Wie man Berg- und Skiunfälle vermeiden kann
Vom „Awake“-Korrespondenten in Österreich
HÄTTEST du Lust, einen Winterurlaub in der schönen Bergwelt zu verbringen, vielleicht in den Hochalpen? Für viele Menschen ist es ein faszinierender Gedanke, den Jahreswechsel in einer Berghütte in einsamer Höhe zu verbringen. Obwohl ein solches Erlebnis unvergeßlich sein mag, kann es aber auch gefährlich sein, wie acht junge Leute aus Bayern zu spüren bekamen.
Am 31. Dezember 1977 begannen sie bei Lofer in Österreich den Aufstieg zu einer in 1 600 Meter Höhe gelegenen Berghütte. Bei dem stürmischen Wetter muß die 18jährige Marianne sicher noch an die Abschiedsworte ihrer Mutter gedacht haben: „Fahre nicht, Marianne, nicht bei diesem Wetter. Das kann nicht gutgehen.“
Marianne versuchte ihre Mutter mit den Worten zu beruhigen: „Der Stefan ist ja ein geübter Bergsteiger, es wird schon nichts passieren.“
Als um Mitternacht die Angehörigen dieser jungen Leute das neue Jahr begrüßten und einander viel Glück, Gesundheit und ein langes Leben wünschten, waren alle acht Bergsteiger bereits tot — von einer Lawine lebendig begraben.
„Dös kon koa Leichtsinn gwes’n sei“, kommentierte ein einheimischer Bauer das furchtbare Unglück. „Dös war einfach Unerfahrenheit; do war i ned um vui Göid auffiganga.“ In der Tat, über die Route, die die Verunglückten wählten, donnern jährlich zwanzig bis dreißig Lawinen in das so friedlich wirkende Tal.
Diese Art von Unfall wiederholt sich Jahr für Jahr. Nicht nur die Ärzte haben alle Hände voll zu tun, sondern auch die Männer des Bergrettungsdienstes, dessen Hubschrauberpiloten allein in Österreich jährlich etwa 1 200 Rettungseinsätze fliegen. Für viele Bergsteiger kommt die Hilfe aber zu spät. Jedes Jahr können in den Alpen Hunderte von Verunglückten nur noch tot geborgen werden.
Ausgiebige Schneefälle zum Jahreswechsel sorgen oft für Hochbetrieb, nicht nur auf den Skipisten, sondern auch in den Krankenhäusern. In einem Krankenhaus in Salzburg werden manchmal an die 100 verletzte Skifahrer pro Tag behandelt. Der „weiße Sport“ fordert seinen Tribut: Knochenbrüche, klaffende Schnittwunden, Kopfverletzungen, Muskelrisse, Sehnen- und Bänderzerrungen.
Trotzdem geht gemäß einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. April 1979 die Zahl der Unfälle zurück: „Die Entwicklung der Unfallzahlen widerlege mit aller Deutlichkeit die Behauptung, daß das Skifahren eine riskante Sportart sei. Das sagte der Privatdozent Dr. Peter Matter aus Davos auf dem Chirurgenkongreß in München. Er teilte mit, daß die Zahl der Skiunfälle in den vergangenen zehn Jahren relativ und seit den Jahren 1973/74 auch absolut zurückgegangen ist. ... Bedingt durch neue technische Entwicklungen beim Ski und der Sicherheitsbindung hätten die Jahre 1973 bis 1977 einen Umbruch gebracht, erläuterte Matter die Entwicklung. Die Zahl der Unfälle sei um etwa ein Drittel geringer geworden. ... Gefährlicher [als das Skifahren] ist, so Krüger [Privatdozent vom Münchner Chirurgischen Klinikum Rechts der Isar], das Skateboardfahren.“
Der allergrößte Teil der weit über 100 000 Berg- und Skiunfälle, die jährlich in den Alpenländern vorkommen, wäre vermeidlich. Die meisten sind nicht auf „höhere Gewalt“, sondern auf menschliches Versagen zurückzuführen. Das österreichische Kuratorium für alpine Sicherheit zählte die häufigsten Unfallursachen in folgender Reihenfolge auf:
1. Unkenntnis, mangelnde Erfahrung
2. Leichtsinn, Selbstüberschätzung, Nichtbeachtung von Absperrungen und Warnungen
3. mangelhafte Ausrüstung
4. unzureichende körperliche Verfassung
5. Krankheit, unvorhersehbare Dinge
Demnach kann man selbst viel tun, um Unfälle zu vermeiden und ihre Ursachen auszuschalten. Bei Beachtung der nötigen Vorsichtsmaßnahmen braucht man sich nicht durch die vielen Unglücksmeldungen von seinem Winterurlaub abhalten zu lassen.
Skiunfälle vermeiden
Wenn du das Skifahren gerade erlernt hast, dann denke nicht, daß du bereits ein guter Skifahrer bist. Nachdem man einige Abfahrten unfallfrei durchstanden hat, ist die Versuchung zum Leichtsinn ziemlich groß. Unterlaß die waghalsige Schußfahrt, um imponieren zu wollen oder dein Können unter Beweis zu stellen. Fahre immer kontrolliert. Vergiß nicht, daß der Vordermann stets Vorrang hat. Er mag unverhofft bremsen oder die Richtung ändern. Beachte die Vorgänge vor dir aufmerksam, und fahre auf Sicht. Diese wichtige Pistenregel gilt genauso für den erfahrenen Skifahrer wie für den Anfänger.
Eine Unfallgefahr, die zuwenig beachtet wird, besteht darin, daß man sich gleich nach der Ankunft im Skigebiet ohne Aufwärmung in die Abfahrt stürzt. Die untrainierte, zuwenig geschmeidige Beinmuskulatur ist dem plötzlichen starken Einsatz nicht gewachsen. Stürze, Muskelrisse und Bänderzerrungen sind oft die Folge.
Viele gute, anspruchsvolle Skifahrer finden keine große Freude mehr an den überlaufenen Skipisten. Sie gehen der Hast und der Eintönigkeit der Piste aus dem Weg und suchen das, was hauptsächlich die Skiwanderung bietet: Erholung, die Stille der Natur und den Zauber der unberührten Winterlandschaft. Skitouren setzen allerdings Erfahrung und Geländekenntnis voraus.
Der Tourenläufer wird Lederschuhe den harten, unnachgiebigen Kunststoffschalen vorziehen. Auch wird seine Skibindung eine andere als die des Pistenfahrers sein. Sicherheitsbindungen sollte in jedem Fall der Vorzug gegeben werden. Damit sich diese Bindungen beim Sturz im richtigen Moment auslösen, müssen sie — dem Schuh und der Person individuell angepaßt — genau eingestellt sein. Das Einstellen überläßt man am besten dem fachkundigen Personal im Sportgeschäft.
Gefahren des Bergwanderns
Nicht bei jedem findet das Skifahren Anklang. Es gibt Leute, die eine Bergwanderung vorziehen. Aber auch hier kann man Fehler machen. Oft stürzen sich Touristen ohne jede Vorbereitung in das Vergnügen des Bergwanderns. Das Steigen geht anfangs mühelos, und die Stimmung ist ausgezeichnet. Man genießt die reine Luft, die wärmende Höhensonne und die landschaftliche Schönheit. In größeren Höhen mögen sich aber die Symptome der Bergkrankheit einstellen: Beklemmungsgefühl, Atemnot, Übelkeit, Kopfschmerzen, starke Müdigkeit. Wenn diese Symptome auftreten, muß eine Ruhepause eingeschaltet werden. In der Regel kommt es nach einigen Tagen zur Heilung und zur Gewöhnung an das Höhenklima.
Ein Kapitel für sich sind die Hunderttausende von sogenannten „Halbschuhtouristen“, die zu jeder Jahreszeit in den Bergen herumklettern. Sie lassen sich schnell durch den herrlichen Sonnenschein zu einer Bergwanderung in leichter Bekleidung ohne sonstige Ausrüstung verleiten. Skeptische Bemerkungen anderer Touristen werden lächelnd ignoriert, und die ermahnenden Worte der Einheimischen werden in den Wind geschlagen.
Ein plötzlicher Wettersturz ist aber im Gebirge nicht selten. Er kann dichten Nebel, Regen oder Schnee und Eisglätte bringen. Man hat es dann natürlich eilig, wieder nach Hause zu kommen. Aber leider gestatten die Sicht- oder die Bodenverhältnisse keine Eile. Bei sehr schlechter Sicht mag es riskant sein, überhaupt weiterzugehen.
Den Weg abzukürzen ist ein noch größerer Fehler, den die Unerfahrenen in dieser Situation gern machen. Dadurch können sie die Orientierung verlieren, in eine Felsspalte fallen oder einen Abhang hinunterstürzen. Sogar bei schönem Wetter sollte man von der vorgesehenen Route und von den markierten Wegen nicht abweichen. Man könnte das Ziel verfehlen und unter freiem Himmel von der Dunkelheit überrascht werden. Wie gut wäre es dann, etwas bei sich zu haben, was einen stärken und wärmen könnte! Bist du müde und erschöpft, dann gib der Versuchung nicht nach, etwas auszuruhen und zu schlafen. Im Winter wäre das lebensgefährlich. Halte dich wach! Bleibe in Bewegung!
Wer die Hinweise zur Verhütung von Berg- und Skiunfällen in der Tabelle auf dieser Seite beachtet, wird wahrscheinlich bei seinem Winterurlaub viel Freude haben und den schönen Anblick einer Gebirgslandschaft noch öfter mit gesunden Gliedern erleben und sich daran erfreuen können.
[Kasten auf Seite 26]
Hinweise zur Verhütung von Bergunfällen
● Genaue Auskunft über das Gelände und lawinengefährdete Stellen einholen; Warnungen vor Lawinengefahr strikt beachten.
● Touren nur bei schönem Wetter unternehmen; nicht zu stolz sein, um die Einheimischen zu Rate zu ziehen und dann auf ihren Rat zu hören; bei Schlechtwettereinbruch umkehren.
● Größere Bergtouren nicht allein oder ohne entsprechende Ausrüstung unternehmen: warme und wetterfeste Kleidung, Bergschuhe mit Profilsohle, Wanderkarte, Sonnenschutz, Taschenmesser, Seile, Zündhölzer, Miniapotheke, Notproviant.
● Sogenannte Abkürzungen meiden und alle Markierungen und Hinweise beachten.
● Die eigenen Kräfte und Fähigkeiten nicht überschätzen; nicht zu schnell gehen.
● Ruhepause einlegen, falls Symptome der Bergkrankheit auftreten; nach Besserung nur talwärts weitergehen.
● Das alpine Notsignal im Sinn behalten: hör- oder/und sichtbare Zeichen, und zwar sechsmal pro Minute in regelmäßigen Abständen von zehn Sekunden; nach einer Pause von einer Minute dasselbe wiederholen.