VOLLKOMMENHEIT
Der Gedanke der Vollkommenheit kommt durch hebräische Begriffe zum Ausdruck, die von Verben abgeleitet sind wie kalál (vollkommen machen [vgl. Hes 27:4]), schalám (zur Vollendung kommen [vgl. Jes 60:20]) und tamám (vollendet werden, zur Vollkommenheit gelangen [vgl. Ps 102:27; Jes 18:5]). In den Christlichen Griechischen Schriften werden die Wörter téleios (Adjektiv), teleiótēs (Substantiv) und teleióō (Verb) ähnlich gebraucht und vermitteln z. B. den Sinn von zur Vollständigkeit oder zum vollen Maß bringen (Luk 8:14; 2Ko 12:9; Jak 1:4), erwachsen oder reif sein (1Ko 14:20; Heb 5:14), den bestimmten Zweck erfüllt oder das gesteckte Ziel erreicht haben (Joh 19:28; Php 3:12).
Die Wichtigkeit des richtigen Standpunktes. Um die Bibel richtig zu verstehen, darf man nicht den allgemein üblichen Fehler machen und denken, alles, was als „vollkommen“ bezeichnet wird, sei in einem absoluten Sinn vollkommen, d. h. in einem unendlichen, grenzenlosen Maß. Nur der Schöpfer, Jehova Gott, zeichnet sich durch Vollkommenheit in diesem absoluten Sinn aus. Deswegen konnte Jesus von seinem Vater sagen: „Niemand ist gut als nur einer: Gott“ (Mar 10:18). Jehova ist in seiner Vortrefflichkeit unvergleichlich, er verdient allen Lobpreis, und seine hervorragenden Eigenschaften und seine Macht sind unübertrefflich, sodass „sein Name allein ... unerreichbar hoch“ ist (Ps 148:1-13; Hi 36:3, 4, 26; 37:16, 23, 24; Ps 145:2-10, 21). Moses rühmte Gottes Vollkommenheit und erklärte: „Denn ich werde den Namen Jehovas verkünden. Schreibt Größe zu unserem Gott! Der FELS, vollkommen ist sein Tun, denn Gerechtigkeit sind alle seine Wege. Ein Gott der Treue, bei dem es kein Unrecht gibt; gerecht und gerade ist er“ (5Mo 32:3, 4). Alle Wege, Worte und Gesetze Gottes sind vollkommen, geläutert, ohne Fehler oder Makel (Ps 18:30; 19:7; Jak 1:17, 25). Es gibt keinen berechtigten Grund, an Jehova oder seiner Handlungsweise etwas auszusetzen, zu kritisieren oder zu bemängeln; vielmehr gebührt ihm immer Lobpreis (Hi 36:22-24).
Andere Vollkommenheit ist relativ. Die Vollkommenheit irgendeiner anderen Person oder Sache ist demnach relativ, nicht absolut. (Vgl. Ps 119:96.) Das bedeutet, dass etwas entsprechend dem Zweck, zu dem es von seinem Schöpfer oder Hersteller bestimmt wurde oder für den es von seinem Empfänger oder Benutzer gebraucht werden soll, „vollkommen“ ist. Die eigentliche Bedeutung des Wortes „Vollkommenheit“ erfordert, dass jemand entscheidet, wann „Vollständigkeit“ erreicht ist, was die Normen oder Maßstäbe der Vortrefflichkeit sind, welchen Erfordernissen entsprochen werden muss und welche Einzelheiten wichtig sind. Letzten Endes entscheidet Gott, der Schöpfer, was Vollkommenheit ist; er stellt in Übereinstimmung mit seinen eigenen gerechten Vorsätzen und Interessen die Maßstäbe auf (Rö 12:2; siehe JEHOVA [Ein Gott mit Moralmaßstäben und Normen]).
Zum Beispiel war der Planet Erde eines der Schöpfungswerke Gottes, und am Ende der sechs Schöpfungs‘tage’, an denen Gott an der Erde gearbeitet hatte, bezeichnete er die Ergebnisse als „sehr gut“ (1Mo 1:31). Die Erde entsprach seinen hohen Maßstäben der Vortrefflichkeit und war somit vollkommen. Doch danach wies er den Menschen an, ‘sie sich zu unterwerfen’, was offensichtlich bedeutete, dass dieser die Erde bebauen und den ganzen Planeten, nicht nur Eden zu einem Garten Gottes machen sollte (1Mo 1:28; 2:8).
Das Zelt oder die Stiftshütte, die in der Wildnis auf Gottes Anordnung hin und gemäß seinen Einzelbestimmungen errichtet worden war, diente als ein Vorbild oder kleines prophetisches Muster des ‘größeren und vollkommeneren Zeltes’, dessen Allerheiligstes die himmlische Wohnstätte Jehovas ist, in die sich Jesus Christus als Hoher Priester begab (Heb 9:11-14, 23, 24). Das irdische Zelt war insofern vollkommen, als es Gottes Erfordernissen entsprach und seinem bestimmten Zweck diente. Doch nachdem Gottes Vorsatz in Verbindung mit der Stiftshütte erfüllt war, verwendete man sie nicht mehr, und sie hörte auf zu bestehen. Die Vollkommenheit dessen, was sie darstellte, war weit höherer Art.
Die Stadt Jerusalem mit ihrem Berg Zion wurde der „Schönheit Vollkommenheit“ genannt (Klg 2:15; Ps 50:2). Das bedeutet nicht, dass die Stadt bis ins kleinste Detail überaus reizvoll aussah, sondern ihre Schönheit war vielmehr darauf zurückzuführen, dass Gott sich ihrer bediente und seine Pracht auf sie legte, indem er sie zur Hauptstadt seiner gesalbten Könige und zur Stätte seines Tempels machte (Hes 16:14). Die reiche Handelsstadt Tyrus wird mit einem Schiff verglichen, dessen Bauleute – Personen, die für die materiellen Interessen der Stadt arbeiteten – seine „Schönheit vollkommen gemacht“ hatten, indem sie es mit Luxusartikeln aus vielen Ländern füllten (Hes 27:3-25).
Man muss also jeweils den Kontext berücksichtigen, um zu entscheiden, in welchem Sinn oder in welchem Zusammenhang von Vollkommenheit gesprochen wird.
Vollkommenheit des mosaischen Gesetzes. Das Gesetz, das den Israeliten durch Moses gegeben worden war, sah unter anderem die Einsetzung einer Priesterschaft und das Darbringen verschiedener Tieropfer vor. Der inspirierte Apostel Paulus zeigt, dass das Gesetz, die Priesterschaft und die Opfer – obwohl von Gott und somit vollkommen – nicht bewirkten, dass die, die unter dem Gesetz standen, vollkommen wurden (Heb 7:11, 19; 10:1). Statt von Sünde und Tod zu befreien, machte es Sünde in Wirklichkeit noch offensichtlicher (Rö 3:20; 7:7-13). Dennoch dienten alle diese göttlichen Vorkehrungen dem von Gott bestimmten Zweck; das Gesetz war ein „Erzieher“, der Menschen zu Christus führen sollte, und bildete einen vollkommenen „Schatten der künftigen guten Dinge“ (Gal 3:19-25; Heb 10:1). Wenn also Paulus davon spricht, dass „aufseiten des GESETZES ein Unvermögen vorlag, während es durch das Fleisch schwach war“ (Rö 8:3), nimmt er offenbar auf die Unfähigkeit des fleischlichen jüdischen Hohen Priesters Bezug (der gemäß dem Gesetz für die Opfervorkehrungen verantwortlich war und das Allerheiligste am Sühnetag mit dem Opferblut betrat), diejenigen „vollständig [zu] retten“, denen er diente, wie in Hebräer 7:11, 18-28 erklärt wird. Obgleich das Darbringen von Opfern durch die aaronitische Priesterschaft dazu beitrug, dass das Volk vor Gott einen gerechten Stand bewahrte, befreite es die Israeliten nicht vollständig oder vollkommen von dem Bewusstsein der Sünde. Der Apostel Paulus nimmt darauf Bezug, als er sagt, dass die Sühnopfer „die Hinzutretenden“, was ihr Gewissen betrifft, nicht „vollkommen machen“ konnten (Heb 10:1-4; vgl. Heb 9:9). Der Hohe Priester konnte das erforderliche Lösegeld für eine wirkliche Erlösung von Sünde nicht erbringen. Nur durch Christi ständigen Priesterdienst und sein wirkungsvolles Opfer ist dies möglich (Heb 9:14; 10:12-22).
Das Gesetz war „heilig“, „gut“, „vortrefflich“ (Rö 7:12, 16), und jeder, der völlig gemäß diesem vollkommenen Gesetz leben konnte, erwies sich als ein vollkommener Mensch, der es verdiente zu leben (3Mo 18:5; Rö 10:5; Gal 3:12). Aus ebendiesem Grund bewirkte das Gesetz Verurteilung statt Leben, und zwar nicht, weil das Gesetz nicht gut war, sondern wegen der unvollkommenen, sündigen Natur derer, die unter dem Gesetz standen (Rö 7:13-16; Gal 3:10-12, 19-22). Das vollkommene Gesetz machte ihre Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit besonders offenkundig (Rö 3:19, 20; Gal 3:19, 22). In dieser Hinsicht diente das Gesetz außerdem dazu, Jesus als den Messias zu identifizieren, denn nur er konnte das Gesetz vollständig halten, wodurch er bewies, dass er ein vollkommener Mensch war (Joh 8:46; 2Ko 5:21; Heb 7:26).
Die Vollkommenheit der Bibel. Die Heilige Schrift stellt eine vollkommene Botschaft von Gott dar, geläutert, rein und wahr (Ps 12:6; 119:140, 160; Spr 30:5; Joh 17:17). Obwohl durch die Jahrtausende beim Abschreiben allem Anschein nach gewisse Abweichungen von den Urschriften aufgetreten sind, sind sie zugegebenermaßen äußerst geringfügig, sodass die darin übermittelte göttliche Botschaft absolut fehlerfrei ist, auch wenn die heutigen Abschriften und Übersetzungen nicht unbedingt fehlerfrei sind.
Jemand hat vielleicht das Empfinden, die Bibel sei schwieriger zu lesen als viele andere Bücher und es erfordere größere Anstrengung und Konzentration; er mag vieles nicht verstehen. Einige Kritiker behaupten, um vollkommen zu sein, dürfe die Bibel nicht einmal dem äußeren Anschein nach Ungereimtheiten enthalten oder Aussagen, die nach ihren Maßstäben widersprüchlich zu sein scheinen. Die Vollkommenheit der Heiligen Schrift wird jedoch durch keines dieser Dinge beeinträchtigt. Der wirkliche Gradmesser ihrer Vollkommenheit besteht darin, dass sie den von Jehova Gott festgelegten Normen oder Maßstäben der Vortrefflichkeit entspricht, dass sie den Zweck erfüllt, für den er als ihr rechtmäßiger Autor sie bestimmt hat, und dass sie als das veröffentlichte Wort des Gottes der Wahrheit keinerlei Unwahrheit enthält. Der Apostel Paulus unterstreicht die Vollkommenheit der „heiligen Schriften“, wenn er sagt: „Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich zum Lehren, zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen der Dinge, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes völlig tauglich sei, vollständig ausgerüstet für jedes gute Werk“ (2Ti 3:15-17). Was die Hebräischen Schriften bei der Nation Israel bewirkten, sofern sie sich daran hielt, was die vollständige Heilige Schrift bei der Christenversammlung im ersten Jahrhundert bewirkte und was die Bibel heute bei Menschen bewirkt, beweist überzeugend, dass sie als Werkzeug Gottes zur Ausführung seines Vorsatzes ideal geeignet ist. (Vgl. 1Ko 1:18.)
Der gesamten Heiligen Schrift, einschließlich der Lehren des Sohnes Gottes, liegt der Gedanke zugrunde, dass es vor allem auf den Herzenszustand einer Person ankommt, wenn es darum geht, Gottes Vorsätze verstehen zu lernen, seinen Willen zu tun sowie Rettung und Leben zu erlangen (1Sa 16:7; 1Ch 28:9; Spr 4:23; 21:2; Mat 15:8; Luk 8:5-15; Rö 10:10). Die Bibel besitzt die einzigartige Fähigkeit, „Gedanken und Absichten des Herzens zu beurteilen“, d. h., jemandes wahre Persönlichkeit zu offenbaren (Heb 4:12, 13). Aus der Heiligen Schrift geht deutlich hervor, dass Gott nicht vorgesehen hat, dass die Erkenntnis über ihn ohne Bemühungen zu erlangen ist. (Vgl. Spr 2:1-14; 8:32-36; Jes 55:6-11; Mat 7:7, 8.) Auch ist offensichtlich, dass Gott seine Vorsätze den Demütigen hat offenbaren lassen, sie aber vor Hochmütigen verborgen hat, weil ‘so zu handeln ihm wohlgefällig gewesen ist’ (Mat 11:25-27; 13:10-15; 1Ko 2:6-16; Jak 4:6). Wenn also einzelne, deren Herz für die Botschaft der Bibel unempfänglich ist, in der Heiligen Schrift etwas finden können, was es ihrer Meinung nach rechtfertigt, die Botschaft, die Zurechtweisung und die Zucht der Bibel zu verwerfen, dann beweist das keineswegs, dass die Bibel nicht vollkommen ist. Im Gegenteil, es veranschaulicht die oben genannten biblischen Argumente und beweist die Vollkommenheit der Bibel aus der Sicht ihres Autors – dessen Sicht allein maßgebend ist (Jes 29:13, 14; Joh 9:39; Apg 28:23-27; Rö 1:28). Die Weisen der Welt betrachten Gottes Wort und seine Wege als „töricht“ und „schwach“. Doch in Wirklichkeit zeigt die Zeit, dass sie den Theorien, Philosophien und Überlegungen ihrer Kritiker weit überlegen sind. (1Ko 1:22-25; 1Pe 1:24, 25).
Der Glaube ist nach wie vor ein wesentliches Erfordernis, wenn man das vollkommene Wort Gottes verstehen und schätzen lernen will. Jemand mag denken, die Bibel müsse gewisse Einzelheiten und Erklärungen darüber enthalten, weshalb Gott in bestimmten Fällen seine Anerkennung gab oder verweigerte oder warum er auf eine bestimmte Weise handelte; auch mag jemand meinen, andere in der Bibel enthaltene Einzelheiten seien überflüssig. Doch sollte er sich darüber im Klaren sein, dass es kein Beweis für die Vollkommenheit der Bibel vom Standpunkt Gottes aus wäre, wenn sie menschlichen Maßstäben oder Kriterien, z. B. seinen eigenen, entspräche. Jehova erklärt, wie falsch eine solche Einstellung ist, weil seine Gedanken und Wege denen der Menschen weit überlegen sind, und er versichert, dass sein Wort „bestimmt Erfolg haben“ wird in der Ausführung seines Vorsatzes (Jes 55:8-11; Ps 119:89). Das ist die Bedeutung von Vollkommenheit, wie aus der Definition am Anfang dieses Stichworts hervorgeht.
Vollkommenheit und freier Wille. Die vorangegangene Erläuterung hilft einem zu verstehen, wie vollkommene Geschöpfe Gottes ungehorsam werden konnten. Dies mit der Vollkommenheit als unvereinbar zu betrachten, bedeutet, den Sinn des Begriffes außer Acht zu lassen und durch eine persönliche Vorstellung zu ersetzen, die nicht mit den Tatsachen übereinstimmt. Gottes intelligente Geschöpfe haben Handlungsfreiheit sowie das Vorrecht und die Verantwortung, eine persönliche Entscheidung hinsichtlich des Laufs zu treffen, den sie einschlagen werden (5Mo 30:19, 20; Jos 24:15). Zweifellos war dies bei dem ersten Menschenpaar, Adam und Eva, der Fall, sodass es möglich war, ihre Ergebenheit Gott gegenüber zu prüfen (1Mo 2:15-17; 3:2, 3). Als ihr Erschaffer wusste Jehova, was er von ihnen erwartete, und aus der Bibel geht deutlich hervor, dass er keinen automatischen und sozusagen mechanischen Gehorsam wünschte, sondern er wollte, dass sie ihn anbeteten und ihm dienten, weil ihr Herz und ihr Sinn von echter Liebe dazu angetrieben wurden. (Vgl. 5Mo 30:15, 16; 1Ch 28:9; 29:17; Joh 4:23, 24.) Hätten Adam und seine Frau die Fähigkeit, in dieser Angelegenheit zu wählen, nicht gehabt, hätten sie nicht Gottes Erfordernissen entsprochen; sie wären gemäß seinen Maßstäben nicht vollständig oder vollkommen gewesen.
Es sei daran erinnert, dass die Vollkommenheit des Menschen relativ ist und sich auf den menschlichen Bereich beschränkt. Adam war zwar vollkommen erschaffen worden, doch durfte er nicht über die von seinem Schöpfer festgesetzten Grenzen hinausgehen; er konnte nicht Erde, Steine oder Holz essen, ohne krank zu werden; hätte er versucht, Wasser statt Luft einzuatmen, wäre er erstickt. Wenn er seinen Sinn und sein Herz mit falschen Gedanken nährte, musste es dementsprechend dazu führen, dass er falsche Begierden hegte, was schließlich Sünde und Tod nach sich ziehen würde (Jak 1:14, 15; vgl. 1Mo 1:29; Mat 4:4).
Dass die Willens- und Entscheidungsfreiheit des Geschöpfes entscheidende Faktoren sind, liegt auf der Hand. Wenn man behauptet, ein vollkommener Mensch könne keinen verkehrten Lauf einschlagen, wenn es um eine moralische Streitfrage gehe, müsste man dann nicht auch logischerweise folgern, dass ein unvollkommenes Geschöpf in einer solchen moralischen Streitfrage keinen richtigen Lauf einschlagen kann? Doch einige unvollkommene Geschöpfe schlagen tatsächlich einen richtigen Lauf ein, wenn es um moralische Streitfragen geht, die den Gehorsam gegenüber Gott betreffen, und sie erwählen es sich sogar, Verfolgung zu erleiden, statt von ihrem Lauf abzuweichen; demgegenüber tun andere absichtlich etwas, wovon sie wissen, dass es verkehrt ist. Somit kann man nicht alle verkehrten Handlungen mit der menschlichen Unvollkommenheit entschuldigen. Ausschlaggebend ist die Willens- und Entscheidungsfreiheit des Einzelnen. Auch im Fall des ersten Menschen bot die menschliche Vollkommenheit nicht die alleinige Gewähr dafür, dass er richtig handeln würde, sondern er hätte sich in der Ausübung seiner Willens- und Entscheidungsfreiheit von Liebe zu seinem Gott und zu dem, was recht ist, leiten lassen müssen (Spr 4:23).
Der erste Sünder und der König von Tyrus. Der Sünde und Unvollkommenheit des Menschen ging natürlich Sünde und Unvollkommenheit im geistigen Bereich voraus, wie Jesu Worte in Johannes 8:44 und der Bericht in 1. Mose, Kapitel 3 erkennen lassen. Das in Hesekiel 28:12-19 aufgezeichnete Totenklagelied ist zwar an den menschlichen „König von Tyrus“ gerichtet, stellt aber allem Anschein nach eine Parallele zur Handlungsweise des Geistsohnes Gottes dar, der als Erster sündigte. Der Stolz des ‘Königs von Tyrus’, die Tatsache, dass er sich selbst zu einem „Gott“ machte, dass er „Cherub“ genannt wird und die Bezugnahme auf ‘Eden, den Garten Gottes’, stimmen zweifellos mit dem überein, was die Bibel über Satan, den Teufel, sagt, der aufgeblasen wurde vor Stolz, mit der Schlange in Eden in Verbindung gebracht wird und als „der Gott dieses Systems der Dinge“ bezeichnet wird (1Ti 3:6; 1Mo 3:1-5, 14, 15; Off 12:9; 2Ko 4:4).
Der nicht namentlich genannte König von Tyrus, der in der Stadt wohnte, von der behauptet wurde, „vollkommen an Schönheit“ zu sein, war selbst „voll Weisheit und vollkommen [Adjektiv, das mit dem hebräischen Wort kalál verwandt ist] an Schönheit“ sowie „untadelig [hebr. tamím]“ in seinen Wegen von seiner Erschaffung an, bis Ungerechtigkeit an ihm gefunden wurde (Hes 27:3; 28:12, 15). In erster Linie mag das Totenklagelied in Hesekiel eher auf die tyrische Königsdynastie Anwendung finden als auf einen bestimmten König. (Vergleiche die gegen den nicht namentlich genannten „König von Babylon“ gerichtete Prophezeiung aus Jes 14:4-20.) Wenn das zutrifft, wäre es ein Hinweis auf die anfänglich freundschaftliche und kooperative Handlungsweise der tyrischen Herrscher während der Regierungszeit der Könige David und Salomo, als Tyrus sogar einen Beitrag zum Bau des Tempels Jehovas auf dem Berg Moria leistete. Zunächst gab es also an der Einstellung des offiziellen Tyrus gegenüber dem Volk Jehovas, den Israeliten, nichts auszusetzen (1Kö 5:1-18; 9:10, 11, 14; 2Ch 2:3-16). Könige, die in späterer Zeit herrschten, wichen jedoch von dieser ‘untadeligen’ Handlungsweise ab, sodass Tyrus die Verurteilung durch Gottes Propheten Joel und Amos sowie durch Hesekiel verdiente (Joel 3:4-8; Am 1:9, 10). Außer der offensichtlichen Ähnlichkeit der Handlungsweise des ‘Königs von Tyrus’ mit der des Hauptwidersachers Gottes veranschaulicht die Prophezeiung wiederum, wie die Begriffe „Vollkommenheit“ und „Untadeligkeit“ in begrenztem Sinn gebraucht werden können.
Inwiefern können unvollkommene Diener Gottes als „untadelig“ bezeichnet werden?
Der gerechte Noah erwies sich als „untadelig unter seinen Zeitgenossen“ (1Mo 6:9). Hiob war „untadelig und rechtschaffen“ (Hi 1:8). Andere Diener Gottes werden ähnlich beschrieben. Da alle Nachkommen des Sünders Adam und somit Sünder waren, ist es klar, dass diese Männer insofern „untadelig“ waren, als sie Gottes Erfordernissen für sie völlig gerecht wurden – Erfordernissen, die ihre Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit berücksichtigten. (Vgl. Mi 6:8.) Ebenso, wie ein Töpfer, der eine Vase aus herkömmlichem Ton modelliert, nicht die gleiche Qualität erwartet, wie wenn er sie aus besonders feinem Ton formt, so berücksichtigt Jehova bei seinen Erfordernissen die Schwachheit unvollkommener Menschen (Ps 103:10-14; Jes 64:8). Aufgrund ihrer fleischlichen Unvollkommenheit begingen solche treuen Menschen zwar Fehler und Sünden, doch bekundeten sie gegenüber Jehova ‘ein ungeteiltes [hebr. schalém] Herz’ (1Kö 11:4; 15:14; 2Kö 20:3; 2Ch 16:9). Demnach war ihre Ergebenheit innerhalb der für sie erreichbaren Grenzen vollständig und tadellos, und sie entsprach in ihrem Fall den göttlichen Erfordernissen. Da ihre Anbetung Gott, dem Richter, wohlgefällig war, konnte kein Mensch und kein Geistgeschöpf mit Recht ihren Dienst für Gott bemängeln. (Vgl. Luk 1:6; Heb 11:4-16; Rö 14:4; siehe JEHOVA [Weshalb er mit unvollkommenen Menschen verkehren kann].)
In den Christlichen Griechischen Schriften wird die vererbte Unvollkommenheit der Nachkommen Adams berücksichtigt. Jakobus 3:2 zeigt, dass jemand „ein vollkommener Mann“ wäre, „imstande, auch seinen ganzen Leib zu zügeln“, wenn er seine Zunge zügeln könnte und nicht im Wort strauchelte; aber „wir alle straucheln oft“ in dieser Hinsicht. (Vgl. Jak 3:8.) Dessen ungeachtet werden gewisse Aspekte der relativen Vollkommenheit erwähnt, die für sündige Menschen erreichbar sind. Jesus sagte zu seinen Nachfolgern: „Ihr sollt demnach vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mat 5:48). An dieser Stelle nahm Jesus auf Liebe und Freigebigkeit Bezug. Er machte klar, dass jemandes Liebe unvollständig und fehlerhaft ist, wenn er lediglich ‘die liebt, die ihn lieben’; somit sollten seine Nachfolger ihre Liebe vervollkommnen oder völlig zum Ausdruck bringen, indem sie auch ihre Feinde lieben und so Gottes Beispiel nachahmen (Mat 5:43-47). Gleicherweise zeigte Jesus dem jungen Mann, der ihn gefragt hatte, wie er ewiges Leben erlangen könne, dass seine Anbetung, zu der bereits das Beachten der Gebote des Gesetzes gehörte, immer noch in wesentlichen Punkten Mängel aufwies. Wenn er ‘vollkommen sein wollte’, musste er seine Anbetung völlig entfalten (vgl. Luk 8:14; Jes 18:5), indem er diese Aspekte erfüllte (Mat 19:21; vgl. Rö 12:2).
Der Apostel Johannes erklärt, dass Gottes Liebe in Christen vollkommen gemacht wird, die in Gemeinschaft mit Gott bleiben, indem sie das Wort seines Sohnes beachten und einander lieben (1Jo 2:5; 4:11-18). Solch vollkommene Liebe treibt die Furcht aus und bewirkt „Freimut der Rede“. Aus dem Kontext geht hervor, dass Johannes an dieser Stelle vom „Freimut der Rede gegenüber Gott“ spricht, z. B. im Gebet (1Jo 3:19-22; vgl. Heb 4:16; 10:19-22). Jemand, in dem Gottes Liebe völlig zum Ausdruck kommt, kann sich vertrauensvoll an seinen himmlischen Vater wenden, ohne sich in seinem Herzen als Heuchler oder Sünder verurteilt zu fühlen. Er weiß, dass er Gottes Gebote beachtet und tut, was seinem Vater gefällt, weshalb er Jehova seine Gefühle und Bitten freimütig mitteilt. Er hat nicht das Empfinden, dass Jehova ihm Vorschriften macht, was er sagen oder worum er bitten darf. (Vgl. 4Mo 12:10-15; Hi 40:1-5; Klg 3:40-44; 1Pe 3:7.) Es hält ihn keine panische Angst gefangen; er braucht sich „am Tag des Gerichts“ nicht wegen irgendeines „Schandflecks“ schuldig zu fühlen und auch nicht gewisse Dinge zu verbergen. (Vgl. Heb 10:27, 31.) Genauso, wie sich ein Kind nicht fürchtet, seine liebevollen Eltern um irgendetwas zu bitten, so hat ein Christ, in dem die Liebe völlig entwickelt ist, folgende Zuversicht: „Er ... hört [uns], ungeachtet dessen, was wir gemäß seinem Willen bitten. Und wenn wir wissen, dass er uns in dem, worum immer wir bitten, hört, wissen wir, dass wir die erbetenen Dinge haben werden, da wir sie von ihm erbeten haben“ (1Jo 5:14, 15).
Demzufolge treibt diese „vollkommene Liebe“ nicht jede Art von Furcht aus. Sie beseitigt nicht die ehrerbietige und kindliche Gottesfurcht, die aus tiefem Respekt vor seiner Stellung, Macht und Gerechtigkeit erwächst (Ps 111:9, 10; Heb 11:7). Diese Liebe treibt auch weder die normale Furcht aus, die einen veranlasst, Gefahren, wenn möglich, zu meiden und so sein Leben zu schützen, noch die durch einen plötzlichen Alarm verursachte Furcht. (Vgl. 1Sa 21:10-15; 2Ko 11:32, 33; Hi 37:1-5; Hab 3:16, 18.)
Überdies wird völlige Einheit durch das ‘vollkommene Band’ der Liebe erreicht, das wahre Christen veranlasst, „vollkommen eins gemacht [zu] werden“ (Kol 3:14; Joh 17:23). Offensichtlich ist die Vollkommenheit dieser Einheit ebenfalls relativ und bedeutet nicht, dass alle Persönlichkeitsunterschiede wie z. B. die Fähigkeiten, Gewohnheiten und das Gewissen einer Person beseitigt werden. Ist diese vollkommene Einheit jedoch erreicht, ist Einheit im Handeln, Glauben und Lehren die Folge (Rö 15:5, 6; 1Ko 1:10; Eph 4:3; Php 1:27).
Die Vollkommenheit Christi Jesu. Jesus wurde als vollkommener, heiliger, sündenloser Mensch geboren (Luk 1:30-35; Heb 7:26). Seine körperliche Vollkommenheit war natürlich nicht grenzenlos, sondern auf den menschlichen Bereich beschränkt; er erfuhr, dass man als Mensch Grenzen hat – er wurde müde, durstig, hungrig und war sterblich (Mar 4:36-39; Joh 4:6, 7; Mat 4:2; Mar 15:37, 44, 45). Jehova Gott hatte den Vorsatz gefasst, seinen Sohn als Hohen Priester für die Menschheit zu gebrauchen. Obwohl Jesus ein vollkommener Mensch war, musste er für diese Stellung ‘vollkommen gemacht’ (gr. teleióō) werden, den Erfordernissen seines Vaters vollständig entsprechen und so in die Lage versetzt werden, das gesteckte Ziel zu erreichen. Es wurde von ihm verlangt, „in allen Beziehungen seinen ‚Brüdern‘ gleich“ zu werden und ebenso wie seine „Brüder“ oder Fußstapfennachfolger Leiden zu erdulden und unter Prüfung Gehorsam zu lernen. Auf diese Weise wäre er in der Lage, ‘mit unseren Schwachheiten mitzufühlen, als einer, der in allem auf die Probe gestellt worden ist wie wir selbst, doch ohne Sünde’ (Heb 2:10-18; 4:15, 16; 5:7-10). Außerdem musste er nach seinem Tod als vollkommenes Opfer und seiner Auferstehung unvergängliches Leben als Geistgeschöpf im Himmel erhalten, um so für sein priesterliches Amt „für immer vollkommen gemacht“ zu werden (Heb 7:15 bis 8:4; 9:11-14, 24). Gleichermaßen werden alle, die mit Christus als Unterpriester dienen werden, ‘vollkommen gemacht’, das heißt in die Lage versetzt, das himmlische Ziel zu erreichen, das sie anstreben und zu dem sie berufen sind (Php 3:8-14; Heb 12:22, 23; Off 20:6).
Der „Vervollkommner unseres Glaubens“. Jesus wird als der „Hauptvermittler [oder Oberanführer (Hauptanführer)] und Vervollkommner unseres Glaubens“ bezeichnet (Heb 12:2). Es stimmt zwar, dass Abrahams Glaube durch seine Glaubenswerke und seinen Gehorsam lange vor dem Kommen Jesu Christi „vollkommen gemacht“ wurde, sodass Abraham Gottes Gunst erlangte und Teilhaber mit Gott an einem eidesstattlichen Bund wurde (Jak 2:21-23; 1Mo 22:15-18). Aber der Glaube all dieser Glaubensmänner, die vor Jesu irdischem Dienst lebten, war insofern unvollständig oder unvollkommen, als sie die damals noch unerfüllten Prophezeiungen über Jesus als den Samen Gottes und Messias nicht verstanden (1Pe 1:10-12). Durch seine Geburt, seinen Dienst, seinen Tod und seine Auferstehung zu Leben im Himmel erfüllten sich diese Prophezeiungen, und der Glaube an Christus hatte eine befestigte Grundlage, die auf geschichtlichen Tatsachen beruhte. Folglich ist in diesem Sinn der vollkommen gemachte Glaube durch Christus Jesus „gekommen“ (Gal 3:24, 25), der dadurch bewies, dass er der „Anführer“ (JB), „Bahnbrecher“ (Das Neue Testament von L. Reinhardt) oder Hauptvermittler unseres Glaubens ist. Von seiner himmlischen Stellung aus war er weiterhin der Vervollkommner des Glaubens seiner Nachfolger, indem er zu Pfingsten den heiligen Geist auf sie ausgoss und ihnen später Offenbarungen übermittelte, durch die ihr Glaube nach und nach wuchs und sich entwickelte (Apg 2:32, 33; Heb 2:4; Off 1:1, 2; 22:16; Rö 10:17).
„Nicht ohne uns vollkommen gemacht“. Nach einem Rückblick auf die Geschichte treuer Menschen der vorchristlichen Ära, angefangen von Abel, erklärt der Apostel Paulus: „Doch empfingen alle diese ... die Erfüllung der Verheißung nicht, da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, damit sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“ (Heb 11:39, 40). Das Wort „uns“ bezieht sich hier eindeutig auf gesalbte Christen (Heb 1:2; 2:1-4), „Mitgenossen der himmlischen Berufung“ (Heb 3:1), für die Christus „einen neuen und lebendigen Weg“ in die heilige Stätte der himmlischen Gegenwart Gottes „eingeweiht“ hat (Heb 10:19, 20). Diese himmlische Berufung schließt den Dienst als himmlische Priester Gottes und Christi während Christi Tausendjahrherrschaft ein. Außerdem wird ihnen „Macht zu richten“ gegeben (Off 20:4-6). Logischerweise sind also das Leben im Himmel und die Vorrechte, die die Berufenen erhalten, „etwas Besseres“, das Gott für solche gesalbten Christen vorgesehen hat (Heb 11:40). Ihre Offenbarung, wenn sie vom Himmel her mit Christus darangehen, das böse System zu vernichten, wird jedoch den Weg dafür bereiten, die Geschöpfe, die die ‘herrliche Freiheit der Kinder Gottes’ erreichen möchten, von der Sklaverei des Verderbens frei zu machen (Rö 8:19-22). Aus Hebräer 11:35 geht hervor, dass treue Menschen der vorchristlichen Zeit unter Leiden ihre Lauterkeit bewahrten, „damit sie eine bessere Auferstehung erlangen könnten“ – eine Auferstehung, die besser ist als die der „Toten“ (Personen, die auferweckt wurden und wieder starben), die zu Beginn des Verses erwähnt werden. (Vgl. 1Kö 17:17-23; 2Kö 4:17-20, 32-37.) Dass diese treuen Menschen der vorchristlichen Zeit „vollkommen gemacht“ werden, muss sich demnach auf ihre Auferstehung oder Wiederherstellung zum Leben und ihre anschließende Befreiung „von der Sklaverei des Verderbens“ durch die Dienste des Priestertums Christi Jesu und seiner Unterpriester während der Tausendjahrherrschaft beziehen.
Die Rückkehr der Menschen zur Vollkommenheit auf der Erde. Gemäß dem Gebet „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf der Erde“ wird dieser Planet mit Sicherheit die volle Wirkungskraft der Ausführung der Vorsätze Gottes erleben (Mat 6:10). Das böse System unter der Gewalt Satans wird vernichtet werden. Alle Mängel und Fehler der Überlebenden, die weiterhin gehorsam Glauben ausüben, werden beseitigt werden, sodass das, was übrig bleibt, Gottes Maßstäben der Vortrefflichkeit, Vollständigkeit und Tadellosigkeit entspricht. Dies schließt die Vollkommenheit der irdischen Verhältnisse und der menschlichen Geschöpfe ein, was aus Offenbarung 5:9, 10 hervorgeht. Dort heißt es, dass ‘für Gott erkaufte’ Personen (vgl. Off 14:1, 3) „zu einem Königtum und zu Priestern für unseren Gott gemacht [werden], und sie sollen als Könige über die Erde regieren“. Zu den Pflichten der Priester unter dem Gesetzesbund gehörte nicht nur, andere bei der Darbringung von Opfern vor Gott zu vertreten, sondern es war auch ihre Aufgabe, die körperliche Gesundheit der Nation zu schützen, indem sie verunreinigte Personen reinigten und Aussätzige beurteilten, die geheilt waren (3Mo, Kap. 13 bis 15). Darüber hinaus war die Priesterschaft dafür verantwortlich, die psychische und geistige Erbauung und Gesundheit des Volkes zu fördern (5Mo 17:8-13; Mal 2:7). Da das mosaische Gesetz „einen Schatten der künftigen guten Dinge“ hatte, kann man erwarten, dass die himmlische Priesterschaft, die unter Christus Jesus während seiner Tausendjahrherrschaft amtiert (Off 20:4-6), ähnliche Dienste leisten wird (Heb 10:1).
Dass die erlösten Menschen die Beseitigung von Tränen, Trauer, Geschrei, Schmerz und Tod erleben werden, wird durch das prophetische Bild in Offenbarung 21:1-5 garantiert. Durch Adam verbreiteten sich die Sünde und das damit verbundene Leid und der Tod unter der Menschheit (Rö 5:12), was sicherlich zu den ‘früheren Dingen’ gehört, die vergehen sollen. Tod ist der Lohn für Sünde, und als „letzter Feind wird der Tod“ durch Christi Königreichsherrschaft „zunichtegemacht“ (Rö 6:23; 1Ko 15:25, 26, 56). Dies bedeutet für die gehorsamen Menschen eine Rückkehr zu dem vollkommenen Zustand, dessen sich der Mensch zu Beginn der Menschheitsgeschichte in Eden erfreute. Demzufolge werden Menschen in der Lage sein, sich nicht nur einer Vollkommenheit zu erfreuen, die den Glauben und die Liebe betrifft, sondern auch einer Vollkommenheit in Bezug auf Sündenlosigkeit, da sie voll und ganz den gerechten Maßstäben entsprechen, die Gott für Menschen aufgestellt hat. Die Prophezeiung in Offenbarung 21:1-5 berichtet ebenfalls von der Tausendjahrherrschaft Christi, denn das „Neue Jerusalem“, dessen ‘Herabkommen aus dem Himmel’ mit der Beseitigung der Leiden der Menschheit in Verbindung gebracht wird, wird als Christi „Braut“ oder verherrlichte Versammlung – diejenigen, die die königliche Priesterschaft der Tausendjahrherrschaft Christi bilden – dargestellt (Off 21:9, 10; Eph 5:25-32; 1Pe 2:9; Off 20:4-6).
Die Vollkommenheit der Menschen wird relativ, d. h. auf den menschlichen Bereich beschränkt, sein. Doch wird sie sicherlich denen, die sie erhalten, die Fähigkeit verleihen, sich des irdischen Lebens in vollstem Maß zu erfreuen. „Freuden bis zur Sättigung [oder „bis zum vollen Maß“, „in Fülle“] sind bei deinem [Jehovas] Angesicht“, und dass Gottes ‘Zelt bei den Menschen weilt’, deutet darauf hin, dass es sich dabei um gehorsame Menschen handelt, denen Gott seine Gunst schenkt (Ps 16:11; Off 21:3; vgl. Ps 15:1-3; 27:4, 5; 61:4; Jes 66:23). Vollkommenheit bedeutet nicht, wie oft angenommen wird, dass es keine Vielfalt mehr gibt. Das Tierreich, das ein Ergebnis der ‘vollkommenen Tätigkeit’ Jehovas ist (1Mo 1:20-24; 5Mo 32:4), weist eine außergewöhnliche Mannigfaltigkeit auf. Desgleichen schließt die Vollkommenheit des Planeten Erde nicht aus, dass es Vielfalt, Abwechslung und Gegensätze gibt; Vollkommenheit lässt Einfaches und Komplexes zu, Gewöhnliches und Ausgefallenes, Saures und Süßes, Raues und Glattes, Wiesen und Wälder, Berge und Täler. Zur Vollkommenheit gehört die Frische der ersten Frühlingstage, die Wärme des Sommers mit seinem azurblauen Himmel, die Pracht der Herbstfarben sowie die reine Schönheit frisch gefallenen Schnees (1Mo 8:22). Vollkommene Menschen werden somit keine stereotypen Personen mit der gleichen Persönlichkeit, den gleichen Talenten und Fähigkeiten sein. Wie aus den eingangs erwähnten Definitionen hervorgeht, ist dies nicht notwendigerweise die Bedeutung von Vollkommenheit.