Wartest du auf die Entrückung?
„ES IST nicht Gottes Fehler, sondern mein Fehler. Ich habe mich verrechnet“, soll Bill Maupin, der Führer der Gruppe, gesagt haben. Der vorausgesagte Tag, der 28. Juni 1981, kam und ging — nichts geschah.
Die Anhänger Maupins, die gemeinsam 36 Stunden geduldig gewartet hatten, waren nicht die ersten Enttäuschten. Lange vorher, am 22. Oktober 1844, warteten schätzungsweise 100 000 Nachfolger William Millers stundenlang auf Hausdächern und Hügeln auf das gleiche Ereignis.
Worauf warteten diese und noch andere Gruppen so gespannt? Auf die Entrückung.
Was ist die Entrückung?
Viele verstehen darunter, daß Christen plötzlich von der Welt hinweggenommen werden, um mit Christus „in der Luft“ vereint zu werden. Tim LaHaye schrieb in seinem Buch The Beginning of the End: „Wir werden die Erde unmittelbar verlassen. Ganz gleich, was wir tun, wir werden plötzlich von der Welt weggenommen werden.“
Er fuhr fort: „Die Entrückung der Kirche wird ein Ereignis von solch alarmierendem Ausmaß sein, daß unser Weggang der ganzen Welt bewußt werden wird. Manche haben die Vorstellung geäußert, daß es weltweit Flugzeug-, Bus- und Eisenbahnunglücke geben wird, wenn christliche Piloten, Busfahrer und Lokführer plötzlich von der Welt hinweggenommen werden. Wer kann sich das Chaos auf den Straßen vorstellen, wenn Autofahrer aus ihrem Auto entrückt werden!“
Manche Autofahrer haben tatsächlich an ihrem Auto Aufkleber angebracht mit der Aufschrift: „Im Falle der Entrückung wird dieses Auto führerlos sein.“
Doch es gibt die verschiedensten Meinungen darüber, wie und wann die Entrückung vonstatten gehen wird. Manche glauben, es werde eine geheime Entrückung sein, bei der die Entrückten einfach verschwinden werden. Andere glauben, daß Christus sichtbar erscheinen und die „Heiligen“ mit ihrem sichtbaren Körper emporheben wird, während die Welt zusieht. Wieder andere sind der Meinung, daß die Entrückung nach den Zeichen und der „großen Drangsal“, die in der Bibel in Matthäus, Kapitel 24 erwähnt werden, stattfinden wird.
Gemäß der populärsten Vorstellung wird Christus zweimal, getrennt voneinander (oder in zwei Stadien), wiederkommen: erstens in der Luft, um die Gläubigen zu sich zu versammeln, bevor eine siebenjährige Drangsal beginnt; zweitens auf der Erde, um sein Königreich aufzurichten und um am Ende der Drangsal mit seiner Tausendjahrherrschaft zu beginnen.
Warum einige darauf warten
Der Gedanke, künftigen Weltkatastrophen völlig zu entfliehen, sagt vielen zu. Er hat Gläubige bewogen, den Weltverhältnissen gegenüber eine gelassene Haltung einzunehmen.
„Der große Unterschied zwischen Wissenschaftlern und diesen Evangelikalen“, sagte der religiöse Schriftsteller George Plagenz, „besteht darin, daß erstere befürchten, die Welt werde bald ein Ende nehmen, die Christen aber buchstäblich erfreut sind über diese Aussicht. ... Der Grund für den Optimismus der bibelgläubigen Christen liegt darin, daß ihrer Ansicht nach die Christusgläubigen, während sich die Welt am Rande der großen Drangsal — einer in der Bibel vorausgesagten kosmischen Katastrophe — befindet, davon verschont bleiben werden.“
Der Schriftsteller John F. Walvoord schreibt in seinem Buch Armageddon, Oil and the Middle East Crisis: „Es wäre schwierig, gelassen zu bleiben, wenn die Bibel nicht deutlich zeigen würde, daß ein unausweichliches Märtyrertum in der großen Drangsal nicht das ist, was die Gläubigen unseres Zeitalters als nächstes zu erwarten haben. Wahre Christen von heute brauchen nicht das Unheil zu fürchten, das der Welt nahe bevorsteht. Statt dessen haben sie die Hoffnung, daß Christus wiederkehren wird und daß sie mit dem Herrn vereint sein werden, um sich für immer seiner Gegenwart zu erfreuen.“
„Welch herrliche Lebensauffassung!“ rief der populäre Schriftsteller Hal Lindsey aus. „Mit Optimismus, mit Erwartung und mit Vorfreude. Wir sollten in der Erwartung leben, bald nicht mehr hierzusein.“
In der Bibel zu finden?
Lehrt die Bibel, daß alle wahren Christen in den Himmel entrückt werden? Werden sie die übrige Menschheit verlassen, der dann eine Katastrophe bevorsteht?
Als Begründung für eine solche Glaubensansicht wird 1. Thessalonicher 4:16, 17 angegeben, wo das Wort „entrückt“ vorkommt. Wir lesen dort:
„Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes, und die in Gemeinschaft mit Christus Verstorbenen werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die Lebenden, welche überleben, mit ihnen zusammen in Wolken entrückt werden zur Begegnung mit dem Herrn in der Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein.“
Die Verfechter der eingangs geschilderten Vorstellungen von der Entrückung vertreten folgende buchstäbliche Auslegung dieser Schriftstelle: Christus wird wieder zur Erde kommen. Die toten „Heiligen“ werden auferweckt und die lebenden „Heiligen“ entrückt werden. Sie werden einen neuen, unsterblichen Körper erhalten, mit dem sie dann aufsteigen und Christus in der Luft treffen werden. Und er wird sie zu sich in den Himmel nehmen.
Dieser Glaube wird also mit der Wiederkunft Jesu Christi verknüpft. Aber was zeigt die Bibel über den Zweck seiner Wiederkunft?
Das Wie und Warum der Wiederkunft Christi
Die Bibel deutet nicht an, daß Christus buchstäblich, im Fleische, wieder zur Erde kommen wird. Vielmehr spricht sie von einer Wiederkunft in dem Sinne, daß er seine Aufmerksamkeit der Erde zuwendet und ganz bestimmte Vorsätze mit Bezug auf die Menschheit verwirklicht.
Christi Herabkommen, das in 1. Thessalonicher 4:16 erwähnt wird, ist in demselben Sinne zu verstehen wie Gottes Herabkommen zur Erde, von dem die Heilige Schrift spricht. Zum Beispiel sagt die Bibel von Gott: „Er ging daran, die Himmel zu neigen und herabzufahren; und dichtes Dunkel war unter seinen Füßen“ (2. Samuel 22:10). „Siehe! Jehova geht aus von seiner Stätte, und er wird gewißlich herabkommen und auf die Höhen der Erde treten“ (Micha 1:3). Was ist mit diesen Worten gemeint? Nicht, daß Gott seinen Platz im Himmel verlassen wird, sondern daß er seine Aufmerksamkeit den Vorgängen auf der Erde zuwenden wird.
Wenn Christus auf ähnliche Weise seine Aufmerksamkeit der Erde zuwendet, auferweckt er die im Tode Entschlafenen, die an seiner himmlischen Herrschaft teilhaben werden (1. Thessalonicher 4:14, 15; Offenbarung 20:6). Sie werden, wie es bei Jesus der Fall war, unsichtbar emporgehoben, um mit ihm im geistigen Reich zusammenzusein. Daher werden „die in Gemeinschaft mit Christus Verstorbenen ... zuerst auferstehen“. Dann werden diejenigen gesalbten Christen, die noch auf der Erde leben, nach Beendigung ihres irdischen Laufes „in Wolken entrückt [als unsichtbare Geistsöhne Gottes auferweckt] werden zur Begegnung mit dem [unsichtbaren] Herrn in der Luft“. Somit bedeutet das in 1. Thessalonicher 4:17 erwähnte „danach“, daß diese Treuen, die dann sterben werden, ebenfalls eine Auferstehung im Geiste erfahren werden (1. Korinther 15:51-53).
Bei der Wiederkunft Christi spielt sich aber noch viel mehr ab. Da er als König in Gottes himmlischem Königreich eingesetzt ist, wirft er zuerst Satan aus dem Himmel, so daß dessen Aufenthalt auf die Umgebung der Erde beschränkt ist. Jesus wendet von seinem himmlischen Thron aus seine Aufmerksamkeit der Erde zu, um eine Besichtigung vorzunehmen und Gericht zu halten. Die Nationen werden „vor ihm versammelt“ und die Menschen voneinander getrennt, so wie die „Schafe“ von den „Ziegenböcken“ (Matthäus 25:31-33; Offenbarung 12:7-12).
Diese von Jesus durchgeführte Trennung richtet sich nach der Einstellung des einzelnen gegenüber Christi „Brüdern“, jenen gesalbten Christen, den „Lebenden, welche überleben“ (zur Zeit seiner Wiederkunft). Jesu „Brüder“ sind beauftragt, die „gute Botschaft vom Königreich“ zu predigen und „Jünger aus Menschen aller Nationen“ zu machen (Matthäus 25:34-45; 24:14; 28:19, 20). Diejenigen, die sich gemäß Jesu Gleichnis als „Schafe“ erweisen, beteiligen sich mit den Brüdern Christi an der Verkündigung des Königreiches Gottes. Aber sie haben keinerlei Hoffnung auf eine Entrückung oder eine himmlische Auferstehung, um „beim Herrn“ zu sein. Vielmehr hegen sie die biblische Hoffnung, die „große Drangsal“ zu überleben und für immer in paradiesischen Verhältnissen auf der Erde zu leben. In Verbindung mit diesem irdischen Bereich des Königreiches wird der König Jesus Christus die Einladung an sie ergehen lassen: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet worden seid, ererbt das Königreich, das von der Grundlegung der Welt an für euch bereitet ist“ (Matthäus 25:34, 46; Offenbarung 7:9, 10, 14).
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Manche glauben, daß es Flugzeug-, Bus-, Eisenbahn- und Autounfälle geben wird, wenn christliche Piloten, Busfahrer, Lokführer und Autofahrer plötzlich von der Welt hinweggenommen werden.