Asiens Frauen im zwanzigsten Jahrhundert
Vom „Awake!“-Korrespondenten auf den Philippinen
IM Alter von fünfzehn Jahren schloß sich Tranthi Ho Le den Guerillastreitkräften des Vietkong an; das tat sie teils aus Abenteuerlust, teils, weil man ihr gesagt hatte, sie könne auf diese Weise dazu beitragen, die vietnamesische Frau zu befreien. Drei Jahre lang lebte sie im Dschungel und wurde eine tüchtige Guerillakämpferin. Im Jahre 1969 war sie eine „erprobte Frontkämpferin“ und kommandierte einen aus zwölf Mädchen bestehenden Minenwerfertrupp.
Im Jahre 1913 hätte die Beschäftigung eines Mädchens wie Tranthi darin bestanden, irgendwo in den einst friedlichen Feldern des Mekongdeltas seinen kleinen Bruder trockenzulegen und dabei den Reis für das Abendbrot der Angehörigen zu kochen.
Edith A. Dizon, Mutter von sechs Kindern, ist eine hervorragende Konzertorganistin. Sie ist eine vielgereiste Frau; sie war schon als Pilotin, Künstlerin, Schriftstellerin, kulturelle Beobachterin und im Dienste der Public Relations im Ausland. Auf den Philippinen ist sie Leutnant der Makati-Polizei und Expertin im Judo.
Im Jahre 1913 hätte sie freudig die Aufgaben einer Frau und Mutter erfüllt. Orgelkonzerte hätte sie nur für ihre Angehörigen und nächsten Bekannten gegeben.
Die gegenwärtig mächtigste Frau Asiens ist ohne Zweifel Chiang Ching, Beraterin des Kulturrevolutionskomitees der Chinesischen Volksbefreiungspartei, die Herrin der Kommunistischen Partei Chinas und Gattin des chinesischen Staatsführers Mao Tse-tung.
Vor dreißig Jahren war sie eine schlichte Hausfrau, die damit beschäftigt war, zwei Töchter großzuziehen und für ihren Mann zu kochen. Heute kann sie sogar bei den militärischen Angelegenheiten ihres Landes mitreden.
Die geschichtliche Entwicklung in der ganzen Welt hat im Leben vieler Frauen drastische Veränderungen gebracht. Viele betrachten das Jahr 1848 als Beginn dieses Wandels. In jenem Jahr begannen einige mit ihrem Los unzufriedene Frauen in Neuengland (USA), für die Gleichberechtigung zu kämpfen. Aber erst die folgenschweren Verhältnisse des Jahres 1914 bewirkten, daß sich in den verschiedenen Ländern die Auffassung von der Rolle der Frau grundlegend änderte.
Die philippinische Frau
Nachdem wir erfahren haben, welche Rolle einige moderne Frauen spielen, wollen wir uns mit der Situation befassen, in der sich die Durchschnittsphilippinerin sieht. Wir wollen sie Liwayway, was „Morgenröte“ bedeutet, nennen. Sie ist scheu, aber keineswegs schwach, denn sie hält auch in den größten Schwierigkeiten treu zu ihrem Mann und zu ihren Kindern. Ihre Stellung wird trefflich durch die zarte Orchidee veranschaulicht, die in den philippinischen Wäldern gedeiht, eine Orchidee, die sich den Ästen des hohen Keuschbaums anschmiegt und so an sonnigen und an stürmischen Tagen mit ihm verbunden ist.
Die Philippinerin ist eine gute Köchin, eine vorzügliche Schneiderin und eine kluge Geldverdienerin. Sie beteiligt sich nie an einer Ratsversammlung der Männer; das ist nicht ihr Gebiet. Man hört ihre Stimme nur, wenn sie die Kinder zurechtweist, denn sie hält sie in strenger Zucht. Obschon sie so scheu ist, wird sie von ihren Angehörigen hoch geachtet — bestimmt eine beglückende Belohnung.
Es gibt noch Tausende solcher Frauen wie Liwayway, doch sehr viele philippinische Frauen haben den Schatten des traditionellen Sonnenschirms verlassen und sind in das helle Sonnenlicht der modernen Welt getreten. Sie sind unruhig und möchten ein neues Leben führen. Sie sind der Meinung, Liwayway sei altmodisch, weil sie noch an der bisherigen Lebensform festhält.
Sie führen Liwayway vor Augen, daß „eine Frau von heute auf sozialem, intellektuellem und kulturellem Gebiet Fortschritte machen sollte“. „Sie sollte Akademikerin werden“, sagen sie. Als Studentin würde sie sich an Studentendebatten beteiligen, die Studentenrechtsbewegungen unterstützen und an Demonstrationen teilnehmen.
Liwayway gibt zu, daß eine Frau auf diese Weise ausgerüstet wird, um auf verschiedenen Gebieten mit den Männern in Wettbewerb zu treten. Wird ihr das jedoch helfen, eine Frau zu werden, die ihrem Manne zugetan und die eine liebevolle Mutter ist? Es mag ihr vielleicht gelingen, in der Welt Karriere zu machen, aber würde sie zu Hause erfolgreich sein?
„Komm mit uns, Liwayway!“
Liwayway wird von einer sich rasch wandelnden Gesellschaft mitgerissen. Sie möchte an der bisherigen Lebensform, die ihr mehr Geborgenheit gewährt, festhalten, aber täglich wird sie beharrlicher aufgefordert, diese Lebensform aufzugeben. Sie ist nicht etwa gegen Fortschritt, aber sie bezweifelt, ob diese neue Rolle der Frau wirklich zu ihrem Guten ist.
Liwayway weiß, daß Frauen, die in der Welt Karriere machen, dieser oft Mann und Kinder opfern. Liwayway erinnert sich an folgende Ausführungen im Reader’s Digest vom November 1968 (asiatische Ausgabe): „Die Karrierefrauen haben ihr Ziel unter anderem auch erreicht, indem sie viele der ureigensten Aufgaben der Frau nicht mehr erfüllen. Im großen und ganzen sind sie geneigt, ihrer Berufsrolle und ihrer Mutterrolle — sofern sie Kinder haben — gerecht zu werden. Müssen sie jedoch zwischen Familie und Beruf wählen, dann entscheiden sie sich oft für den Beruf; sehr viele weibliche Firmenchefs sind alleinstehend oder geschieden.“
Aber die modernen Filipinofrauen, die Liwayway veranlassen möchten, die alte Lebensform aufzugeben, weisen auf folgende Ausführungen einer führenden Richterin hin: „Es ist bedauerlich, daß die Frauen, besonders die Frauen in den Entwicklungsländern, sich sträuben, für ein öffentliches Amt zu kandidieren, daß sie sich damit begnügen, die Politik den Männern zu überlassen, und, was noch schlimmer ist, daß sie nicht einmal von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.“ — Woman and the Home, 15. Oktober 1967.
Diejenigen, die Liwayway von der alten Lebensform weglocken möchten, weisen auch auf die von den Vereinten Nationen herausgegebene Magna Carta of Woman (Grundrechte der Frau) hin. Darin wird u. a. gesagt: „Das Wohl der Welt und die Sache des Friedens erfordern, daß sich sowohl Frauen als Männer auf allen Gebieten voll einsetzen.“
Die Filipinofrauen, die der neuen Lebensform huldigen, fordern Liwayway immer wieder auf: „Komm mit uns! Komm mit uns!“ Sie behaupten, daß die Frauen des zwanzigsten Jahrhunderts, insbesondere die Frauen Asiens, eine neue und wichtige Rolle zu spielen hätten, durch die sie, wie sie hoffen, die Zukunft günstig beeinflussen könnten.
Eine genauere Prüfung
Auf das Drängen der modernen Frauen hin betrachtet Liwayway nochmals genau die neue Rolle der Frau im zwanzigsten Jahrhundert. Dabei entdeckt sie einige frappante Tatsachen.
In Birma zum Beispiel sind die Frauen auf rechtlichem Gebiet gleichberechtigt, sie sind unabhängig und behalten auch nach ihrer Verheiratung den Mädchennamen. Auf Ceylon ist das Amt des Ministerpräsidenten in den Händen einer Frau. Eine Inderin präsidierte einmal die Vereinten Nationen. Eine Vietnamesin steht an der Spitze der Delegation der südvietnamesischen Befreiungsfront, die an den Pariser Friedensgesprächen teilnimmt.
Und man betrachte einmal Indien! In diesem Land sind 73 Frauen im Parlament, und 206 Frauen haben in den gesetzlichen Versammlungen der Staaten einen Sitz; außerdem gibt es dort zwei weibliche Unionsstaatsminister, und von den Ministern und stellvertretenden Ministern der Staatsregierungen sind 19 Frauen, ferner gibt es dort einen weiblichen Chefminister. Das bedeutet, daß acht Prozent der Sitze im Parlament und in den gesetzgebenden Versammlungen der Staaten von Frauen besetzt sind. Und gegenwärtig hat Indien eine Ministerpräsidentin!
Bei den philippinischen Wahlen des Jahres 1965 schritten 4 490 210 Frauen zur Wahlurne und wählten Frauen, die versprochen hatten, die Rechte der Frau im allgemeinen zu schützen. Es gibt in diesem Land drei weibliche Gouverneure und einen weiblichen Vizegouverneur. Im Kongreß und im Senat sind mehr Sitze von Frauen besetzt als je zuvor. Man erwartet, daß in den 1970er Jahren noch mehr Frauen für ein solches Amt gewählt werden.
In Asien treten immer mehr Frauen in Wettbewerb mit den Männern, indem sie Aufgaben übernehmen, die bis dahin nur von Männern erfüllt worden sind. Krieg und Revolution haben diese Entwicklung beschleunigt. In Nord-Vietnam zum Beispiel beherrschen die Frauen Gebiete wie „Landwirtschaft, Industrie, Kommunikation, Verkehr, Gesundheitswesen, Erziehungswesen, Kulturforschung, Wiederaufbau, Ingenieurwesen und bis zu einem gewissen Grad die Politik“. — Graphic, 17. Juli 1968.
Die Frauen Süd-Vietnams sind nicht weit hinter den Frauen Nord-Vietnams zurück. „In ihren durchsichtigen Seiden-ao-dais wirken sie so zart und unbedeutend wie Singvögel. In Wirklichkeit sind die Vietnamesinnen aber von einer ganz anderen Art. ... unter dem Druck der zwanzig Kriegsjahre sind sie die emanzipiertesten Frauen Asiens geworden.“ — Time, Ausgabe für Asien, 8. November 1968.
Und sollte man geneigt sein, in ihnen einen armseligen Ersatz für die Männer zu sehen, dann sollte man daran denken, daß es beim Vietkong weibliche Kampfeinheiten gibt.
Einige ernüchternde Gedanken
Dieses Bild von den asiatischen Frauen und ihrer Rolle hat aber noch eine andere Seite. Man denke an Tranthi Ho Le. Die Presse meldete, daß sie als Guerillakämpferin des Vietkong keine Befriedigung fand. Sie sehnte sich nach einer friedlicheren, ihrem weiblichen Wesen angepaßteren Lebensweise. Sie floh nach Saigon.
Dadurch, daß sich die Frauen einer politischen, militärischen oder geschäftlichen Karriere zuwenden, mag es dahin kommen, daß die Kinder ohne die notwendige mütterliche Pflege aufwachsen.
Außerdem hat der Weg der modernen Filipinofrau zu Frustrationen, Enttäuschungen und Fehlschlägen geführt. Sie hat versucht, die Bedürfnisse, die sie zufolge ihrer physiologischen Beschaffenheit hat, zu unterdrücken, das Bedürfnis, jemandem anzugehören, und das überwältigende Bedürfnis, Kinder zu lieben und mütterlich zu umsorgen.
Manche moderne Filipinofrau mag sagen, die Notlage, die gegenwärtige Situation usw. würden es erfordern, daß die Frauen ihre ureigene Rolle als Hausfrau und Mutter gegen eine andere Rolle vertauschten. Aber Liwayway fragt sich oft, ob es diesen Frauen je wieder möglich sein werde, in das normale Leben zurückzukehren und eine treue Gattin und hingebungsvolle Mutter zu sein.
Sozusagen jeder hat schon etwas von Sara, Abrahams Frau, gehört. Sie war eine bescheidene, gottesfürchtige Orientalin. Liwayway tröstet sich mit der Tatsache, daß Sara von der höchsten Persönlichkeit im Universum aufs höchste gelobt wurde, weil sie getreulich nach den Grundsätzen ihres Schöpfers handelte, indem sie ihren Platz als Frau und Mutter nicht nur kannte, sondern auch ausfüllte. — 1. Petr. 3:1-6.