Ein Musiker findet wahre Harmonie
„Erwachet!“ sprach mit einem bekannten deutschen Berufsmusiker
Hans, warum bist du Musiker geworden?
Schon als Kind faszinierte es mich, Musik zu hören. Ende der 50er Jahre begeisterte mich dann die Gitarrenmusik von Instrumentalgruppen wie The Shadows und The Ventures. Mit 11 Jahren nahm ich selbst Gitarrenunterricht.
Später interessierte mich besonders die ernste, klassische Gitarrenmusik. Im Alter von 18 Jahren begann ich, Musik zu studieren, und 1971 machte ich das Examen als Musikpädagoge. Drei Jahre lang erteilte ich Unterricht an einer Jugendmusikschule und an einem Konservatorium. Ja, erst dann begann ich, berufsmäßig Unterhaltungsmusik zu spielen.
Zufall und Glück führten dazu, daß „Verde“, ein von mir auf der Gitarre interpretiertes Instrumentalmusikstück, über Nacht ein Hit wurde.
Welche Rolle spielt die Musik heute in deinem Leben?
Bis heute höre und spiele ich gern Musik — und es ist mein Broterwerb. An erster Stelle steht jedoch, wie du weißt, etwas ganz anderes.
Wie kam es dazu?
Im Januar 1977 kam Val, ein neuer Schlagzeuger, in unsere Band. Als wir erfuhren, daß er ein Zeuge Jehovas war, waren wir uns einig, daß wir uns mit seinem Glauben nicht näher befassen wollten, da ja jeder glauben kann, was er will.
Wir gingen auf Tournee und mußten bald feststellen, daß er eine völlig andere Einstellung hatte, was Moral, Tabakgenuß und religiöse Feiertage betraf. Das führte fast jeden Tag zu angeregten Unterhaltungen. Die Art, wie Val für seine Antworten die Bibel benutzte, ließ mein Interesse an seinem Glauben immer größer werden.
Wie hast du früher über Religion gedacht?
Irgendwie habe ich immer an Gott geglaubt, aber freiwillig bin ich nie in die Kirche gegangen. Meiner Ansicht nach konnte man die Bibel nur verstehen, wenn man Theologie studiert hatte. Doch in meiner Kirche wurde mir kein richtiges Glaubensfundament vermittelt, und Geistliche enttäuschten mich.
Val konnte mir dagegen viele Fragen wirklich beantworten. Früher waren zum Beispiel Gespräche über die Frage, woher Kain seine Frau nahm, immer ergebnislos verlaufen. Die Erklärung, daß Kain eine seiner Schwestern geheiratet hatte, befriedigte mich (1. Mose 4:17; 5:4).
Val schenkte mir eine Bibel, und ich begann sofort, darin zu lesen. Ebenso las ich die biblische Literatur, die er mir nach und nach besorgte, und danach löcherte ich ihn sozusagen mit meinen Fragen. Von den wunderbaren neugelernten Dingen erzählte ich auch immer Birgit, meiner Frau. Zu meiner Freude beteiligte sie sich an unserem regelmäßigen Bibelstudium. Es begann Ende 1977.
Dann ist es sehr lohnend gewesen, das Bibelstudium zu beginnen?
O ja! Es öffnete mir die Augen für eine wichtige Frage, über die ich früher als Musikstudent oft mit Freunden diskutiert hatte. Doch wir waren nie zu einem befriedigenden Ergebnis gelangt, so daß sich jeder seine eigene Lebensanschauung zurechtlegte.
Mich beschäftigte folgendes: Man wird geboren, man arbeitet, man erreicht etwas, und dann stirbt man. Soll das alles gewesen sein? Welchen Sinn hat das Leben? Es gibt zum Beispiel junge Menschen, die krank werden und praktisch nie richtig gelebt haben. Da war zwar noch diese „Krücke“, auf die sich viele Menschen stützen, nämlich die vage Hoffnung, daß nach dem Tod irgend etwas kommt. Aber das war nur ein schwacher Trost. Außerdem sah ich, daß Menschen keine Lösungen für die Konflikte fanden, die sowohl zwischen den Großmächten als auch zwischen einzelnen Menschen bestehen.
Wie aufgewühlt ich doch am Anfang war, als ich feststellte, wieviel ich über das lernen konnte, was Gott zu unserem Nutzen niederschreiben ließ! Die Hoffnung war nicht vage, sondern gut begründet. Aus dem Studium der Bibel lernte ich, daß man wegen der Probleme in der Welt nicht verzweifeln muß, sondern daß man damit fertig werden kann.
Da Val weiter weg wohnte, sorgte er später dafür, daß uns ein Ehepaar besuchte: Gerhard und Barbara. Gerhard war ebenfalls Musiker. Ich kannte ihn flüchtig von früheren Arbeiten in einem Studio und war über die Veränderung, die bei ihm vor sich gegangen war, sehr überrascht.
Welche Veränderung meinst du?
Ich hatte Gerhard als einen Popmusiker mit langen Haaren im Sinn, dessen Gesicht eingefallen aussah, der ab und zu Drogen nahm und auch sonst einen lockeren Lebenswandel führte. Jetzt bot er ein völlig anderes Bild, und ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt. Er wirkte ruhig, ausgeglichen, und sein Aussehen war sauber und ordentlich. Das hat mich sehr beeindruckt.
Wir studierten jede Woche drei bis vier Stunden lang die Bibel anhand des Buches Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt. Anfangs dachte ich, ich müßte mich nicht viel ändern, weil ich weder rauchte noch Drogen nahm, noch unmoralisch handelte. Doch während ich Gott näher kennenlernte und verstand, daß Christen kein Teil der von Gott entfremdeten Welt sind, wurde mein Gewissen geschärft.
Was hat Jehovas Zeugen so anziehend für dich gemacht?
Ich erinnere mich noch an den ersten Besuch im Königreichssaal. Die Menschen dort waren ganz anders, als ich es gewohnt war. Sie begrüßten sich, und unter ihnen herrschte Liebe und Freundlichkeit — Harmonie.
Dies wurde mir auf dem internationalen Kongreß „Siegreicher Glaube“ in München 1978 noch mehr bewußt. Auch hier waren die Besucher rücksichtsvoll und hörten dem Programm aufmerksam zu. Gleich nach Kongreßschluß mußte ich zu einem Auftritt in ein bayrisches Festzelt. Es war ganz „normales“ Publikum, und doch kam es im Laufe des Abends unter dem Einfluß von Alkohol zu einer Messerstecherei.
Noch etwas war anders bei Jehovas Zeugen. Die Welt macht viel Aufhebens um bekannte Personen. Wo immer ich früher hinkam, hieß es gleich: „Da ist Ricky King!“ Das war hier nicht so. Heute lege ich übrigens großen Wert darauf, daß ich mit meinem normalen Namen angesprochen werde. Den Künstlernamen — er ist in meinem Paß eingetragen, und ich bin damit auch unterschriftsberechtigt — benutze ich nur in Verbindung mit meinem Beruf.
Mit der Zeit erkannte ich, daß weitere Änderungen notwendig waren. Musik war mein Lebensinhalt. Alles drehte sich um Musik, und meine Frau hatte sich diesem Lebensstil angepaßt. Ich lernte es, nicht mehr so sehr in der Musik zu leben, so daß sie nicht mehr alles für mich war. Wir machten weitere Fortschritte und konnten uns beide 1979 als Zeugen Jehovas taufen lassen.
Du kannst uns bestimmt aus eigener Erfahrung etwas über den Einfluß sagen, den Musik auf Menschen ausübt, nicht wahr?
Ja. Musik spricht die Gefühle und die Neigungen an und kann sie verstärken. Es gibt Musik, die eine erholsame, entspannende Wirkung hat und Menschen friedlich stimmt. Bei solcher Musik kommt es mehr auf die Melodie und Harmonie und nicht auf den Beat oder den Rhythmus an.
Ich habe erlebt, wie harte Rockmusik Menschen in eine aggressive, raudihafte Stimmung versetzte, so daß vor der Bühne eine Schlägerei begann. Der harte Rhythmus solcher Musik treibt viele Zuhörer an, ihren Empfindungen freien Lauf zu lassen.
Was sollte man deiner Meinung nach bei der Beurteilung von Musik berücksichtigen?
Ich habe Schallplatten in den Mülleimer geworfen, nachdem ich festgestellt hatte, daß sie die Teufelsanbetung oder den Spiritismus förderten. Man kann dies meist an der Aufmachung der Plattenhülle oder am Liedtext erkennen.
Den Einfluß des Textes sollte man nicht unterschätzen. Die Textdichter scheinen für jeden Geschmack etwas zu haben. Junge Musikgruppen verarbeiten oft ihre eigenen Probleme. Das spricht Jugendliche sehr an, und manche kennen die Texte auswendig. Die Texte mögen dazu auffordern, Drogen zu nehmen, übermäßig Alkohol zu trinken oder unmoralische Handlungen zu begehen. Das Auskosten dieser „Freiheit“ hat ganz offensichtlich zu vielen Problemen geführt, so daß der Trend zur Freizügigkeit jetzt nicht mehr so vordergründig ist.
Ebenso kann Unterhaltungs- und Tanzmusik falsche Begierden wecken. Der Schlagersänger singt von Glück und Zärtlichkeit, etwas, was viele Zuhörer bei ihrem Partner vermissen mögen. Oft wird der Interpret mit dem identifiziert, was er singt. Einige Berufsmusiker, die ich kenne, sind aus diesem Grund ausgesprochene Frauenlieblinge.
Sich in eine solche Traumwelt hineinzusteigern kann zur Menschenverehrung führen. Es mag ganz harmlos beginnen, wenn sich zum Beispiel jemand ein Autogramm als Souvenir geben läßt. Doch manche sehen in dem Sänger den idealen Menschen. Sie heben ihn auf einen Sockel und machen ihn damit zum Idol oder Götzen. Sie hängen das Bild des Stars auf oder beginnen, sich wie er zu frisieren und zu kleiden, wobei die eigene Persönlichkeit irgendwie verlorengeht. Christen müssen daran denken, daß nur Gott Verehrung gebührt.
Wie lassen sich berufliche und christliche Pflichten miteinander vereinbaren?
Wenn ich mit einer Gruppe auf Reisen gehen müßte, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, würde ich nicht mehr als Berufsmusiker tätig sein wollen. Als ich früher oft wochenlang auf Tournee war, merkte ich, daß die Angriffe der Welt immer stärker wurden und ich selbst immer schwächer. Mir wurde bewußt, wie dringend ich die wöchentlichen Zusammenkünfte und die Gemeinschaft mit meinen Glaubensbrüdern brauchte. Meine Situation hat sich geändert, und mit der Zeit konnte ich auch als Ältester Verantwortung in der Ortsversammlung der Zeugen Jehovas übernehmen.
Ich komponiere und schreibe zu Hause. Danach folgen die Aufnahmen in einem Studio. Ab und zu habe ich Auftritte bei Galakonzerten, so daß ich für einen Tag wegfahren muß. Natürlich trete ich bei Weihnachtsfeiern, beim Fasching und zu Silvester — für Berufsmusiker im allgemeinen die größten Einkünfte im Jahr — nicht auf. Wenn ich immer unterwegs sein und fast jeden Abend spielen müßte, würde mein kostbarer Glaube sehr leiden.
Ich bin sehr froh, daß ich die biblische Hoffnung auf ein gerechtes neues System gefunden habe, und darum möchte ich sie auch möglichst vielen Menschen näherbringen. Ich gehe hier am Ort regelmäßig mit der Königreichsbotschaft von Haus zu Haus. Da ich meine Zeit selbst einteile, kann ich oft auch über Mittag Bibelstudien mit interessierten Personen durchführen. Meine Frau und ich konnten bereits einer Familie mit vier Kindern helfen, die Wahrheit zu erkennen.
Wie beurteilst du die Zukunft?
Wenn ich früher den Rüstungswettlauf, den Hunger, die Umweltverschmutzung und die anderen Probleme in der Welt betrachtete und feststellte, daß es im Grunde keine Hoffnung auf eine Änderung gab, fragte ich mich, was für einen Sinn das Leben hat. Heute sehe ich die Dinge mit anderen Augen, weil ich weiß, daß Gott alles in die Hand nehmen wird. So zeigt Psalm 37:37, 38, daß die Zukunft derjenigen „friedevoll“ sein wird, die auf Gottes Seite stehen, aber „der Bösen Zukunft wird tatsächlich abgeschnitten“ werden.
Die Worte aus Offenbarung 21:4 begeistern mich immer wieder: „Er [Gott] wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen.“ Krankheit und Tod, ja all die schlechten „früheren Dinge“ werden beseitigt. Dann wird die Erde zu einem friedlichen Paradies werden.
Das Studium der Bibel hat mir geholfen, wahre Harmonie zu finden. So wird Gott auch bald dafür sorgen, daß in der gesamten Schöpfung Harmonie und Frieden herrschen. (Ein Gespräch mit Hans Lingenfelder.)
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Mein Leben als Musiker begann sich 1977 zu verändern
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Hans (Gitarrist in der Mitte, links) neben seiner Frau zusammen mit anderen in christlicher Gemeinschaft