Der Ziegelstein — nicht veraltet, sondern altbewährt
VOM „AWAKE!“-KORRESPONDENTEN IN PORTUGAL
AUS welchem Material besteht dein Haus — aus Holz, aus Stein oder gar aus Stroh?
Hier in Portugal werden nahezu alle Wohnhäuser aus Ziegeln gebaut. Im ganzen Land stellen etwa 600 Ziegeleien jährlich mehr als zweihundert Millionen Einheiten her. Doch die Verwendung von Ziegelsteinen ist nichts Neues.
Schon in alter Zeit
Wußtest du, daß man bereits in alten Weltreichen wie Assyrien, Babylon und Ägypten Ziegelsteine verwendete? (2. Mose 5:6-18). Als nach der Sintflut der Städtebau begann, gab es auch schon den Ziegelstein.
Mehr als dreitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung beschlossen Bauleute im Lande Schinear, eine Stadt mit einem Monument zu errichten, das durch seine Größe in die Geschichte eingehen sollte. „Und sie begannen zueinander zu sprechen: ,Kommt her! Laßt uns Ziegelsteine machen und sie zu Backsteinen brennen.‘ So diente ihnen der Ziegel als Stein, der Asphalt aber diente ihnen als Mörtel“ (1. Mose 11:3, 4).
Ausgrabungen in der Stadt Ur in Chaldäa offenbaren, daß der Ziegelstein in Mesopotamien ein weitverbreitetes Baumaterial war, da es zuwenig Gesteinsmaterial und Holz gab. Der reiche Schwemmlandboden, der durch den Schlamm der häufig über die Ufer tretenden Flüsse Euphrat und Tigris entstand, lieferte den benötigten Naturstoff.
In den Tagen Nebukadnezars waren die Ziegelmauern, die die Prozessionsstraße der Stadt Babylon säumten, für die Bewohner ein vertrauter Anblick. Das Relief der stark gefärbten glasierten Ziegelsteine zeigte eine lange Reihe zähnefletschender Löwen. Am Ende der Prozessionsstraße, ganz in der Nähe des Ziegelsteinpalastes von Nebukadnezar, befand sich das Ischtartor. An diesem Tor waren Reliefs mit Stieren in glasierten Ziegeln.
Herstellung
Im Altertum war die Ziegelherstellung ziemlich einfach. Man füllte handgefertigte Holzformen mit Lehmschlamm und ließ ihn an der Sonne trocknen. Oft wurde dem Lehm Stroh beigemengt, um eine größere Festigkeit zu erzielen. Solche sonnengetrockneten Ziegel bezeichnet man heute als Adoben, und in manchen Ländern mit trockenem Klima werden sie immer noch verwendet. Im Laufe der Zeit kam noch ein anderer Herstellungsvorgang hinzu, nämlich das Ziegelbrennen in einem Ofen, wodurch dem Ziegel eine größere Haltbarkeit verliehen wurde.
Die heutige Ziegelherstellung schließt folgende grundlegende Vorgänge ein: Roher oder gebrannter Ton wird gemischt mit Wasser und mit Mineralien wie Sand, Kalkstein, Dolomit und Substanzen, die Eisen- und andere Metallverbindungen enthalten. Beim Trockenverfahren werden die Steine je nach Gestalt und Größe einzeln geformt. Beim modernen Naßverfahren wird der Ton durch das Mundstück einer Strangpresse zu einem fortlaufenden Strang gepreßt und anschließend mit einem Stahldraht auf die gewünschte Länge geschnitten. Jetzt sind unsere Ziegel für die beiden letzten Vorgänge reif: Trocknen und Brennen.
Das Trocknen kann auf natürlichem oder künstlichem Wege geschehen. Für den zweiten Vorgang, das Brennen, benötigt man große Öfen. Hier in Portugal verwenden kleine Betriebe den „Bienenkorbofen“. Er wird von Hand mit Steinen vollgeschichtet und dann während einer Zeit von fünf bis sieben Tagen abwechselnd befeuert und abgekühlt. In vielen größeren Ziegeleien werden die Ziegel in einem Ring- oder Zickzackofen aufgestapelt, in dem die Befeuerung von einem Ende zum anderen wandert.
Ein noch moderneres Verfahren wird durch die „Tunnelöfen für fortlaufenden Betrieb“ ermöglicht. Die Rohziegel werden gleich nach dem Schneiden auf Loren gestapelt, die langsam durch lange, beheizte Tunnel befördert werden, und nach 8 bis 72 Stunden (je nach Art des Ziegels) sind sie trocken. Anschließend durchfahren sie einen langen Tunnel, in dem sie in einem Zeitraum von 36 Stunden bis zu vier Tagen (ebenfalls von der Art des Ziegels abhängig) gebrannt und gekühlt werden. Eine der größten Ziegeleien von Portugal, die sich in der Nähe von Lissabon befindet, hat einen solchen modernen Ofen mit einer Länge von 180 Metern.
Normung
Als Ziegelsteine noch von Hand gefertigt wurden, hatten sie — je nach Bedarf — in jeder Gegend ihre eigene Form und Größe. Aber schon die alten Assyrer erkannten die Notwendigkeit, die Abmessungen der damals am meisten verwendeten Ziegelsteine zu normen.
In Portugal führte das für Normungen zuständige Institut unter den bedeutendsten Fabriken eine Umfrage durch, um eine Aufstellung über die Formen und Abmessungen der hergestellten Ziegel anzufertigen. In den 44 Fabriken, die auf die Umfrage eingingen, wurden insgesamt 330 verschiedene Typen hergestellt.
Diese große Vielfalt rief viele Schwierigkeiten hervor, sowohl bei den Herstellern als auch bei den Kunden. Da die Ziegelsteine hier in Portugal für das Bauwesen eine sehr wichtige Rolle spielen, war eine Normung sehr nützlich — nicht nur in der Qualität, sondern auch in den Abmessungen und im Material. Anhand der Ergebnisse dieser Umfrage mußte man nun festlegen, wie man die bestehenden Typen eingrenzen sollte. An dieser Studie arbeiteten 99 Hersteller und 36 Großabnehmer mit.
Die Ergebnisse der Studie wurden der Keramik-Industrie auf einem Seminar vorgelegt. Man führte Gründe für die ausgearbeiteten Vorschläge an, und die Diskussionsteilnehmer durften Fragen stellen und über ihre Beobachtungen berichten, damit keine unbekannten Faktoren, die den Vorschlag ändern könnten, übersehen wurden. Man zog dann endgültige Schlußfolgerungen und trug sie mit entsprechenden Begründungen den Teilnehmern vor.
Im darauffolgenden Jahr wurden Normen veröffentlicht, die nur noch sieben verschiedene Ziegeltypen zulassen. Es wurde für eine weite öffentliche Verbreitung der Normen gesorgt, und sowohl Hersteller als auch Bauunternehmer erkannten ihre Vorzüge. Sie stellten sich im Laufe der Zeit auf die neuen Normen ein. Später wurden sie in ganz Portugal amtlich veröffentlicht. Die Umstellung erforderte zwar eine gewisse Zeit, doch heute werden die Normen fast völlig eingehalten.
Obwohl die Verwendung von Metallen und Stahlbeton im Bauwesen große Fortschritte gemacht hat, ist der Ziegel — dieser schon im Altertum verwendete Baustein — nicht veraltet. Wenn auch dein Haus nicht aus Ziegeln besteht, dann wenigstens der Kamin oder andere Teile. Wie in vielen anderen Ländern der Welt steht hier in Portugal der Ziegelstein wegen seiner bewährten Eigenschaften auch dem modernen Menschen noch zu Diensten.