Kapitel 3
Gemeinsamkeiten in der Mythologie
1—3. (a) Warum sollten wir uns für Mythen interessieren? (b) Was wird im vorliegenden Kapitel umrissen?
WARUM sich überhaupt mit Mythen befassen? Sind sie nicht lediglich erfundene Erzählungen aus ferner Vergangenheit? Es stimmt zwar, daß einige frei erfunden sind, anderen hingegen liegen Tatsachen zugrunde. Als Beispiel können die Mythen und Legenden angeführt werden, die man überall auf der Erde antrifft und die ihren Ursprung in der weltweiten Flut haben, die tatsächlich stattgefunden hat und von der die Bibel berichtet.
2 Es ist von Interesse, Mythen eingehender zu betrachten, weil sie die Grundlage für Glaubensansichten und Riten bilden, die noch heute in vielen Religionen zu finden sind. Der Glaube an eine unsterbliche Seele kann beispielsweise bis auf assyrisch-babylonische Mythen zurückverfolgt werden. Von dort drang er in die ägyptische und dann in die griechische und römische Mythologie ein und setzte sich bis in die Christenheit fort, und in der Christenheit ist dieser Glaube zu einer Grundlehre ihrer Theologie geworden. Mythen zeugen davon, daß die Menschen in alter Zeit nach Göttern und nach einem Sinn im Leben suchten. Im vorliegenden Kapitel werden einige grundlegende Gemeinsamkeiten von Mythen der Hauptkulturen der Welt kurz umrissen. Bei einer näheren Betrachtung dieser Mythen stellt man fest, daß folgendes immer wiederkehrt: eine Schöpfung, eine Flut, falsche Götter, Halbgötter, die Unsterblichkeit der Seele und der Sonnenkult. Wie kommt das?
3 Sehr oft ist ein wahrer Kern vorhanden, eine geschichtliche Person oder ein geschichtliches Ereignis, das später übertrieben oder verzerrt dargestellt wird, so daß eine Legende entsteht. Eines dieser Ereignisse oder eine dieser historischen Tatsachen ist die Schöpfung, von der in der Bibel berichtet wird.a
Tatsachen und Märchen über die Schöpfung
4, 5. Welche Glaubensansichten werden in der griechischen Mythologie vertreten?
4 Schöpfungsmythen gibt es in Hülle und Fülle, aber kein einziger Mythos weist die einfache Logik des biblischen Schöpfungsberichts auf (1. Mose, Kapitel 1, 2). Der Bericht in der griechischen Mythologie zum Beispiel hört sich sehr barbarisch an. Hesiod war der erste Grieche, der Mythen auf systematische Weise niederschrieb. Im achten Jahrhundert v. u. Z. schrieb er die Theogonie. Darin besingt er den Ursprung der Götter und die Weltentstehung. Er beginnt mit Gäa (Erde), die Uranos (Himmel) hervorbringt. Was dann folgt, erklärt der Gelehrte Jasper Griffin in dem Werk The Oxford History of the Classical World:
5 „Hesiod erzählt die Geschichte — sie war auch Homer nicht unbekannt —, wie die Götter im Himmel der Reihe nach auftraten. Zuerst war Uranos der Höchste, aber er unterdrückte seine Kinder, und Gäa ermutigte seinen Sohn Kronos, seinen Vater zu entmannen. Kronos verschlang dann seine eigenen Kinder, bis ihm seine Frau Rhea anstelle von Zeus einen Stein zu essen gab. Zeus wurde als Kind auf Kreta aufgezogen und zwang dann seinen Vater, seine Geschwister auszuspeien; mit ihnen zusammen und anderen besiegte er Kronos und die Titanen und warf sie in den Tartarus.“
6. Wo hat nach den Worten Jasper Griffins ein großer Teil der griechischen Mythologie seinen Ursprung?
6 Wo hat dieser sonderbare Mythos der Griechen seinen eigentlichen Ursprung? Der oben zitierte Gelehrte gibt darauf folgende Antwort: „Er scheint sumerischen Ursprungs zu sein. In den östlichen Geschichten ist von einer Götterfolge und von Entmannung die Rede sowie von dem Verschlingen eines Steins. All das kehrt zwar auf verschiedene Weise wieder, doch es läßt erkennen, daß die Ähnlichkeit mit dem von Hesiod Erzählten kein Zufall ist.“ Wir müssen den Ursprung vieler Mythen, von denen andere Kulturen durchdrungen sind, in Mesopotamien und im Babylon der alten Zeit suchen.
7. (a) Warum ist es nicht leicht, etwas über alte chinesische Mythen zu erfahren? (b) Wie erklärt ein chinesischer Mythos die Erschaffung der Erde und des Menschen? (Vergleiche 1. Mose 1:27; 2:7.)
7 Es ist nicht immer leicht, zu erkennen, was alte Mythen der chinesischen Volksreligion beinhalteten, denn viele schriftliche Aufzeichnungen wurden in der Zeit zwischen 213 und 191 v. u. Z. vernichtet.b Einige Mythen sind jedoch erhalten geblieben, beispielsweise die Erzählung über die Entstehung der Erde. Anthony Christie, Professor für orientalische Kunst, schrieb: „Wir erfahren, daß das Chaos wie das Ei einer Henne war. Es existierten weder Himmel noch Erde. Aus dem Ei wurde Pan-ku geboren, während aus den schweren Elementen die Erde und aus den leichten Elementen der Himmel gebildet wurde. Pan-ku wird als Zwerg dargestellt, der in ein Bärenfell oder einen Umhang aus Blättern gehüllt war. Die Entfernung zwischen Erde und Himmel vergrößerte sich 18 000 Jahre lang täglich um etwa 3 Meter, und Pan-ku wuchs genauso schnell, so daß sein Leib den Zwischenraum ausfüllte. Als er starb, verwandelten sich verschiedene Teile seines Körpers in unterschiedliche Elemente der Natur. ... Aus den Flöhen, die er hatte, entstand die Menschheit.“
8. Wie wird in der Mythologie der Inkas die Entstehung der Sprachen erklärt?
8 Eine Legende der Inkas aus Südamerika erklärt, wie ein mythischer Schöpfer jeder Nation ihre Sprache gab. „Er gab jeder Nation die Sprache, die sie sprechen sollte. ... Er gab allen, auch den Männern und den Frauen, Existenz und Seele und gebot jeder Nation, in der Erde zu versinken. Deshalb verschwand jede Nation unter der Erde und erschien an der Stelle wieder, die er bestimmte“ (The Fables and Rites of the Yncas von Cristóbal de Molina von Cuzco, zitiert in South American Mythology). Die Sprachverwirrung in Babel, von der die Bibel berichtet, bildet anscheinend den eigentlichen Kern dieser Legende der Inkas (1. Mose 11:1-9). Richten wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Flut, die in der Bibel in 1. Mose 7:17-24 beschrieben wird.
Die Sintflut — Tatsache oder Mythos?
9. (a) Was sagt die Bibel über die Zustände, die vor der Sintflut auf der Erde herrschten? (b) Was mußten Noah und seine Familie tun, um sich vor der Sintflut zu retten?
9 Die Bibel versetzt uns um rund 4 500 Jahre, etwa in das Jahr 2 500 v. u. Z., zurück, wenn sie davon spricht, daß sich rebellische Geistsöhne Gottes materialisierten und ‘sich dann Frauen nahmen’. Die Nachkommen, die aus diesen unnatürlichen Verbindungen hervorgingen, waren die gewalttätigen Nephilim, „die Starken, die vor alters waren, die Männer von Ruhm“. Ihr gesetzloser Lebenswandel beeinflußte die Welt vor der Sintflut so stark, daß Jehova sagte: „ ‚Ich werde die Menschen, die ich erschaffen habe, von der Oberfläche des Erdbodens wegwischen, ... denn ich bedauere wirklich, daß ich sie gemacht habe.‘ Noah aber fand Gunst in den Augen Jehovas.“ In dem Bericht wird dann gezeigt, daß Noah ganz bestimmte und nützliche Schritte unternehmen mußte, um sich, seine Familie und jeweils mehrere Tiere der verschiedenen Tierarten vor der Sintflut zu retten (1. Mose 6:1-8, 13 bis 8:22; 1. Petrus 3:19, 20; 2. Petrus 2:4; Judas 6).
10. Warum sollte der biblische Flutbericht nicht als Mythos betrachtet werden?
10 Der Bericht aus 1. Mose über die Geschehnisse vor der Sintflut wird von heutigen Kritikern als Mythos abgestempelt. Treue Männer wie Jesaja, Hesekiel, Jesus Christus sowie die Apostel Petrus und Paulus nahmen jedoch den Geschichtsbericht über Noah als glaubwürdig an. Seine Wahrhaftigkeit wird auch dadurch gestützt, daß sich sein Inhalt weltweit in vielen Mythen widerspiegelt, im alten Gilgamesch-Epos sowie in der Mythologie Chinas und der Mythologie der Azteken, der Inkas und der Mayas. Während wir den Bibelbericht im Sinn behalten, wollen wir nun die assyrisch-babylonische Mythologie und deren Bezugnahme auf eine Flut betrachtenc (Jesaja 54:9; Hesekiel 14:20; Matthäus 24:37; Hebräer 11:7).
Die Sintflut und der Gottmensch Gilgamesch
11. Worauf stützt sich das, was man über das Gilgamesch-Epos weiß, hauptsächlich?
11 Dreht man das Rad der Geschichte um etwa 4 000 Jahre zurück, stößt man auf einen berühmten akkadischen Mythos, das Gilgamesch-Epos. Das, was man darüber weiß, stützt sich hauptsächlich auf einen Keilschrifttext aus der Bibliothek Assurbanipals im alten Ninive.
12. Wer war Gilgamesch, und warum war er nicht beliebt? (Vergleiche 1. Mose 6:1, 2.)
12 Das Epos beschreibt die Heldentaten Gilgameschs, der zu zwei Drittel Gott und einem Drittel Mensch oder ein Halbgott gewesen sein soll. In einer Version des Epos heißt es: „Die Mauer des umfriedeten Uruk ließ er bauen, vom heiligen Eanna, dem reinen Tempel, für Anu, den Gott des Firmaments, und für Ischtar, die Göttin der Liebe ..., unsere Herrin der Liebe und des Krieges.“ (Siehe Kasten, Seite 45, wo assyrisch-babylonische Götter und Göttinnen aufgelistet werden.) Gilgamesch hatte aber nicht gerade eine angenehme Art. Die Einwohner Uruks beklagten sich bei den Göttern und sagten: „Nicht läßt Gilgamesch die Jungfrau zum Geliebten, die Tochter des Helden, die Gemahlin des Mannen.“
13. (a) Was unternahmen die Götter, und was tat Gilgamesch? (b) Wer war Utnapischtim?
13 Was unternahmen die Götter daraufhin? Die Göttin Aruru erschuf Enkidu, der der irdische Rivale Gilgameschs sein sollte. Sie waren aber keine Feinde, sondern wurden gute Freunde. Nach einiger Zeit starb Enkidu. Der bestürzte Gilgamesch schrie: „Werd ich nicht, sterbe ich, sein wie auch Enkidu? Harm hielt Einzug in meinem Gemüte, Todesfurcht überkam mich, nun lauf ich hin in die Steppe.“ Er wollte das Geheimnis der Unsterblichkeit lüften und begab sich auf die Suche nach Utnapischtim, dem Überlebenden der Flut, dem zusammen mit den Göttern Unsterblichkeit verliehen worden war.
14. (a) Welchen Auftrag erhielt Utnapischtim? (Vergleiche 1. Mose 6:13-16.) (b) Wie endete die in dem Epos beschriebene Reise Gilgameschs?
14 Schließlich fand Gilgamesch Utnapischtim, und dieser erzählte ihm die Geschichte von der Sintflut. Auf der elften Tafel des Keilschrifttextes, die als die Sintfluttafel bekannt ist, berichtet Utnapischtim von den Anweisungen, die ihm hinsichtlich der Sintflut gegeben wurden. Sie lauteten: „Reiß nieder das Haus, baue ein Schiff, laß fahren Reichtum, suche Leben! ... Führe allerlei Lebenssamen in das Schiff hinauf!“ Erinnert das nicht an den Bibelbericht über Noah und die Sintflut? Utnapischtim konnte Gilgamesch aber keine Unsterblichkeit geben. Der enttäuschte Gilgamesch kehrte nach Uruk zurück. Der Bericht endet mit seinem Tod. Die traurige Tatsache, daß der Tod und der Eingang ins Jenseits unabwendbar sind, ist der Hauptgedanke, den das Epos vermittelt. Diese Leute des Altertums fanden nicht den Gott der Wahrheit und der Hoffnung. Es ist aber ganz offensichtlich, daß zwischen dem Epos und dem einfachen Bibelbericht über die vorsintflutliche Zeit eine Verbindung besteht. Doch wenden wir uns nun einmal anderen Flutsagen zu.
Flutsagen in anderen Kulturen
15. Warum ist die sumerische Flutsage für uns interessant?
15 In einem Mythos, der noch älter ist als das Gilgamesch-Epos, einem sumerischen Mythos, erscheint „Ziusudra, das Gegenstück des biblischen Noah, der als frommer und gottesfürchtiger König dargestellt wird und ständig nach göttlichen Offenbarungen in Träumen oder durch Zauberformeln Ausschau hält“ (Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament). In einem anderen Werk sagt derselbe Autor über diesen Mythos, er „sei ein Parallelbericht zu biblischem Stoff, der diesem verblüffend ähnlich sei, ähnlicher als andere ausgegrabene sumerische Schriften“. Die babylonische und die assyrische Zivilisation wurden von der sumerischen beeinflußt.
16. Aus welcher Quelle könnten die chinesischen Flutsagen stammen?
16 In dem Buch China—A History in Art heißt es, daß Yü einer der Herrscher des Altertums in China war, „der Sieger über die große Flut. Yü leitete die Wasser der Flut in Flüsse und Seen, damit sein Volk das Land wieder neu besiedeln konnte.“ Joseph Campbell, ein Fachmann auf dem Gebiet der Mythologie, schrieb über die chinesische „Periode der großen zehn“: „In diesem wichtigen Zeitalter, das mit einer Sintflut endete, wurden gemäß dem Mythos über die frühe Chouzeit zehn Herrscher eingesetzt. Anscheinend haben wir es also hier mit einer lokalen Umwandlung der alten sumerischen Königslisten zu tun.“ Campbell führt dann noch Weiteres aus chinesischen Legenden an, das „die Annahme, sie stammten aus sumerischer Quelle, zu stützen“ scheint. Das bringt uns wieder zum gemeinsamen Ursprung vieler Mythen zurück. Auch in Amerika, beispielsweise in Mexiko, begegnet man der Geschichte von der Sintflut; diese Erzählungen stammen aus der Aztekenzeit, aus dem 15. und 16. Jahrhundert u. Z.
17. Welche Flutsagen hatten die Azteken?
17 In der Mythologie der Azteken wird von vier früheren Weltaltern gesprochen, und während des ersten sei die Erde von Riesen bewohnt gewesen. (Das erinnert an die Nephilim, die Riesen, von denen die Bibel in 1. Mose 6:4 berichtet.) Es ist darin auch eine urzeitliche Flutsage enthalten, in der es heißt, daß „sich die Wasser, die sich oben befanden, und die unteren Wasser vermischten, wodurch der Horizont verwischt und alles zu einem zeitlosen unermeßlichen Ozean wurde“. Der Gott, der den Regen und das Wasser beherrschte, war Tlaloc. Sein Regen war allerdings nicht ohne Mühe zu bekommen, sondern nur „gegen Blut von geopferten Menschen, durch deren fließende Tränen der Regen nachgeahmt wurde; das löste Regen aus“ (Mythology—An Illustrated Encyclopedia). In einer anderen Sage ist zu lesen, daß das vierte Weltalter Chalchiuhtlicue, die Wassergöttin, beherrschte, deren Universum durch eine Flut zerstört wurde. Die Menschen wurden dadurch gerettet, daß sie zu Fischen wurden.
18. Welche Erzählungen sind in der südamerikanischen Mythologie vorherrschend? (Vergleiche 1. Mose 6:7, 8; 2. Petrus 2:5.)
18 Auch die Inkas hatten ihre Flutsagen. Der britische Autor Harold Osborne schrieb: „Die Flutgeschichte ist das Merkmal der südamerikanischen Mythologie, dem man am meisten begegnet ... Sowohl unter den Völkern des Hochlandes als auch unter den Stämmen des tropischen Tieflandes sind Flutsagen sehr weit verbreitet. Die Sintflut wird im allgemeinen mit der Schöpfung und mit einer Epiphanie [Erscheinung] des Schöpfergottes in Verbindung gebracht. ... Manchmal wird die Flut als ein göttliches Strafgericht angesehen, bei dem die bestehende Menschheit ausgelöscht wurde, was den Weg für das Erscheinen eines neuen Geschlechts bahnte.“
19. Beschreibe die Flutlegende der Mayas.
19 Die Mayas in Mexiko und in Mittelamerika hatten ebenfalls ihre Flutlegende, in der von einer universellen Sintflut oder haiyococab — das bedeutet „Wasser über die Erde“ — die Rede ist. Der katholische Bischof Las Casas schrieb, daß die Indianer Guatemalas die Flut „Butic nannten; dieses Wort hat die Bedeutung von ‚Flut vieler Wasser‘, und damit ist das Endgericht gemeint. Sie glauben, daß eine weitere Butic kommen werde, eine andere Flut und ein anderes Gericht, aber nicht eine Flut von Wasser, sondern von Feuer.“ Es gibt auf der ganzen Welt noch viel mehr Flutsagen, aber die wenigen, die hier angeführt worden sind, bestätigen, daß sie alle denselben Kern haben: die historische Tatsache, von der im 1. Buch Mose berichtet wird.
Der weitverbreitete Glaube an die Unsterblichkeit der Seele
20. Was glaubten die Menschen der alten assyrisch-babylonischen Kultur bezüglich eines Weiterlebens nach dem Tode?
20 Allerdings liegen nicht allen Mythen Tatsachen oder die Bibel zugrunde. Der Mensch hat sich auf der Suche nach Gott an einen Strohhalm geklammert und von der Vorstellung der Unsterblichkeit täuschen lassen. Wie das vorliegende Buch zeigen wird, wurde der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele oder Varianten davon durch die Jahrtausende hindurch überliefert. Die Menschen der alten assyrisch-babylonischen Kultur glaubten an ein Weiterleben nach dem Tode. In der New Larousse Encyclopedia of Mythology heißt es: „Unter der Erde, noch unter dem Abgrund des Apsu [der voll frischen Wassers war und die Erde umschloß], lag die Unterwelt, in die die Menschen nach dem Tod gelangten. Sie war das ‚Land ohne Rückkehr‘ ... In diesen Regionen ewiger Dunkelheit herrschte unter den Seelen der Toten — edimmu —, die ‚wie Vögel in Federkleider gehüllt‘ waren, ein wahlloses Durcheinander.“ Nach dem Mythos wurde die Unterwelt von der Göttin Ereschkigal, der „Herrin der großen Erde“, beherrscht.
21. Was geschah den Glaubensansichten der Ägypter gemäß mit den Toten?
21 Auch die Ägypter hatten ihre Vorstellungen von der unsterblichen Seele. Ehe die Seele einen Zufluchtsort des Glücks erreichen konnte, mußte sie gegen Maat — die Göttin der Wahrheit und der Gerechtigkeit, die durch die Feder der Wahrheit sinnbildlich dargestellt wurde — abgewogen werden. Entweder half dabei Anubis, der Gott mit dem Schakalkopf, oder Horos, der Falke. Fand die Seele die Anerkennung des Osiris, dann konnte sie an der Glückseligkeit der Götter teilhaben. (Siehe Abbildung, Seite 50.) Wie so oft finden wir auch hier die babylonische Auffassung von einer unsterblichen Seele wieder, die die Religion, das Leben und die Handlungsweise der Menschen stark beeinflußt hat.
22. Welche Glaubensansichten hatten die Chinesen über die Toten, und was taten sie, um ihnen zu helfen?
22 In der alten chinesischen Mythologie begegnet man dem Glauben an ein Weiterleben nach dem Tode und an die Notwendigkeit, die Ahnen zufrieden zu stimmen. Gemäß dem Buch Man’s Religions von John B. Noss „stellte man sich [die Ahnen] als lebendige mächtige Geister vor, die sehr um das Wohlergehen ihrer lebenden Nachkommen besorgt waren, aber auch äußerst zornig werden konnten, wenn ihnen etwas mißfiel“. Den Toten mußte jede mögliche Hilfe geleistet werden. Ihnen wurden unter anderem auch Personen mitgegeben, die sie im Tod begleiten sollten. Deshalb „wurden einige Shang-Könige ... mit hundert bis dreihundert Personen, die geopfert wurden, begraben, und diese sollten in der anderen Welt ihre Diener sein. (Dieser Brauch verbindet das alte China mit Ägypten, Afrika, Japan und anderen Ländern, wo Menschen auf ähnliche Weise geopfert wurden.)“ In diesen Fällen führte der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele dazu, daß Menschenopfer dargebracht wurden. (Vergleiche Prediger 9:5, 10; Jesaja 38:18, 19.)
23. (a) Wer und was war nach der griechischen Mythologie der Hades? (b) Was ist gemäß der Bibel der Hades?
23 Die Griechen, in deren Mythologie viele Götter vorkommen, waren ebenfalls um ihre Toten und um deren Schicksal besorgt. Den Mythen gemäß wurde der Sohn des Kronos und Bruder des Gottes Zeus und des Poseidon über das düstere Totenreich gesetzt. Sein Name war Hades, und sein Reich wurde nach ihm benannt. Wie gelangten die Seelen der Toten in den Hades?d
24. (a) Was geschah gemäß der griechischen Mythologie in der Unterwelt? (b) Was hatte die griechische Mythologie mit dem Gilgamesch-Epos gemeinsam?
24 Die Autorin Ellen Switzer erklärt: „In der Unterwelt gab es ... furchterregende Wesen. Da war Charon, der die Fähre ruderte, auf der diejenigen fuhren, die kurz zuvor im Land der Lebendigen gestorben waren und in die Unterwelt befördert wurden. Charon verlangte [für die Fahrt über den Styx] Fährgeld, und die Griechen legten ihren Toten, wenn sie sie begruben, oft eine Münze unter die Zunge, um sicherzugehen, daß sie passendes Fahrgeld bei sich hatten. Die Seelen der Toten, die nicht bezahlen konnten, blieben auf der falschen Flußseite in einer Art Niemandsland, und es bestand die Möglichkeit, daß sie zurückkehrten und die Lebenden quälten.“e
25. Wer wurde von der griechischen Denkweise hinsichtlich der Seele beeinflußt?
25 Danach wurden die Römer in ihrer Vorstellung von der Seele von der griechischen Mythologie beeinflußt, und griechische Philosophen wie Platon (um 427—347 v. u. Z.) übten auch einen starken Einfluß auf frühe christliche Denker aus, die abtrünnig geworden waren; diese übernahmen die Lehre von der unsterblichen Seele und lehrten sie, obwohl sie nicht biblisch begründet ist.
26, 27. Welche Vorstellung hatten die Azteken, die Inkas und die Mayas vom Tod?
26 Auch die Azteken, die Inkas und die Mayas glaubten an die Unsterblichkeit der Seele. Der Tod war für sie wie für andere Kulturen ein Geheimnis. Die von ihnen durchgeführten Zeremonien und ihre Glaubensansichten sollten bewirken, daß sie sich mit dem Tod abfinden konnten. Der Archäologe und Historiker Victor W. von Hagen erklärt in dem Werk The Ancient Sun Kingdoms of the Americas: „Die Toten waren in Wirklichkeit lebendig. Sie waren lediglich in ein anderes Stadium hinübergewechselt; sie waren unsichtbar, ungreifbar, unverwundbar. Die Toten ... waren zu unsichtbaren Gliedern der Sippe geworden.“ (Vergleiche Richter 16:30; Hesekiel 18:4, 20.)
27 In demselben Werk heißt es, daß „die [Inka-]Indianer an die Unsterblichkeit glaubten; ja, sie glaubten, daß man nie sterben würde, ... der tote Leib würde einfach wieder lebendig und würde die Kräfte unsichtbarer Geistermächte annehmen“. Die Mayas glaubten ebenfalls an eine Seele und an 13 Himmel und 9 Höllen. Überall wollten die Menschen also die Realität des Todes leugnen, und die Lehre von der unsterblichen Seele benutzten sie als Krücke, auf die sie sich stützten (Jesaja 38:18; Apostelgeschichte 3:23).
28. Was sind einige in Afrika verbreitete Glaubensansichten?
28 Auch afrikanische Mythen spielen auf das Weiterleben der Seele nach dem Tod an. Viele Afrikaner leben in Angst vor den Seelen der Toten. In der New Larousse Encyclopedia of Mythology heißt es diesbezüglich: „Dieser Glaube steht mit einem anderen in Verbindung: mit dem Glauben an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod. Magier können die Seelen anrufen, damit diese ihnen bei der Anwendung ihrer Kräfte helfen. Die Seelen der Toten siedeln oft in Tierleiber über, oder sie werden vielleicht sogar in Form von Pflanzen wiedergeboren.“ Deshalb tötet ein Zulu gewisse Arten von Schlangen nicht, von denen er glaubt, ihnen würden die Geister von Verwandten innewohnen.
29. Umreiße kurz die Legenden einiger Stämme aus dem südlichen Afrika. (Vergleiche 1. Mose 2:15-17; 3:1-5.)
29 Die Massai Südostafrikas glauben an einen Schöpfer namens Ngai, der jedem Massai einen Schutzengel gibt. Beim Tod bringt der Engel den Krieger ins Jenseits. Die zuvor zitierte New Larousse Encyclopedia of Mythology enthält eine Totenlegende der Zulus, die von dem ersten Menschen, Unkulunkulu, berichtet, der gemäß diesem Mythos das höchste Wesen wurde. Er schickte das Chamäleon mit folgender Botschaft zur Menschheit: „Die Menschen sollen nicht sterben.“ Das Chamäleon war langsam und wurde unterwegs aufgehalten. Unkulunkulu sandte also eine Eidechse mit einer anderen Botschaft: „Die Menschen sollen sterben.“ Die Eidechse traf zuerst ein, „und seitdem konnte kein Mensch dem Tod entrinnen“. Dieselbe Legende, nur in abgewandelter Form, ist unter den Betschuana, den Basuto und den Baronga zu finden.
30. Was werden wir beim Lesen dieses Buches in bezug auf die Seele des weiteren erkennen?
30 Bei unseren weiteren Nachforschungen hinsichtlich der Suche der Menschheit nach Gott werden wir noch besser erkennen, welch große Bedeutung der Mythos von der Unsterblichkeit der Seele für die Menschheit hatte und noch hat.
Sonnenkult und Menschenopfer
31. (a) Was glaubten die Ägypter bezüglich des Sonnengottes Ra? (b) Inwiefern steht das im Gegensatz zu dem, was die Bibel sagt? (Psalm 19:4-6).
31 Die Mythologie Ägyptens kennt eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen. Wie viele Nationen des Altertums fühlten sich die Ägypter bei ihrer Suche nach Gott bewogen, das anzubeten, wovon ihr tägliches Leben abhängig war: die Sonne. Unter dem Namen Ra (Amon-Ra) verehrten sie deshalb den souveränen Herrn des Himmels, der jeden Tag mit einem Boot von Osten nach Westen fuhr. Wenn die Nacht hereinbrach, verfolgte er einen gefährlichen Weg durch die Unterwelt.
32. Beschreibe eines der Feste zu Ehren des Feuergottes Xiuhtecutli (Huehueteotl).
32 Ein gemeinsames Merkmal des Sonnenkultes der Azteken, der Inkas und der Mayas waren die Menschenopfer. Die Azteken feierten in einem ständigen Zyklus religiöse Feste, bei denen sie ihren verschiedenen Gottheiten, besonders dem Sonnengott Tezcatlipoca, Menschenopfer darbrachten. Und bei dem Fest, das zu Ehren des Feuergottes Xiuhtecutli (Huehueteotl) gefeiert wurde, tanzte man „mit den Gefangenen ... Dann ... schwenkte man sie über einem lodernden Feuer, warf sie in die Glut, holte die halb Bewußtlosen wieder heraus und schnitt ihnen das Herz aus der Brust, das noch zuckend den Göttern dargebracht wurde“ (Sonnenkönigreiche. Azteken, Maya, Inka).
33. (a) Was schloß die Religion der Inkas ein? (b) Was sagt die Bibel über Menschenopfer? (Vergleiche 2. Könige 23:5, 11; Jeremia 32:35; Hesekiel 8:16.)
33 Weiter im Süden hatte die Religion der Inkas der alten Zeit ihre eigenen Opfer und Mythen. In Verbindung mit ihrem Kult wurden dem Sonnengott Inti und dem Schöpfergott Viracocha Kinder und Tiere geopfert.
Mythische Götter und Göttinnen
34. Aus wem bestand die bekannteste der ägyptischen Göttertriaden, und welche Rolle spielten die drei Gottheiten?
34 Die bekannteste der ägyptischen Göttertriaden bestand aus Isis, dem Symbol der göttlichen Mutterschaft, Osiris, ihrem Bruder und Gemahl, und Horos, dem Sohn von beiden; er wurde gewöhnlich als Falke dargestellt. Ägyptische Statuen zeigen Isis manchmal als eine Frau, die ihrem Kind die Brust reicht; das erinnert sehr an die erst 2 000 Jahre später geschaffenen Statuen und Gemälde der Christenheit, auf denen die Jungfrau mit dem Kind zu sehen ist. Im Laufe der Zeit wurde Osiris, der Gemahl der Isis, als der Gott der Toten bekannt, denn er stellte den Seelen der Toten ewiges glückliches Leben im Jenseits in Aussicht.
35. Wer war Hathor, und welches war das bedeutendste Fest, das ihr zu Ehren jedes Jahr gefeiert wurde?
35 Hathor war die ägyptische Göttin der Liebe, der Freude, der Musik und des Tanzes. Sie wurde die Königin der Toten und half ihnen mit einer Leiter, in den Himmel zu kommen. Wie aus der New Larousse Encyclopedia of Mythology hervorgeht, wurden ihr zu Ehren große Feste gefeiert, „besonders am Neujahrstag, der auch ihr Geburtstag war. Vor Sonnenaufgang brachten die Priesterinnen das Bild Hathors auf die Terrasse, um es den Strahlen der aufgehenden Sonne auszusetzen. Dann brach Jubel aus, worauf ausgelassen gefeiert wurde, und der Tag endete mit Gesang und Trinkgelagen.“ Hat sich bis heute, Tausende von Jahren später, an den Neujahrsfesten viel geändert?
36. (a) In welch einer religiösen Umgebung befand sich Israel im 16. Jahrhundert v. u. Z.? (b) Von welcher besonderen Bedeutung waren die zehn Plagen?
36 Die Ägypter beteten auch eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen an, die durch Tiere dargestellt wurden, zum Beispiel Apis, den Stier; Chnum, den Widder; die als Frosch dargestellte Heket; Hathor, die Kuh, und Sobek, das Krokodil (Römer 1:21-23). In einer solchen religiösen Umgebung befanden sich die Israeliten im 16. Jahrhundert v. u. Z. in Sklaverei. Um sie aus Pharaos eisernem Griff zu befreien, mußte Jehova, der Gott Israels, zehn verschiedene Plagen über Ägypten bringen (2. Mose 7:14 bis 12:36). Mit diesen Plagen wurde die Absicht verfolgt, die mythischen Götter Ägyptens zu demütigen. (Siehe Kasten, Seite 62.)
37. (a) Was für Charakterzüge hatten einige der römischen Gottheiten? (b) Wie beeinflußte der Lebenswandel der Götter ihre Verehrer? (c) Was erlebten Paulus und Barnabas in Lystra?
37 Wenden wir uns nun den Göttern des alten Griechenland und des alten Rom zu. Rom hat von Griechenland viele Götter übernommen, auch ihre Tugenden und Lasterhaftigkeiten. (Siehe Kasten, Seite 43 und 66.) Venus und Flora beispielsweise waren schamlose Prostituierte, Bacchus war ein ausschweifender Trinker, Merkur ein Straßenräuber und Apollon ein Frauenheld. Man sagt, daß Jupiter, der Göttervater, mit etwa 60 Frauen Ehebruch begangen oder Blutschande getrieben habe. (Das erinnert stark an die rebellischen Engel, die vor der Flut mit Frauen intim wurden.) Da die Anbeter gewisser Götter dazu neigen, diese nachzuahmen, braucht man sich nicht zu wundern, daß römische Kaiser wie Tiberius, Nero und Caligula ein ausschweifendes Leben führten und Ehebrecher, Hurer und Mörder waren.
38. (a) Beschreibe die Anbetung der Römer. (b) Wie beeinflußte die Religion den römischen Soldaten?
38 Die Römer nahmen in ihre Religion Götter aus vielen Kulturen auf. Sie beteten beispielsweise mit Verzückung Mithras an, den persischen Gott des Lichts, der ihr Sonnengott wurde (siehe Kasten, Seite 60, 61), und die syrische Göttin Atargatis (Ischtar). Die griechische Jagdgöttin Artemis wandelten sie in Diana um, und sie hatten ihre eigenen Variationen der ägyptischen Isis. Sie übernahmen auch die keltischen, in Dreiergruppen auftretenden Fruchtbarkeitsgöttinnen (Apostelgeschichte 19:23-28).
39. (a) Wem unterstand die Priesterschaft Roms? (b) Beschreibe eine der Kulthandlungen der römischen Religion.
39 Zur Pflege ihrer öffentlichen Kulte in den Hunderten von Heiligtümern und Tempeln standen eine Anzahl Priester zur Verfügung; diese unterstanden alle „der Autorität des Pontifex maximus [Oberpriesters], der das Oberhaupt der Staatsreligion war“ (Atlas of the Roman World). In dem angeführten Atlas heißt es, daß zu den Kulthandlungen der Römer das Taurobolium gehörte. Dabei „stand der Verehrer in einer Opfergrube und wurde im Blut des über ihm geopferten Stiers gebadet. Durch diesen Ritus wurde er geläutert und von Schuld gereinigt.“
Christliche Mythen und Legenden?
40. Wie denken viele Gelehrte über die Geschehnisse in Verbindung mit dem frühen Christentum?
40 Moderne Kritiker behaupten, auch der christliche Glaube enthalte Mythen und Legenden. Stimmt das aber? Für viele Gelehrte sind Jesu Geburt durch eine Jungfrau, seine Wunder und seine Auferstehung weiter nichts als Legenden. Einige sagen sogar, er habe niemals gelebt, sondern die Legende über ihn sei aus alten Mythen und aus dem Sonnenkult übernommen worden. Joseph Campbell, Experte auf dem Gebiet der Mythologie, schrieb: „Mehrere Gelehrte haben daher zu verstehen gegeben, daß es einen Johannes [den Täufer] und einen Jesus nie gegeben habe, sondern nur einen Wassergott und einen Sonnengott.“ Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß viele dieser Gelehrten Atheisten sind und demnach jeden Glauben an Gott verwerfen.
41, 42. Was beweist, daß das, was in Verbindung mit dem frühen Christentum geschah, auf Tatsachen beruht?
41 Diese Skepsis steht in krassem Widerspruch zu den historischen Tatsachen. Der jüdische Historiker Josephus (ca. 37 bis ca. 100 u. Z.) schrieb zum Beispiel: „Manche Juden waren übrigens der Ansicht, der Untergang der Streitmacht des Herodes sei nur dem Zorne Gottes zuzuschreiben, der für die Tötung Joannes’ des Täufers die gerechte Strafe gefordert habe. Den letzteren nämlich hatte Herodes hinrichten lassen, obwohl er ein edler Mann war“ (Markus 1:14; 6:14-29).
42 Derselbe Historiker bezeugte, daß die Existenz Jesu geschichtlich verbürgt ist, als er schrieb, daß „ein gewisser Jesus lebte, ein weiser Mensch, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf ..., den seine Jünger einen Sohn Gottes nannten“. Josephus schrieb weiter: „Pilatus hatte ihn verurteilt ... Und bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der ‚Messianisten‘, die sich nach ihm nennen, fort“f (Markus 15:1-5, 22-26; Apostelgeschichte 11:26).
43. Welche Grundlage hatte der Apostel Petrus für seinen Glauben an Christus?
43 Deshalb konnte der christliche Apostel Petrus als Augenzeuge der Umgestaltung Jesu mit fester Überzeugung sagen: „Nein, nicht dadurch, daß wir kunstvoll ersonnenen unwahren Geschichten [griechisch: mýthos] folgten, machten wir euch mit der Macht und Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus bekannt, sondern dadurch, daß wir Augenzeugen seiner herrlichen Größe wurden. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der großartigen Herrlichkeit Worte wie diese an ihn ergingen: ‚Dieser ist mein Sohn, mein geliebter, an dem ich selbst Wohlgefallen gefunden habe.‘ Ja, diese Worte hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren“ (2. Petrus 1:16-18).g
44. Welcher biblische Grundsatz sollte bei einem Konflikt zwischen der Meinung von Menschen und dem Wort Gottes angewendet werden?
44 Dieser Konflikt zwischen dem Standpunkt menschlicher „Experten“ und dem Wort Gottes erfordert die Anwendung des zuvor erwähnten Grundsatzes, der lautet: „Was denn ist der Fall? Wird vielleicht, wenn einige nicht Glauben bekundeten, ihr Unglaube die Treue Gottes unwirksam machen? Das geschehe nie! Sondern Gott werde als wahrhaftig befunden, wenn auch jeder Mensch als Lügner erfunden werde, so wie geschrieben steht: ‚Damit du dich in deinen Worten als gerecht erweist und den Sieg gewinnst, wenn du gerichtet wirst‘ “ (Römer 3:3, 4).
Gemeinsamkeiten
45. Was sind einige Gemeinsamkeiten in der Mythologie der Welt?
45 Dieser kurze Überblick über einige der Mythen der Welt hat gezeigt, daß sie einiges gemeinsam haben, von dem vieles bis nach Babylon (Mesopotamien), der Wiege der meisten Religionen, zurückverfolgt werden kann. Gemeinsamkeiten sind sowohl in den Berichten über die Schöpfung und über die Zeit, als Halbgötter und Riesen das Land bewohnten und die Bösen durch eine Sintflut vernichtet wurden, festzustellen als auch in den religiösen Grundvorstellungen in Verbindung mit dem Sonnenkult und einer unsterblichen Seele.
46, 47. (a) Wie lassen sich der gemeinsame Ursprung und die Gemeinsamkeiten vieler Mythen anhand der Bibel erklären? (b) Welche weiteren Aspekte der Kulte in alter Zeit werden behandelt werden?
46 Geht man vom biblischen Standpunkt aus, so kann man diese Gemeinsamkeiten dadurch erklären, daß die Menschheit sich nach der Sintflut vor über 4 200 Jahren auf die Veranlassung Gottes hin von Babel in Mesopotamien ausbreitete. Sie wurde zwar getrennt, und die Menschen bildeten Familien und Stämme mit verschiedenen Sprachen, aber sie begannen mit denselben Ansichten über die vergangene Geschichte und mit denselben religiösen Vorstellungen (1. Mose 11:1-9). Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Ansichten und Vorstellungen in den einzelnen Kulturen entstellt und ausgeschmückt, wodurch die zahlreichen Sagen, Legenden und Mythen entstanden, die wir heute kennen. Diese Mythen, die von der biblischen Wahrheit weit entfernt sind, haben die Menschheit dem wahren Gott nicht näherbringen können.
47 Die Menschen haben ihre religiöse Gesinnung aber auch auf andere Weise zum Ausdruck gebracht, und zwar durch den Spiritismus, den Schamanismus, die Magie, die Ahnenverehrung usw. Läßt dies etwas über die Suche der Menschheit nach Gott erkennen?
[Fußnoten]
a Eine gründliche Erörterung der Schöpfung ist in dem Buch Das Leben — Wie ist es entstanden? Durch Evolution oder durch Schöpfung?, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft, zu finden.
b Die Mythologie Chinas aus neuerer Zeit, die das Ergebnis des buddhistischen, taoistischen und konfuzianistischen Einflusses ist, wird in Kapitel 6 und 7 behandelt.
c Eine erschöpfendere Erörterung der geschichtlichen Beweise für die Sintflut ist in den Werken Einsichten über die Heilige Schrift, Band 1, Seite 327, 328 und Hilfe zum Verständnis der Bibel, Band 7, Seite 1363, 1364 und Band 8, Seite 1365, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft, zu finden.
d Der Ausdruck „Hades“ kommt in den Christlichen Griechischen Schriften zehnmal vor; er steht nicht für eine mythische Person, sondern für das allgemeine Grab der Menschheit. Er ist die griechische Entsprechung für das hebräische Wort scheʼṓl. (Vergleiche Psalm 16:10; Apostelgeschichte 2:27, The Kingdom Interlinear Translation of the Greek Scriptures; siehe Einsichten über die Heilige Schrift, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft, Band 1, Seite 1036, 1037.)
e Interessanterweise hatte Utnapischtim, der Held des Gilgamesch-Epos, einen Schiffer — Ursanabi —, der Gilgamesch über die Wasser des Todes fuhr, um den Überlebenden der Flut zu treffen.
f Traditional text of Josephus, footnote, page 48 of the Harvard University Press edition, Volume IX.
g Weiterer Aufschluß über das Christentum ist in Kapitel 10 zu finden.
[Kasten auf Seite 43]
Griechische und römische Gottheiten
Viele Götter und Göttinnen der griechischen Mythologie nahmen in der römischen Mythologie die gleiche Stellung ein. Nachstehend werden einige aufgeführt.
Griechisch Römisch Stellung
Aphrodite Venus Göttin der Liebe
Apollon Apollo Gott des Lichts, der Heilung und
der Dichtung
Ares Mars Kriegsgott
Artemis Diana Göttin der Jagd und der Geburt
Asklepios Äskulap Gott der Heilkunde
Athene Minerva Göttin des Handwerks, des Krieges
und der Weisheit
Demeter Ceres Landfruchtgöttin
Dionysos Bacchus Gott des Weines, der Fruchtbarkeit
und der Ausgelassenheit
Eros Cupido Liebesgott
Gäa Terra Symbol für die Erde sowie Mutter
und Gattin des Uranos
Hephäst Vulcanus Schmied der Götter sowie der
Gott des Feuers und der
Metallbearbeitung
Hera Juno Beschützerin der Ehe und der Frauen;
in der griechischen Mythologie
Schwester und Gemahlin des Zeus;
in der römischen Mythologie
Gattin des Jupiters
Hermes Merkur Götterbote; Gott des Handels
und der Wissenschaften
und Beschützer der Reisenden,
Diebe und Vagabunden
Hestia Vesta Göttin des Herdfeuers
Hypnos Somnus Gott des Schlafes
Kronos Saturnus In der griechischen Mythologie
Herrscher der Titanen und Vater
des Zeus; in der römischen
Mythologie auch der Gott
des Ackerbaus
Pluto oder Pluto Gott der Unterwelt Hades
Poseidon Neptun Gott des Meeres;
in der griechischen Mythologie
auch Gott der Erdbeben
und der Pferde
Rhea Ops Gemahlin und Schwester des Kronos
Uranos Uranus Sohn und Gemahl der Gäa
und Vater der Titanen
Zeus Jupiter Herr der Götter
(Quelle: The World Book Encyclopedia, Ausgabe 1987, Band 13.)
[Kasten auf Seite 45]
Assyrisch-babylonische Götter und Göttinnen
Anu — der höchste Gott, der über die Himmel regierte; der Vater Ischtars.
Assur — der nationale Kriegsgott der Assyrer; auch der Fruchtbarkeitsgott.
Ea — der Wassergott. Der Vater Marduks. Er warnte Utnapischtim vor der Sintflut.
Enlil (Bel) — der Herr der Luft; später wird er in der griechischen Mythologie mit Zeus gleichgesetzt. Er ist der Marduk (Bel) der Babylonier.
Ischtar — die göttliche Personifizierung des Planeten Venus; zu ihrem Kult gehörte die sakrale Prostitution. In Phönizien wurde sie als Astarte und in Syrien als Atargatis verehrt; sie ist die Aschtoret der Bibel (1. Könige 11:5, 33); in Griechenland hieß sie Aphrodite und in Rom Venus.
Marduk — der oberste der babylonischen Götter; „er wurde mit den anderen Göttern wesensgleich und übernahm alle ihre verschiedenen Funktionen“. Die Israeliten nannten ihn Merodach.
Schamasch — der Sonnengott sowie der Gott des Tageslichts und des Rechts. Er war der Vorläufer des griechischen Apollons.
Sin — der Mondgott, er gehörte zu der Triade, die auch Schamasch (die Sonne) und Ischtar (den Planeten Venus) einschloß.
Tammuz (Dumusi) — der Gott der Vegetation. Ischtars Geliebter.
(Quelle: New Larousse Encyclopedia of Mythology)
[Kasten/Bilder auf Seite 60, 61]
Götter des römischen Soldaten
Rom war für sein diszipliniertes Heer bekannt. Der Zusammenhalt des Römischen Reiches hing von der Moral und der Tüchtigkeit der Truppen ab. War die Religion dabei von Bedeutung? Ja, und glücklicherweise hinterließen uns die Römer von ihrer Besetzung deutliche Zeugnisse in Form von Straßen, Festungen, Aquädukten, Stadien und Tempeln. In Northumbria (Nordengland) findet man zum Beispiel den berühmten Hadrianswall, der um das Jahr 122 u. Z. gebaut wurde. Was haben Ausgrabungen über die Aktivitäten römischer Garnisonen und über die Rolle, die die Religion bei ihnen spielte, zutage gefördert?
Im Housesteads-Museum in der Nähe der ausgegrabenen Reste einer römischen Garnison auf dem Hadrianswall war an einem Exponat zu lesen: „Das religiöse Leben eines römischen Soldaten hatte drei Merkmale. Erstens ... der Kult der vergöttlichten Kaiser und die Verehrung der Schutzgottheiten Roms, zum Beispiel Jupiter, Viktoria und Mars. Auf dem Paradeplatz eines jeden Forts wurde jährlich ein Altar dem Jupiter geweiht. Von allen Soldaten erwartete man, daß sie an den Feierlichkeiten teilnahmen, die anläßlich der Geburtstage, der Regierungsantrittstage und der Siege der vergöttlichten Kaiser stattfanden.“ Dies erinnert stark an das, was bei heutigen Soldaten üblich ist, denn Geistliche, Altäre und Fahnen gehören zum Gottesdienst des Heeres.
Was war aber das zweite Merkmal des Religionslebens eines römischen Soldaten? Es war die Verehrung der Schutzgottheiten und des Schutzengels der Einheit, der er angehörte, „sowie [die Verehrung] der Götter, die er aus seinem Heimatland mitgebracht hatte“.
„Dann hatte jeder Soldat noch seinen eigenen Kult. Solange er seinen Verpflichtungen gegenüber den offiziellen Kulten nachkam, konnte er alle Götter verehren, die er wollte.“ Das klang sehr nach Religionsfreiheit, aber „eine Ausnahme bildeten jene Religionen, deren Praktiken als unmenschlich galten — beispielsweise die der Druiden —, und die Religionen, deren Loyalität zum Staat angezweifelt wurde — zum Beispiel das Christentum“. (Vergleiche Lukas 20:21-25; 23:1, 2; Apostelgeschichte 10:1, 2, 22.)
Interessanterweise wurde 1949 in einem in der Nähe des Hadrianwalls gelegenen Sumpf in Carrawburgh ein Mithrastempel entdeckt. (Siehe Foto.) Archäologen nehmen an, daß er um das Jahr 205 u. Z. gebaut wurde. Es wurden darin ein Bildnis von einem Sonnengott, Altäre und eine lateinische Inschrift gefunden. Auf der Inschrift heißt es auszugsweise: „Dem unbesiegbaren Gott Mithras“.
[Kasten auf Seite 62]
Die Götter Ägyptens und die zehn Plagen
Durch zehn Plagen übte Jehova Gericht an den machtlosen Göttern Ägyptens (2. Mose 7:14 bis 12:32).
Plage Beschreibung
1 Der Nil und andere Gewässer verwandelten sich in Blut.
Das brachte dem Nilgott Hapi Schande.
2 Frösche.
Die Froschgöttin Heket konnte die Plage nicht verhindern.
3 Staub wurde zu Stechmücken.
Thot, der Herr der Magie, konnte den
ägyptischen Magiern nicht helfen.
4 Hundsfliegen kamen über ganz Ägypten,
aber nicht über das von Israel bewohnte Land
Gosen. Kein Gott war in der Lage, das zu
verhindern, auch nicht Ptah, der Schöpfer des
Universums, oder Thot, der Herr der Magie.
5 Der Viehbestand wurde von der Pest befallen.
Weder die heilige Kuhgöttin Hathor noch Apis,
der Stier, konnte diese Plage verhindern.
6 Beulen.
Die Gottheiten Thot, Isis und Ptah, die mit
der Heilung zu tun hatten, konnten nicht helfen.
7 Donner und Hagel.
Dadurch wurde die Hilflosigkeit Reschefs,
des Gebieters über den Blitz, und Thots,
des Regen- und Donnergottes, bloßgestellt.
8 Heuschrecken.
Diese Plage war ein Schlag gegen den
Fruchtbarkeitsgott Min, den Beschützer der Ernte.
9 Drei Tage Finsternis.
Diese Plage machte Ra, dem bedeutendsten
Sonnengott, und Horos, einem anderen
Sonnengott, Schande.
10 Der Tod der Erstgeburt,
auch des Erstgeborenen Pharaos, der als die
Verkörperung eines Gottes galt. Ra (Amon-Ra),
der Sonnengott, der manchmal als Widder dargestellt
wurde, konnte diese Plage nicht verhindern.
[Kasten auf Seite 66]
Mythologie und Christentum
Als vor fast 2 000 Jahren das Christentum entstand, wurden schon lange die mythischen Götter des alten Griechenland und des alten Rom verehrt. In Kleinasien benutzte man noch die griechischen Götternamen. Als also die Bewohner von Lystra (in der heutigen Türkei) die christlichen Heiler Paulus und Barnabas als „Götter“ bezeichneten, nannten sie Paulus Hermes und Barnabas Zeus; sie gebrauchten nicht die römischen Namen Merkur und Jupiter. Im Bibelbericht heißt es: „Der Priester des Zeus, dessen Tempel sich vor der Stadt befand, brachte Stiere und Kränze an die Tore und wollte mit den Volksmengen Schlachtopfer darbringen“ (Apostelgeschichte 14:8-18). Es gelang Paulus und Barnabas nur mit Mühe, die Volksmenge davon abzuhalten, ihnen Opfer darzubringen. Das veranschaulicht, wie ernst die Leute damals ihre Mythen nahmen.
[[Bild auf Seite 42]
Der Olymp (Griechenland), die angebliche Wohnstätte der Götter
[Bild auf Seite 47]
Tontafel in Keilschrift mit einem Auszug des Gilgamesch-Epos
[Bild auf Seite 50]
Anubis, der Gott mit dem Schakalkopf, wiegt ein Seelenherz (auf der linken Waagschale) gegen Maat, die durch eine Feder dargestellte Göttin der Wahrheit und der Gerechtigkeit, ab; Thot schreibt das Ergebnis auf eine Tafel, das dann Osiris bekanntgegeben wird
[Bilder auf Seite 55]
Chalchiuhtlicue, die aztekische Göttin des frischen Wassers; ein eulenförmiges Gefäß mit einer Aushöhlung, in die wahrscheinlich die geopferten Herzen gelegt wurden
[Bild auf Seite 57]
Die ägyptische Triade (von links nach rechts): Horos, Osiris und Isis
[Bilder auf Seite 58]
Die Inkas pflegten ihren Sonnenkult in Machu Picchu (Peru)
Intihuatana, ein „Pfosten“, an dem die Sonne „befestigt“ wurde; vielleicht in Verbindung mit dem Sonnenkult in Machu Picchu gebraucht
[Bilder auf Seite 63]
Die Darstellung von Horos, dem Falken; Apis, dem Stier, und der als Frosch dargestellten Heket. Die ägyptischen Gottheiten konnten die von Jehova geschickten Plagen nicht verhindern, auch nicht die Verwandlung des Nils in Blut.
[Bilder auf Seite 64]
Griechische Gottheiten (von links nach rechts): Aphrodite; Zeus, der Ganymed, den Mundschenken der Götter, trägt, und Artemis