Warum sind viele ungläubig?
VIELE Menschen betrachten die Konstruktionsmerkmale in der Natur und glauben dennoch nicht an die Existenz eines Konstrukteurs, eines Schöpfers. Warum nicht?
Ist dieser Mangel an Glauben darauf zurückzuführen, daß jemand schon einmal das Argument, Konstruktion erfordere einen Konstrukteur, widerlegt hat? Gibt es derart gewichtige Gegenbeweise, daß die Konstruktion in der Natur den informierten, denkenden Menschen nicht mehr zu überzeugen vermag?
Oder bleibt das Argument bestehen — unerschütterlicher als je zuvor? Trifft nicht eher das zu, was der Apostel Paulus sagte, nämlich daß Personen, die das Offensichtliche nicht erkennen wollen, „unentschuldbar“ sind?
Geschichtlicher Rückblick
Ein kurzer Rückblick in die Geschichte dieser Sache könnte hilfreich sein. Zunächst kann man feststellen, daß es schon seit Jahrhunderten viele Atheisten gibt. Aber bis vor etwa hundert Jahren waren sie nicht imstande, religiöses und wissenschaftliches Gedankengut nachhaltig zu beeinflussen.
Große Wissenschaftler der Vergangenheit, wie zum Beispiel Isaac Newton (der von dem wissenschaftlichen Schriftsteller Isaac Asimov als „der größte wissenschaftliche Denker, den die Welt je gesehen hat“, bezeichnet wurde), glaubten an Gott. Sie betrachteten den Unglauben nicht als ein notwendiges Merkmal ihrer wissenschaftlichen Befähigung.
Im Gegenteil, Newton und viele andere Wissenschaftler sowie große Denker auf anderen Gebieten wiesen auf die Konstruktion in der Natur als einen Beweis für die Existenz des Chefkonstrukteurs, Gottes, hin. Das war die Vorstellung, die jahrhundertelang vorherrschte.
Grausamkeiten in der Natur
Dann erfuhr die Auffassung, das Universum sei das Werk eines liebevollen Konstrukteurs, eine Wandlung.
In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts lenkten Schriftsteller wie Darwin, Malthus und Spencer die Aufmerksamkeit auf die Grausamkeiten in der Natur. Stimmt es etwa nicht, sagten sie, daß die großen Tiere immer die kleinen fressen? Stimmt es etwa nicht, daß im Dschungel jeden Tag und jede Nacht ein verzweifelter Kampf ums Überleben herrscht?
Gewiß ist es eine Tatsache, daß die Tiere sich gegenseitig fressen. Daher wurde dieser Gedankengang wie folgt weitergeführt: Ist nicht der erbitterte Überlebenskampf die eigentliche Wahrheit über das Leben auf der Erde? Sind nicht sogar unter den Menschen animalische Kriege, selbstsüchtiges Streben und „das Gesetz des Dschungels“ die eigentlichen Kräfte, die die Geschichte bestimmt haben? Besteht in der Natur etwa die Harmonie und der Friede, die man von einem liebevollen großen Konstrukteur erwarten würde?
George Romanes, ein Freund Darwins, beschrieb die Natur folgendermaßen: „Wir finden Zähne und Krallen, bereit zum Zerfleischen, Klauen und Saugnäpfe, gebildet zum Quälen — überall eine Herrschaft des Schreckens, des Hungers und der Krankheit, begleitet von Blutvergießen und zitternden Gliedern, von keuchendem Atem und unschuldigen Augen, die sich in grausamer Todesqual schließen.“
Darwins Theorie vom sinnlosen Kampf und vom Überleben des Tauglichsten — keine Planung von Gott — zog in der Öffentlichkeit schnell Kreise. Und daraus entstand ein neues Geschichtsbild: der Sozialdarwinismus.
Beachte, wie H. G. Wells in seinem Buch Die Weltgeschichte die Situation beurteilte: „Nach 1859 [Jahr, in dem Darwins Buch Die Entstehung der Arten veröffentlicht wurde] entstand ein wirklicher Verfall des Glaubens. ... Hervorragende Persönlichkeiten zu Ende des neunzehnten Jahrhunderts waren der Meinung, daß sie ihre Machtstellung kraft des Kampfes um die Existenz errungen hätten, in dem die Starken und Listigen den Sieg davontragen über die Schwachen und Vertrauensseligen ... Ebenso wie in einem Rudel Hunden die Jüngeren und Schwächeren zum Vorteil der Gesamtheit unterdrückt und mißhandelt werden, müßten auch, so dachte man, die großen Hunde der Menschenhorde die kleineren unterdrücken und mißhandeln.“
Viele übernahmen rasch diese Denkweise. Ein Grund bestand in der Feindseligkeit, die sie berechtigterweise gegenüber vielen Kirchen hegten, weil diese wissenschaftliche Forschungen unterdrückten. Schlimmer noch, sie konnten sehen, daß die prominenten Religionen Kriege und Blutvergießen schürten und rechtfertigten. Daher kommentierte H. G. Wells korrekterweise: „Das reine Gold der Religion war in vielen Fällen mit der abgetragenen Börse, die es so lange beherbergt hatte, fortgeworfen ... worden.“
„Gott ... [ist] verantwortlich“
Hinsichtlich des Arguments, daß Konstruktion der Beweis für einen Konstrukteur ist, schlußfolgerten manche: „Wenn du sagst, daß diese Krallen, Klauen und Zähne, die Herrschaft des Schreckens, des Hungers und der Krankheit von Gott geplant waren, dann mußt du dir auch eingestehen, daß dieser Gott für das Leiden und die Grausamkeiten verantwortlich ist. Doch du sagst, er sei Liebe. Was trifft nun zu?“
Deshalb schlußfolgerten solche Personen: „Die einzig plausible Erklärung ist Kampf, Überleben des Tauglichsten und blinde, ungelenkte Evolution.“
Daher wurde das Argument „Konstruktion setzt einen Konstrukteur voraus“ vermeintlich zu Grabe getragen. Dieses Argument ins Feld zu führen bedeutete angeblich, Gott der Grausamkeit zu bezichtigen. Leider hatten sowohl die religiösen Führer der Christenheit als auch die des Heidentums wie üblich keine echte Lösung dieses Problems zu bieten.
Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Wenn die Frage nach einem Konstrukteur aufkommt, wird oft das Dilemma mit den Grausamkeiten in der Natur angeführt. Zum Beispiel schrieb der Philosoph Bertrand Russell in seinem Buch Warum ich kein Christ bin:
„Wenn man das ... Argument näher betrachtet, ist es höchst erstaunlich, daß Menschen glauben können, diese Welt mit allem, was sich darin befindet, und mit all ihren Fehlern sei das Beste, was Allmacht und Allwissenheit in Millionen von Jahren erschaffen konnten. Ich kann das wirklich nicht glauben. Meinen Sie, wenn Ihnen Allmacht und Allwissenheit und dazu Jahrmillionen gegeben wären, um Ihre Welt zu vervollkommnen, daß Sie dann nichts Besseres als den Ku-Klux-Klan oder die Faschisten hervorbringen könnten?“
Diesen Gedankengang wollen wir noch etwas näher untersuchen, da er häufig gegen die Schlußfolgerung, Konstruktion in der Natur erfordere einen Konstrukteur, ins Feld geführt wird.
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Wie läßt sich das unter Menschen und Tieren herrschende „Gesetz des Dschungels“ mit der Vorstellung von einem liebevollen Schöpfer vereinbaren?