Junge Leute fragen sich:
Warum lassen mich meine Mitschüler nicht in Ruhe?
„WAS regt dich am meisten auf?“ Diese Frage wurde 160 000 amerikanischen Teenagern gestellt. Dreißig Prozent von ihnen antworteten: „Die Schule.“ Wenn du im schulpflichtigen Alter bist, überrascht dich diese Antwort wahrscheinlich nicht.
Aber ist es immer die Nervosität wegen der Noten, die einen Schüler beim bloßen Gedanken an die Schule aus der Fassung bringt? Michael, ein Schüler an einer weiterführenden Schule in der Stadt New York, sprach vielen Jugendlichen aus der Seele, als er sagte: „Der stärkste Druck, der auf einen Schüler ausgeübt wird, kommt nicht von den Lehrern und rührt nicht von den Noten her. Es ist der Druck von anderen Schülern.“
Ja, wegen des Gruppenzwangs verabscheuen viele junge Leute die Schule. Obwohl es schwer ist, einschlägige Statistiken zu finden, schrieb ein Lehrer: „Daß ein Schüler zu Hause bleibt, krank ist oder eine Unterrichtsstunde schwänzt, weil er vor einer Gruppe von Schülern Angst hat, ist weit öfter der Fall, als sich die meisten Erwachsenen vorstellen.“
Wie verlautet, leiden sogar sehr junge Schüler unter diesem quälenden Gruppenzwang. Als eine Gruppe Viertkläßler (neun bis zehn Jahre alt) in vier verschiedenen Grundschulen befragt wurde, deutete rund die Hälfte von ihnen an, daß Mitschüler Dinge sagen, die ihre Gefühle verletzen. Nachdem sie gefragt worden waren: „Angenommen, du machst beim Aufsagen einen Fehler, würden dich dann einige Kinder auslachen?“, antwortete über die Hälfte mit Ja. Dieser Mißstand hält oft in der weiterführenden Schule an. Es ist so, wie ein Jugendlicher einmal ganz offen sagte: „Schüler können Schüler wie Dreck behandeln.“
„Habe ich nicht Spaß gehabt?“
Schüler sind allerdings nicht die einzigen, denen es sadistische Freude bereitet, andere zu necken und zu quälen. Auch ist dieser Zustand nicht ausschließlich eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts, denn die „gemeine Ader“ des gefallenen Menschen trat sogar schon in biblischen Zeiten zutage. Zum Beispiel beschreibt Sprüche 26:18, 19 einen „Mann, der seinen Mitmenschen hintergangen ... hat“ — vielleicht durch einen üblen Streich. „Habe ich nicht Spaß gehabt?“ fragt der Hinterhältige. Trotzdem vergleicht der Sprücheschreiber den Mann, der ‘hintergeht’, mit ‘einem Wahnsinnigen, der feurige Geschosse schießt, Pfeile und Tod’. Jeder Schüler, der die Zielscheibe der Schikane älterer Schüler gewesen ist, kann bestätigen, wie zutreffend dieser Schrifttext ist. Der emotionale — und manchmal körperliche — Schaden, der durch solchen „Spaß“ verursacht wird, ist mitunter verheerend.
In der Bibel wird davon berichtet, daß eine Gruppe Jugendlicher den Propheten Elisa belästigte. Die Jugendlichen ließen ihn ihre Verachtung deutlich spüren und schrien fortwährend in äußerst respektlosem Ton: „Geh hinauf, du Kahlkopf! Geh hinauf, du Kahlkopf!“ (2. Könige 2:23-25). Heute gibt es ebenfalls viele Jugendliche, die die reinsten Experten zu sein scheinen, wenn es darum geht, andere zu beleidigen und verletzende Bemerkungen zu machen.
„Ich war der ,Zwerg‘ in der neunten Klasse“, erinnert sich Frederick McCarty, einer der Autoren des Buches Growing Pains in the Classroom. „Weil ich sehr klein war, wurde ich oft geschlagen. ... Ich war auch sehr gescheit. ... Der Klügste und der Kleinste in einer Klasse der Mittelstufe zu sein war eine unglückselige Zusammensetzung; diejenigen, die mich nicht aus dem Grund schlugen, weil ich der ,Zwerg‘ war, schlugen mich, weil ich ein helles Bürschchen war. Außer ,Vieräugiger‘ und ,wandelndes Lexikon‘ wurden mir viele andere Beinamen gegeben. Diese Zeit kostete mich etliche Brillen, weil sie mir von den brutalen Kerlen immer zerbrochen wurden.“
John hat ähnliche Erinnerungen an die Hänseleien, die er ertragen mußte, weil er nicht kräftig genug war, um beim Turnunterricht mitzuhalten: „Die anderen Jungen hänselten mich immer wieder und nannten mich einen Weichling und ein Muttersöhnchen. ... Es war einfach furchtbar.“ Dieser Mann, der Autor des Buches The Loneliness of Children (Die Einsamkeit der Kinder), fügt hinzu: „Kinder mit Körperbehinderungen, Sprachfehlern, auffallenden körperlichen Eigenarten oder Verhaltensstörungen werden schnell die Zielscheibe des Spottes der anderen Kinder.“ Natürlich bleiben die Beleidigungen nicht immer unerwidert. Manchmal lassen sich Jugendliche auf hitzige Streitereien ein, indem sie sich zum „Spaß“ gegenseitig immer schlimmere Beleidigungen an den Kopf werfen, wobei es oft um die Eltern des anderen geht.
Es ist nicht zum Lachen
Sind solche Beleidigungen jedoch wirklich nur „Spaß“? Nicht für die, die sie einstecken müssen. Miguel, ein Jugendlicher, sagte zum Beispiel: „Viele Wortwechsel laufen darauf hinaus, den anderen an seinen wunden Punkten zu treffen, und deshalb sind sie weitaus schmerzlicher als Schläge. ... Es tut weh, wenn über jemand gesprochen wird, der einem sehr nahesteht, ... und das kommt häufig vor, besonders in meiner Schule, weil einer den anderen beleidigt. Oft ist es nur zum Spaß, aber manchmal wird man in ernste Wortwechsel und Schlägereien verwickelt.“
Ein anderer Jugendlicher erinnert sich ebenfalls daran, daß er wegen des Spotts und der ständigen Belästigungen durch Mitschüler einige Tage eine solche Angst hatte und so unglücklich war, daß er dachte, er müsse sich übergeben. Aus lauter Sorge darüber, was die anderen Schüler ihm antun würden, konnte er sich nicht auf den Unterricht konzentrieren.
Bist du schon die Zielscheibe solcher Gemeinheiten gewesen? Dann mag es für dich tröstlich sein, zu wissen, daß Gott darüber auch nicht lachen kann. Die respektlosen Jugendlichen, die Elisa, den Propheten Gottes, verhöhnten, bezahlten den „Spaß“ mit ihrem Leben (2. Könige 2:24).
Eine weitere Begebenheit in der Bibel zeigt auf ähnliche Weise, wie schwerwiegend ein solches Benehmen in Jehovas Augen ist. Als die Entwöhnung Isaaks, des Sohnes Abrahams, gefeiert wurde, begann Ismael, Abrahams älterer Sohn, der zweifellos neidisch war auf das Erbe, das Isaak erhalten würde, über Isaak ‘spottzulachen’. War das nur harmloses kindisches Benehmen? Nicht für Sara, die erkannte, daß Jehovas Wille und Vorsatz betroffen waren. Es ging hier um bedeutende Streitfragen, da der verheißene „Same“ oder Messias durch Isaak, ihren Sohn, kommen sollte. Ismaels ‘Spottlachen’ wurde später von dem Bibelschreiber Paulus als ‘Verfolgung’ bezeichnet. Die Sache ging schließlich so aus, daß Ismael und seine Mutter von Abraham weggesandt wurden (1. Mose 21:8-14; Galater 4:29).
Es ist besonders dann nicht zum Lachen, wenn dich Jugendliche hänseln oder verspotten, weil du dich bemühst, nach christlichen Grundsätzen zu leben. Christliche Jugendliche zum Beispiel nehmen Jesu Gebot ernst, die Botschaft des Wortes Gottes ihren Mitmenschen mitzuteilen. Und wie reagieren ihre Schulkameraden in vielen Fällen darauf? Eine Gruppe jugendlicher Zeugen Jehovas sagte: „Die Schüler in der Schule denken, wir seien dumm, weil wir von Tür zu Tür predigen gehen, und setzen uns deshalb herab.“
‘Dein Licht leuchten lassen’
Es ist somit verständlich, daß einige Kinder und Jugendliche wegen dieses Gruppenzwangs die Schule sehr fürchten. Allerdings mag es nicht einfach sein, den Schülern klarzumachen, daß sie dich in Ruhe lassen sollen. Ein Jugendlicher sagte daher: „Ich schlage zurück.“ Aber das ist nicht die Handlungsweise, die die Bibel empfiehlt. „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. ... besiege das Böse stets mit dem Guten“, lautet der göttliche Rat (Römer 12:17-21).
Das bedeutet vielleicht, daß du grobe Beleidigungen über dich ergehen lassen mußt. Aber denke daran, daß viele treue Anbeter Gottes in der Vergangenheit „ihre Erprobung durch Verspottungen“ erhielten (Hebräer 11:36). Jeremia zum Beispiel „wurde ein Gegenstand des Gelächters den ganzen Tag lang“, weil er mutig Jehovas Botschaft verkündigte. Der Spott hielt so lange an, daß Jeremia zeitweilig den Mut verlor. Er beschloß, ‘ihn [Jehova] nicht zu erwähnen und nicht mehr in seinem Namen zu reden’. Jedoch war seine Liebe zu Gott und zur Wahrheit schließlich stärker als seine Angst (Jeremia 20:7-9).
Heutzutage haben sich einige Jugendliche ähnlich entmutigt gefühlt. In ihrem Bemühen, den Hänseleien ein Ende zu machen, haben manche sogar zu verbergen gesucht, daß sie Christen sind. Aber oft ist es die Liebe zu Gott, die solche Jugendliche anspornt, ihre Angst zu überwinden und als Christen ‘ihr Licht leuchten zu lassen, (Matthäus 5:16). Ein Jugendlicher sagte zum Beispiel. „Ich änderte meine Einstellung. Ein Christ zu sein betrachtete ich nicht mehr als eine Bürde, die man mit sich herumschleppt, sondern ich begann, es als etwas anzusehen, worauf man stolz sein kann.“ Du kannst dich ebenfalls darin „rühmen“, daß du Gott kennengelernt hast und von ihm gebraucht wirst, anderen zu helfen (1. Korinther 1:31).
Natürlich hört der Spott dadurch nicht unbedingt auf. Ob jemand groß oder klein, schön oder unscheinbar, hoch begabt oder mittelmäßig ist — Jugendliche finden immer einen Grund, andere zu necken und zu verspotten. Aber warum sind junge Leute so grausam zueinander? Gibt es wirkungsvolle Möglichkeiten, mit den Hänseleien fertig zu werden — ihnen vielleicht sogar ein Ende zu machen? In einer späteren Ausgabe wird versucht, diese Frage zu beantworten.
[Bild auf Seite 22]
Manchmal wird man wegen gewisser Unterschiede gehänselt