Eine Welt wunderschöner Bäume erkunden
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN GROSSBRITANNIEN
WESTONBIRT, ein Ort in den englischen Cotswold Hills, ist für sein Arboretuma bekannt. Es ist weltweit eine der ältesten, größten und gepflegtesten Sammelpflanzungen von Bäumen und Sträuchern. Erkunden wir doch einmal das Arboretum.
Schönheit und Pracht
„Die Schönheit und die Pracht dieser Gehölzpflanzung läßt niemand unberührt“, sagt Hugh Angus, Leiter des Arboretums. Und gemessen an der Zahl der Besucher, die immer wiederkommen, scheint er recht zu haben.
Das Arboretum umfaßt 18 000 Bäume und Sträucher, die ungefähr die Hälfte der 9 000 Arten und Varietäten repräsentieren, die in den gemäßigten Zonen wachsen. Der Besucher kann den 240 Hektar großen Park auf eigene Faust erkunden; damit er jedoch die größte Freude an seinem Besuch hat, „ist das Arboretum in vier Sektionen aufgeteilt worden, und es werden Empfehlungen gegeben, zu welcher Jahreszeit sich ein Besuch der jeweiligen Sektionen am meisten lohnt“, heißt es in dem offiziellen Führer. Außerdem gibt es noch einige Besonderheiten, die kartiert und ausgeschildert sind — zum Beispiel der „Pfad der Herbstfarben“, die „Hillier-Kirschbaum-Pflanzung“ und die „Pflanzung einheimischer Arten“.
Saisonale Höhepunkte
Auf der Nordhalbkugel bieten die Jahreszeiten eine natürliche Augenweide. In dem Arboretum hat jede Jahreszeit ihre eigenen Attraktionen. Im Winter kann man sich besonders an der großen Vielfalt an Nadelhölzern erfreuen, an ihrer anmutigen Form, der interessanten Holzstruktur und den erstaunlichen Färbungen der blattlosen Bäume. Im Frühling entfalten die blühenden Bäume und Sträucher ihre Pracht — Azaleen, Kamelien, Kirschbäume, Magnolien und Rhododendren —, und ein Blumenteppich wildwachsender Blumen rundet das herrliche Bild ab.
Im Sommer verleiht ein Blätterdach dem Arboretum eine friedliche Atmosphäre, im Herbst findet dann ein botanisches Feuerwerk statt. Jedes Jahr im Oktober strömen rund 90 000 Besucher nach Westonbirt, um sich die aufsehenerregende Pracht anzusehen, die diesen Ort so bekannt gemacht hat. Mit ihrem kräftigen Rot stehlen die vielen japanischen Ahornarten den anderen Pflanzen die Schau.
Es ist möglich, daß viele der älteren Exemplare der japanischen Ahornarten in Westonbirt noch direkt aus Japan stammen und während der Edozeit (1603—1867) nach Großbritannien gelangten. Leider wurden die japanischen Namen dieser alten Varietäten nicht schriftlich festgehalten. Kurz nachdem die Ahorngewächse in Europa eingeführt worden waren, büßten sie in Japan an Beliebtheit ein, so daß die heute noch existierenden ersten Exemplare nicht mit Ahorngewächsen in japanischen Sammelpflanzungen oder in Baumschulen verglichen werden können. Während der Bestand an alten japanischen Ahornarten immer mehr abnimmt, werden neue Gruppen junger Ahorngewächse angepflanzt. Fast jeder Baum hat eine andere Blattform und -farbe. Die jungen Gewächse wurden aus Samen der alten gezogen und für die Farbenschau im Herbst ausgewählt. Sie werden zwischen ausgewachsene Eichen und Nadelhölzer gepflanzt, die ihnen Schutz bieten und Schatten spenden. Diese Bäume bilden außerdem einen goldenen und grünen Hintergrund, den die herbstlichen Sonnenstrahlen durchdringen und die Ahorngewächse zum Leuchten bringen.
Wissenschaftliche Leitung
Das Arboretum in Westonbirt entstand 1829 aus dem Hobby eines Privatmannes heraus; 1956 wurde es von der British Forestry Commission (Britische Kommission für Forstwirtschaft) erworben. Das Arboretum soll nicht nur ein Freizeitangebot für die Öffentlichkeit sein. Hauptsächlich soll dort eine wissenschaftliche Sammlung von Pflanzen entstehen, die sich für das dortige Klima am besten eignen. Zu diesem Zweck wird Forschung durch Züchtungen betrieben, und die Ergebnisse — seien es Erfolge oder Fehlschläge — werden mit anderen botanischen Gärten ausgetauscht.
Das Arboretum in Westonbirt hat als erstes Arboretum ein computerisiertes Bestandsaufnahmesystem eingeführt, das Einzelheiten über jedes Exemplar speichert — über die Herkunft, die Entwicklung vom Samen bis zur ausgewachsenen Pflanze, die Gesundheit, die Bekämpfung sämtlicher Erkrankungen und sogar darüber, warum ein Baum gestorben ist. Eine weitere sehr wichtige Funktion des Arboretums ist die Züchtung seltener und ungewöhnlicher Arten, wozu auch Arten gehören, die die International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources (Internationale Vereinigung zur Bewahrung der Natur und der Naturreichtümer) für ihren natürlichen Lebensraum als bedroht einstuft. Um eine Hybridisierung zu vermeiden, achtet man auf eine eindeutig bestimmbare Herkunft der Samen, und Pflanzenexemplare werden anderen Arboreten zur Verfügung gestellt.
Das Arboretum in Westonbirt ist auch eine Bildungseinrichtung. Es werden Programme zur Bestimmung von Bäumen angeboten, Vorträge über die Entwaldung, aufschlußreiche Führungen und Diavorführungen. Zu gewissen Zeiten findet für Schüler täglich eine Art Anschauungsunterricht statt.
Nur ungern verlassen wir das Arboretum; wir sind um ein unvergeßliches Erlebnis reicher und werden ganz bestimmt wiederkommen, um die Pflanzenpracht anderer Jahreszeiten zu genießen. Diese Welt wunderschöner Bäume zu erkunden hat uns die Pracht von Bäumen bewußter gemacht sowie ihre wichtige Rolle, die sie in den Lebensprozessen der Erde spielen.
[Fußnote]
a Ein Wort, das von dem lateinischen Wort arbor (Baum) abgeleitet ist.
[Bilder auf Seite 17]
Oben: Lawson’s Lebensbäume
Mitte: Japanische Ahornart
Unten: Libanonzeder