Die katholische Kirche in Indien — Wohin steuert sie?
Von unserem Korrespondenten in Indien
Ihr gehört nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung an. Oft gilt sie als Eindringling aus dem Ausland. Die Mehrheit hat Glaubensansichten, die als urindisch betrachtet werden, und beäugt die katholische Kirche mißtrauisch. Dennoch ist nicht zu leugnen, daß sie auf dem indischen Subkontinent Wurzeln geschlagen hat und dort auch fest verwurzelt bleiben will. Aber wie verfolgt sie dieses Ziel? Wird sie Gelingen haben? Kurzum, wohin steuert die Kirche?
DER Katholizismus ist mit etwa 14 Millionen Anhängern — weniger als 2 Prozent der Bevölkerung — nicht die bedeutendste Religion in Indien. Aber als Papst Johannes Paul II. im Februar 1986 dem Land einen zehntägigen Besuch abstattete, wurde klar, welche Bedeutung die katholische Kirche in Indien für den Weltkatholizismus hat. Die Reiseroute des Papstes führte ihn in 14 Städte, auch in den Bundesstaat Kerala, die katholischste Gegend Indiens.
Für die Kirche funkelt Kerala wie ein Juwel. Kerala ist Sitz der katholischen Macht in Indien; in diesem Bundesstaat ist die katholische Kirche eine der größten Institutionen. Kerala gilt als Ausgangsbasis des Christentums in Indien. Thomas, einer der zwölf Apostel Jesu Christi, soll gemäß der Überlieferung nach dem Tod des Messias an der Malabarküste von Kerala gelandet sein.
Die katholische Kirche kam erst 14 Jahrhunderte später nach Indien. Portugiesische Entdecker und die Missionare, die ihnen folgten, brachten den katholischen Glauben nach Goa, einer ehemals portugiesischen Kolonie an der Westküste Indiens. Von dort aus kam der katholische Glaube nach Kerala.
Die Einheimischen wußten die katholische Kirche lange nicht recht einzustufen. So würdigen zwar viele, was die Kirche für das Erziehungswesen, in der Sozialarbeit und im Gesundheitswesen landesweit leistet, mißbilligen aber die wahre Absicht, die sich hinter ihrer Gegenwart verbirgt: die Bekehrung der Inder.
Ist Bekehrung das Ziel?
Als Organisationen der fundamentalistischen Hindus unter Protest darauf hinwiesen, daß allein die Anwesenheit des Papstes Massenbekehrungen zum Christentum bewirken könne, distanzierte sich die Kirche mit aller Macht von der Vorstellung, daß sie die Inder bekehren wolle. „Niemand braucht sich zu fürchten“, betonte der Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz. „Der Heilige Vater ist nicht gekommen, um Menschen zu bekehren.“ Noch nachdrücklicher klangen die Worte eines indischen Erzbischofs: „Die katholische Kirche ist eine erbitterte Gegnerin der Proselytenmacherei. Das wäre ein Eingriff in die Religionsfreiheit. Wir prangern das an, ja verurteilen es.“
Und was meinte der Papst selbst? „Die katholische Kirche erkennt die Wahrheiten an, die das religiöse Erbe Indiens enthält, und diese Anerkennung ermöglicht einen echten Dialog“, sagte er vor Repräsentanten des Hinduismus, des Parsismus, des Buddhismus, des Dschainismus, des Sikhismus, des Judaismus, des Islam und verschiedener christlicher Konfessionen. Bei einer anderen Gelegenheit erklärte er sich mit anderen Religionen solidarisch: „Wir verkünden unsere Solidarität mit unseren hinduistischen und moslemischen Brüdern und Schwestern sowie mit den Anhängern anderer religiöser Traditionen.“
Dieses Bekenntnis zur Solidarität blieb nicht auf Worte beschränkt. Während seines Aufenthalts in Kalkutta ließ sich der Papst von einem Priester des berühmten Kalitempels von Kalighat bekränzen.a Ein andermal empfing er von einem Hindupriester vibhuti oder heilige Asche auf die Stirn. Auch legte er ein moslemisches ponnadai (Umhängetuch) um, auf dem sich islamische Glaubenssymbole befanden.
Trotz alledem bezeichnete der Papst vor den indischen Bischöfen die „Verkündigung des Evangeliums“ als einen der ausschlaggebenden Faktoren für die Wohlfahrt der Kirche in Indien. Welche Form der Evangeliumsverkündigung schwebte ihm vor? Wie zu erwarten, betonte er, das Evangelisieren solle durch die Förderung der sozialen Gerechtigkeit und des wirtschaftlichen Fortschritts geschehen.
Das Oberhaupt der katholischen Kirche hob hervor, daß „der Missionsauftrag der Kirche einschließt, energisch und anhaltend für Gerechtigkeit, Frieden und den menschlichen Fortschritt insgesamt einzutreten. Diese Aufgaben abzulehnen hieße das Evangelisierungswerk verraten; es wäre Treulosigkeit gegenüber dem Beispiel Jesu.“
„Alle, die die Würde und Freiheit ihrer Brüder und Schwestern gefördert haben, sind in den Augen Christi gesegnet“, verkündete der Papst. Daher bemerkte die indische Presse passenderweise: „Niemand — nicht einmal das konservativste Mitglied der kirchlichen Hierarchie, das für den Status quo eintritt — spricht derzeit von der Evangeliumsverkündigung im engen, buchstäblichen Sinn der Verbreitung des Christentums als Religion.“
Eine hinduistisch-katholische Kirche?
In dem Bemühen, den fremdländischen Eindruck des Katholizismus abzuschwächen und ihm indische Züge zu geben, fördert die Kirche Anpassungsbestrebungen in bezug auf den Gottesdienst. Zum Beispiel sind einige katholische Priester gehalten, Gebete zu lesen und dabei auf dem Boden zu sitzen wie in einem Aschram der Hindus, wedische Mantras können an die Stelle westlicher Hymnen treten, und vor zahlreichen Zeremonien dürfen Nilavilakku (messingne Öllampen) der Hindus angezündet werden.
„Der Gedanke ist“, so ein katholischer Laie, „daß die Hauptelemente des Hinduismus und anderer Religionen erfaßt und dazugehörende Symbole und Riten in unseren Gottesdienst aufgenommen werden, um diesen zu bereichern und zu festigen.“ In vielen Kirchen Keralas sind die religiösen Zeremonien und der Gottesdienst denn auch ein unverkennbarer Mischmasch aus katholischer Liturgie und hinduistischem Brauchtum.
Wohin ist die Kirche gesteuert?
Während seines Indienaufenthalts spielte der Papst auf die Lehren Gandhis an und sprach sich dafür aus, daß „die Führer aller Völker die Überzeugung haben sollten, daß die Lösung der Probleme der Welt im Herzen des Menschen liegt, und auch entsprechend handeln müßten“. Die Jugend rief er auf, „den Lehren der großen Weisen der alten Zeit zu folgen, deren Worte ‚immerwährende Weisheit und Wahrheit‘ enthalten, die sie inspirieren werden, im Leben voranzugehen“.
Wie deutlich sich all das von dem unterscheidet, was Jesus lehrte! Sein zentrales Thema war das kommende Königreich Gottes: eine Weltregierung, die Armut, soziale Ungerechtigkeit und Krankheiten völlig beseitigen würde (Matthäus 9:35). In der Bibel wird dieses Königreich wiederholt als die einzige Lösung der Probleme der Menschheit herausgestellt. Jesus setzte volles Vertrauen in Gottes Verheißungen, als er in einem Gebet sagte: „Dein Wort ist Wahrheit“ (Johannes 17:17). Er rief seine Nachfolger auf: „So fahrt denn fort, zuerst das Königreich und SEINE Gerechtigkeit zu suchen“ (Matthäus 6:33).
Wie steht es um die Zusammenarbeit mit anderen Religionen? An wahre Anbeter Gottes ergeht folgende unmißverständliche biblische Warnung: „Laßt euch nicht in ein ungleiches Joch mit Ungläubigen spannen. Denn welche Gemeinschaft besteht zwischen Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit?“ (2. Korinther 6:14; 5. Mose 12:30, 31).
Die katholische Kirche verfolgt also einen Kurs, den sie für zweckmäßig hält — der ihre Position im Land festigen soll. Aber in Wirklichkeit kommt sie immer weiter von der Wahrheit der Bibel ab. Währenddessen werden jedoch mehr und mehr Menschen auf den Unterschied zwischen den Lehren Jesu und den katholischen Lehren aufmerksam gemacht. Wie geschieht das?
Gegenwärtig halten über 7 000 Zeugen Jehovas in Indien unbeirrt die Wahrheit der Bibel hoch. Sie zeigen interessierten Personen, daß Gott verheißen hat, unter der Königreichsherrschaft endlosen Frieden herbeizuführen. Außerdem halten sich die Zeugen, anders als die katholischen Gläubigen oder als Anhänger anderer Religionen, aus den politischen und militärischen Konflikten zwischen den Staaten heraus (Jesaja 2:2-4). Wer wissen möchte, warum Jehovas Zeugen anders sind und wie es ihnen gelingt, sich nach der Bibel auszurichten, ist eingeladen, an die Herausgeber der vorliegenden Zeitschrift zu schreiben.
[Fußnote]
a Kali ist eine Hindugöttin der Vernichtung.
[Bilder auf Seite 15]
Bild von Jesus Christus in einer Körperhaltung des hinduistischen Yoga. Darunter steht das „om“-Mantra, und weiter unten ist der Davidstern abgebildet.
Marienfigur mit einem Sari bekleidet und mit einem tilak (Punkt) an der Stirn