Wieso Jesu Gleichnisse den Menschen eine Hilfe waren
JESUS wollte den Menschen helfen. Er empfand Mitleid mit ihnen, besonders mit den Kranken und den Bedrückten, weil er sah, daß sie „umhergestoßen wurden wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Matth. 9:36). Er heilte viele dieser Menschen. Ein Aussätziger bat ihn zum Beispiel inständig, indem er auf die Knie fiel und sagte: „Wenn du nur willst, kannst du mich rein machen.“ Jesus wurde daraufhin von Mitleid bewegt, er streckte seine Hand aus und sagte zu ihm: „Ich will es. Werde rein!“ (Mark. 1:40, 41).
Aber Jesus half den Menschen auf eine noch nützlichere und dauerhaftere Weise als durch die Heilung ihrer körperlichen Leiden. Ja, seine Heilungen waren keinesfalls der wichtigste Bestandteil seines Werkes. Geheilt wurden verhältnismäßig wenige, doch jedermann im Land hörte von seinen Lehren.
WIESO GLEICHNISSE EINE HILFE SIND
Gleichnisse spielten eine bedeutende Rolle, wenn Jesus zu einer Menschenmenge sprach und sie belehrte. Die Bibel berichtet: „Ja, ohne ein Gleichnis redete er nicht zu ihnen, doch wenn sie allein waren, erklärte er seinen Jüngern jeweils alles“ (Mark. 4:34). Wieso waren seine Gleichnisse besonders für diejenigen eine Hilfe, die wirklich eine Erklärung wünschten? Vor allem deshalb, weil Gleichnisse die geistigen Dinge, die Gedanken und die Handlungsweise Gottes, den Menschen verständlich machten. Jesus gebrauchte Dinge und Vorgänge aus dem täglichen Leben, um Abstraktes und tiefere Dinge zu veranschaulichen. Man muß nicht besonders gebildet sein, um die durch die Gleichnisse vermittelten Grundsätze zu verstehen. Jesu Gleichnisse sind heute ebenso passend und anwendbar wie zu der Zeit, als er sie erzählte.
Wer könnte zum Beispiel aus dem Gleichnis vom undankbaren Sklaven nicht den Grundsatz erfassen, daß wir untereinander barmherzig und zum Vergeben bereit sein sollten? In diesem Gleichnis spricht Jesus von einem König, dem einer seiner Sklaven sechzig Millionen Denare schuldete. Die Bitten des Mannes bewogen den König, ihm die Schuld zu erlassen. Doch dieser Sklave ging hinaus und traf einen seiner Mitsklaven, der ihm nur hundert Denare (den sechshunderttausendsten Teil) schuldete, und er packte ihn und begann ihn zu würgen, indem er sprach: „Zahle zurück, was irgend du schuldest.“ Der König, der von dieser unbarmherzigen Tat hörte, wurde sehr zornig und ließ den undankbaren Sklaven ins Gefängnis werfen. Jesus schloß das Gleichnis mit den Worten ab: „In gleicher Weise wird mein himmlischer Vater auch mit euch verfahren, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder aus eurem Herzen heraus vergebt“ (Matth. 18:23-35).
GLEICHNISSE BEEINFLUSSEN DAS GEWISSEN
Aber Jesu Gleichnisse sind nicht nur wegen ihrer Einfachheit eine Hilfe. Oft gehen Gleichnisse den Zuhörern zu Herzen und beeinflussen ihr Gewissen wirkungsvoller als die reine Feststellung einer Tatsache oder als ein regelrechter Verweis. Das ist sehr deutlich an der Schulung der Apostel und Jünger Jesu zu erkennen.
Jesus sah bei seinen Jüngern die vielen Fehler, Schwächen und schlechten Neigungen, die sie als unvollkommene, sündige Menschen hatten. Doch wir stellen fest, daß er sie nicht beschuldigte, stolz, ehrgeizig, habsüchtig, unbarmherzig oder faul zu sein. Das hätte sie verletzt, und sie hätten das Gefühl gehabt, verworfen worden zu sein. Sie hätten gedacht, er betrachte sie als solche Menschen. Gelegentlich zeigten sie zwar einige dieser schlechten Züge, doch waren sie nicht grundsätzlich oder durch und durch habsüchtig oder stolz. Jesus wollte sie nicht verurteilen, sondern wollte ihnen helfen. Statt sie daher offen zu demütigen, erzählte er ihnen Gleichnisse, die sie anregten nachzudenken — die betreffenden Grundsätze zu erfassen und sie auf ihr Herz und Gewissen einwirken zu lassen. Sie konnten erkennen, welchen Fehler sie gemacht oder welche verkehrte Einstellung sie gezeigt hatten, und konnten sich dann korrigieren. Diese Methode war weit überzeugender und viel wirkungsvoller als ein offener Tadel.
Als sich die Jünger beispielsweise darüber stritten, wer der Größte unter ihnen sei, wurde Jesus nicht ärgerlich über sie, noch erteilte er ihnen einen scharfen Verweis. Er nannte sie nicht hochmütig, selbstsüchtig, habsüchtig oder ehrgeizig. Zur Veranschaulichung dieser schlechten Einstellung und ihrer Folgen wies er auf die weltlichen Führer hin und sagte: „Die Könige der Nationen spielen sich als Herren über sie auf, und die, die Gewalt über sie haben, werden Wohltäter genannt. Ihr aber sollt nicht so sein.“ Den Jüngern waren die schlechten Folgen der Überheblichkeit jener Männer bekannt. Jesus stellte dem gegenüber, was für ein Beispiel er — wiewohl er ihr Führer war — gab, indem er wie ein Dienender in ihrer Mitte war (Luk. 22:24-27).
Ein andermal stellte Jesus ein kleines Kind mitten unter sie und sagte, jeder von ihnen müßte so demütig sein wie ein Kind, um in das Königreich der Himmel einzugehen. Außerdem sollten sie sich insbesondere der Menschen annehmen, die so arglos und treu wie ein Kind seien. Wie hätte er ihnen sonst diesen Gedanken so deutlich machen können? (Matth. 18:1-6).
Bestimmt nahmen sich Christi Jünger dies zu Herzen und korrigierten ihr falsches Denken. Das ist an ihrem Verhalten gegenüber ihren christlichen Brüdern zu erkennen, als sie nach Christi Tod und Auferstehung die Verantwortung für die Christenversammlungen trugen. Die Briefe des Petrus, Jakobus und Johannes spiegeln die beispielhafte demütige Einstellung wider, die Christus diesen Jüngern eingeflößt hatte.
Durch Gleichnisse kann auch etwas wirkungsvoll richtiggestellt werden, weil Gleichnisse dem Zuhörer Gelegenheit geben, selbst über etwas nachzudenken, ohne dabei durch Voreingenommenheit geblendet zu sein. Wer über ein Gleichnis nachdenkt, das ja nicht von ihm, sondern von anderen Personen handelt und in dem er auch nicht direkt erwähnt wird, wird erkennen, daß es auf seine eigenen Verhältnisse oder Handlungen zutrifft. Er kann dann selbst zu einer Schlußfolgerung kommen oder sich ein Urteil bilden. Und er hat keinen berechtigten Grund, sich zu ärgern, da der Erzähler des Gleichnisses ihn nicht direkt einer Sache beschuldigt hat.
So verhielt es sich bei dem Mann, der im mosaischen Gesetz bewandert war und Jesus fragte, was erforderlich sei, um ewiges Leben zu erlangen. Jesus wies darauf hin, daß jemand Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Sinn und ganzer Kraft lieben sollte und seinen Nächsten wie sich selbst. Da der Mann beweisen wollte, daß er gerecht sei, stellte er die Frage: „Wer ist in Wirklichkeit mein Nächster?“ Jesus wußte, daß die Juden die Samariter verachteten und nicht mit ihnen verkehrten. Er erzählte deshalb das Gleichnis vom „guten Samariter“. Hätte Jesus dem Mann direkt erklärt, daß man auch die Samariter lieben sollte, so wäre dieser voreingenommene Jude wahrscheinlich nicht einverstanden gewesen (Luk. 10:25-37).
GLEICHNISSE OFFENBAREN DIE HERZENSEINSTELLUNG
Einige der Gleichnisse Jesu dienten auch dazu, erkennen zu lassen, ob jemand interessiert oder desinteressiert war oder ob er ihm, dem Propheten Gottes, gegenüber sogar feindlich eingestellt war. Jesus sagte einmal, er spreche zu solchen Personen, damit sie „hören, doch keineswegs den Sinn davon erfassen“ (Matth. 13:10-15). Auf diese Weise wurden durch die Gleichnisse diejenigen ausgesondert, die nicht daran interessiert waren, seine Botschaft zu verstehen, denn sie kamen nicht zu Jesus, um ihn um eine Erklärung zu bitten, wie es die wirklich Interessierten taten (Matth. 13:36).
Noch wichtiger war, daß die Gleichnisse dazu beitrugen, Personen, die heuchlerisch waren und Zwietracht und Spaltungen hätten hervorrufen können, von den wahren Jüngern fernzuhalten. Menschen, die die Gleichnisse hörten, zeigten ihr „wahres Gesicht“. Als Jesus sagte: „Wer sich von meinem Fleisch nährt und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben“, „wandten sich viele seiner Jünger ab, den hinter ihnen liegenden Dingen zu, und gingen nicht mehr mit ihm“. Seine wahren Jünger blieben hingegen bei ihm und erlangten ein Verständnis der lebenswichtigen Bedeutung dieser Worte (Joh. 6:54, 60-66).
Jesu Gleichnisse sind für heutige Christen eine unschätzbare Hilfe, denn sie enthalten nicht nur leitende Grundsätze, sondern sind auch prophetisch, und viele davon haben in der heutigen Zeit eine größere Erfüllung. Durch sie erkennen wir, daß das Königreich der Himmel bald über die ganze Erde herrschen wird. Sie helfen uns, in dieser kritischen Zeit den rechten Weg einzuschlagen, so daß wir auf der richtigen Seite Stellung beziehen und die Aussicht auf ewiges Leben haben können.
Außerdem helfen uns Jesu Gleichnisse, andere, besonders unsere christlichen Brüder, freundlich zu behandeln. Ebenso wie Jesus, der seinen Jüngern zeigte, daß ihre Handlungen und ihre Einstellung manchmal schlecht waren, ohne sie selbst als „schlechte“ Menschen zu bezeichnen, können auch wir unsere Brüder darauf hinweisen, daß ihre Handlungen unweise, schlecht oder falsch sind, ohne sie als „hochmütige“, „stolze“ oder „schlechte“ Menschen zu verurteilen. Wir sind gegen das Schlechte, aber nicht gegen unsere christlichen Brüder, die manchmal von einer Schwäche übermannt werden und etwas Schlechtes tun mögen (Jud. 22, 23; Gal. 6:1).
Jesu Gleichnisse sind deshalb so nützlich, weil sie die Weisheit des Schöpfers enthalten, der unser Gebilde durch und durch kennt (Joh. 5:19). Sie sind nicht an den Haaren herbeigezogen oder wirklichkeitsfremd. Sie enthalten tatsächlich eine Lehre. Sie sind jederzeit und unter allen Umständen der menschlichen Natur und den Bedürfnissen der Menschen angemessen. Wer Jesu Gleichnisse studiert, schafft sich gute Voraussetzungen, andere zu belehren.