In einer zerstrittenen Welt neutral bleiben
Zahlt Gottes Dinge Gott zurück (MAT. 22:21)
1. Wie können wir sowohl Gott als auch dem Staat gehorchen?
GOTTES WORT fordert uns auf, den Regierungen zu gehorchen. Gleichzeitig lehrt es aber auch, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen (Apg. 5:29; Tit. 3:1). Wie können wir diese scheinbar widersprüchlichen Anweisungen befolgen? Das Prinzip der relativen Unterordnung wirft Licht darauf. Jesus brachte dieses Prinzip mit den Worten auf den Punkt: „Zahlt daher Cäsars Dinge Cäsar zurück, Gottes Dinge aber Gott“ (Mat. 22:21).[1] Wie kommen wir Jesu Gebot nach? Indem wir die Gesetze des Staates befolgen, seine Vertreter respektieren und Steuern zahlen (Röm. 13:7). Fordert der Staat allerdings etwas, was Gott missfällt, verweigern wir respektvoll den Gehorsam.
2. Wie lassen wir erkennen, dass wir uns konsequent aus der Politik heraushalten?
2 Unter anderem zahlen wir Gott das zurück, was ihm rechtmäßig zusteht, wenn wir neutral bleiben und uns konsequent aus der Politik heraushalten (Jes. 2:4). Wir gehen daher weder gegen Regierungen vor, die Jehova ja duldet, noch unterstützen wir patriotische oder nationalistische Interessen (Röm. 13:1, 2). Wir versuchen nicht, Politiker zu beeinflussen oder die Regierung zu ändern. Außerdem gehen wir nicht wählen noch lassen wir uns wählen.
3. Warum müssen wir neutral bleiben?
3 Die Bibel enthält mehrere Gründe, warum Gott von uns erwartet neutral zu bleiben. Zum einen folgen wir den Lehren und dem Beispiel seines Sohnes, Jesus Christus, wenn wir „kein Teil der Welt“ sind und uns aus der Politik und den Kriegen heraushalten (Joh. 6:15; 17:16). Zum anderen bleiben wir dadurch treue Bürger von Gottes Königreich. Wie könnten wir sonst mit gutem Gewissen predigen, dass nur Gottes Königreich die Probleme der Menschheit lösen kann? Außerdem bleibt die Einheit in unserer internationalen Bruderschaft bewahrt. Die wahre Anbetung steht da im starken Kontrast zu den falschen Religionen, die sich in die Politik einmischen und so ihre Mitglieder voneinander trennen (1. Pet. 2:17).
4. (a) Woher wissen wir, dass es immer schwieriger werden wird, neutral zu bleiben? (b) Warum müssen wir uns schon jetzt darauf vorbereiten, weiterhin neutral zu bleiben?
4 Das politische Klima in unserem Land mag sich durch Stabilität und durch Toleranz gegenüber der wahren Anbetung auszeichnen. Doch je näher wir dem Ende von Satans System kommen, desto mehr wird das Thema Neutralität in den Brennpunkt rücken. Heute sind viele Menschen „für keine Übereinkunft zugänglich“ und „unbesonnen“. Die Fronten werden sich daher nach und nach verhärten und die Welt immer mehr zersplittern (2. Tim. 3:3, 4). In manchen Ländern hat sich das politische Klima schlagartig geändert, wodurch die Neutralität unserer Brüder bereits unerwartet auf die Probe gestellt wurde. Verstehen wir nun, warum es so wichtig ist, uns schon jetzt darauf vorzubereiten, in schwierigen Situationen neutral zu bleiben? Wenn wir nämlich warten, bis wir unter Druck geraten, könnten wir Zugeständnisse machen. Wie können wir uns also darauf vorbereiten, in einer zerstrittenen Welt weiterhin neutral zu bleiben? Dabei können uns vier Schlüssel behilflich sein.
DIE REGIERUNGEN SO BETRACHTEN WIE JEHOVA
5. Wie betrachtet Jehova die Regierungen?
5 Der erste Schlüssel, um neutral zu bleiben, ist, die politischen Systeme so zu sehen, wie Jehova sie sieht. Auch wenn manche Regierungen gerecht erscheinen, hatte Jehova es nie vorgesehen, dass Menschen über andere herrschen (Jer. 10:23). Die Regierungen fördern Nationalismus und trennen dadurch die Menschheitsfamilie. Selbst die besten sind nicht in der Lage, alle Probleme zu lösen. Außerdem haben sie sich seit 1914 zu Feinden von Gottes Königreich gemacht. Dieses wird das Urteil an den Nationen bald vollstrecken und sie vernichten. (Lies Psalm 2:2, 7-9.)
6. Wie sollten wir gegenüber Verantwortlichen der Regierung eingestellt sein?
6 Gott lässt politische Strukturen bestehen, weil sie für eine gewisse Stabilität sorgen. Das erleichtert es uns, die gute Botschaft vom Königreich zu predigen (Röm. 13:3, 4). Gott rät uns sogar, für Menschen in hoher Stellung zu beten, besonders wenn sich ihre Entscheidungen auf unsere Anbetung auswirken könnten (1. Tim. 2:1, 2). Wenn wir ungerecht behandelt werden, wenden wir uns wie der Apostel Paulus an die verantwortlichen Stellen (Apg. 25:11). Wie die Bibel zwar lehrt, hat Gottes Gegner, der Teufel, die politischen Systeme in der Hand. Dennoch sagt sie nicht, er würde jedes Staatsoberhaupt und jeden Regierungsvertreter unmittelbar steuern (Luk. 4:5, 6). Daher sollten wir nicht andeuten, der Teufel würde einen bestimmten von ihnen lenken. Wir werden von den „Regierungen und Gewalten“ also nicht nachteilig reden (Tit. 3:1, 2).
7. Was müssen wir unbedingt vermeiden?
7 Wir hören auf Gott, wenn wir weder eine politische Partei noch irgendeinen Kandidaten bevorzugen — ob sie uns nun zu unterstützen scheinen oder nicht. Wie könnte unsere Neutralität in dieser Hinsicht auf die Probe gestellt werden? Angenommen, es kommt zu einem Volksaufstand gegen ein bedrückendes Regime, unter dem auch Gottes Volk zu leiden hat. Natürlich würden wir mit den Aufständischen nicht auf die Straße gehen. Aber könnte es trotzdem passieren, dass wir ihre Gesinnung teilen? (Eph. 2:2). Wir müssen nicht nur nach außen hin neutral bleiben, sondern auch im Herzen.
„VORSICHTIG“ UND „UNSCHULDIG“ SEIN
8. Wie können wir „vorsichtig“ und „unschuldig“ sein, wenn es schwierig wird, neutral zu bleiben?
8 Der zweite Schlüssel ist, „vorsichtig wie Schlangen und doch unschuldig wie Tauben“ zu sein. (Lies Matthäus 10:16, 17.) Weil wir vorsichtig sind, erkennen wir Gefahren frühzeitig. Und wir bleiben in schwierigen Situationen unschuldig, wenn wir uns nicht zu Zugeständnissen verleiten lassen. Worin liegen mögliche Gefahren, und worauf sollten wir achten?
9. Worauf müssen wir in unseren Gesprächen achten?
9 Gespräche. Wir müssen vorsichtig sein, wenn politische Themen zur Sprache kommen. Wenn wir beispielsweise über die Königreichsbotschaft sprechen, werden wir die Politik einer Partei oder eines führenden Politikers weder befürworten noch kritisieren. Statt auf irgendeine politische Lösung einzugehen, versuchen wir vielmehr, uns auf das zugrunde liegende Problem zu konzentrieren. So schaffen wir eine gemeinsame Basis. Dann zeigen wir anhand der Bibel, wie Gottes Königreich das Problem ein für alle Mal lösen wird. Wenn brisante Themen wie die gleichgeschlechtliche Ehe oder Abtreibung aufkommen, verteidigen wir Gottes Maßstäbe und erklären, wie wir sie im Leben anwenden. Was die politischen Aspekte dieser Themen betrifft, bleiben wir aber strikt neutral. Wir beziehen keine Stellung dazu, welches Gesetz erlassen, aufgehoben oder geändert werden sollte. Und selbstverständlich zwingen wir niemandem unsere Meinung auf.
10. Wie können wir neutral bleiben, wenn es um die Medien geht?
10 Die Medien. Informationen, die als „Nachrichten“ verbreitet werden, sind oft gefärbt und werden einseitig dargestellt. Mitunter sind die Medien das Sprachrohr der politischen Systeme. In Ländern, in denen die Medien zensiert werden, können Nachrichtenmeldungen stark verzerrt sein. Doch auch wenn wir in einem sogenannten freien Land leben, müssen wir vorsichtig sein, nicht die Meinung von Berichterstattern zu übernehmen. Fragen wir uns: „Höre ich jemandem deshalb gern zu, weil ich in die gleiche politische Richtung tendiere?“ Wenn ja, dann sollten wir uns nach einer objektiveren Informationsquelle umsehen. Es ist in jedem Fall klug, sich nicht so viel mit Quellen zu beschäftigen, die eine bestimmte Politik befürworten. Und es ist weise, das Gehörte mit dem „Muster gesunder Worte“ aus der Bibel zu vergleichen (2. Tim. 1:13).
11. Warum könnte es uns schwerfallen, neutral zu bleiben, wenn uns unser Besitz sehr wichtig ist?
11 Materialismus. Wer an seinem Besitz hängt, läuft Gefahr, in Prüfungen nicht neutral zu bleiben. Das hat Ruth in Malawi an einigen Zeugen beobachtet, die in den 1970er-Jahren verfolgt wurden. Sie erinnert sich: „Sie konnten ihr komfortables Leben nicht aufgeben. Manche flohen zwar mit uns aus dem Land, schlossen sich später aber der politischen Partei an und kehrten nach Hause zurück. Das taten sie, weil sie sich mit dem beschwerlichen Leben in dem Flüchtlingslager nicht abfinden wollten.“ Die große Mehrheit der Brüder blieb jedoch neutral, obwohl das für sie wirtschaftliche Nachteile oder sogar den Verlust ihrer ganzen Habe bedeutete (Heb. 10:34).
12, 13. (a) Wie betrachtet Jehova die Menschen? (b) Wie können wir herausfinden, ob wir auf unser Land übertrieben stolz sind?
12 Unangebrachter Stolz. Menschen heben gern die Vorzüge ihrer Kultur, Stadt, Volksgruppe oder Nation hervor. Wie wir jedoch wissen, passt ein solcher Stolz nicht zu dem, wie Jehova die Menschheitsfamilie betrachtet. Natürlich erwartet Gott von uns nicht, unsere Kultur aufzugeben. Immerhin sind die kulturellen Unterschiede ein Ausdruck der herrlichen Vielfalt unter den Menschen. Trotzdem sind für Gott alle Menschen gleich (Röm. 10:12).
13 Auf die eigene Heimat übertrieben stolz zu sein ist der Kern des Nationalismus. Und dies könnte der erste Schritt sein, unsere Neutralität aufs Spiel zu setzen. Selbst Christen sind gegen diesen Stolz nicht immun. Schließlich haben sogar einige der ersten Christen ihre Brüder wegen deren Nationalität diskriminiert (Apg. 6:1). Wie können wir herausfinden, ob unangebrachter Stolz in unserem Herzen aufkeimt? Angenommen, ein Bruder oder eine Schwester aus einem anderen Land macht uns einen Vorschlag. Lehnen wir ihn sofort ab, weil wir denken: „Wir machen das hier anders“? Besser ist, Gottes Rat zu befolgen und die anderen in Demut höher zu achten als uns selbst (Phil. 2:3).
JEHOVA UM KRAFT BITTEN
14. (a) Wie kann das Gebet uns helfen? (b) Welches biblische Beispiel bestätigt die Macht des Gebets?
14 Ein dritter Schlüssel ist, Jehova um Kraft zu bitten. Was ist zum Beispiel, wenn wir unter einer korrupten oder ungerechten Regierung leben müssen? Dann sollten wir um heiligen Geist bitten, der uns die Geduld und Selbstbeherrschung geben kann, damit fertigzuwerden. Darüber hinaus können wir Jehova um die Weisheit bitten, Situationen, die unsere Neutralität gefährden könnten, zu erkennen und uns dann richtig zu verhalten (Jak. 1:5). Was können wir tun, wenn wir im Gefängnis sind oder anders bestraft werden, weil wir entschlossen für die wahre Anbetung einstehen? Dann sollten wir um die Stärke beten, unseren Glauben mutig zu verteidigen und alles zu ertragen, was auf uns zukommen mag. (Lies Apostelgeschichte 4:27-31.)
15. Wie kann die Bibel uns helfen, neutral zu bleiben? (Siehe auch den Kasten „Gottes Wort hat ihren Entschluss gestärkt“.)
15 Auch durch sein Wort kann uns Jehova Kraft geben. Denken wir daher über Verse nach, die uns helfen können, in Prüfungen neutral zu bleiben. Wenn wir sie schon jetzt auswendig lernen, können sie uns stützen, wenn wir keine Bibel mehr haben. Gottes Wort kann zudem unsere Zuversicht stärken, dass sich die Verheißungen unter dem Königreich erfüllen werden. Diese Zuversicht ist ausschlaggebend, um unter Verfolgung treu zu bleiben (Röm. 8:25). Suchen wir uns doch Bibelstellen heraus, die das beschreiben, worauf wir uns besonders freuen. Und stellen wir uns dann vor, wie wir im Paradies das Ersehnte genießen.
SICH DURCH TREUE DIENER STÄRKEN LASSEN
16, 17. Was können wir von Dienern Gottes lernen, die neutral geblieben sind? (Siehe Anfangsbild.)
16 Treue Diener Jehovas sind der vierte Schlüssel, der uns hilft neutral zu bleiben. Ihr Vorbild kann uns die Weisheit und die Kraft geben, die wir brauchen. Beispielsweise weigerten sich Schadrach, Meschach und Abednego ein Standbild anzubeten, das den babylonischen Staat darstellte. (Lies Daniel 3:16-18.) Zu lesen, wie entschlossen sie waren, hat vielen Zeugen Jehovas den Mut gegeben, sich zu weigern die Nationalflagge zu verehren. Außerdem hielt sich Jesus aus den politischen und sozialen Konflikten seiner Zeit komplett heraus. Da er wusste, welchen Einfluss sein Beispiel auf andere haben würde, spornte er seine Nachfolger an: „Fasst Mut! Ich habe die Welt besiegt“ (Joh. 16:33).
17 Viele Zeugen sind heute ebenfalls neutral geblieben. Manche sind körperlich misshandelt und ins Gefängnis geworfen worden. Oder sie sind sogar für ihren Glauben gestorben. Ihr Beispiel kann uns genauso helfen, wie es Barış aus der Türkei geholfen hat. Er sagte: „Franz Reiter wurde hingerichtet, weil er sich weigerte unter Hitler Soldat zu werden. In der Nacht vor seinem Tod schrieb dieser junge Bruder einen Brief an seine Mutter, aus dem unerschütterliches Vertrauen in Jehova und tiefer Glaube spricht. Ich wollte so treu sein wie er, wenn ich eine ähnliche Prüfung durchmachen müsste.“[2]
18, 19. (a) Wie können uns die Brüder in der Versammlung beistehen, um neutral zu bleiben? (b) Wozu bist du entschlossen?
18 Auch die Brüder und Schwestern in der Versammlung können uns zur Seite stehen. Lassen wir die Ältesten daher wissen, wie unsere Neutralität gerade geprüft wird. Und bitten wir sie um ihren reifen, biblischen Rat. Die Brüder in der Versammlung können uns Mut machen, wenn sie von unseren Schwierigkeiten wissen. Bitten wir sie doch, für uns zu beten. Wenn wir möchten, dass unsere Brüder uns beistehen und für uns beten, sollten wir das natürlich auch für sie tun (Mat. 7:12). Auf jw.org finden wir unter PRESSE > RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN den Artikel: „Zeugen Jehovas, die gegenwärtig wegen ihres Glaubens im Gefängnis sind — nach Ländern“. Er ist eine Hilfe, um konkrete Gebete zu sprechen. Der Artikel enthält Links, die zu Listen von Zeugen führen, die momentan aufgrund ihres Glaubens eingesperrt sind. Suchen wir uns einige Namen aus und beten wir darum, dass sie mutig und treu bleiben können (Eph. 6:18-20).
19 Das Ende der Regierungen kommt immer näher. Da wir zu Jehova und seinem Königreich stehen, brauchen wir uns daher nicht zu wundern, wenn sie uns gegenüber immer intoleranter werden. Jetzt ist also die Zeit, unsere Entschlossenheit zu stärken, in dieser zerstrittenen Welt neutral zu bleiben.
^ [1] (Absatz 1) Cäsar war der höchste Herrscher seiner Zeit. Jesus gebrauchte ihn als Symbol für den Staat.
^ [2] (Absatz 17) Siehe Jehovas Zeugen — Verkündiger des Königreiches Gottes, Seite 662. Außerdem der Kasten „Er starb für Gottes Ehre“ in Kapitel 14 des Buches Gottes Königreich regiert!.