Brolgakranich, Helmkasuar, Emu und Indien-Großstorch — Kuriose Vögel Australiens
Von unserem Korrespondenten in Australien
VON dem mit furchteinflößenden Krallen ausgerüsteten, flugunfähigen Helmkasuar heißt es, er sei der gefährlichste Vogel der Welt und könne mit unbändiger Kraft springen, ausschlagen oder etwas aufschlitzen. Von ähnlicher Statur und ebenso gut bewehrt ist der mit ihm verwandte Emu; er benötigt keine Flügel, denn er läuft so schnell wie der Wind. Der Tanz des Brolgakranichs verrät die Genialität seines Schöpfers und Choreographen. Und der lange, hagere Indien-Großstorch ist, wenn er umherstolziert, geradezu ein Paradebeispiel der Vogelwelt für Würde und Grazie. Auch der Keilschwanzadler wird dem Image eines vollendeten Jägers der Lüfte stets gerecht, ob er fliegt oder über seine Beute wacht. Ja, jeder dieser herrlichen Vögel ist wirklich ein Wunder der Schöpfung. Es ist uns daher ein Vergnügen, unsere Leser bekannt zu machen mit ...
dem farbenprächtigen Helmkasuar, dem Freund des Regenwalds
Der mit zwei Hautlappen am Hals versehene schöne Helmkasuar wiegt zwischen 30 und 60 Kilogramm und lebt als Einzelgänger in den saftig grünen Regenwäldern Nordostaustraliens und Neuguineas. Das 2 Meter große Weibchen ist stattlicher und — für Vögel höchst ungewöhnlich — farbenprächtiger als das Männchen; letzteres hält sich außerhalb der Brutzeit klugerweise nicht in ihrer Reichweite auf. Nach der Paarung legt das Weibchen ein Gelege mit glänzendgrünen Eiern an; doch dann kümmert es sich nicht mehr um das Gelege, sondern überläßt das Brüten und die Aufzucht dem Männchen. Es paart sich mit weiteren Männchen und hinterläßt jedem ein Gelege, um das sich das Männchen kümmern muß.
Allerdings geht die Abholzung der Wälder an den Helmkasuaren nicht spurlos vorüber. In dem Bemühen, die Zahl der Kasuare zu erhöhen, hat das Billabong-Reservat bei Townsville (Queensland) ein Programm zur Aufzucht in Gefangenschaft eingeführt, das vorsieht, die Tiere, wenn sie alt genug sind, auszuwildern. Obgleich die Kasuare Allesfresser sind, ernähren sie sich hauptsächlich von Früchten, die sie im ganzen verschlingen. Somit passieren Samen von über hundert Pflanzenarten unverdaut den Darmtrakt des Vogels und werden, eingebettet in nährstoffreiche Düngerklumpen, großzügig überall im Wald verteilt. Deshalb, so meinen fachkundige Naturschützer, spiele der Helmkasuar möglicherweise eine Schlüsselrolle unter den Arten und als Folge seines Verschwindens würden erheblich viele andere Arten aussterben. Kann der Vogel dem Menschen gefährlich werden?
Nur einem törichten Menschen, der ihm zu nahe kommt. In Wirklichkeit ist der Mensch für den Helmkasuar eine viel größere Bedrohung, als dieser jemals für den Menschen gewesen ist. Im dunklen Schatten des Regenwalds warnt einen der Vogel durch ein tiefes Brummen mit dem Kehlkopf, sobald man in seine Nähe gerät. Man sollte die Warnung ernst nehmen und nicht weitergehen. Höchstwahrscheinlich macht sich der Helmkasuar, dessen Kopf durch einen harten, helmartigen Aufsatz geschützt ist, dann durch das Unterholz davon. Treibt man ihn jedoch in die Enge, verletzt man ihn oder kommt man seinen Jungen zu nahe, könnte er angreifen.
Der Emu — Wanderer und Staatssymbol
Mit dem Helmkasuar eng verwandt, aber etwas größer ist der Emu, den man in den meisten Regionen des australischen Hinterlands vorfindet. Unter den Vögeln ist nur der Strauß noch größer. Der scheue Emu hat lange, kräftige Beine, mit denen er einen Spurt von über 50 Kilometern in der Stunde einlegen kann, und ebenso wie der Helmkasuar kann jeder Fuß drei gefährliche Krallen vorweisen. Im Gegensatz zu seinem seßhaften Verwandten zieht der Emu jedoch ständig umher und ist selten aggressiv. Er frißt so gut wie alles: Raupen, Kohlköpfe und sogar alte Stiefel. Nachdem das Weibchen seine dunkelgrünen Eier abgelegt hat — in der Regel sind es zwischen 7 und 10 Eier, doch mitunter auch 20 —, überläßt es, ebenso wie das Helmkasuarweibchen, das Ausbrüten und die Aufzucht dem Männchen.
Mit dem Eintreffen europäischer Siedler brachen für den Emu harte Zeiten an. Auf Tasmanien wurde er von den Siedlern innerhalb kürzester Zeit ausgerottet. Und auf dem Festland wurde er wegen seiner Vorliebe für Weizen als Schädling angesehen und zur Zielscheibe von Jägern, die eine Prämie einstreichen wollten. Obwohl die Tiere erbarmungslos abgeschlachtet wurden, konnte sich der Bestand an Emus erstaunlich gut behaupten, und zwar so gut, daß man dem Vogel 1932 in Westaustralien buchstäblich den Krieg erklärte. Die Regierung mobilisierte tatsächlich die Armee, die mit zwei Lewis-Maschinengewehren anrückte! Obgleich der Emu nicht gerade für seine Klugheit bekannt ist, gewann er jene Schlacht. Der „Krieg“ war eine Farce und eine politische Blamage; mit zehntausend Schuß wurden höchstens ein paar hundert Vögel erlegt. Aber im anschließenden Zermürbungskrieg konnten die Emus nicht länger standhalten, denn es waren Prämien auf sie ausgesetzt, und zudem belieferte die Regierung die Farmer kostenlos mit Munition.
Heute ist der Emu jedoch ein Staatssymbol. Auf dem Staatswappen Australiens sieht man ihn stolz einem Känguruh gegenüberstehen; und im australischen Busch kann er sich inzwischen wieder sicher bewegen. Sein schlimmster Feind ist die Dürre. Emus werden versuchsweise sogar gehalten und gezüchtet, weil sie ein breites Angebot an Produkten liefern: völlig fettfreies Fleisch, festes, haltbares Leder, Federn und Öl, das aus einem Fettpolster in der Brust des Vogels gewonnen wird. Dieses Fettdepot ist der Grund dafür, warum das Fleisch des Emus völlig fettfrei ist.
Tanzen wir gern?
Wir vielleicht nicht, aber der Brolgakranich ganz bestimmt. „Eine beliebige Anzahl [dieser grauen Kraniche], von einem Pärchen bis zu einem Dutzend“, heißt es in dem Buch The Waterbirds of Australia, „stellt sich in ihrem ‚Ballsaal‘ [am Wasser] lose einander gegenüber auf und eröffnet den Tanz. Sie tänzeln auf ihren stelzenhaften Beinen mit halbgeöffneten, flatternden Flügeln nach vorn. Sie verbeugen sich, verneigen ihren Kopf und laufen sanft glucksend und flötend vor und wieder zurück. Hier und da hält ein Vogel an, wirft seinen Kopf zurück und trompetet wie wild. Die Vögel können außerdem ziemlich hohe Luftsprünge machen und schweben dann mit ausgebreiteten schwarzgrauen Flügeln wieder zurück auf den Boden. Die Brolgakraniche werfen auch Stöckchen und Gräser in die Luft und versuchen, sie mit ihrem Schnabel aufzufangen oder danach zu picken.“ Eine hinreißende Vorführung, vor allem wenn man bedenkt, daß die Vögel 1 Meter hoch sind und eine Flügelspannweite von rund 2 Metern haben.
Viele Vogelarten führen während der Balzzeit kunstvolle Balzzeremonien vor, doch der Brolgakranich, einer der größten Kraniche, ist ein passionierter Tänzer, der das ganze Jahr über tanzt. Sein Name leitet sich sogar von einer Sage der Ureinwohner Australiens über eine berühmte Tänzerin namens Buralga ab. Sie wies die Annäherungsversuche eines bösen Zauberers zurück. Daraufhin verwandelte er sie in einen anmutigen Kranich.
Der Indien-Großstorch — Australiens einziger Storch
Als ein Vogel der Feuchtgebiete besiedelt der Indien-Großstorch die feuchtheiße Nord- und Ostküste Australiens. Der schlanke, 1,30 Meter große, farbenprächtige Indien-Großstorch ragt unter den unzähligen Vögeln der Feuchtgebiete heraus. Während er durch das Flachwasser schreitet, stößt er mit seinem langen, kräftigen Schnabel so kraftvoll ins Wasser, daß er mit seinen teilweise geöffneten Flügeln schlagen muß, um den Schwung abzufangen.
Und was für gewaltige Schwingen er hat! Gemütlich zieht der Indien-Großstorch mit ausgebreiteten Flügeln, die eine Spannweite von 2 Metern haben und deren Schwungfedern wie gespreizte Finger sind, seine Kreise, bis er nur noch ein kleiner Punkt am Himmel ist. Das Bild des sich in die Lüfte erhebenden Indien-Großstorchs, der sich mit seinen gewaltigen Schwingen, seinem langen Hals und den langen Beinen gegen den riesigen Feuerball der untergehenden Äquatorsonne abhebt, ist sogar zum beliebten Wahrzeichen der Feuchtgebiete Nordaustraliens geworden.
Der Keilschwanzadler — König der Lüfte
Nur einen Steinwurf weit entfernt von dem felsigen Gipfel eines Berges in Victoria ließ sich ein Adler von einem heftigen Sturm, der alle anderen Vögel am Himmel vertrieben hatte, ausgelassen treiben. Der Autor David Hollands war Augenzeuge dieser einmaligen akrobatischen Vorstellung. Er schrieb: „Der Adler schwebte dort praktisch regungslos und fühlte sich in dem wilden Treiben absolut wohl. ... Ich beobachtete, wie er sich fallen ließ, wobei er seine Flügel schloß, um senkrecht in die Tiefe zu stürzen. Er ließ sich hundert Meter tief fallen, ehe er seine Schwingen sanft öffnete und fast die ganze Höhe, die er beim Fall verloren hatte, wieder blitzschnell hinaufsegelte. ... Dann fing er sich mit einer halben Rolle ab, segelte immer höher hinauf und wiederholte seinen Sturzflug wieder und wieder, indem er wie in einer langen spannenden Schau auf dramatische Weise in die Talebene hinunter- und wieder hinaufschoß.“
Wegen seiner Flügelspannweite von 2,5 Metern und dem unverkennbaren keilförmigen Schwanz ist es unmöglich, diesen eleganten und kraftvollen König der Lüfte mit irgendeinem anderen Vogel am Himmel Australiens zu verwechseln. Seine Fänge können sich mit einer Kraft von drei Tonnen an etwas festkrallen! Eine Zeitlang hielt man es jedoch nur dann für „angebracht“, einen Keilschwanzadler zu beobachten, wenn man gleichzeitig mit dem Gewehr auf ihn zielte. Wie der mit ihm verwandte Weißkopfseeadler, der erbarmungslos getötet wurde, um die Lachs- und Pelzindustrie zu schützen, wurde der australische Adler gejagt, weil er hin und wieder ein Lamm riß. „Wenige Raubvögel in der Welt“, heißt es in dem Buch Birds of Prey, „wurden so intensiv gejagt wie der Keilschwanzadler ... Über 100 Jahre lang hielt man ihn für einen Schädling ..., und für jedes nachweislich erlegte Tier wurde eine Prämie gezahlt.“
Im Lauf der Jahre ließ man die Anschuldigungen gegen den Adler jedoch fallen. Man stellte fest, daß er sich hauptsächlich von Kaninchen und ab und zu von heimischen Tieren ernährte, wozu auch die Wallabys gehören, die gut doppelt so schwer sind wie er. Diese Erkenntnis brachte dem Adler endlich die Freundschaft des Menschen und gesetzlichen Schutz ein.
Ja, Vögel sind wirklich erstaunlich komplexe, wunderschöne Tiere und für das Leben auf der Erde unerläßlich. Dessen werden wir uns nach einer Weile möglicherweise bewußt, doch oftmals kommt die Einsicht zu spät, nämlich dann, wenn durch Habgier und Unkenntnis bereits Schaden angerichtet wurde. Aber es ist tröstlich zu wissen, daß wir auch heute noch das Glucken, Zwitschern, Pfeifen, Schnattern, Flöten, Quaken und Krähen am Himmel, in den Wäldern und in den Feuchtgebieten unseres wunderschönen Planeten hören können, sofern wir ein Ohr dafür entwickeln.
[Bilder auf Seite 16]
Helmkasuar
Brolgakranich
[Bildnachweis]
Links und unten: Australian Tourist Commission (ATC); oben Mitte und rechts: Billabong Sanctuary (Townsville, Australien)
[Bilder auf Seite 17]
Adler
Emu
Indien-Großstorch
[Bildnachweis]
Jungadler und Emukopf: Graham Robertson/NSW National Parks and Wildlife Service (Australien); fliegender Adler: NSW National Parks and Wildlife Service (Australien); Emu mit Jungen und Indien-Großstorch: Australian Tourist Commission (ATC)
[Bildnachweis auf Seite 15]
Links: Graham Robertson/NSW National Parks and Wildlife Service, (Australien); rechts: Australian Tourist Commission (ATC); oben: Billabong Sanctuary (Townsville, Australien)