Indianischer Schmuck
ES IST mein erster Besuch im Südwesten der Vereinigten Staaten. Als ich aus dem Zug steige, begegne ich gleich Leuten, die als die „Ureinwohner Amerikas“ bezeichnet werden.
Mehrere Indianerinnen vom Stamm der Navajo sitzen nebeneinander vor einer Mauer. Die meisten sind mit einer schwarzen Samtbluse und einem langen Faltenrock bekleidet. Was mich jedoch besonders fesselt, ist ihr Schmuck.
Alle Frauen tragen reichen Silber- und Türkisschmuck. An beiden Armen prangen mehrere Armbänder. Der um die Taille getragene Gürtel ist mit einer Reihe ovaler Silberplättchen verziert. Das Halsgeschmeide besteht aus so vielen Ketten, daß von der Bluse fast nichts mehr zu sehen ist. Jede der Frauen hat vor sich eine Decke ausgebreitet, auf der weitere von den Navajo verfertigte Schmuckstücke liegen.
Jetzt ist meine Neugierde geweckt, und ich nehme mir vor, mich eingehender mit indianischem Schmuck zu befassen. Einiges von dem, was ich erforscht habe — auch durch Gespräche mit indianischen Kunsthandwerkern —, möchte ich jetzt berichten.
Das „Kürbisblüten“-Halsgeschmeide
Ein typisch indianischer Schmuck ist das „Kürbisblüten“-Halsgeschmeide. Die Fassung gewisser Steine trägt nach außen geschwungene Gebilde, die aussehen wie eine Blüte. Dieses Muster geht offenbar auf die spanischen Eroberer zurück, die vor Jahrhunderten ins Land kamen. Die Spanier trugen als Schmuck auf Hosen und Jacken Granatäpfel aus Silber. Die Indianer, die keine Granatäpfel kannten, sahen in diesem Schmuck Kürbisblüten, deshalb nannten sie ihn auch so.
Ein wichtiger Teil des Kürbisblüten-Halsgeschmeides bildet der hufeisenförmige oder halbmondförmige Anhänger. In der Sprache der Navajo heißt „Halbmond“ naja.
Viele glauben, daß die Navajo das Hufeisen ebenfalls von den Spaniern übernommen haben, doch hat es schon viel früher in der Geschichte eine bedeutsame Rolle gespielt. In dem Buch The Navajo and Pueblo Silversmiths heißt es: „Als Kolumbus die Neue Welt entdeckte, war dieses Symbol schon alt. ... Kurz gesagt: Es war ein Amulett aus der Alten Welt, das an Pferdegeschirren befestigt wurde, vorzugsweise am Zaum, um den bösen Blick von dem Tier abzuwehren.“
Hat das Halsgeschmeide mit dem naja auch heute noch religiöse Bedeutung? Darüber streiten sich die Gelehrten. Manche Leute glauben, es versinnbilde Fruchtbarkeit. Andere sagen, daß das „Unglück“ aus den Enden des Halbmondes entweiche. Einige betrachten die Hände, die ab und zu an den Enden eines naja zu sehen sind, als Symbol dafür, daß der Anhänger seinen Besitzer beschützen kann. Im großen und ganzen handelt es sich jedoch bei diesen Anschauungen um die private Meinung einzelner Personen. Heute besteht in der Frage, ob das Kürbisblüten-Halsgeschmeide religiöse Bedeutung hat oder nicht, im allgemeinen keine Übereinstimmung.
„Fetisch“schmuck
Eine andere Art indianischer Schmuck wird in der Form von „Fetischen“ in den Handel gebracht. Ein Fetisch ist ein Gegenstand, der mit magischer Kraft begabt sein soll, weil er angeblich von einem Gott oder einem Geist bewohnt wird. Allgemein gelten die Zuñi, ein Stamm der Puebloindianer im Westen von New Mexico, als außerordentlich geschickt im Verfertigen von Fetischen.
Sehr beliebt ist eine Fetischhalskette, bestehend aus Vögelchen, die aus Muschelschalen hergestellt sind, und durchbohrten Türkissteinchen oder Perlmutterkügelchen. Ferner gibt es Fetische in Form von geschnitzten Tieren. Der Fetisch wird mit Perlen, Federn oder mit einer Pfeilspitze versehen, um ihn noch zauberkräftiger zu machen; oder diese Dinge sind als ein Opfer gedacht zum Dank für irgendwelche Gunsterweisungen.
Im allgemeinen werden die meisten dieser Fetische lediglich als Kunstgegenstände angesehen. Die Zuñi haben sich ihren Ruf, geübte Fetischschnitzer zu sein, jedoch dadurch erworben, daß sie Fetische zu religiösen Zwecken verfertigten. Jeder Fetisch gilt als etwas Lebendes, das der Pflege bedarf. Dazu gehört, daß er feierlich mit Maismehl „ernährt“ wird.
Die Katchinas
Eine weitere Gruppe der Puebloindianer, bekannt wegen der Verfertigung charakteristischer Schmuckgegenstände, sind die Hopi. Sie verarbeiten nicht so viele Edelsteine wie die anderen. Ihre Schmuckgegenstände haben eine einzigartige dreidimensionale Wirkung. Zu den Schmuckformen gehören Vögel, Wolken und Regen, Federn und Bärentatzen.
Unter den Schmuckgegenständen der Hopi sieht man gelegentlich auch „Katchinas“. Mit diesem Namen bezeichnen die Hopi sogenannte Ahnenseelen, die als Mittler zwischen den Menschen und gewissen Göttern fungieren. Ihre Aufgabe entspricht ungefähr der Funktion, die die in der Christenheit verehrten „Heiligen“ haben. Die Hopi verfertigen auch viele verschiedene Katchina-Puppen.
Täuschung
Früher vermittelten weiße Händler zwischen den indianischen Silberschmieden und den Leuten, die ihre Erzeugnisse kauften. Aus Gewinnsucht veranlaßten diese Händler die Silberschmiede, Schmuckformen zu schaffen, von denen die weißen Käufer annahmen, sie seien „indianisch“. Ein Kenner indianischer Schmuckwaren schrieb: „Würde dem Indianer von unserer eigenen [weißen] Rasse nicht suggeriert, was ... ,indianisch‘ ist, wäre er genausowenig geneigt, bei der Verfertigung von Silberschmuck den Pfeil als Schmuckform zu benutzen, wie ein Bauer bei der Verfertigung seiner Vorhänge oder Teppiche einen Pflug als Symbol oder als Muster benutzen würde.“
Als Eisenbahn und Auto immer mehr Touristen und Souvenirjäger nach dem Südwesten der USA brachten, wurden in der Nähe der Reservationen Werkstätten errichtet, in denen Silberarbeiten verfertigt wurden. Man warb Indianer an, die die Schmuckstücke in einer Art Fließarbeit zusammensetzten, so daß sie als von Indianern hergestellt bezeichnet werden konnten. Sogar in einem anderen Land wollte man sich dieses Geschäft nicht entgehen lassen, und flugs wurde eines seiner Dörfer als „Reservation“ bezeichnet, und die dort verfertigten Schmuckwaren erhielten den Stempel „In der Reservation hergestellt“. Doch seit einiger Zeit arbeiten einzelne Kunsthandwerker wieder nach eigenen Entwürfen.
Wenn man sich näher mit dem indianischen Kunsthandwerk beschäftigt, stellt man fest, daß außer den erwähnten noch sehr viele verschiedene Symbole und Schmuckformen verwendet werden. Manche Leute glauben, nach ihrem Symbolgehalt forschen zu müssen. Es gibt Händler, die sogar selbst Erklärungen erfunden haben, um die Leute zu verlocken, Schmuckgegenstände zu kaufen. In dem Buch Southwestern Indian Arts and Crafts wird auf diese Art von Täuschung wie folgt aufmerksam gemacht: „Die vielen Schriften, in denen indianische Muster ,interpretiert‘ werden, entbehren jeder faktischen Grundlage.“
Der christliche Standpunkt
Wie sollte jemand, der Gott wohlgefällig sein möchte, den Kauf oder Besitz solcher Schmucksachen betrachten? Gewisse Stücke wie Fetischschmuck und Katchinagegenstände stehen direkt im Zusammenhang mit götzendienerischen religiösen Praktiken. Darüber lesen wir in der Bibel: „Welche Übereinkunft besteht zwischen Gottes Tempel und Götzen? ... ‚„Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab“, spricht Jehova, „und hört auf, das Unreine anzurühren“‘“ (2. Kor. 6:16, 17)a.
Wie steht es mit dem Halbmond? Früher hat man Halbmonde getragen, um den „bösen Blick“ abzuwehren und vielleicht auch als Fruchtbarkeitssymbol. Über den Halbmond im allgemeinen schreibt jedoch ein anerkannter Kenner der indianischen Kunst:
„Heute sieht man ihn im Südwesten in einer großen Formenvielfalt, aber er gilt nicht als Talisman oder Amulett. Die weitverbreitete Ansicht, daß der naja und das Kürbisblüten-Halsgeschmeide Fruchtbarkeitssymbole sein sollen, entstammt der Phantasie des weißen Mannes und ist weder in den Legenden noch in den religiösen Vorstellungen, noch in den Sitten der Indianer begründet“ (Southwestern Indian Arts and Crafts von Tom Bahti).
Der von den Indianern verfertigte Schmuck ist von großem künstlerischem Wert und ist auch sehr schön. Viele dieser Schmuckgegenstände haben keine Beziehung zu einer nichtbiblischen Form der Anbetung; allerdings werden in gewissen Gegenden einige davon in Verbindung mit einer solchen Anbetung gebraucht. Ob es richtig ist, ein solches Schmuckstück zu besitzen, muß der Christ selbst aufgrund seines eigenen biblisch geschulten Gewissens entscheiden (Röm. 14:2-4). (Eingesandt.)
[Fußnote]
a Siehe den Artikel „Sind es Symbole des Götzendienstes?“ in Erwachet! vom 22. März 1977, S. 12—15.
[Bild auf Seite 26]
Einige sehen in diesen Figürchen Kunstgegenstände, andere Fetische.