen, und mir ist leichter, wenn ich es gleich sage. Meine lieben Brüder, wie die meisten unter euch habe auch ich mir Gedanken über das Für und Wider gemacht. ... Rechtlich steht nichts im Weg. Wenn wir unsere Brüder im Süden in irgendein Amt, das sie bekleiden können, wiederwählen möchten, so kann ich in keiner Weise erkennen — auch nicht nachdem ich mich [rechtlich] habe beraten lassen —, wie das die Lage ihres Falls vor dem Bundesgericht oder vor der Öffentlichkeit beeinträchtigen sollte.
Ich glaube, das größte Kompliment, das wir unserem lieben Bruder Rutherford machen können, besteht darin, ihn als Präsidenten der W[atch] T[ower] B[ible] & T[ract] Society wiederzuwählen. Ich denke nicht, daß in der Öffentlichkeit Unklarheiten über unseren Standpunkt in dieser Angelegenheit bestehen. Sollten unsere Brüder auf irgendeine Weise formell gegen ein Gesetz verstoßen haben, das sie nicht verstanden, so wissen wir doch, daß ihre Beweggründe gut waren. Und vor dem Allmächtigen haben sie sich weder gegen sein Gesetz noch gegen ein menschliches Gesetz vergangen. Wir können ihnen das größte Vertrauen dadurch bezeugen, daß wir Bruder Rutherford als Präsidenten der Vereinigung wiederwählen.
Ich bin kein Rechtsgelehrter, aber wenn es um die Legalität der Angelegenheit geht, so weiß ich etwas vom Gesetz der Loyalität. Loyalität ist das, was Gott verlangt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir unser Vertrauen besser bekunden könnten als durch eine Wahl, BEI DER WIR BRUDER RUTHERFORD ALS PRÄSIDENTEN WIEDERWÄHLEN.“
Bruder Sexton gab offenbar die Empfindungen der meisten Anwesenden wieder. Es wurden Kandidaten aufgestellt, eine Abstimmung fand statt, und J. F. Rutherford wurde zum Präsidenten gewählt, C. A. Wise zum Vizepräsidenten und W. E. Van Amburgh zum Schriftführer und Schatzmeister.
Am nächsten Tag klopfte Bruder Rutherford an die Wand von Macmillans Zelle und sagte: „Streck deine Hand aus.“ Darauf überreichte er Macmillan ein Telegramm, in dem stand, daß Rutherford zum Präsidenten wiedergewählt worden war. „Er war sehr glücklich“, erzählte Macmillan später, „die Gewißheit vor Augen zu haben, daß Jehova die Gesellschaft leitet.“
Die Wahl war vorbei, aber Bruder Rutherford und die sieben anderen waren immer noch im Gefängnis.
„Eine landesweite Agitation“ zugunsten der Gefangenen
„Während der vergangenen wenigen Wochen ist eine landesweite Agitation zugunsten dieser Brüder in Szene gesetzt worden“, hieß es im Wacht-Turm vom Juni 1919 (engl.: 1. April). Einige Zeitungen verlangten die Freilassung J. F. Rutherfords und seiner Gefährten. Überall in den Vereinigten Staaten bekundeten die Bibelforscher ihre Unterstützung, indem sie an Zeitungsredakteure, Kongreßabgeordnete, Senatoren und Gouverneure Briefe schrieben, in denen sie sie dringend baten, sich für die acht Gefangenen einzusetzen. Selbstverständlich würden die Bibelforscher nicht eher ruhen, bis ihre acht Brüder frei wären.
Im März 1919 war in den Vereinigten Staaten eine Petition in Umlauf, in der die Bibelforscher Präsident Woodrow Wilson baten, seinen Einfluß geltend zu machen, um für die inhaftierten Brüder folgendes zu erreichen:
„ERSTENS: völlige Begnadigung, sofern das derzeit möglich ist, ODER
ZWEITENS: eine Anordnung an das Justizministerium, das Strafverfahren gegen sie einzustellen und sie freizulassen, ODER
DRITTENS: sofortige Entlassung aus der Haft gegen eine Kaution bis zur Fällung eines Endurteils durch eine höhere Instanz.“
Innerhalb von zwei Wochen sammelten die Bibelforscher 700 000 Unterschriften. Die Petition wurde dem Präsidenten beziehungsweise der Regierung allerdings nie vorgelegt. Warum nicht? Weil die acht Männer, ehe es dazu kam, gegen eine Kaution freigelassen wurden. Was wurde dennoch durch die Petition erreicht? Der Wacht-Turm vom 1. Juli 1919 (engl.) schrieb: „Die Beweise sind überwältigend, daß der Herr dieses Werk getan haben wollte, nicht so sehr, um die Brüder aus dem Gefängnis freizubekommen, sondern damit ein Zeugnis für die Wahrheit abgelegt werde.“
„Willkommen zu Hause, Brüder!“
Am Dienstag, den 25. März verließen die acht Brüder Atlanta in Richtung Brooklyn. Die Nachricht von ihrer Freilassung verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Es kam zu rührenden Szenen — Bibelforscher versammelten sich an Bahnhöfen entlang der Strecke in der Hoffnung, sie zu sehen und ihre Freude über die Freilassung zum Ausdruck zu bringen. Andere eilten zu dem geschlossenen Bethelheim in Brooklyn, um zur Begrüßung ein Festessen vorzubereiten. Nach der Ankunft in Brooklyn am 26. März wurden die Brüder gegen eine Kaution von je 10 000 Dollar auf freien Fuß gesetzt.
„Unmittelbar darnach wurden die Brüder von einer Anzahl Freunde zum Bethel-Heime begleitet, wo sich fünf- bis sechshundert Freunde versammelt hatten, um sie zu begrüßen“, berichtete Der Wacht-Turm von Juli/August 1919. Im Speisesaal war auf einem großen Spruchband zu lesen: „Willkommen zu Hause, Brüder!“ Fast 50 Jahre später erzählte Mabel Haslett, die bei dem Begrüßungsessen dabei war: „Ich kann mich erinnern, daß ich hundert Krapfen gebacken hatte, die den Brüdern nach neun Monaten Gefängniskost anscheinend schmeckten. Ich sehe noch vor mir, wie Bruder Rutherford zulangte. Wir werden nie vergessen, wie er und die anderen ihre Erlebnisse erzählten. Ich weiß auch noch, wie der kleingewachsene Bruder DeCecca sich auf einen Stuhl stellte, damit ihn alle sehen und hören konnten.“
Am Dienstag, den 1. April traf Bruder Rutherford vormittags in Pittsburgh ein, wo sich nun das Hauptbüro befand. Auch hier hatten die Brüder, als sie von seiner baldigen Ankunft erfuhren, ein Festessen geplant, das am Abend im Hotel Chatham stattfand. Die Zustände im Gefängnis hatten jedoch an Bruder Rutherfords Gesundheit gezehrt. Er hatte sich ein Lungenleiden zugezogen, das an seinen Kräften zehrte, und bekam deswegen nach seiner Freilassung eine schwere Lungenentzündung. Daher mußte er kurze Zeit später wegen seiner angegriffenen Gesundheit nach Kalifornien gehen, wo er Verwandte hatte.
Der Test in Los Angeles
Jetzt, wo Bruder Rutherford und die anderen frei waren, erhob sich die Frage: Was soll im Werk der Verkündigung des Königreiches Gottes getan werden? Während der Zeit, als die Brüder im Gefängnis waren, war die organisatorische Aufsicht über die Zeugnistätigkeit erlahmt. Man hatte das „Brooklyn Tabernacle“ verkauft und das Bethelheim geschlossen. Im Hauptbüro in Pittsburgh war der Platz beengt, und die Geldmittel waren begrenzt. Abgesehen davon war es ungewiß, wieviel Interesse überhaupt an der Königreichsbotschaft bestand. Bruder Rutherford beschloß, in Kalifornien einen Test durchzuführen.
Für Sonntag, den 4. Mai 1919, wurde eine Veranstaltung in Clune’s Auditorium in Los Angeles angesetzt. Das Thema des Vortrags, zu dem die Öffentlichkeit eingeladen war, lautete: „Die Hoffnung für die bedrängte Menschheit“. Doch die Ansprache sollte von J. F. Rutherford gehalten werden — ein Mann, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden war. In zahlreichen Zeitungsanzeigen versprach Rutherford, die Fakten offenzulegen und zu erklären, warum die Geschäftsführung der Gesellschaft widerrechtlich verurteilt worden war. Würden die Leute überhaupt so viel Interesse haben zu kommen?
Der Andrang war gewaltig. 3 500 Personen hörten sich den Vortrag an, und etwa 600 konnten nicht mehr eingelassen werden. Bruder Rutherford war überglücklich. Er erklärte sich bereit, am Montagabend zu den übrigen zu sprechen, und es erschienen 1 500 Personen. Er war allerdings so krank, daß er den Vortrag nicht zu Ende halten konnte. Nach einer Stunde mußte er von einem Mitarbeiter abgelöst werden. Dennoch war der Test in Los Angeles ein Erfolg. Bruder Rutherford war überzeugt, daß beträchtliches Interesse an der Königreichsbotschaft bestand, und er war entschlossen, dafür zu sorgen, daß sie verkündigt wurde.
Voran mit dem Werk!
Im Juli 1919 war Bruder Rutherford im Hauptbüro in Pittsburgh wieder an der Arbeit. In den nächsten paar Monaten überschlugen sich die Ereignisse. Es wurde ein Kongreß der Bibelforscher für die Zeit vom 1. bis 8. September 1919 in Cedar Point (Ohio) geplant. Das Büro der Gesellschaft wurde nach Brooklyn zurückverlegt und nahm dort am 1. Oktober seine Tätigkeit auf.
Was war jetzt zu tun? Das wurde auf dem Kongreß in Cedar Point deutlich hervorgehoben. Am Dienstag, den 2. September erklärte Bruder Rutherford: „Der Auftrag eines Christen auf Erden ... ist, die Botschaft zu verkündigen von des Herrn Königreich der Gerechtigkeit, das der gesamten seufzenden Schöpfung Segnungen bringen wird.“ Drei Tage später, am Freitag, den 5. September, dem sogenannten „Mitarbeiter-Tag“, führte Bruder Rutherford weiter aus: „In besinnlichen Momenten fragt sich ein Christ natürlich: Wozu bin ich auf der Erde? Die Antwort muß notwendigerweise sein: Der Herr hat mich aus Gnaden zu seinem Gesandten gemacht, um der Welt die göttliche Botschaft von der Versöhnung zu bringen, und es ist mein Vorrecht und meine Pflicht, diese Botschaft zu verkünden.“
Ja, es war Zeit, das Werk der Verkündigung des Königreiches Gottes voranzutreiben! Und als Hilfe, um diesen Auftrag auszuführen, kündigte Bruder Rutherford an: „Wir [haben] unter des Herrn Führung die Veröffentlichung einer neuen Zeitschrift unter dem Namen und Titel DAS GOLDENE ZEITALTER angeordnet.“ Die Kongreßbesucher ahnten nicht, was für mutige Botschaften Das Goldene Zeitalter enthalten würde.
„Dieser erste Nachkriegskongreß gab uns allen großen Auftrieb“, erinnerte sich Herman L. Philbrick, der von seinem Zuhause in Boston (Massachusetts) zu dem Kongreß gereist war. Der Kongreß in Cedar Point spornte die Bibelforscher bestimmt zur Tat an. Sie waren bereit, das Werk der Verkündigung der guten Botschaft voranzutreiben. Es war, als wären sie von den Toten zum Leben zurückgekehrt. (Vergleiche Hesekiel 37:1-14; Offenbarung 11:11, 12.)
Unterdessen trugen sich auf der Weltbühne bedeutsame Ereignisse zu. Der Versailler Vertrag wurde am 28. Juni 1919 unterzeichnet und trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Der Vertrag beendete offiziell die militärischen Handlungen gegen Deutschland im Ersten Weltkrieg und sah die Gründung des Völkerbundes vor — ein internationaler Zusammenschluß zur Erhaltung des Weltfriedens.
„Verkündet den König und das Königreich“
Im Jahre 1922 gingen die Bibelforscher erneut nach Cedar Point, wo ein neuntägiges Programm stattfinden sollte — vom 5. bis 13. September. Unter den Delegierten, die zu diesem internationalen Kongreß kamen, herrschte gespannte Erwartung. Der Höhepunkt des Kongresses wurde am Freitag, den 8. September erreicht, als Bruder Rutherford die Ansprache „Das Königreich“ hielt.
Thomas J. Sullivan erzählte später: „Wer bei dieser Zusammenkunft damals mit dabeisein durfte, sieht immer noch Bruder Rutherford vor sich, wie er den paar Unruhigen, die wegen der großen Hitze umherliefen, ernstlich riet, sich ‚HINZUSETZEN‘ und der Ansprache auf jeden Fall ‚ZUZUHÖREN‘.“ Wer das tat, wurde nicht enttäuscht, denn es handelte sich um den historischen Vortrag, in dem Bruder Rutherford seine Zuhörer aufforderte, den König und das Königreich zu verkünden.
Die Zuhörerschaft zeigte große Begeisterung. Der Wacht-Turm berichtete: „Ein jeder der Anwesenden war gründlich durchdrungen von der Tatsache, daß einem jeden der Geweihten von dieser Zeit an die Verpflichtung auferlegt ist, als öffentlicher Verkündiger für den König und das Königreich tätig zu sein.“ Die Bibelforscher gingen von diesem Kongreß mit einem glühenden Eifer für das Predigtwerk nach Hause. Schwester Ethel Bennecoff, eine Kolporteurin, die damals Ende Zwanzig war, sagte: „Wir waren wachgerüttelt worden durch die Worte: ‚Verkündet, verkündet, verkündet den König und sein Königreich‘, und das wollten wir mit größerem Eifer und mehr Liebe in unserem Herzen als je zuvor tun.“
Während das geistige Licht des Verständnisses heller wurde, begannen die Bibelforscher, begeisternde biblische Wahrheiten zu erkennen (Spr. 4:18). Das Verständnis dieser kostbaren Wahrheiten verlieh ihrem Werk der Verkündigung des Königreiches Gottes starken Auftrieb. Gleichzeitig mußten sie ihre Ansichten berichtigen — und für einige war das eine echte Prüfung.
„Unerfüllte Hoffnungen [kennzeichnen] nicht nur unsere Zeit“
In der Broschüre Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben hieß es 1920: „Daher können wir vertrauensvoll erwarten, daß mit 1925 die Rückkehr Abrahams, Isaaks, Jakobs und der glaubenstreuen Propheten des alten Bundes [von den Toten] eintreten wird ... zu dem Zustande menschlicher Vollkommenheit.“ Man erwartete 1925 nicht nur die Auferstehung treuer Männer aus alter Zeit, sondern manch einer hoffte, daß gesalbte Christen in jenem Jahr ihren himmlischen Lohn erhalten würden.b
Das Jahr 1925 kam und ging. Einige ließen ihre Hoffnung fahren. Aber die große Mehrheit der Bibelforscher blieb treu. Herald Toutjian, dessen Großeltern um die Jahrhundertwende Bibelforscher geworden waren, erklärte: „Unsere Familie erkannte schließlich, daß unerfüllte Hoffnungen nicht nur unsere Zeit kennzeichnen. Auch die Apostel hatten ähnliche unangebrachte Erwartungen gehegt. ... Jehova [ist] unseres loyalen Dienstes und unseres Lobpreises würdig ..., ob wir belohnt werden oder nicht.“ (Vergleiche Apostelgeschichte 1:6, 7.)
Jehovas oder Satans Organisation?
„Die Geburt der Nation“ — so lautete die Überschrift eines aufsehenerregenden Artikels in der Ausgabe des Wacht-Turms vom 15. April 1925. Er vermittelte ein fortgeschrittenes Verständnis von Offenbarung, Kapitel 12, das einige nur schwer akzeptieren konnten.
Die symbolischen Figuren aus diesem Kapitel der Offenbarung wurden wie folgt erklärt: das gebärende „Weib“ (V. 1, 2) als „Gottes [himmlische] Organisation“, der „Drache“ (V. 3) als „die Organisation des Teufels“ und der „männliche Sohn“ (V. 5, Elberfelder Bibel [EB]) als „das neue Königreich, die neue Regierung“. Auf dieser Grundlage wurde folgendes zum erstenmal deutlich erklärt: Es gibt zwei verschiedenartige, gegensätzliche Organisationen — die Organisation Jehovas und die Satans. Und nach dem „Kampf in dem Himmel“ (V. 7, EB) wurden Satan und seine Unterstützer, die Dämonen, aus dem Himmel verstoßen und zur Erde hinabgeschleudert.
„Wir setzten uns hin und studierten bis tief in die Nacht hinein, bis ich es richtig verstand“, schrieb Earl E. Newell, der später als reisender Beauftragter der Watch Tower Society diente. „Wir gingen zu einem Kongreß in Portland (Oregon), und dort fanden wir die Freunde ganz aufgeregt vor; einige waren drauf und dran, sich wegen dieses Artikels vom Wacht-Turm zu distanzieren.“ Warum konnten manche diese Erklärung von Offenbarung, Kapitel 12 nur schwer akzeptieren?
Sie wich auffallend von dem ab, was im Vollendeten Geheimnis veröffentlicht worden war, das größtenteils eine postume Zusammenstellung dessen war, was Bruder Russell geschrieben hatte.c Walter J. Thorn, der als Pilgerbruder diente, erklärte: „Der Artikel über die ‚Geburt der Nation‘ war ... schwer zu begreifen wegen einer früheren Auslegung des lieben Bruders Russell, von der wir glaubten, daß damit das letzte Wort über die Offenbarung gesprochen war.“ Kein Wunder also, daß einige über die Erklärung stolperten. „Zweifellos könnte sich diese Auslegung als Mittel der Sichtung erweisen“, meinte J. A. Bohnet, ein anderer Pilgerbruder, „aber die wirklich Ehrlichen und Aufrichtigen im Glauben werden feststehen und sich freuen.“
Ja, die wirklich Ehrlichen und Aufrichtigen freuten sich über die neue Erklärung. Jetzt war für sie ganz klar: Jeder gehört entweder zu der Organisation Jehovas oder zu der Satans. In dem Artikel „Die Geburt der Nation“ hieß es: „Denkt daran, daß es unser Vorrecht sein wird, ... tapfer für die Sache unseres Königs zu kämpfen durch die Verkündigung seiner Botschaft, welche er uns gegeben hat.“
Im weiteren Verlauf der 20er Jahre und in den 30er Jahren folgten mehr Lichtstrahlen biblischen Verständnisses. Weltliche Feste und Feiertage, wie zum Beispiel Weihnachten, wurden nicht mehr begangen. Auch wurden andere Bräuche und Glaubensansichten abgelegt, als man erkannte, daß sie gottentehrende Wurzeln hatten.d Doch die Bibelforscher gaben nicht nur verkehrte Bräuche und Glaubensansichten auf, sondern blickten auch zu Jehova auf, um von ihm fortschreitende Offenbarungen der Wahrheit zu erhalten.
„Ihr seid meine Zeugen“
„ ‚Ihr seid meine Zeugen‘, ist der Ausspruch Jehovas, ‚und ich bin Gott‘ “ (Jes. 43:12). Beginnend mit den 20er Jahren, wurden sich die Bibelforscher zunehmend der tiefen Bedeutung dieser Worte des Propheten Jesaja bewußt. Durch den Wacht-Turm wurde wiederholt die Aufmerksamkeit auf die Verantwortung gelenkt, für Jehovas Namen und sein Königreich Zeugnis abzulegen. Ein Meilenstein war jedoch ein Kongreß, der 1931 in Columbus (Ohio) abgehalten wurde.
Am Sonntag, den 26. Juli hielt Bruder Rutherford mittags den öffentlichen Vortrag „Das Königreich — die Hoffnung der Welt“, der in einer riesigen Gemeinschaftssendung des Rundfunks ausgestrahlt und von mehr als 300 weiteren Stationen zu einem späteren Zeitpunkt gesendet wurde. Am Ende des Vortrags richtete Bruder Rutherford ernste Worte an die Christenheit, indem er eine scharfe Resolution mit dem Thema „Warnung von Jehova“ verlas, die sich „an die Herrscher und an das Volk“ wandte. Als er dazu aufforderte, die Resolution anzunehmen, erhoben sich alle Besucher und riefen: „Ja!“ Telegramme, die später eingingen, zeigten, daß viele Rundfunkhörer ebenfalls laut zugestimmt hatten.
Von 13 Uhr, als der öffentliche Vortrag zu Ende war, bis 16 Uhr, als Bruder Rutherford erneut vor das Publikum trat, war die Atmosphäre spannungsgeladen. Bruder Rutherford hatte ausdrücklich darum gebeten, daß jeder, der die mittags gegebene Warnung an die Christenheit mit echtem Interesse verfolgt habe, um 16 Uhr auf seinem Platz sein möge.
Pünktlich um 16 Uhr sagte Bruder Rutherford einleitend, er sei davon überzeugt, daß seine Ausführungen für jeden, der seine Stimme hören könne, außerordentlich wichtig seien. Seine Zuhörer saßen wie auf glühenden Kohlen. Während seines Vortrags brachte er eine weitere Resolution ein mit dem Thema „Ein neuer Name“, die in der Erklärung gipfelte: Wir „wünschen, unter folgendem Namen bekannt zu sein und also genannt zu werden: Jehovas Zeugen“. Wieder sprangen die Anwesenden begeistert auf und riefen laut: „Ja!“ Von nun an würden sie als Zeugen Jehovas bekannt sein!
„Jehovas Geist machte uns furchtlos“
Im Jahre 1927 wurde Jehovas Volk ermuntert, jeden Sonntag einige Zeit mit dem gruppenweisen Zeugnisgeben zu verbringen. Sofort unternahm man rechtliche Schritte gegen sie. Innerhalb weniger Jahre häufte sich die Zahl der Verhaftungen — 1933 waren es allein in den Vereinigten Staaten 268, 1934 waren es 340, 1935 kam es zu 478 Verhaftungen und 1936 zu 1 149. Was wurde ihnen zur Last gelegt? Man warf ihnen verschiedenes vor, zum Beispiel ohne Lizenz zu verkaufen, den Frieden zu stören und die Gesetze zur Einhaltung der Sonntagsruhe zu verletzen. Die verschiedenen Gruppen von Zeugen Jehovas hatten keine Erfahrung, wie man sich vor Polizeibeamten und vor Gericht verhält. An Ort und Stelle rechtliche Hilfe zu erhalten war entweder zu kostspielig oder nicht möglich, weil man auf Vorurteile stieß. Daher richtete die Watch Tower Society in Brooklyn klugerweise eine Rechtsabteilung mit beratender Funktion ein.
Eine starke rechtliche Defensive war jedoch nicht genug. Diese aufrichtigen Zeugen Jehovas waren entschlossen, gemäß dem Namen, den sie angenommen hatten, zu leben. So schlugen sie Anfang der 30er Jahre zurück, indem sie zur Offensive übergingen. Wie? Durch besondere Predigteinsätze, die als Divisionsfeldzüge bezeichnet wurden. Tausende von Freiwilligen wurden in den Vereinigten Staaten überall in Divisionen eingeteilt. Wenn Zeugen in einem Ort wegen des Predigens von Haus zu Haus verhaftet wurden, traf bald eine Division von Freiwilligen aus anderen Gegenden ein und „belagerte“ den Ort, indem sie dort gründlich Zeugnis ablegte.e
Diese Divisionsfeldzüge trugen sehr dazu bei, die Zeugen in den verschiedenen Versammlungen zu stärken. In jeder Division gab es qualifizierte Brüder, die im Umgang mit den Behörden geschult worden waren. Für die Brüder, die in einem Unruheherd, vielleicht in einer kleinen Ortschaft, wohnten, war es eine große Ermunterung, zu wissen, daß sie in der Verkündigung des Königreiches Gottes nicht allein dastanden.
Es gehörte eine Portion Mut dazu, an den Divisionsfeldzügen der 30er Jahre teilzunehmen. Mitten in der Weltwirtschaftskrise waren die Arbeitsplätze knapp. Doch Nicholas Kovalak jr., rund 40 Jahre reisender Aufseher, erinnert sich: „Wenn der Aufruf erging, einen Unruheherd zu bearbeiten, fragte der ‚Dienstleiter‘ nach Freiwilligen. Wer Angst hatte, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wurde aufgefordert, sich nicht zu melden. ... Aber wir waren immer glücklich, zu sehen, daß 100 Prozent bereit waren.“ John Dulchinos, ein Aufseher aus Springfield (Massachusetts), sagte: „Das waren aufregende Jahre, und die Erinnerungen daran sind für uns kostbar. Jehovas Geist machte uns furchtlos.“
Inzwischen wurde ein Lichtstrahl biblischen Verständnisses erkennbar, der auf das Werk eine gewaltige Wirkung haben sollte.
Die Jonadabe
Im Jahre 1932 wurde erklärt, daß Jonadab, der Gefährte König Jehus, eine Klasse von Menschen darstelle, die ewiges Leben auf der Erde erhalten würdenf (2. Kö. 10:15-28). Die Jonadabe, wie sie mit der Zeit genannt wurden, betrachteten es als Vorrecht, mit den gesalbten Dienern Jehovas verbunden zu sein und mit ihnen einen Anteil am Verkünden des Königreiches zu haben. Damals wurden allerdings keine besonderen Anstrengungen unternommen, diese Personen, die eine irdische Hoffnung hatten, einzusammeln und zu organisieren.
Durch den Wachtturm vom 15. September 1934 erhielten die Jonadabe jedoch eine echte Ermunterung. In dem Artikel „Seine Güte“ hieß es: „Sollte sich ein Jonadab dem Herrn weihen und sich taufen lassen? Antwort: Ganz gewiß ist es richtig, daß ein Jonadab sich weihe, den Willen Gottes zu tun. Niemand wird je Leben erlangen, ohne dies zu tun. Die Taufe oder das Untergetauchtwerden im Wasser ist lediglich ein Sinnbild, das anzeigt, daß einer sich Gott geweiht hat [oder hingegeben hat, wie wir heute sagen], seinen Willen zu tun; und daher ist eine Taufe nicht unangebracht.“ Die Jonadabe waren begeistert!
Es stand ihnen aber eine noch größere Freude bevor. Im darauffolgenden Frühjahr wurde im Wachtturm (engl.), beginnend mit der Ausgabe vom 1. April 1935, mehrmals angekündigt: „Wieder weist Der Wachtturm seine Leser darauf hin, daß vom 30. Mai bis 3. Juni 1935 in Washington (D. C.) ein Kongreß der Zeugen Jehovas und der Jonadabeg stattfinden wird.“ Die Jonadabe sahen dem Kongreß gespannt entgegen.
Die in Offenbarung 7:9-17 (Lu) vorhergesagte „große Schar“ war Gegenstand einer Ansprache, die Bruder Rutherford am Nachmittag des zweiten Kongreßtages hielt. In diesem Vortrag erklärte er, daß die große Schar aus neuzeitlichen Jonadaben bestehe und daß diese Jonadabe Jehova in dem gleichen Maße treu sein müßten wie die Gesalbten. Die Zuhörer waren ganz aufgeregt! Auf die Bitte des Redners hin erhoben sich die Jonadabe. „Zuerst herrschte Stille“, erzählte Mildred Cobb, die im Sommer 1908 getauft worden war, „und dann gab es Freudenrufe, und der Beifall war laut und anhaltend.“
Dieser Lichtstrahl biblischen Verständnisses hatte großen Einfluß auf die Tätigkeit der Zeugen Jehovas. „Mit großer Begeisterung“, so Sadie Carpenter (die über 60 Jahre im Vollzeitdienst stand), „gingen wir in unsere Gebiete zurück, um nach diesen schafähnlichen Menschen zu suchen, die noch eingesammelt werden mußten.“ Später wurde im Jahrbuch 1936 der Zeugen Jehovas (engl.) berichtet: „Diese Offenbarung rüttelte die Geschwister wach und spornte sie zu neuer Tätigkeit an, und aus allen Erdteilen wird berichtet, wie man sich darüber freut, daß der Überrest nun das Vorrecht hat, der großen Volksmenge die Botschaft zu bringen, und daß sie gemeinsam zur Ehre des Namens des Herrn tätig sind.“ Um ihnen in diesem Werk zu helfen, brachte das Buch Reichtum, das 1936 erschien, eine eingehende Abhandlung darüber, was die Heilige Schrift der großen Volksmenge in Aussicht stellt.
Endlich hatten die Gott hingegebenen und getauften Glieder der großen Volksmenge ihren rechten Platz neben den Gesalbten im Verkünden des Königreiches Gottes gefunden!
„Der alten Dame das Fell gerben“
In den 30er Jahren enthielt die Botschaft, die diese eifrigen Zeugen verkündigten, eine scharfe Bloßstellung der falschen Religion. Ein Hilfsmittel dafür wurde auf der allgemeinen Hauptversammlung der Zeugen Jehovas freigegeben, die vom 15. bis 20. September 1937 in Columbus (Ohio) stattfand.
Am Samstag, den 18. September gab Bruder Rutherford nach seiner morgendlichen Ansprache das lohfarbene Buch Feinde frei. Darin wurde die falsche Religion als „gefährlicher Feind“ gebrandmarkt, der „der Menschheit stets Schaden gebracht“ hat. Vertreter der falschen Religion wurden als „Werkzeuge des Teufels“ bezeichnet, „ob sie sich nun dessen bewußt seien oder nicht“. Als Bruder Rutherford den Anwesenden das Buch zeigte, sagte er: „Wie ihr seht, ist sein Einband lohfarben, und wir werden damit der alten Dameh das Fell gerben.“ Auf diese Worte folgte brausender Beifall.
Einige Jahre hatte das Grammophon eine Rolle dabei gespielt, „der alten Dame das Fell zu gerben“. Damit in Verbindung gab es auf dem Kongreß von 1937 eine Überraschung. „Auf diesem Kongreß wurde uns erklärt, wie wir das tragbare Grammophon vor den Türen verwenden konnten“, erzählt Elwood Lunstrum, der damals erst 12 Jahre alt war. „Wir hatten zwar schon früher das Grammophon mit in den Dienst genommen, hatten es aber nur abspielen lassen, wenn wir hereingebeten wurden. ... Auf dem Kongreß in Columbus wurde eine Organisation von ‚Sonderpionieren‘ umrissen, die in der Verwendung des Grammophons an den Türen und in der Nacharbeit bei interessierten Personen (damals zum erstenmal ‚Nachbesuche‘ genannt) und in der Durchführung von Bibelstudien mit Hilfe des sogenannten ‚Musterstudiums‘ führend vorangehen sollten.“
Jehovas Volk war nach diesem Kongreß gut ausgerüstet für das Werk der Verkündigung des Königreiches Gottes. Es brauchte gewiß soviel Ermunterung wie nur möglich. Die anschwellende Woge des Nationalismus in den 30er Jahren brachte Widerstand mit sich — manchmal in Form von Pöbelangriffen —, hinter dem Personen standen, die Jehovas Zeugen am Zusammenkommen und Predigen hindern wollten.
„Eine Räuberbande“
Starker Widerstand kam von gewissen Gruppen der Katholischen Aktion. Am 2. Oktober 1938 nahm Bruder Rutherford kein Blatt vor den Mund, als er den Vortrag „Faschismus oder Freiheit“ hielt, der später als Broschüre herauskam, von der Millionen Exemplare verbreitet wurden. Bruder Rutherford ging in seiner Ansprache auf eine Reihe gesetzwidriger Vorkommnisse ein, um das abgekartete Spiel zwischen bestimmten Beamten und Vertretern der katholischen Kirche aufzuzeigen.
Nachdem Rutherford die Fakten geschildert hatte, fuhr er fort: „Wenn den Menschen Tatsachen über eine Gruppe gesagt werden, die ihnen unter dem Deckmantel der Religion ihre Rechte stiehlt, jammert die Hierarchie und sagt: ‚Lügen! Stopft ihnen den Mund, und laßt sie nicht mehr reden!‘ “ Darauf fragte er: „Ist es verkehrt, über eine Räuberbande, die die Menschen bestiehlt, die Wahrheit zu veröffentlichen? Nein! ... Soll ehrlichen Leuten der Mund gestopft, sollen sie zum Schweigen gezwungen werden, während diese Räuberbande dem Volk seine Freiheit nimmt? Und vor allem andern, sollen den Menschen die ihnen von Gott verliehenen Rechte entzogen werden, nämlich friedlich zusammenzukommen, dem Allmächtigen ungehindert zu dienen und über sein Königreich und dessen Gegner zu sprechen?“
Nach diesem scharfen Tadel setzten Gruppen der Katholischen Aktion ihre Anfeindungen überall in den Vereinigten Staaten fort. Jehovas Zeugen kämpften vor Gericht für die Religionsfreiheit und ihr Recht, Gottes Königreich zu verkündigen. Aber die Lage wurde nur noch schlimmer, als die Welt in den Krieg zog. Gesetzliche Beschränkungen und Verhaftungen trafen Jehovas Zeugen auch in Europa, Afrika und Asien — in einem Land nach dem anderen.
„Alle [wollten] nach St. Louis gehen“
„Wir alle sahen 1941 kritische Zeiten auf uns zukommen“, erzählt Norman Larson, der damals gerade den Vollzeitdienst aufgenommen hatte, „da in Europa Krieg geführt wurde. Deshalb wollten alle nach St. Louis gehen.“ Was war geplant? Vom 6. bis 10. August 1941 sollte der „Theokratische Kongreß“ der Zeugen Jehovas in St. Louis (Missouri) stattfinden. Und „alle“ kamen. Das Kongreßgelände war überfüllt. Nach einer Schätzung der Polizei wurde eine noch nie dagewesene Zahl von 115 000 Besuchern erreicht.
Vom ersten Tag an bot das Kongreßprogramm zeitgemäße Ermunterung. In seiner Eröffnungsansprache mit dem Thema „Lauterkeit“ verkündete Bruder Rutherford den Schlüsselgedanken des Kongresses. „Deutlicher denn je verstanden wir, warum Jehova eine derart heftige Verfolgung seines Volkes auf der ganzen Erde zuließ“, erzählte Hazel Burford, die bis zu ihrem Tod im Jahre 1983 fast 40 Jahre als Missionarin diente. Das Jahrbuch 1942 der Zeugen Jehovas (engl.) berichtete außerdem über den Kongreß: „Alle konnten deutlich erkennen, daß ein großes Zeugniswerk vor ihnen lag und daß sie durch ihre Teilnahme daran ihre Lauterkeit bewahren würden, wenn sie auch von allen Menschen und weltlichen Organisationen gehaßt würden.“
Eine rührende Szene auf dem Kongreß trug sich am Sonntag, den 10. August, dem „Tag der Kinder“, zu. Als das Vormittagsprogramm begann, hatten sich 15 000 Kinder und Jugendliche — im Alter von 5 bis 18 Jahren — in der Stadionmitte direkt vor der Bühne versammelt sowie auf reservierten Plätzen auf einem riesigen Campingplatz, wo eine weitere Menschenmenge zuhörte. Als Bruder Rutherford, damals Anfang 70, die Bühne betrat, jubelten und klatschten die Kinder. Er winkte mit seinem Taschentuch, und die Kinder winkten zurück. Dann sprach er mit klarer, freundlicher Stimme zur gesamten Zuhörerschaft über das Thema „Kinder des Königs“. Nachdem er über eine Stunde zu allen Anwesenden geredet hatte, wandte er sich an die Kinder in den reservierten Sektoren.
„Ihr alle ... Kinder“, sagte er und schaute auf die strahlenden Gesichter vor sich, „die ihr euch bereit erklärt habt, den Willen Gottes zu tun, und die ihr eure Stellung auf der Seite der theokratischen Herrschaft unter Christus Jesus bezogen habt und die ihr Gott und seinem König gehorchen wollt, steht bitte auf!“ Die Kinder erhoben sich wie e i n Mann. „Seht“, rief der Redner voller Freude, „mehr als 15 000 neue Zeugen für das Königreich!“ Stürmischer Beifall brach los. „Ihr alle, die ihr euer möglichstes tun werdet, anderen von Gottes Königreich und den damit verbundenen Segnungen zu erzählen, sagt bitte ja!“ Darauf ertönte ein donnerndes „Ja!“
Als Höhepunkt verkündete Bruder Rutherford die Freigabe des neuen Buches Kinder, was mit Freudenrufen und gewaltigem Applaus aufgenommen wurde. Danach beteiligte sich der Redner, ein hochgewachsener Mann, an der Verteilung kostenloser Exemplare des Buches, während eine lange Schlange Kinder auf die Bühne stieg und ein Kind nach dem andern an ihm vorbeiging. Vielen kamen bei dem Anblick die Tränen.
In der Zuhörerschaft befanden sich an jenem Sonntagmorgen viele Kinder, die ihrem „Ja!“-Ruf entsprechend lebten. LaVonne Krebs, Merton Campbell und Eugene und Camilla Rosam gehörten zu den Kindern, die bei dieser Gelegenheit das Buch Kinder erhielten. 1992 dienten sie immer noch im Hauptbüro der Gesellschaft und hatten bereits 51, 49, 49 beziehungsweise 48 Jahre im Vollzeitdienst eingesetzt. Einige der Kinder gingen später als Missionare ins Ausland, darunter Eldon Deane (Bolivien), Richard und Peggy Kelsey (Deutschland), Ramon Templeton (Deutschland) und Jennie Klukowski (Brasilien). Das Programm am Sonntagvormittag in St. Louis hinterließ in vielen jungen Herzen einen bleibenden Eindruck!
Am Sonntagnachmittag richtete Bruder Rutherford einige Abschiedsworte an die Kongreßbesucher. Er ermunterte sie, das Werk der Verkündigung des Königreiches Gottes fortzusetzen. „Ich bin absolut sicher“, sagte er ihnen, „daß von nun an ... die Zahl derer, die die große Volksmenge bilden werden, sprunghaft ansteigen wird.“ Er forderte sie auf, nach ihrer Rückkehr in ihrer Wohngegend „die Tätigkeit anzukurbeln“ und „soviel Zeit wie möglich einzusetzen“. Dann folgten seine Schlußworte an die Zuhörerschaft: „Nun, meine lieben Brüder, der Herr segne euch! Ich will jetzt nicht Lebewohl sagen, denn ich hoffe, euch einmal wiederzusehen.“
Aber für viele war es das letzte Mal, daß sie Bruder Rutherford sahen.
Die letzten Tage J. F. Rutherfords
Bruder Rutherford hatte Dickdarmkrebs und war auf dem Kongreß in St. Louis in schlechter Verfassung. Dennoch schaffte er es, fünf kraftvolle Vorträge zu halten. Doch nach dem Kongreß verschlimmerte sich sein Zustand, und er mußte eine Kolostomie vornehmen lassen. Arthur Worsley erzählt über den Tag, als sich Bruder Rutherford von der Bethelfamilie verabschiedete: „Er vertraute uns an, daß er sich einer schweren Operation unterziehen werde und daß er, ob er sie überlebe oder nicht, zuversichtlich sei, daß wir weiterhin den Namen Jehovas verkündigen würden. Er ... sagte zum Schluß: ‚Wenn es Gottes Wille ist, werde ich euch wiedersehen. Wenn nicht, dann kämpft weiter.‘ Alle in der Familie hatten Tränen in den Augen.“
Der 72jährige Bruder Rutherford überlebte die Operation. Kurz darauf wurde er in ein Wohnhaus nach Kalifornien gebracht, das er Beth-Sarim genannt hatte. Seinen Angehörigen und den Ärzten war klar, daß er sich nicht mehr erholen würde. Ja, er mußte erneut operiert werden.
Etwa Mitte Dezember trafen Nathan H. Knorr, Frederick W. Franz und Hayden C. Covington aus Brooklyn ein. Hazel Burford, die Bruder Rutherford in diesen traurigen und schweren Tagen pflegte, berichtete später: „Sie blieben mehrere Tage bei ihm und besprachen den Jahresbericht für das Jahrbuch und andere organisatorische Angelegenheiten. Nach ihrer Abreise wurde Bruder Rutherford immer schwächer, und etwa drei Wochen später, am Donnerstag, dem 8. Januar 1942, beendete er seinen irdischen Lauf in Treue.“i
Wie wurde die Nachricht vom Tod Bruder Rutherfords im Bethel aufgenommen? „Ich werde den Tag nie vergessen, an dem wir von Bruder Rutherfords Ableben erfuhren“, erzählte William A. Elrod, der damals schon neun Jahre zur Bethelfamilie gehörte. „Es war mittags, als sich die Familie zum Essen versammelte. Die Mitteilung war kurz. Es wurden keine Reden gehalten. Niemand nahm sich den Tag frei, um zu trauern. Nein, wir gingen wieder in die Druckerei und arbeiteten härter denn je.“
Das waren äußerst schwere Zeiten für Jehovas Zeugen. Der Krieg hatte sich zu einem globalen Konflikt ausgeweitet. Die Kämpfe griffen von Europa auf Afrika und dann auf die Sowjetunion über. Am 7. Dezember 1941, nur einen Monat vor Bruder Rutherfords Tod, waren die Vereinigten Staaten durch den japanischen Angriff auf Pearl Harbor in den Krieg mit hineingezogen worden. Vielerorts wurden die Zeugen vom Pöbel angegriffen oder auf andere Weise heftig verfolgt.
Was würde nun geschehen?
[Fußnoten]
a Eine Körperschaft in New York, die 1909 in Verbindung mit dem Umzug des Hauptbüros der Gesellschaft nach Brooklyn (New York) gegründet wurde.
b Siehe Kapitel 28: „Prüfen und Sichten in den eigenen Reihen“.
c Nach der Auslegung im Vollendeten Geheimnis war das Weib aus Offenbarung, Kapitel 12 die „anfängliche Kirche“, der Drache war das „heidnische Römische Reich“ und der männliche Sohn das „Papsttum“.
d Siehe Kapitel 14: „ ,Sie sind kein Teil der Welt‘ “.
e Siehe Kapitel 30: „ ‘Verteidigung und gesetzliche Befestigung der guten Botschaft’ “.
f Rechtfertigung, Band 3, Seite 76. Siehe auch Kapitel 12: „Die große Volksmenge — Wird sie im Himmel oder auf der Erde leben?“
g Damals galten die Jonadabe nicht als „Zeugen Jehovas“. (Siehe Wachtturm, 15. September 1934, S. 282.) Ein paar Jahre später hieß es hingegen im Wachtturm vom 1. August 1942: „So werden diese ‚andern Schafe‘ [Jonadabe] Zeugen für ihn, gleichwie die treuen Menschen vor dem Tode Christi (von Johannes dem Täufer an zurück bis auf Abel), welche nie von ihrem Dienst als Zeugen für Jehova zurücktraten.“
h Eine Bezugnahme auf die „große Hure“ aus Offenbarung, Kapitel 17. In dem Buch Feinde hieß es: „Alle Organisationen auf der Erde, die gegen Gott und sein Königreich kämpfen, tragen ... den Namen ‚Babylon‘ und ‚Hure‘, und im besondern beziehen sich diese Namen auf die führende Religionsorganisation, die römisch-katholische Kirche“ (S. 194). Jahre später wurde erkannt, daß die Hure eigentlich das Weltreich aller falschen Religion darstellt.
i Bruder Rutherford hinterließ seine Frau Mary und ihren gemeinsamen Sohn Malcolm. Da Schwester Rutherford kränklich war und sie die Winter in New York (wo sich das Hauptbüro der Watch Tower Society befand) schwer ertragen konnte, wohnten sie und Malcolm in Südkalifornien, wo das Klima für ihre Gesundheit besser war. Schwester Rutherford starb am 17. Dezember 1962 im Alter von 93 Jahren. In der Todesanzeige, die in der Daily News-Post von Monrovia (Kalifornien) erschien, hieß es: „Bis sie wegen schlechter Gesundheit ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte, hatte sie regen Anteil an der religiösen Tätigkeit der Zeugen Jehovas.“
[Herausgestellter Text auf Seite 73]
„Satans hauptsächliche Waffen sind STOLZ, EHRGEIZ und FURCHT“
[Herausgestellter Text auf Seite 74]
„Die Gewißheit ..., daß Jehova die Gesellschaft leitet“
[Herausgestellter Text auf Seite 75]
Aus dem Gefängnis freigekommen — nicht so sehr um ihretwillen, „sondern damit ein Zeugnis für die Wahrheit abgelegt werde“
[Herausgestellter Text auf Seite 77]
„Der Auftrag eines Christen auf Erden ... ist, die Botschaft zu verkündigen von des Herrn Königreich“
[Herausgestellter Text auf Seite 78]
Das Königreich mit größerem Eifer und mehr Liebe als je zuvor verkünden
[Herausgestellter Text auf Seite 82]
Wir wünschen, als Jehovas Zeugen bekannt zu sein!
[Herausgestellter Text auf Seite 83]
Ja! Jonadabe sollten getauft werden.
[Herausgestellter Text auf Seite 84]
„Nach diesen schafähnlichen Menschen ... suchen, die noch eingesammelt werden mußten“
[Herausgestellter Text auf Seite 85]
Rutherford nahm gegenüber religiösen Gegnern kein Blatt vor den Mund
[Herausgestellter Text auf Seite 86]
15 000 Kinder beziehen für das Königreich Stellung
[Herausgestellter Text auf Seite 89]
„Wenn es Gottes Wille ist, werde ich euch wiedersehen. Wenn nicht, dann kämpft weiter.“
[Kasten/Bild auf Seite 76]
„Haus der Fürsten“
Bruder Rutherford litt nach der Freilassung aus seiner ungerechtfertigten Haft im Jahre 1919 an einer schweren Lungenentzündung. Danach hatte er nur noch einen gesunden Lungenflügel. Im Rahmen einer ärztlichen Behandlung ging er in den 20er Jahren nach San Diego (Kalifornien), und der Arzt riet ihm dringend, dort soviel Zeit wie möglich zu verbringen. Von 1929 an arbeitete Bruder Rutherford den Winter über in einem Wohnhaus in San Diego, das er Beth-Sarim genannt hatte. Der Bau Beth-Sarims wurde mit Geldern finanziert, die eine direkte Spende für diesen Zweck waren. Mit der im „Goldenen Zeitalter“ vom 19. März 1930 (engl.) im vollen Wortlaut veröffentlichten Urkunde wurde es J. F. Rutherford und später der Watch Tower Society übereignet.
In dem 1939 erschienenen Buch „Die Rettung“ heißt es über Beth-Sarim: „Die hebräischen Worte ‚Beth Sarim‘ bedeuten ‚Haus der Fürsten‘. Mit der Erwerbung des Grundstückes und dem Bau des Hauses wurde bezweckt, einen greifbaren Beweis zu schaffen, daß es heute Menschen auf Erden gibt, die völlig an Gott, an Christus Jesus und an sein [Gottes] Königreich glauben und auch glauben, daß der Herr die treuen Männer alter Zeiten bald auferwecken wird, so daß sie auf der Erde zurück sein werden und die sichtbaren Angelegenheiten der Erde in die Hand nehmen.“
Ein paar Jahre nach dem Tod Bruder Rutherfords beschloß der Vorstand der Watch Tower Society, Beth-Sarim zu verkaufen. Weshalb? Im „Wachtturm“ vom 15. April 1948 (engl.: 15. Dezember 1947) wurde erklärt, daß „es seinem Zweck völlig gedient habe und jetzt nur noch als ein Denkmal diene, das zu behalten ziemlich kostspielig sei. Unser Glaube an die Wiederkehr der Männer aus alter Zeit, die der König Christus Jesus auf der GANZEN Erde (und nicht nur in Kalifornien) zu Fürsten einsetzen wird, stützt sich nicht auf das Haus Beth-Sarim, sondern auf Gottes Verheißungswort.“ j
[Fußnote]
j Damals glaubte man, daß treue Männer der alten Zeit wie Abraham, Joseph und David in Erfüllung von Psalm 45:16 vor dem Ende des Systems der Dinge auferstehen und als „Fürsten auf der ganzen Erde“ dienen würden. Diese Ansicht wurde 1950 korrigiert, als weitere Nachforschungen in der Bibel ergaben, daß die irdischen Vorväter Jesu Christi nach Harmagedon auferweckt werden. (Siehe „Wachtturm“, 1. Januar 1951, S. 10–12.)
[Kasten/Bilder auf Seite 80, 81]
Die Königreichsbotschaft über Rundfunk ausgestrahlt
Es gab erst zwei Jahre ein regelmäßiges kommerzielles Hörfunkprogramm, als man sich bereits des Rundfunks bediente, um die Königreichsbotschaft zu übermitteln. Und so wurde am 26. Februar 1922 in Kalifornien Bruder Rutherfords erste Rundfunksendung ausgestrahlt. Zwei Jahre später, am 24. Februar 1924, wurde die Rundfunkstation WBBR der Watch Tower Society auf Staten Island (New York) in Betrieb genommen. Schließlich richtete die Gesellschaft weltweit Sendernetze ein, um Vorträge und andere biblische Sendungen auszustrahlen. 1933 strahlten 408 Stationen — die höchste Zahl, die je erreicht wurde — die Königreichsbotschaft in sechs Erdteilen aus!
[Bilder]
Die Station WBBR in New York wurde von der Watch Tower Society von 1924 bis 1957 betrieben
Das WBBR-Orchester im Jahre 1926
J. F. Rutherford hielt am 11. September 1938 in England den Vortrag „Schau den Tatsachen ins Auge“ in der Londoner Royal Albert Hall; der Saal war mit über 10 000 Zuhörern voll besetzt (unten), während Millionen über Rundfunk zuhörten
WBBR-Eröffnungsprogramm
Team der Station 2HD in Newcastle (Neusüdwales, Australien)
Die Rundfunkstation CHCY in Edmonton (Alberta) war eine der Stationen in Kanada, die der Gesellschaft gehörten und von ihr betrieben wurden
Von einer Rundfunkstation in Estland wurden Sendungen nach Finnland ausgestrahlt
Sendeanlage der Station WORD bei Chicago (Illinois), die der Gesellschaft gehörte und von ihr betrieben wurde
[Kasten/Bilder auf Seite 87]
Predigen mit Plattenspielern
Im Jahre 1933 begannen Jehovas Zeugen mit einer weiteren bahnbrechenden Predigtmethode. Man verwendete einen transportablen Plattenspieler mit Lautsprecheranlage, um Bruder Rutherfords Rundfunkvorträge auf Schallplatten (mit 33 1⁄3 Umdrehungen pro Minute) in Sälen, in Parks und auf öffentlichen Plätzen abzuspielen. Auch benutzte man Lautsprecherwagen und -boote, um die Königreichsbotschaft erschallen zu lassen.
Der wirkungsvolle Einsatz dieser Geräte führte zu einer weiteren Neuerung — dem Predigtdienst von Haus zu Haus mit einem leichten Grammophon. Von 1934 an stellte die Gesellschaft tragbare Grammophone her sowie eine Serie Schallplatten (mit 78 Umdrehungen pro Minute) mit 4 1⁄2minütigen biblischen Ansprachen. Schließlich verfügte man über Aufnahmen zu 92 verschiedenen Themen. Alles in allem stellte die Gesellschaft über 47 000 Grammophone zur Verbreitung der Königreichsbotschaft her. Mit der Zeit wurde jedoch mehr Wert auf die mündliche Darbietung der Königreichsbotschaft gelegt, so daß die Tätigkeit mit dem Grammophon langsam aufhörte.
[Bilder]
Wenn ein Lautsprecherwagen auf einem Hügel stand, konnte die Königreichsbotschaft meilenweit gehört werden (oben)
Die Verwendung eines Plattenspielers in Mexiko (rechts)
Ein Lautsprecherboot in England auf der Themse in London (oben)
Die Verwendung eines Grammophons im Predigtdienst (links)
Vorführung der Bedienung eines vertikal spielbaren Grammophons im Jahre 1940 (rechts)
[Bild auf Seite 79]
J. A. Bohnet
[Bild auf Seite 88]
Von 1917, als J. F. Rutherford Präsident wurde, bis 1941 stellte die Watch Tower Society eine Flut von Publikationen her — darunter 24 Bücher, 86 Broschüren und jedes Jahr ein „Jahrbuch“; hinzu kamen Artikel für den „Wachtturm“ und das „Goldene Zeitalter“ (später „Trost“ genannt)