Die Goldene Regel — Was besagt sie?
„ALSO ich lege mich mit den Leuten nicht an. Von mir aus können sie tun und lassen, was sie wollen. Sollte jemand in Schwierigkeiten geraten, würde ich natürlich helfen, wo ich kann.“ Ist das auch unsere Einstellung? Bei Katastrophen mag es — oft zur allgemeinen Überraschung — nicht an Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit fehlen. Aber genügt das?
Wer Kinder hat, wird ihnen bestimmt eingeschärft haben, ihre Spielkameraden nicht herauszufordern. Die Narben, die mancher seit seiner Kindheit hat, zeigen, daß es schmerzhafte Folgen haben kann, wenn man sich nicht an diese Anweisung hält. Ja, wir haben erfahren, wie weise folgende Lebensregel ist, die der orientalische Philosoph Konfuzius aufgestellt hat: „Was du nicht willst, daß man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.“ Ist uns jedoch bewußt, daß dies lediglich eine abgeschwächte, negative Version der sogenannten Goldenen Regel ist?
Eine positive Regel
Gemäß dem Deutschen Universalwörterbuch (Duden) wird die „Goldene Regel“ wie folgt definiert: „Grundregel für das rechte Handeln, nach Matth. 7, 12: ,Alles, was ihr wollt, daß euch die Menschen tun, sollt auch ihr ihnen tun‘.“ In dem Kasten am Fuß der Seite wird gezeigt, wie verschiedene Bibelübersetzungen Matthäus, Kapitel 7, Vers 12 wiedergeben und die Brillanz dieser Lebensregel erstrahlen lassen.
Man beachte, daß sich zwar die Worte von Übersetzung zu Übersetzung unterscheiden, aber die Regel immer aktiv ist. Schließlich hatte Jesus in der Bergpredigt zuvor schon gesagt: „Bittet fortwährend, und es wird euch gegeben werden; sucht unablässig, und ihr werdet finden; klopft immer wieder an, und es wird euch geöffnet werden. Denn jeder, der bittet, empfängt, und jeder, der sucht, findet, und jedem, der anklopft, wird geöffnet werden“ (Matthäus 7:7, 8). Bitten, Suchen und Anklopfen sind in jedem Fall aktive Handlungen. „Alles daher“, fuhr Jesus fort, „was ihr wollt, daß euch die Menschen tun, sollt auch ihr ihnen ebenso tun“ (Matthäus 7:12).
Die Bibel zeigt, daß auch Jesu Jünger dafür eintraten, nach dieser Regel zu leben (Römer 15:2; 1. Petrus 3:11; 3. Johannes 11). Leider bezeugt der gegenwärtige Zustand der zwischenmenschlichen Beziehungen, daß die meisten — ob nominelle Christen oder nicht — sie im großen und ganzen nicht befolgen. Bedeutet das, daß diese Verhaltensregel keine Gültigkeit mehr hat? Ist sie vielleicht überholt?
[Kasten auf Seite 3]
„Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ („Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift“).
„Alles nun, was immer ihr wollt, daß euch die Menschen tun sollen, also tut auch ihr ihnen“ („Elberfelder Bibel“).
„Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt“ („Die Bibel in heutigem Deutsch“).
„Was immer ihr von den Mitmenschen an guten Taten erwartet, das tut ihnen“ („Das Neue Testament“, übertragen von Jörg Zink).
„Wie ihr selbst in allem von den Menschen behandelt werden wollt, so behandelt sie auch“ („Fotobibel“).
„Alles nun, was ihr von den Menschen (= von anderen) erwartet, das erweist auch ihr ihnen ebenso“ („Die Heilige Schrift Alten u. Neuen Testaments“ von D. Dr. Hermann Menge).