Triumphierende Reine Anbetungs-Versammlung in Johannesburg
Bericht über die Reise in Afrika von N. H. Knorr, Präsident der Watch Tower Society
WIE in unserem früheren Bericht bemerkt, verbrachten Bruder Henschel und ich mehrere Tage im neuen Zweigbüro in Johannesburg und erteilten Rat und Anweisung für noch bessere Betreuung des Werkes. Darauf flogen am Montag, dem 8. Dezember, Bruder Phillips, der Zweigdiener oder Aufseher, und ich nach Windhuk, der Hauptstadt von Südwestafrika. Kaum 50 000 Europäer wohnen auf den 822 875 Quadratkilometern dieses Landes, das sich 1600 km weit der Küste entlangzieht. Im Süden ist die Hauptbeschäftigung Schafzucht (karakul) und im Norden Viehzucht. Das Land ist sehr reich an Mineralien, was erst jüngst erkannt worden ist, und so ersetzt der rasch wichtiger werdende Bergbau die Schaf- und Rinderzucht.
Die Leute dort sind selbstzufrieden und gleichgültig. Da sie viel von den Gütern dieser Welt besitzen, sind sie nicht geneigt, nach einer neuen Welt auszublicken. Viel Literatur wird in den drei Hauptsprachen, Englisch, Afrikaansch und Deutsch, verbreitet. Da Südwestafrika vor 1914 eine deutsche Kolonie gewesen ist, herrscht der deutsche Einfluß vor.
Windhuk selbst ist eine Stadt von etwa 10 000 Europäern und ebenso vielen Afrikanern. Windhuks heiße Quellen, welche die Leute zuerst an diesen Ort hinlockten, liefern fast alles Trinkwasser für diese Stadt, und das warme Wasser direkt aus den Röhren lädt viele zu einem Bade ein. Das Klima ist im ganzen genommen gesund, und Windhuk erfreut sich während des ganzen Jahres eines idealen Wetters.
Drei Missionare haben dort fast drei Jahre gewirkt, und bei dieser ihrer ersten Versammlung konnten sie die Früchte ihrer Arbeit sehen. Nur zehn besuchten die allgemeinen Zusammenkünfte unserer Versammlung. Es war gleich, wie wenn man sich mit einigen vertrauten Freunden trifft und von Herz zu Herz mit ihnen spricht. An Zahl zwar nicht ihrer viele, kamen sie doch aus großen Entfernungen zur Versammlung. Alle diese waren Männer. Etwas, was mangelt, sind genügend Bibelstudien durch Missionare und Teilzeit-Verkündiger. Vielleicht mag es sein. daß sich die Frauen deshalb etwas scheu vom Werke zurückhalten, weil noch keine Schwestern zur Gruppe gehören. Am Abend erschienen 25 Personen zum öffentlichen Vortrag, und die Missionare erkannten die meisten davon als solche, die sich für die Botschaft interessieren. Da die Leute oft nicht gern in das Haus eines anderen gehen, wurden Anstalten getroffen, einen Königreichssaal zu beschaffen und dort wöchentliche Versammlungen abzuhalten.
Die Leute in diesem Gebiet sind sehr ehrlich. Die Missionare berichteten uns, daß sie weder Fenster noch Türen verschließen. In den vergangenen zwei Jahren konnten sie ihre Fahrräder ruhig draußen stehen lassen. Ja, es gibt Leute, die sich mehrere Wochen lang in die Ferien begeben und daheim ihre Türen offen lassen. Dies ist bestimmt außergewöhnlich.
Am Mittwoch, dem 10. Dezember, fuhren wir nach Pretoria, der Hauptstadt, und besuchten das Departement für die Angelegenheiten der Einheimischen. Aus einem Grunde, der uns noch nicht bekannt ist, hat die Regierung es nicht für passend erachtet, die Watch Tower Bible and Tract Society oder Jehovas Zeugen als eine religiöse Körperschaft anzuerkennen. Während dadurch die Weiterführung des Werkes nicht verhindert wird, beeinträchtigt es doch in bemerkenswertem Maße den afrikanischen Teil des Werkes, das Jehovas Zeugen tun. Oft sind die besonderen Reisevertreter der Gesellschaft verhindert, in den geschlossenen Siedlungen (compounds) Zusammenkünfte zu veranstalten oder Vorträge abzuhalten, weil die Gesellschaft nicht als eine religiöse Körperschaft anerkannt oder eingetragen ist. Vor einigen Jahren wurde der Regierung ein Gesuch unterbreitet, die Gesellschaft anzuerkennen, aber keine Maßnahmen erfolgten, und so baten wir die Behörden, die Sache von neuem zu erwägen. Wir konnten ihnen ein gutes Zeugnis von der Wahrheit, von unserem Glauben und Werk geben.
IN EINHEIT VERSAMMELT
Das nächste große Ereignis unseres Besuches in Südafrika war die Versammlung „Triumphierende Reine Anbetung“, die im Wembley-Stadion in Johannesburg stattfand. Der hervorragendste Teil daran war, daß Europäer, Nichteuropäer und Afrikaner in Frieden und Harmonie zusammenkommen konnten. Es gab keinen Tumult und keine Mißverständnisse. Die für das Wembley-Stadion Verantwortlichen waren wirklich überrascht darüber, wie gut die drei Gruppen von Menschen zusammen auskamen und wie gut sich Leute von verschiedenen afrikanischen Stämmen vertrugen.
Natürlich mußten wir die Rassentrennung (Apartheid) berücksichtigen. Die Europäer befanden sich auf einer Tribüne direkt vor dem Podium. Die Nichteuropäer hatten ihre Abteilung seitwärts davon. Die Afrikaner hielten den größeren Teil der Tribünen auf der abgelegenen Seite besetzt. Was uns dabei fröhlich stimmte, war, daß wir alle im gleichen Stadion Jehova im Schmucke heiliger Ordnung zusammen anbeten konnten. Wir mußten einer schon früher festgesetzten Veranstaltung am Freitag abend weichen, und so wurde das Programm jenes Abends um einen Tag vorverlegt, weshalb der Kongreß in Wirklichkeit am Donnerstag abend begann und am Sonntag abend, dem 14. Dezember, zu Ende kam.
Wahrscheinlich lag das größte Problem, diesen Kongreß in Gang zu bringen, darin, für die afrikanischen Brüder, die in Natal und Zululand wohnen, Pässe zu beschaffen. Sie brauchten Auslandspässe, um ihr eigenes Land verlassen zu können und, wenn sie über achtzehn Jahre zählten, auch Erlaubnisscheine, um die Stadt Johannesburg zu betreten und mehr als drei Tage dort zu weilen. Es wurde möglich, alle afrikanischen Brüder, die sich die Reise leisten konnten, mit solchen Pässen und Erlaubnisscheinen zu versehen.
Der öffentliche Vortrag wurde in Zulu und Englisch bekanntgemacht, und anläßlich der Versammlung wurde zu allen Brüdern in den Sprachen gesprochen, die sie verstanden. Die Willkommansprache war etwas Außergewöhnliches. Bruder Bartlett sprach in Englisch zu den, Europäern. Zehn Minuten später sprach Bruder McLuckie in Afrikaansch. Dann folgte Bruder Ngobese, der vom selben Rednerpodium aus in Zulu sprach, jedoch sein Angesicht der großen Menge der afrikanischen Brüder auf der anderen Seite des Stadions zuwandte. Alle drei Ansprachen wurden mit Begeisterung aufgenommen, wobei sich die Europäer dem Beifall anschlossen, als der Redner zu den afrikanischen Brüdern sprach. Bestimmt herrschte in dieser Versammlung Einheit des Geistes.
Soweit es die Europäer betrifft, hörte man sie oft abwechselnd in Afrikaansch und Englisch sprechen. Somit wurde dies auch vom Podium aus getan. Bisweilen führte der Vorsitzende den nächsten Redner in Englisch ein, worauf dieser in Afrikaansch sprach. Im ganzen Programm wurden diese zwei Sprachen ineinander verflochten, und bisweilen wurden Zulu und Sesuto benutzt.
Am Donnerstag abend sprach Bruder Henschel zur Versammlung. Seine Ansprache wurde in Zulu übersetzt, so daß alle Kongreßbesucher ihn verstehen konnten. Seine Worte wurden mit echter Freude und Begeisterung aufgenommen. Von den 3 492 Personen, die um diese Zeit anwesend waren, waren 2 126 Afrikaner, 140 Nichteuropäer und 1 226 Europäer.
Die Versammlung am Freitag morgen wurde in der Hauptsache den afrikanischen Brüdern gewidmet, da die europäischen in den Felddienst zogen. Um elf Uhr sprach ich zum erstenmal zum Kongreß, und zwar durch Dolmetscher der Zulu- und Sesuto-Sprache. Die Reife wurde hervorgehoben. Es wurde ihnen die dringende Notwendigkeit gezeigt, lesen und schreiben zu lernen und die Vorteile zu erkennen, sich selbst eine Erkenntnis anzueignen, statt von anderen abhängig zu sein. Sie hörten aufmerksam zu.
Bei Regen oder Sonnenschein mußten die afrikanischen Brüder auf dem Kongreßgelände gespeist werden. Ihre Kost war einfach: ein gekochtes Maisgericht (Polenta) und Fleisch und Soße. Jeder brachte seine Pfanne oder Schüssel mit. Geduldig standen sie Schlange, darunter viele Frauen mit Kleinen auf dem Rücken. Als es regnete, standen etliche ohne Murren eine Stunde lang Schlange, bis sie bedient werden konnten. Für jeden Anwesenden war dies eine Lektion in Geduld und Wertschätzung für das, was für sie getan wurde.
Die vier Kongreßtage verflossen schnell. Die verschiedenen Redner, Glieder des Zweigbüros, Gileadmissionare und reisenden Vertreter hielten eine vorzügliche Ansprache nach der anderen. Wer eine Sprache nicht verstand, saß geduldig da und hörte zu, wohl wissend, daß viele andere mit geistiger Nahrung gespeist und für weiteren Dienst und wahre Anbetung gestärkt werden mußten. Bis Samstag abend waren 5 441 Personen anwesend, und an jenem Abend fand um sechs Uhr die Taufe statt. Es wurden insgesamt 339 untergetaucht. Obwohl während der vier Tage viel Regen fiel, waren die Brüder alle sehr freudig, und es gab genügend bedeckte Teile der Tribünen, damit alle einen trockenen Platz haben konnten.
Am Sonntag morgen fand zum Nutzen jener, die Zulu sprachen, der öffentliche Vortrag über das Thema statt: „Es ist an der Zeit, Gottes Weg zu betrachten.“ Er war weit und breit bekanntgemacht worden und wurde für die 5 094 Personen, die trotz starkem Regen an jenem Morgen anwesend waren, übersetzt. Um 16 Uhr wurde derselbe öffentliche Vortrag nur in Englisch gehalten, und 2 173 weitere Leute waren da. Weil alle, die ihn am Morgen gehört hatten, auch am Nachmittag dablieben, um ihn nochmals zu hören, waren insgesamt 7 267 Europäer, Nichteuropäer und Afrikaner zugegen.
Wer die Einheit und den guten Geist unter allen Gliedern des Volkes Jehovas sah, möchte wünschen, daß die Regierungsbeamten, die eine große Furcht haben, daß das Predigen der guten Botschaft vom Königreich in ihren Protektoraten Schaden stifte, dort gewesen wären, um die Einigkeit, den Frieden und die Einheit des Geistes zu beobachten. Dann hätten sie keine Ursache mehr, besorgt zu sein. Unser Auftrag von Jehova ist, das Evangelium vom Königreich zu predigen, dem Volk hohe moralische Lebensrichtlinien beizubringen und ihm zu zeigen, wie es die wahre Anbetung des Schöpfers, Jehovas Gottes, durchführen kann.
BERICHT VON OST-TRANSVAAL
Zu den vielen interessanten Erfahrungen, die die reisenden Vertreter der Gesellschaft (Bezirksdiener) berichteten und die den Fortschritt des Werkes unter den Afrikanern anzeigen, gehörte die folgende:
„Mit dem Zuge traf ich auf der nächsten kleinen Station ein, und auf einem Lastwagen fuhr ich 20 km weit zum Bergwerk hinaus. Nicht nur etwa zwanzig afrikanische Brüder warteten begierig auf mich, sondern die Nachricht von meiner Ankunft war auch zu den europäischen Behörden gedrungen. Statt daß man aber lange Erklärungen über unsere Beweggründe oder unser religiöses Werk von mir forderte, wurde mir zu meiner Überraschung mitgeteilt, daß ich ungehindert die geschlossene Siedlung betreten und jeden Abend im beleuchteten Freilichttheater Vorträge halten dürfe. Die Leitung stellte mir einen hübschen Bungalow zur Verfügung sowie das Essen in der Kantine. Warum diese freundliche Einstellung? Die ‚Wachtturm-Jungens‘ hatten durch ihr gutes Werk, ihre Reinlichkeit und ihren Gehorsam das Vertrauen der Europäer erworben.
Statt daß wir also die Ansprache über die Art und Weise der Durchführung des Evangeliumsdienstes in der Hütte des vorstehenden Evangeliumsdieners oder außerhalb der Siedlung im ‚Königreichssaal‘ (bestehend aus einigen Reihen reingewaschener Steine in einer Lichtung im Busch) abhielten, sprachen wir im Freilichttheater. Unsere Freude war groß, als 202 uneingeladen herkamen, um zu hören, wie die reinen Anbeter alle ihnen noch anhaftenden Spuren eines heidnischen Lebens beseitigen und als Glieder der Neuen-Welt-Gesellschaft leben und dienen. Viele blieben nach der Versammlung da, um Fragen zu stellen, und versprachen, mit ihren Freunden zum öffentlichen Vortrag am folgenden Tage wiederzukommen.
Nach sengender Sonne brachte der Mittwoch abend Erfrischung, und im lieblichen Mondenschein, der auf dieser abgelegenen Bergwerkslandschaft ruhte, kamen 354 zum öffentlichen Vortrag. Dieser lockte so viele herbei, weil er in die Shangaan-Sprache übersetzt wurde, die von den meisten Bewohnern der Siedlung gesprochen wird.
Bei der Eröffnung der Kreisversammlung am Freitag abend übertraf die Zahl der anwesenden Menschen guten Willens bei weitem die Zahl der wenigen Zeugen Jehovas, die aus den verschiedenen kleinen Versammlungen des Kreises hergekommen waren. Die freundlichen Jungens der Siedlung lauschten den Vorträgen und Demonstrationen aufmerksam, und die Zahl der 400 vom Freitag abend wuchs bis Samstag abend auf über 550 an.
Der öffentliche Vortrag am Sonntag war gründlich bekanntgemacht worden. Statt aber um 15 Uhr eine erwartungsvolle Zuhörerschaft vorzufinden, fanden wir eine heulende Rotte afrikanischer Tänzer, darunter lokale Talente und Besucher aus einem Nachbarbergwerk. Welch ohrenbetäubenden Lärm bereitete doch das Stampfen der Füße, das Wirbeln der Trommeln, die schrillen Pfiffe! Der „Vorsteher-Bursche“ der Siedlung wollte uns das Theater zur Benutzung wohl überlassen, konnte aber die Tänzer und Zuschauer nicht wegtreiben. Wir zogen uns in den Königreichssaal in den Busch zurück und hofften, daß wir bis zur Zeit, da unsere kurzen Schlußansprachen beendet sein sollten, das Theater für den öffentlichen Vortrag wieder benutzen könnten.
Um 17 Uhr war es dem ‚Vorsteher-Burschen‘ gelungen, die Tänzer anderswohin in der Siedlung zu senden, und 707 lauschten unserer öffentlichen Ansprache trotz allem Lärm und fernem Trommelwirbel. Alles ging ganz gut, bis wir etwa in der Hälfte des Vortrages das zunehmende Getöse hörten, das die Rückkehr der jetzt gänzlich besessenen Tänzer anzeigte. Bald erschienen Schwärme leichtgekleideter, schweißbedeckter Afrikaner, die berauscht waren vom hämmernden Rhythmus. Unter wilden Sprüngen kamen sie direkt auf uns zu, mit hervorquellenden, stierenden Augen, den Speer in ihrer Rechten nach vorn richtend, den Lederschild in ihrer Linken. Welche Sensation, als ein Teil der tollen Menge durch den engen Raum zwischen mir und der Zuhörerschaft vorstieß!
Wir mußten die Ansprache unterbrechen, als sie um das Theatergebiet kreisten und ihr Tanz den Höhepunkt erreichte. Fünf Minuten später, als diese Besuchergruppe sich verzogen hatte und der Lärm langsam nachließ, setzten wir den Vortrag fort. Noch lange nach Schluß unserer Versammlung waren wir damit beschäftigt, mit den vielen Neuinteressierten zu sprechen, die begeistert und glücklich waren über ihr Bekanntgemachtwerden mit der guten Botschaft von Gottes herrlicher neuer Welt. Alle Brüder waren überaus dankbar, daß Jehova uns so gesegnet und zu all den Vorkehrungen für unsere Kreisversammlung solches Gelingen geschenkt hatte.“
In der Tat zeigen Erfahrungen wie diese, welche Ausdehnung in Südafrika vor sich geht. Die Errichtung des neuen Bethelheimes in Elandsfontein ist ein weiteres Anzeichen, daß Jehovas Segen auf dem Werk ruht. Die Freuden der Versammlung „Triumphierende Reine Anbetung“ im Wembley-Stadion zeigen es. Und unsere südafrikanischen Brüder, die auf Zunahme hinarbeiten, gehen voran — zu Tausenden!
Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses Jehovas feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel; und alle Nationen werden zu ihm strömen. Und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt und laßt uns hinaufziehen zum Berge Jehovas, zum Hause des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln in seinen Pfaden. — Jes. 2:2, 3.
[Karte auf Seite 397]
(Genaue Textanordnung siehe gedruckte Ausgabe)
Süd-Atlantischer Ozean
SÜD-WEST AFRIKA
Windhuk
BETSCHUANALAND
TRANSVAAL
Pretoria
Johannesburg
ORANJE-FREISTAAT
BASUTOLAND
NATAL
Zululand
SWASILAND
KAP DER GUTEN HOFFNUNG
Kapstadt
Indischer Ozean