Der Jeepney — Ein philippinisches Beförderungsmittel
Von unserem Korrespondenten auf den Philippinen
IN Manila auf den Philippinen gehört der Jeepney mit seinen kräftigen Farben, flatternden Wimpeln und unzähligen anderen auffallenden Verzierungen zum Straßenbild. Es handelt sich dabei um eine ausschließlich philippinische Lösung für ein Problem, mit dem Länder in der ganzen Welt kämpfen — die Massenbeförderung. Wer noch nie auf den Philippinen war, dem ist das Wort „Jeepney“ wahrscheinlich fremd. Man vermutet, daß es eine Zusammensetzung der Wörter „Jeep“ und „Jitney“ (kleiner Bus) ist. Wir wollen dieses interessante Fahrzeug einmal näher betrachten.
In seinem Buch Urban Mass Transportation (Städtische Massenbeförderung) lenkt George M. Smerk die Aufmerksamkeit auf ein übliches Problem bei Massenbeförderungssystemen: „Oft hört man den Vorwurf, daß die Massen- beförderung nicht flexibel ist, d. h., daß eine Verkehrslinie nicht verändert werden kann, um den sich wandelnden Bedürfnissen der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum gerecht zu werden.“ Das trifft auf den Jeepney jedoch nicht zu. Er hat sich als flexibel, wirtschaftlich und leicht zu steuern erwiesen. Eine Fahrt mit ihm zeigt, warum.
Eine Fahrt mit dem Jeepney
Während man in der tropischen Hitze an einer der Hauptverkehrsstraßen Manilas steht, kann man bei dem Anblick von geradezu einem Fluß von Jeepneys, die sich geräuschvoll in beiden Richtungen bewegen, nur staunen. Sie sehen den vom Militär gebrauchten Jeeps ähnlich, sind jedoch wesentlich länger, um mehr Fahrgäste aufnehmen zu können, und präsentieren sich in Regenbogenfarben mit überall aufgemalten Bildern, Mustern und Sprüchen. Auf Schmutzfängern, die hinten und an den Seiten herabhängen, stehen oft Namen wie „Kapitän“ oder „Jeepney King“.
Die meisten Jeepneys sind noch mit weiteren Attraktionen geschmückt — Windrädchen, verchromte Pferde, Wimpel und lange Antennen (auch wenn der Jeep kein Radio hat) —, um Fahrgäste anzulocken. Man sieht Jeepneys mit 12, 14 oder mehr Spiegeln auf der Motorhaube (ebenfalls ohne ersichtlichen praktischen Zweck) und fragt sich, ob der Fahrer bei diesem Labyrinth von Verzierungen überhaupt noch den Weg findet. Aber er scheint zurechtzukommen.
Woher weiß man, welcher Jeepney einen ans Ziel bringen wird? Vorn und an den Seiten tragen sie alle Schilder mit ihrer Fahrstrecke. Wie kann man nun einen dieser schnellen Jeepneys anhalten? Das ist nicht schwer. Wenn man nur den leisen Anschein erweckt, daß man mitgenommen werden möchte, wird der Fahrer wahrscheinlich nur allzugern anhalten. Man kann ihm ein Handzeichen geben. Oder er macht selbst mit der Hupe auf sich aufmerksam, die nicht nur tutet, sondern auch eine eingängige Melodie ertönen läßt.
Nun zu unserer Fahrt mit dem Jeepney. Beim Einsteigen von hinten sieht man auf beiden Seiten des Jeeps eine gepolsterte Bank. Die Fahrgäste sitzen dicht nebeneinander und berühren ihr Gegenüber auf der anderen Seite des schmalen Gangs fast mit den Knien. Beim Weitergehen muß man sich bücken (die Decke ist sehr niedrig); man sucht sich ein leeres Fleckchen und läßt sich vorsichtig nieder. Während mit Lasten beladene Leute zusteigen, füllt sich der enge Gang mit Kisten, Gemüsesäcken, Hühnern oder Kindern. Ein langer Spiegel über der Windschutzscheibe ermöglicht es dem Fahrer, den Verkehr hinter ihm zu beobachten und die Fahrgäste im Auge zu behalten — wer ein- oder aussteigt und wer das Fahrgeld noch nicht bezahlt hat.
Wie hoch ist der Fahrpreis? Nun, das Fahren ist billig. Man kann in Manila für nur 75 Centavo (10 Pfennig) bis zu vier Kilometer weit fahren. Bei längeren Fahrten ist der Preis entsprechend höher. Durch ein auffälliges Schild mit der Aufschrift „Gott weiß, wer nicht zahlt“ fordern viele Fahrer ihre Fahrgäste zum Bezahlen auf. Am Spiegel oder in der Nähe davon kann auch der persönliche Altar des Fahrers, ein Pin-up-Girl oder beides befestigt sein.
Jetzt kann man sich zurücklehnen und die Fahrt genießen, muß dabei aber immer auf die Umgebung achtgeben, um dem Fahrer Bescheid sagen zu können, wann man aussteigen möchte. Man wird überrascht sein, wie schnell sich der Fahrer im Zickzack durch den dichten Verkehr bewegt, anscheinend ohne zu bemerken, daß er einen anderen Jeepney nur um Haaresbreite verfehlt hat.
Woher kommt der Jeepney?
Saul Lockhart beantwortet diese Frage in der Veröffentlichung The Complete Guide to the Philippines: „Der Jeepney verdankt seine Existenz einem Überschuß an Jeeps, die vom Zweiten Weltkrieg übrig waren und zu Beförderungsmitteln umgebaut wurden.“ Die ersten Jeeps waren recht klein. Doch dann wurden sie verlängert und mit größerer Kapazität versehen — bis zu 17 Fahrgäste können sie heute befördern.
Mauricio De Guia fuhr von 1948 an Jeepneys. 1979 änderte er seine Fahrzeiten, um nur noch halbtags arbeiten zu müssen. Auf diese Weise konnte er seine siebenköpfige Familie ernähren und außerdem die Nachmittage und Sonntage für seine Tätigkeit als Vollzeitprediger nutzen. Viele Fahrer hängen in ihrem Jeepney Bilder von Rock- oder Filmstars auf, aber Mauricio sagt: „Ich klebte Bibeltexte an die Decke meines Jeepneys, die die Fahrgäste lesen konnten.“
Wie reagierten die Fahrgäste darauf? Er erzählt: „Manche fragten nach meiner Religion. So konnte ich den Leuten predigen, und sie zogen Nutzen daraus. Viele freuten sich über das, was sie lasen, und sagten: ‚Ihr Jeepney ist wirklich schön. Es wäre gut, wenn alle Jeepneys so wären. Statt irgendwelches dummes Zeug anzukleben, sollten sie die Worte Gottes anbringen, damit man etwas zum Nachdenken hat.‘“
Man sieht, warum der Jeepney ein effektives und praktisches Beförderungsmittel ist. Manche sind allerdings anderer Meinung und werfen dem Jeepney vor, besonders in Manila unnötige Verkehrsstockungen und zusätzliche Umweltverschmutzung zu verursachen. Einige sind sogar daran interessiert, daß er durch andere Verkehrsmittel ersetzt wird. So erschien unlängst ein Artikel in Manilas Tageszeitung Bulletin Today mit der Überschrift: „Rückzug der Jeeps untersucht“. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß es in naher Zukunft soweit kommt. Millionen sind auf den Jeepney angewiesen, nicht nur als tägliches Transportmittel, sondern auch als Mittel, den Lebensunterhalt zu verdienen.
[Bildnachweis auf Seite 26]
Mit frdl. Genehmigung: Sarao Motors, Inc.