Heimcomputer — Etwas für dich?
„JEDEN Morgen um 6 Uhr ertönt Takeaki Yoshidas Lieblingsmusik in seiner Tokioer Superwohnung. Dann öffnet sich automatisch der Schlafzimmervorhang, das Licht geht an, und ein elektrischer Reiskocher wird eingeschaltet. Bis Yoshida aus seiner elektronisch gesteuerten Sauna gestiegen ist, steht sein Frühstück bereit, und das Fernsehgerät ist eingeschaltet. Jedes Gerät in Yoshidas Apartment ... wird von einem Mikrocomputer überwacht.“
Das ist kein Zitat aus einem Zukunftsroman. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Bericht, der in dem Nachrichtenmagazin Newsweek veröffentlicht wurde und den gegenwärtigen Stand der technischen Entwicklung in Japan schildert. Er zeigt, wie der Computer den Lebensstil der Bevölkerung beeinflußt hat.
Heutzutage wirkt sich der Computer in Japan und anderswo nicht nur tiefgreifend auf die Welt der Wissenschaft, auf die Industrie und das Geschäftsleben aus und verändert nicht nur die Arbeitsweise der Menschen, sondern er bahnt sich auch seinen Weg in ihre Wohnungen und beeinflußt ihre Lebens-, Spiel- und Denkgewohnheiten. Ja man kann sagen, daß das Zeitalter des Heimcomputers angebrochen ist.
„In jede Wohnung ein Computer“
Einige Leute denken — wenn sie das Wort Computer hören — immer noch an sterile, klimatisierte Räume, in denen es von Schaltern und aufblinkenden Lämpchen wimmelt. Solche imposanten Großrechenanlagen werden heute noch in der Industrie, im Geschäftsleben und in militärischen und anderen Einrichtungen verwendet.
Doch die Entwicklung der Elektronik hat sowohl die Abmessungen als auch den Preis der Computer derart schrumpfen lassen, daß sich sogar Schuljungen von ihrem Lohn fürs Zeitungsaustragen einen eigenen Computer kaufen können. Wären im Automobilbau ebensolche Fortschritte gemacht worden wie in der Computerbranche, dann würde, so schätzte ein Experte, ein Rolls-Royce nur noch 2.75 Dollar kosten und mit einem Liter Kraftstoff fast eine Million Kilometer weit fahren.
Die attraktiven Preise sind jedoch nur einer der Gründe, warum sich die Leute einen Computer anschaffen. Zu den vielen Käufern von Heimcomputern zählt ein 37jähriger Künstler, der etwas über Computer und die Computerfertigkeiten von Kindern gelesen hatte. „Als ich damals erfuhr, was 10jährige damit anfangen können, überkam mich das Gefühl, etwas versäumt zu haben“, sagte er. Nachdem er sich jedoch das Gerät gekauft hatte, bekannte er: „Ich weiß nicht, wozu es mir nützen sollte, aber es ist faszinierend.“
Diese Faszination wird von der Computerindustrie weidlich ausgenutzt. Raffinierte Werbung und Geschichten über junge „Computergenies“, die — kaum 20 Jahre alt — ein sechsstelliges Jahreseinkommen beziehen, spielen bei dem Aufschwung im Geschäft mit Heimcomputern eine nicht zu unterschätzende Rolle. Durch Anspielungen darauf, daß wir ja schließlich im Computerzeitalter leben, wird dem Verbraucher häufig der Eindruck vermittelt, ihm entgehe etwas, wenn er — oder seine Kinder — keinen Computer habe oder nicht wisse, wie man damit umgehe. „Sie und ich und der Rest der Nation sind darauf vorbereitet, daß letztlich in jede Wohnung ein Computer kommt“, sagte der Verkaufsleiter einer großen amerikanischen Computerfirma.
„Mit einem Computer könnten Sie ...“
Typische Frage eines Interessenten für Heimcomputer: „Was kann der Computer denn für mich tun?“ Die verblüffende Antwort: „Alles, was Sie möchten.“ So witzig es auch klingt, das ist augenscheinlich die feste Überzeugung der Verkaufsexperten.
In einer Werbeanzeige zeigte beispielsweise einer der führenden Computerhersteller zig Anwendungsmöglichkeiten für seine Produkte und gab das Versprechen, daß man, „was immer man ist und was immer man tut“, eines seiner Geräte verwenden und damit bessere Ergebnisse erzielen könnte. Abgesehen von wahrhaft technischen Meisterleistungen wie etwa der Überwachung von Experimenten an Bord eines Raumtransporters, was für dich wahrscheinlich nie in Frage kommt, umfaßt die Liste auch erdverbundenere Anwendungsmöglichkeiten, bei denen es zum Beispiel darum geht, dir beim Abnehmen zu helfen, „mit Meiers Schritt zu halten“, Adressenlisten zu führen, die Sicherheit deiner Wohnung zu überwachen und nicht zuletzt Spiele aller Art zu spielen.
Es scheint daher, daß Traumwohnungen wie die eingangs beschriebene des Herrn Yoshida bald sehr populär werden könnten. Man denkt bereits an den Tag, an dem man — dank Computer — per Knopfdruck viele der Arbeiten im Haus ohne die bisherige Anstrengung erledigen kann.
Andere freuen sich schon darauf, sich bald nicht mehr durch den täglichen Berufsverkehr wühlen zu müssen, um in die Stadt zur Arbeit zu fahren. Sie könnten in der Stille ihrer Vorstadtwohnung an einem Heimcomputer arbeiten und vermutlich viel mehr Befriedigung dabei haben, wenn nicht sogar mehr Geld verdienen. Sie könnten den Heimcomputer zur Textbearbeitung verwenden. Mit einem Anschluß ans Telefonnetz könnten sie von Informationsdiensten Nachrichten und Finanzberichte erhalten; sie könnten Nachrichten weiterreichen, Waren bestellen und Geschäfte tätigen, ohne die Wohnung zu verlassen.
Man denke auch an die Kinder. Mit einem Computer im Haus könnten sie Mathematik lernen, ihre Lesefertigkeit verbessern, eine Fremdsprache erlernen und sich natürlich auch mit gewaltlosen, moralisch einwandfreien elektronischen Spielen die Zeit vertreiben. Vielleicht sehen sie dann sogar weniger fern und sind mehr damit beschäftigt, etwas Nützliches zu lernen.
Ideen wie diese haben viele bewogen, einen Heimcomputer zu kaufen. Der Verkauf von Heimcomputern ist derart rapide gestiegen, daß Experten voraussagen, gegen Ende des Jahrzehnts würde in den Vereinigten Staaten in 7 von 10 Haushaltungen ein Heimcomputer stehen.
Lohnt es sich denn?
Der Gedanke, daß ein Heimcomputer dir helfen könnte, über deine Finanzen Buch zu führen, Rezepte auszuarbeiten und den Benzinverbrauch deines Autos auszurechnen, mag dich anfangs begeistern. Doch erwäge ganz nüchtern die Frage: Lohnt es sich? Ein Bericht in der New York Times gab zur Antwort: „Diese Aufgaben genügen aber gewöhnlich nicht, um den Kauf eines Computers zu rechtfertigen, denn sie werden seit Jahr und Tag mit Bleistift, Papier und Taschenrechner bewältigt.“
Man darf nicht vergessen, daß außer den Anschaffungskosten noch Zeit und Geld erforderlich sind, um den Heimcomputer für diese Aufgaben benutzen zu können. Dem ist so, weil der Computer trotz seiner Schnelligkeit und Genauigkeit nichts weiter als ein Werkzeug ist. Er kann gar nichts tun, es sei denn, er wird entsprechend angeleitet oder programmiert. Es gibt zwei Möglichkeiten, das zu erreichen. Du kannst lernen, wie man programmiert, was allerdings viel Zeit und Mühe kostet. Bist du jedoch so veranlagt wie die meisten Leute, dann wirst du wahrscheinlich vorgefertigte Programme und die zu ihrer Aufnahme notwendigen Zusatzgeräte kaufen.
Da jede Aufgabe ihr eigenes Programm erfordert, können sich die Anschaffungskosten der Programme für all die kleinen Arbeiten im Haus sehr schnell summieren. Falls du selbst programmieren willst, dann bedenke, daß es viele Stunden dauert, ein Programm zu schreiben, und viele weitere Stunden, die allgegenwärtigen Programmfehler herauszufischen. Nachdem du den Computer dazu programmiert hast, beispielsweise über deine Finanzen Buch zu führen, mußt du im wesentlichen immer noch die gleichen Schritte vornehmen wie bei der Methode mit Bleistift, Papier und einem einfachen Taschenrechner. Es ist nicht schwierig, einzusehen, warum es in dem oben zitierten Bericht aus der New York Times weiter hieß: „Die bisher populärste Anwendung sind die Computerspiele.“
Hast du eine praktische Verwendung dafür?
„Es ist keine Frage, daß Computer für viele Firmen und wissenschaftliche Aufgaben notwendig sind“, schrieb ein Zeitschriftenredakteur und Computerkonstrukteur. „Wenn Sie Arbeit mit nach Hause nehmen, mögen Sie einen Heimcomputer als nützlich empfinden. Ich habe einen zu Hause, und ich gebrauche ihn für Forschungszwecke und für Textbearbeitung. ... Wenn Sie solche Arbeiten zu Hause machen müssen, dann empfehle ich Ihnen einen Heimcomputer.“
Das ist eine ziemlich realistische Ansicht. Für Personen wie den oben erwähnten Zeitschriftenredakteur, die einen Heimcomputer brauchen, ist er angesichts der heutigen Preise eine lohnende Anschaffung. In ihrem Fall ist der Computer im Haus eigentlich eine Erweiterung des Computers am Arbeitsplatz. Alle, die ein kleines Geschäft führen, betrachten den Heimcomputer vielleicht als eine große Hilfe für die Buchführung.
Wer sich für eine Laufbahn in der Computerbranche interessiert, wird den Heimcomputer als eine gute Einführung in das Fachgebiet empfinden, wenn er auch bald allen Heimcomputern, außer den fortgeschrittensten, „entwachsen“ wird. Schüler, die in der Schule Computer verwenden, mögen in einem Heimcomputer eine Hilfe für ihre Hausaufgaben sehen, obwohl die meisten Schulen, in denen Computerkurse angeboten werden, dem Schüler solche Geräte auch für den Hausgebrauch zur Verfügung stellen.
Aber wie steht es mit dem Durchschnittsbürger, der nichts weiter als fasziniert ist von der Idee, einen Heimcomputer zu besitzen? Über Leute dieser Kategorie hieß es in dem zuvor erwähnten Bericht in der New York Times: „Die Käufer von Heimcomputern berichten von verschiedenen Ergebnissen. Manche sind fasziniert von diesen Geräten, selbst wenn sie nie eine praktische Verwendung dafür finden.“
Eine praktische Verwendung für den Heimcomputer zu finden ist heute nach Meinung vieler Experten offensichtlich der entscheidende Punkt. Der genannte Zeitschriftenredakteur drückte es wie folgt aus: „Ich dachte, ich würde noch andere Anwendungsmöglichkeiten für mein Gerät finden. Aber mir ist bis jetzt nichts eingefallen.“ Damit wollte er sagen, daß ihm, abgesehen von der Verwendung für seine Arbeit, noch keine andere Anwendungsmöglichkeit eingefallen ist, die er für wirklich praktisch hält.
Allerdings werden dir manche von all den wundervollen Kunststücken erzählen, die sie mit ihrem Heimcomputer vollführen. Solche Leute trifft man gewöhnlich auf Messen, bei Seminaren und in Fachgeschäften für Computer. Oder sie haben irgendwie bei ihrer Arbeit mit Computern zu tun. Mit anderen Worten: Sie sind entweder Computerhobbyisten oder sind auf Computer angewiesen.
Wie steht es mit den übrigen von uns? Vielleicht bist du fasziniert von all den Fähigkeiten, die man dem Heimcomputer nachsagt. Doch die Frage ist, ob du die Zeit und die Geduld hast, von einem solchen Computer Gebrauch zu machen, und ob du eine praktische Verwendung dafür findest. Nun, du magst an die Zukunft deiner Kinder denken. Hiermit verhält es sich ähnlich wie mit der Frage, ob man für die Hausbibliothek ein vielbändiges Lexikon anschaffen sollte oder nicht. Die Nutzungsmöglichkeiten mögen grenzenlos erscheinen, aber besteht ein echter Bedarf? Wie oft würde man die Neuanschaffung verwenden? Und wie lange wird das Interesse anhalten?
Der Heimcomputer mutet in mancher Hinsicht wie eine technische Errungenschaft an, für die noch eine praktische Verwendbarkeit gefunden werden muß. Bevor du also entscheidest, ob ein Heimcomputer etwas für dich ist, wäre es vernünftig, zuerst den praktischen Wert und den Nutzen gegen die Kosten und den Zeitaufwand abzuwägen.
[Bild auf Seite 13]
Wäre ein Heimcomputer nützlich für die Bildung deines Kindes?